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Archiv "Pathophysiologie der endogenen Psychosen" (10.03.1988)

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Pathophysiologie der endogenen Psychosen

12. Interdisziplinäres Forum

„Fortschritt und Fortbildung in der Medizin"

Januar 1988, Köln - Thema VII

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

tentumoren, oder der Berechnung des Schilddrüsenvolumens nachwei- sen ließ.

Diskussion

Der Grund für unsere positiven Erfahrungen mit dem Computer liegt zunächst darin, daß wir in der Lage waren, das Programm nach un- seren eingangs genannten Wünschen zu gestalten, aber auch in den allge- mein anerkannten Vorteilen wie schneller, sauberer Arbeitsweise, Übernahme personalintensiver Rou- tinearbeit und extremer Erleichte- rung statistischer Auswertungen.

Dazu kam eine erhebliche Verbesse- rung der Befundgenauigkeit.

Die nächsten Schritte wären die Ermittlung von Diagnosen aus Des- kriptionen und der Vergleich physi- kalischer Meßgrößen, etwa der Fre- quenzanalyse, mit Meßgrößen von histologisch gesicherten Diagnosen.

Die Ermittlung aus der Deskription erscheint uns nur im Verbund mit anderen Untersuchungsverfahren, wie zum Beispiel der Computerto- mographie, der Kernspintomogra- phie oder der Szintigraphie sinnvoll.

Dann dürften von allen Verfah- ren lediglich Beschreibungen an den Computer gehen, der dann die (Wahrscheinlichkeits-)Diagnose stellt.

Durch die nachträglich eingege- bene gesicherte Diagnose kann ein Programm lernen, eine bestimmte Kombination von Beschreibungen mit der richtigen Diagnose zu verse- hen beziehungsweise nicht ein zwei- tes Mal mit der falschen Diagnose zu verknüpfen. Der Computer könnte so einen umfangreichen Erfahrungs- schatz sammeln und zur Diagnose- findung beitragen.

Anschrift für die Verfasser:

Privatdozent

Dr. med. Norbert Heyder

Medizinische Klinik mit Poliklinik Universität Erlangen-Nürnberg Krankenhausstraße 12

8520 Erlangen

In der Psychiatrie haben sich vor allem seit Mitte der 70er Jahre er- hebliche Veränderungen vollzogen.

Eine der wichtigsten ist, die Verbes- serung der Versorgung der Patien- ten in den Landeskliniken, psychia- trischen Abteilungen an Allgemein- krankenhäusern und auch in der Praxis. Die Zahl der Psychiater ist gestiegen. Außerhalb der stationä- ren Behandlungsmöglichkeiten sind viele komplementäre Einrichtungen (Tageskliniken, Nachtkliniken, Werkstätten für angepaßte Arbeit, Wohngemeinschaften, Patientenfir- men) geschaffen worden, die eine gemeindebezogene Betreuung von psychisch Kranken und geistig Be- hinderten ermöglichen. Es ist zu be- tonen, daß gerade sozialpsychiatri- sche Fortschritte durch therapeuti- sche Errungenschaften der Psycho- pharmakologie möglich gemacht wurden. Die psychopharmakologi- sche Forschung im engeren Sinne so- wie die biologisch-psychiatrische Forschung haben zu einer Reihe von Erkenntnissen geführt, die für die Diagnostik und Therapie der endo- genen Psychosen (manisch-depressi- ve Erkrankungen, Schizophrenien, schizo-affektive Psychosen) von Wichtigkeit sind. Ein weiterer gro- ßer Fortschritt ist darin zu sehen, daß die früher nicht seltene Unver- söhnlichkeit der Standpunkte zwi- schen psychodynamisch beziehungs- weise naturwissenschaftlich tätigen Psychiatern kaum noch besteht.

„Psychiker" können sich heute mit

„Somatikern" wesentlich besser verständigen, beide Gruppen sehen den jeweils anderen Standpunkt als eine legitime Ergänzung eigener Be- funde und Auffassungen an.

Störungen

der Hirnstruktur

1111111111■

Im Rahmen des psychiatrischen Themas des Fortbildungsforums der Bundesärztekammer konzentrierten sich Referenten und Diskutanten auf schizophrene Psychosen als Beispiele endogen-psychotischen Krankseins. Dr. Bernhard Bogerts von der Rheinischen Landesklinik — Psychiatrische Klinik der Universität Düsseldorf führte als neuropatholo- gisch arbeitender Psychiater aus, daß die Erforschung von Hirnstruk- tur und Hirnfunktion an schizophre- nen Patienten mittels neuer bildge- bender Verfahren (Computertomo- graphie, Kernspintomographie, Po- sitronenemissionstomographie), mit elektrophysiologischen Verfahren (Elektroenzephalographie , evozier- te Potentiale) und die Untersuchun- gen an den Gehirnen Verstorbener ergeben, daß zumindest bei einer wichtigen Untergruppe schizophren Erkrankter Strukturen und Funktio- nen des Stirnhirns und Schläfenhirns gestört sind. Offenbar bestehen hier vorgegebene Orte einer besonderen Verletzlichkeit (Vulnerabilität), an denen erlebnisbedingte Belastungen wirksam werden und schizophrene Psychosen in Erscheinung treten las- sen können. Auch neuere testpsy- chologische Daten bestätigen diese Befunde hirnregional begrenzter Funktionsdefizite bei schizophrenen Patienten.

Es wurde vom Referenten ge- sagt und in der Diskussion mit dem Auditorium ebenfalls als bedeutsam angesehen, daß von der biologischen Psychiatrie die Wichtigkeit erlebnis- A-598 (58) Dt. Ärztebl. 85, Heft 10, 10. März 1988

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reaktiver Faktoren für das Zustan- dekommen psychotischer Erkran- kungen betont wurde. Vor dem Hin- tergrund der besonderen Vulnerabi- lität schizophrener Patienten wurde die Bedeutung der psychagogischen Belastungsregulierung für diese Kranken klar herausgearbeitet. Es ergab sich Übereinstimmung hin- sichtlich der Wichtigkeit einer ent- sprechenden Gestaltung der außer- stationären Nachbehandlung und der Regelung der Lebensverhältnis- se in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt bzw. niedergelassenen Nervenarzt.

Wirkungen

der Neuroleptika

Amok

Priv. Doz. Dr. Mathias Bartels, Tübingen, gab einen zusammenfas- senden Überblick über die neurolep- tisch bedingten Veränderungen der motorischen Funktionen. Als wich- tigste derartige Störungen wurden das medikamentös bedingte Parkin- sonoid, die akuten Dyskinesien, die Akathisie und die späten extrapyra- midalen Hyperkinesen (Spätdyski- nesien) genannt. Bartels beschrieb die Erscheinungsweisen der ver- schiedenen Störungen in klarer, pra- xisgerechter Weise. Es wurde deut- lich, daß der neuroleptisch bedingte Parkinsonismus zwar durch ein An- ticholinergikum (zum Beispiel Bipe- riden = Akineton®) in vielen Fällen günstig beeinflußt werden kann, die Abhängigkeit erzeugende Potenz der Anticholinergika muß jedoch beachtet werden. Dyskinetische Re- aktionen sind vor allem bei der An- wendung hochpotenter Neurolepti- ka nicht selten, die akute Situation kann durch die intravenöse Injek- tion von 1-2 ml Biperiden (Akine- ton®) beherrscht werden. Die durch die Unfähigkeit des Patienten zum Stillsitzen und zum Ruhighalten der Beine gekennzeichnete Akathisie ist häufig Grund für den Abbruch einer notwendigen neuroleptischen Dau- erbehandlung durch den Patienten.

Danach eintretende psychotische Rückfälle sind auf diese Weise auf eine neuroleptische Nebenwirkung zurückzuführen. Die Gabe eines

Benzodiazepinderivats (Lorazepam

= Tavor®) kann die Akathisie bes- sern. Auf die Abhängigkeitsgefahr ist auch in diesem Zusammenhang zu achten.

Späte Hyperkinesen (Schmatz-, Kau- und Zungenwälzbewegungen, choreiforme Bewegungen der Extre- mitäten, Haltungsanomalien, rhyth- mische Bewegungen des Rumpfes) treten in der Regel nach drei bis sechsjähriger neuroleptischer Be- handlung auf, die Inzidenz wird auf etwa 6 Prozent bis 10 Prozent ge- schätzt. Bei älteren Patienten er- reicht sie Werte von 30 Prozent. An- ticholinergika (Antiparkinsonmittel) sind wegen Verschlimmerung des Zustandes kontraindiziert. Die Um- setzung von einem klassischen Neu- roleptikum auf Clozapin (Lepo- nex) wird sehr häufig von einer Besserung der späten Hyperkinesen gefolgt.

In der Diskussion wurde die Notwendigkeit der nebenwirkungs- geleiteten Therapie (Heinrich) ein- hellig betont. Es bestand Einmütig- keit zwischen Referenten und Audi- torium, daß die Dosierung so niedrig wie nur möglich gehalten werden muß. Prof. Dr. Waltraut Kruse, Aachen, und Dr. Jürgen Hans Kretschmar, Mettmann, nahmen als eingeladene Diskutanten besonders intensiven Anteil an der Ausspra- che. Sie wiesen vor allem auf die Be- einträchtigungen neuroleptisch be- handelter Patienten in Familie und Beruf durch die von Bartels geschil- derten motorischen Störungen hin.

Projekt .AMÜP

Über die wichtigen Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft für Neuro- Psychopharmakologie und Pharma- kopsychiatrie (AGNP) zur Regi- strierung unerwünschter Arzneimit- telwirkungen (UAW) berichtete Prof. Dr. Bruno Müller-Oerlinghau- sen, Berlin. Seit 1978 wurde mit fi- nanzieller Unterstützung des Bun- desgesundheitsamtes ein multizen- trisches Projekt zur „Arzneimittelü- berwachung in der Psychiatrie"

(AMÜP) organisiert, an dessen Durchführung vor allem die Psychia- trischen Universitätskliniken Berlin,

Göttingen und München beteiligt sind. Bis jetzt sind etwa 20 000 sta- tionäre psychiatrische Patienten in dieses Projekt einbezogen worden, davon etwa 5 Prozent mittels des Sy- stems der sogenannten Intensiver- fassung. In den letzten Jahren ka- men zunehmend auch Patienten im ambulanten Bereich hinzu. Die AMÜP-Gruppe erfaßt nicht nur un- erwünschte Arzneimittelwirkungen, sondern auch Fakten des Arzneimit- telmißbrauchs und der Arzneimittel- abhängigkeit. Außerdem wird die genaue Registrierung des Psycho- pharmakaverbrauchs angestrebt.

Müller-Oerlinghausen wies un- ter anderem auf das Problem der neuroleptikabedingten Agranulozy- tosen sowie auf die Häufigkeit von Krankenhausaufnahmen aufgrund von Neuroleptika-Überdosierung (0,63 Prozent aller Aufnahmen) hin.

Das AMÜP-Projekt ist in Europa einzigartig, es hat keine Parallele in vergleichbaren Ländern. Es ist von besonderer Bedeutung, daß es einer Initiative der Ärzteschaft entspringt.

Die von Müller-Oerlinghausen angegebenen Daten wurden mit gro- ßem Interesse zur Kenntnis genom- men und diskutiert. Sie erlauben ei- ne rationale Therapieplanung unter größtmöglicher Schonung des Pa- tientenbefindens. Es wurde deut- lich, daß unsere Kenntnisse über Psychopharmakanebenwirkungen als Ergebnis prospektiv geplanter Untersuchungen erheblich zuge- nommen haben.

Insgesamt zeigte sich, daß neue Forschungsergebnisse der biologi- schen Psychiatrie unmittelbar in die Praxis umgesetzt werden können.

Die spezifische Vulnerabilität des schizophrenen Kranken war in den Diskussionen ein ständig wiederkeh- rendes Thema, es ergab sich daraus für die psychopharmakologische Therapie und für die psychagogische Führung die Wichtigkeit des vulne- rablitätsbezogenen ärztlichen Vor- gehens.

Prof. Dr. med. Kurt Heinrich Leitender Arzt der Rheinischen Landesklinik — Psychiatrische Klinik der Universität Bergische Landstraße 2 4000 Düsseldorf 12 A-600 (60) Dt. Ärztebl. 85, Heft 10, 10. März 1988

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