• Keine Ergebnisse gefunden

Langfristiger Lernprozess

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Langfristiger Lernprozess"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

83

Sport und Rassismus | Sport et racisme | Sport e razzismo Der Sport als Instrument der Sozialisierung und Integration?Le sport, outil de socialisation et d’intégration ? Lo sport: un mezzo di socializzazione e integrazione?

Jenny Adler Zwahlen, Siegfried Nagel, Torsten Schlesinger | Langfristiger Lernprozess | 6/2018 | TANGRAM 41

die sozialen Faktoren, welche die individu- elle Entscheidungsfindung bezüglich einer Vereinsmitgliedschaft beeinflussen, zu be- rücksichtigen. Im Rahmen der Studie wurde zwischen folgenden Referenzebenen diffe- renziert:

1. Auf organisationaler Ebene sind jeweils die vereinsspezifischen Strukturbedingungen mit Blick auf deren Integrationsfähigkeit zu beleuchten.

2. Auf interaktionaler Ebene sind vereins- spezifische Interaktionskontexte hinsichtlich sozialer Ausgrenzungspraktiken zu analysie- ren.

3. Die Ebene Individuum berücksichtigt, dass die soziale Einbindung in den Vereins- sport eine Konsequenz individuellen Wahl- verhaltens sowie kultureller Selbstverortung darstellt.

Aufgrund der Komplexität des Forschungs- gegenstandes wurden sowohl quantitative als auch qualitative Analyseverfahren im Rahmen von Fallstudien (n = 36 Sportvereine) ange- wendet. In der quantitativen Teilstudie wur- den sowohl vereinsspezifische Strukturdaten als auch Individualdaten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshin- tergrund erhoben und miteinander in Bezie- hung gesetzt. In der qualitativen Teilstudie erfolgten in ausgewählten Sportvereinen ver- tiefende Analysen vereinsspezifischer Interak- tionskontexte mit Blick auf soziale Grenzzie- hungspraktiken.

Ausgewählte Befunde

Die Sportvereine in unserer Studie erfüllen zum grossen Teil die zugeschriebenen Integ- rationsansprüche (Swiss Olympic, 2015). Denn insgesamt sind einheimische und immigrierte Mitglieder in Sportvereinen in breitem Um- fang gut sozial integriert. Wir stellten dabei keine Unterschiede zwischen Immigrierten der dritten Einwanderungsgeneration und Einheimischen fest. Zudem ist hervorzuheben:

Soziale Integration in Sportvereinen ge- schieht nicht von selbst. Es braucht fördern- de Bemühungen von allen Seiten. Das Projekt

«Integration von Menschen mit Migrations- hintergrund in Sportvereinen» nahm Erfolgs- faktoren und Barrieren unter die Lupe.

Ein Blick auf die Struktur der Aktiven im Schweizer Sport und von Mitgliedern in Schweizer Sportvereinen zeigt, dass Men- schen mit Migrationshintergrund deutlich weniger repräsentiert sind, als es ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung erwarten liesse (Fi- scher et al., 2010; Lamprecht et al., 2014). Dies lässt durchaus Zweifel am Integrationsan- spruch des organisierten Sports aufkommen, obschon das im Jahr 2007 vom Bund verab- schiedete Massnahmenpaket zur «Förderung der Integration von Ausländerinnen und Aus- ländern» die hohe Bedeutung des Sports als soziales Setting im Rahmen der Integrations- politik unterstreicht (BFM, 2008, 1-4).

Vor dem Hintergrund dieser Problem- stellung verfolgte die Studie «Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Sportvereinen» folgende Leitfragen: 1. Wel- che Faktoren spielen für die dauerhafte Betei- ligung/Bindung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund am Vereinssport eine Rolle, und inwiefern erfolgt über die rein formale Mitgliedschaft hinaus auch eine soziale Integration in den Verein? 2.

Wie gehen Sportvereine mit dem Thema Inte- gration um, und inwieweit begünstigen oder behindern bestimmte Strukturbedingungen von Sportvereinen Integrationsprozesse?

Theoretisch-methodisches Vorgehen Um die Mechanismen gelingender Integ- ration von Menschen mit Migrationshinter- grund in den organisierten Sport analysieren zu können, sind einerseits die Strukturgege- benheiten von Sportvereinen, andererseits

Langfristiger Lernprozess

Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Sportvereinen

Jenny Adler Zwahlen, Siegfried Nagel, Torsten Schlesinger

source: https://doi.org/10.24451/arbor.11038 | downloaded: 14.2.2022

(2)

84

Sport und Rassismus | Sport et racisme | Sport e razzismo Der Sport als Instrument der Sozialisierung und Integration? Le sport, outil de socialisation et d’intégration ? Lo sport: un mezzo di socializzazione e integrazione?

TANGRAM 41 | 6/2018 | Jenny Adler Zwahlen, Siegfried Nagel, Torsten Schlesinger | Langfristiger Lernprozess

de Sport- und Freizeitangebote im Sportver- ein können sehr wohl die Chancen der gleich- berechtigten Einbindung reduzieren.

Fazit

Unsere Empfehlungen zur (Weiter-)Ent- wicklung der Integrationsarbeit in Sportverei- nen lehnen sich neben den Studienresultaten an Überlegungen der Sportvereinsforschung sowie der «Cultural-Diversity»-Perspektive an.

Eine umfassende Einbindung in Sportvereine wird für Mit- glieder mit Migrationshinter- grund dann möglich, wenn Sportvereine aktiv den gleich- berechtigten Zugang zu sol- chen Interaktionsgelegenhei- ten ermöglichen, die alle vier Schlüsselbereiche der sozia- len Integration (Interaktion, Platzierung, Kulturation und Identifikation) stärken. Hier- bei gibt es keinen «goldenen»

Weg. Vielmehr wird nahege- legt, bei Integrationsaktivitä- ten sowohl die Partizipation und Mitsprache der immig- rierten Mitglieder zu fördern, als auch immer wieder ihre Bedürfnisse ken- nenzulernen. Dabei sind zunächst individuell für jeden Sportverein die Ausgangslage sowie relevante Handlungsfelder zu analysieren, darauf aufbauend ist eine zielführende Stra- tegie zu entwickeln, anhand derer Integrati- onsmassnahmen abgestimmt und umgesetzt werden können (z.B. bezogen auf Machbar- keit, Dringlichkeit, konkrete Probleme).

Integrationsaktivitäten setzen seitens Mit- wirkender die Motivation und Bereitschaft voraus, für Anpassungsprozesse einen Mehr- aufwand zu leisten. Denn die interkulturelle Öffnung ist für den Sportverein mit einem langfristigen und ganzheitlichen Lernprozess Wenn Sportvereine schwer erreichbare und

eher selten im organisierten Sport involvierte Bevölkerungsgruppen, wie weibliche Immig- rierte und speziell aus dem süd-/südost- und osteuropäischen Raum als Mitglied haben, dann sind diese ähnlich häufig sportaktiv und sozial integriert wie ihre einheimischen Sport- kollegen und Sportkolleginnen. In den Sport- vereinen wurden zudem bisher selten Diskri- minierungen und interkulturelle Konflikte zwischen den Mitgliedern be-

obachtet. So lässt sich schluss- folgern, dass vorerst wenig dagegenspricht, dass Sport- vereine die kulturellen Beson- derheiten ihrer immigrierten Mitglieder mitberücksichti- gen; was mit dem bikulturel- len Integrationsverständnis und der Potenzialperspektive des «Cultural Diversity»-An- satzes im Einklang steht.

Diese Studie zeigt auch, dass soziale Integration nicht von selbst geschieht, sondern sich als voraussetzungsvoll darstellt. Es bedarf fördern-

der Bemühungen sowohl seitens immigrierter als auch einheimischer Vereinsmitglieder und Vereinsverantwortlichen. Dabei sind unter- schiedliche Faktoren auf Mitglieder- und Ver- einsebene für die soziale Integration relevant.

Beherrscht ein immigriertes Mitglied z.B. un- zureichend die Vereinssprache, befolgt reli- giöse Pflichten oder orientiert sich an «vereins- fremden» Werten, ist Folgendes naheliegend:

Diese Person erlangt weniger Kenntnisse rund um den Vereinsalltag und hat eher Schwie- rigkeiten beim Knüpfen von Freundschaften.

Aber auch unzureichende Integrationsarbeit durch die Vereine, ein assimilatives Integra- tionsverständnis, bewusste oder unbewusste Ausgrenzungsmechanismen sowie unpassen-

Alle vier Schlüsselbereiche

der sozialen Integration –

Interaktion, Platzierung, Kulturation und

Identifikation – müssen gestärkt

werden.

(3)

85

Sport und Rassismus | Sport et racisme | Sport e razzismo Der Sport als Instrument der Sozialisierung und Integration?Le sport, outil de socialisation et d’intégration ? Lo sport: un mezzo di socializzazione e integrazione?

Jenny Adler Zwahlen, Siegfried Nagel, Torsten Schlesinger | Langfristiger Lernprozess | 6/2018 | TANGRAM 41

verbunden. Abgesehen von einer «Willkom- menskultur» im Sportverein ist ein Bewusst- sein dafür zu entwickeln, dass (kulturelle) Unterschiede zwischen Mitgliedern sozial kon- struiert sind und durch Interaktionshandeln von Mitgliedern im Vereinsalltag, aber auch vereinsstrukturelle Bedingungen aufrechter- halten werden. Dies bedeutet für die Vereins- praxis, dass z.B. Stereotypisierungen und da- mit verbundene Konfliktsituationen gar nicht erst auftauchen, indem Trainingsleitende ihre eigene Beteiligung an der Konstruktion von Differenzen reflektieren und (Sportgruppen-) Mitglieder dahingehend sensibilisieren.

Jenny Adler Zwahlen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fachstelle Integration und Prävention beim Bundes- amt für Sport, jenny.adlerzwahlen@baspo.admin.ch Siegfried Nagel ist Direktor des Institutes für Sportwissen- schaft der Universität Bern,

siegfried.nagel@ispw.unibe.ch

Torsten Schlesinger ist Professor an der Fakultät für Sport- wissenschaft, Ruhr-Universität Bochum (D),

torsten.schlesinger@rub.de

Bibliografie

Bundesamt für Migration, Umsetzung Massnahmenpaket Integration 2008, Bern

Fischer, A., Wild-Eck, S., Lamprecht, M., Stamm, H.-P., Schötzau, S. & Morais, J.. Das Sportverhalten der Migra- tionsbevölkerung: Vertiefungsanalyse zu «Sport Kanton Zürich 2008» und «Sport Schweiz 2008». Kantonale Fach- stelle für Integrationsfragen und Fachstelle Sport, Zürich, 2010

Lamprecht, M., Fischer, A. & Stamm, H.-P., Sport Schweiz 2014. Sportaktivität und Sportinteresse der Schweizer Be- völkerung, Bundesamt für Sport, Magglingen, 2014 Swiss Olympic, Ethik-Charta im Sport, Ittigen, 2015

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Als wir bei Jenny Holzer anfragten, ob sie vielleicht Interesse an einem Künstlerbeitrag für die AKMB-news hätte, rechneten wir nicht mit einer derart raschen und positiven

This paper presents evidence on the extent to which non-employed lone and couple mothers who would like to work are able to provide an estimate of their reservation

Zu Frau Jenny Treibel wurde Fontane durch einen Theaterbesuch und durch Vorfälle im Familien- und Bekanntenkreis

Von Stellenbewerberinnen und -bewerbern, die sich für eine Tätigkeit bewerben, die einen regelmässigen Kontakt mit Minderjährigen oder mit anderen besonders schutzbedürftigen

Jenny hat Probleme mit ihrem lieblosen Elternhaus und außerdem Liebeskummer, während Asip, der wenig über seine Vergangenheit redet, seine ganze Hoffnung in das sportliche Ziel

Das Projekt wird gemeinsam mit den Lehrstühlen für Technik- und Organisationssoziologie (IfS) und Planungstheorie und Stadtentwicklung (PT) an der RWTH Aachen,

ben wird, sind Frauen unterrepräsentiert im Sinne des § 3 Abs. 1 des Hamburgischen Gleichstellungsgesetzes  (HmbGleiG).  Wir  fordern  Frauen daher 

Im Fokus der Untersuchungen stehen die Potenziale und Herausforderungen für die Weiterentwicklung der bestehenden räumlichen und städtebaulichen Strukturen sowie der