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Biochemische und elektromyografische Untersuchungen an Hunden mit Myopathien bedingt durch Diabetes mellitus oder Hepatopathien unterschiedlicher Genese

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Academic year: 2022

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Biochemische und elektromyografische Untersuchungen an Hunden mit Myopathien bedingt durch Diabetes mellitus

oder Hepatopathien unterschiedlicher Genese

INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin

(Dr. med. vet.)

durch die Tierärztliche Hochschule Hannover

Vorgelegt von

Heike Welling aus Göttingen

Hannover 2005

(2)

Wissenschaftliche Betreuung: Univ.-Prof. Dr. F.-J. Kaup

1. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. F.-J. Kaup

2. Gutachter: Assistant Professor Dr. M. J. Pröpsting

Tag der mündlichen Prüfung: 28.10.2005

(3)

Mit herzlichem Dank meinen Eltern gewidmet

(4)
(5)

ADP Adenosindiphosphat

ALT Alaninaminotransferase

AP alkalische Phosphatase

AS Aminosäuren

AST Aspartataminotransferase

ATP Adenosintriphosphat

Ca Calcium

CK Kreatinkinase

EMG Elektromyogramm

GH/STH Somatotropin/ Wachstumshormon

GLDH Glutamat-Dehydrogenase

HP Hewlett Packard

HPLC High Performance Liquid Chromatoprafie IGF-1 Insulin-like Growth Factor 1

K Kalium

M. Musculus

N (chem.) Stickstoff

Na Natrium

NAD Nicotinamid-adenin-dinucleotid (oxidierte Form) NADH Nicotinamid-adenin-dinucleotid (reduzierte Form)

P Phosphor

PSW positive scharfe Welle

PTH Parathormon

RIA Radioimmunoassay

TNF Tumor-Nekrose-Faktor

(6)

1. Einleitung 11

2. Schrifttum 13

2.1. EMG 13

2.1.1. Methodischer Überblick 13

2.1.1.1. Anatomische und physiologische Grundlagen 13

2.1.1.2. Technische Grundlagen 15

2.1.2. Befunde im gesunden Muskel 18

2.1.2.1. Einstichaktivität 18

2.1.2.2. Spontanaktivität 19

2.1.2.2.1. Endplattenpotenzial und Endplattenrauschen 19 2.1.2.2.2. (benigne) Fibrillationspotenziale 21

2.1.2.2.3. Faszikulationen 21

2.1.2.3. Potenziale motorischer Einheiten 22

2.1.2.4. Maximale Willkürinnervation 24

2.1.3. Befunde im erkrankten Muskel (Myopathie) 24

2.1.3.1. Spontanaktivität 26

2.1.3.1.1. Fibrillationen und positive scharfe Wellen 26 2.1.3.1.2. Pseudomyotone Entladungen (komplexe repetitive 29

Entladungen)

2.1.3.1.3. Myotone Entladungen 30

2.1.3.2. Potenziale motorischer Einheiten 31 2.1.3.3. Aktivitätsmuster bei maximaler Willkürinnervation 32 2.1.4. Spezifität der elektromyografischen 32

Veränderungen bei Myopathien 2.2. Myopathien und ihre allgemeine Darstellungsweise 34

(7)

2.3.1. Lebererkrankung 37 2.3.1.1. Leberfunktion, Diagnose und Symptomatik 37 2.3.1.2. Lebertumoren 40 2.3.1.2.1. Lebertumoren und muskuläre Veränderungen 42

durch Paraneoplasien

2.3.1.2.1.1. Tumorkachexie 42

2.3.1.2.1.2. Hyperkalzämie 44

2.3.1.2.1.3. Verschiedene paraneoplastische Syndrome 44 2.3.1.2.2. Lebertumoren und elektromyografische 45

Veränderungen

2.3.1.2.3. Histologische Veränderungen 46

2.3.1.3. Chronische Lebererkrankung 46

2.3.1.3.1. Chronische Lebererkrankung und muskuläre 47 Veränderungen

2.3.2. Diabetes mellitus 49

2.3.2.1. Ätiologie 49

2.3.2.2. Symptomatik und Diagnose 50

2.3.2.3. Diabetes mellitus und muskuläre Veränderungen 51 2.3.2.4. Diabetes mellitus und elektromyografische 53

Veränderungen

2.3.2.5. Diabetes mellitus und histologische Veränderungen 53

2.4. Laborparameter 54

2.4.1. Aminosäuren (Alanin, Valin, Leucin, Isoleucin, 54 Phenylalanin)

2.4.1.1. Alanin 54

2.4.1.2. Valin, Leucin und Isoleucin 56

2.4.1.3. Phenylalanin 57

2.4.2. Insulin-like Growth Factor 1(IGF-1)/ 58 Somatomedin C

(8)

2.4.5. Laktat und Pyruvat 60

2.4.6. 3-Methylhistidin 62

2.4.7. Carnitin 63

3. Eigene Untersuchung 67

3.1. Material und Methoden 67

3.1.1. Material 67

3.1.1.1. Tiere 67

3.1.1.1.1. Hunde mit Lebererkrankung/Diabetes mellitus 67 3.1.1.1.2. Hunde zur Referenzwertbestimmung 69 3.1.1.2. Geräte 70

3.1.1.2.1. Elektromyogramm 70

3.1.1.2.2. Narkosegerät 70

3.1.1.2.3. Laboruntersuchung 70

3.1.1.2.4. Muskelprobe 72

3.1.2. Methoden 74

3.1.2.1. Klinische Allgemeinuntersuchung und spezielle 74 Untersuchung der Muskel

3.1.2.2. Laboruntersuchung 74

3.1.2.3. Allgemeinanästhesie 75 3.1.2.4. Elektromyografische Untersuchung 76

3.1.2.5. Statistische Auswertung 78

3.2. Ergebnisse 79

3.2.1. Ergebnisse Leberbiopsie, Leberwerte und Muskel- 79 enzymbestimmung (CK) bei Hunden mit Leberer-

krankung

(9)

mellitus

3.2.3. Muskuläre Symptomatik 83

3.2.4. Muskelbiopsie 84

3.2.5. Elektromyografische Untersuchung 85 3.2.5.1. Elektromyografische Veränderungen bei Hunden 85

mit einer Hepatopathie

3.2.5.2. Elektromyografische Veränderung bei Hunden 88

mit Diabetes mellitus

3.2.6. Statistische Auswertung der Laborparameter 91

4. Diskussion 95

4.1. Patienten: Alters- und Geschlechtsverteilung 96 und Ätiologie

4.1.1. Hunde mit Hepatopathien 96

4.1.2. Hunde mit Diabetes mellitus 97

4.2. Muskelschwäche und Muskelatrophie 98

4.3. Muskelenzym Kreatinkinase 101

4.3.1. Kreatinkinase bei Hunden mit Hepatopathien 101 4.3.2. Kreatinkinase bei Hunden mit Diabetes mellitus 103

4.4. Muskelbiopsie 104

4.4.1. Muskelbiopsie bei Hunden mit Hepatopathien 104 4.4.2. Muskelbiopsie bei Hunden mit Diabetes mellitus 106

4.5. Elektromyografische Untersuchung 107

4.5.1. Veränderungen bei Hunden mit Hepatopathien 109 4.5.2. Veränderungen bei Hunden mit Diabetes mellitus 112

4.6. Laborparameter 115

4.6.1 Carnitin 116

4.6.2. Somatomedin C 117

4.6.3. Laktat und Pyruvat 119

(10)

4.6.6. Phenylalanin 123

4.6.7. 3-Methylhistidin 124

4.6.8. Kreatinin 126

5. Zusammenfassung 128

6. Summary 130

7. Literaturverzeichnis 132

(11)

1. Einleitung

Myopathien bedingt durch Diabetes mellitus oder Hepatopathien unterschiedlicher Genese zählen bei den Hunden zu den sekundären Myopathien. Dazu gehören unter anderem auch die Glukokortikoid-Myopathie, die metabolisch bedingte Myopathie durch Hypothyreose und die progressive Muskelschwäche verursacht durch Hyper- adrenokortizismus (KASA et al. 2004). Die allgemeine Definition einer Myopathie be- schreibt eine entzündliche oder degenerative Muskelerkrankung. Sie wird dann als eine endokrine Myopathie bezeichnet, wenn die Erkrankung ursächlich auf eine hor- monelle Störung zurückzuführen ist (PSCHYREMBEL 2004).

Die Diagnose muskulärer Krankheiten bei Hunden basiert hauptsächlich auf den Be- funden der klinischen- und neurologischen Untersuchung, der elektrophysio- logischen Untersuchung und der Klassifikation auf der Basis der Muskelbiopsien.

Einen weiteren Beitrag zur Diagnosefindung liefern die Befunde der röntgenolo- gischen- und der Laboruntersuchung, wobei die Kreatinkinase bisher meist als wich- tigster spezifischer Muskelwert gemessen wird. Die Untersuchung einer Muskel- biopsie beinhaltet einen invasiven Eingriff beim Patienten. Die Aussagekraft kann durch die Lokalisation der Probeentnahme aus dem erkrankten Muskel beeinflusst werden. Bei der Muskelbiopsie kann nur ein kleiner Teil des Muskels untersucht wer- den, wohingegen bei der elektromyografischen Untersuchung mehrere Stellen im erkrankten Muskel abgeklärt werden können. Die elektrophysiologische Unter- suchung stellt gegenüber der Muskelbiopsie eine nicht invasive Methode dar. Sie ergänzt und erweitert die funktionell orientierte klinische und neurologische Untersu- chung der Muskulatur, indem sie den Verdacht einer muskulären Krankheit bestätigt und Aussagen zu Lokalisation, Spezifität und Dynamik macht (CONRAD u. BI- SCHOFF 1998).

Die Elektrodiagnostik ist in der Humanmedizin mittlerweile eine standardisierte Un- tersuchungsmethode zur Diagnostik muskulärer Erkrankungen. In der Veterinärme- dizin hat die elektrodiagnostische Methode erst in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen. Eine steigende Zahl von Veröffentlichungen zeigt die Wichtigkeit in

(12)

der Diagnostik von neuromuskulären und neurologischen Erkrankungen (BRAUND 1995).

Ziel dieser Studie ist es, einen Beitrag zur klinischen Diagnose von Myopathien des Hundes mit Diabetes mellitus oder Hepatopathien unterschiedlicher Genese mit e- lektrodiagnostischen Methoden und erweiterten Laborparametermessungen zu leis- ten. Die Diagnose beider Erkrankungen basierte in dieser Studie auf klinischen, la- bordiagnostischen und sonografischen Untersuchungen sowie den Befunden von Leber- und Muskelbiopsien.

Die in dieser Studie zur Ergänzung der muskulären Diagnostik herangezogenen La- borparameter Somatomedin C, Phenylalanin, 3-Methylhistidin, Laktat, Valin, Leucin, Isoleucin, Alanin, Kreatin, Pyruvat und Carnitin im Blut und Kreatinin, Phenylalanin, Valin, Leucin, Isoleucin und Alanin im Harn basieren auf Literaturangaben aus der Human- und Veterinärmedizin. Da teils noch keine Referenzwerte in der Veterinär- medizin vorhanden waren, wurde an einer Gruppe von 29 gesunden Hunden eine Referenzwertbildung durchgeführt.

(13)

2. Schrifttum

2.1. EMG

2.1.1. Methodischer Überblick

2.1.1.1. Anatomische und physiologische Grundlagen

Die quergestreifte Skelettmuskulatur setzt sich aus Muskelfasern als kleinste funktio- nelle Einheit zusammen. Diese werden aus langen Zellen gebildet und von Bindege- webe umhüllt. Mehrere dieser Muskelfasern werden durch Bindegewebe zu Primär- bündeln und diese wiederum zu Sekundärbündeln zusammengefasst. Die einzelnen Muskelfasern sind von einer erregenden Membran, dem Sarkolemm, umgeben und bestehen zum größten Teil aus den kontraktilen Myofibrillen, dem sarkoplasmati- schen Retikulum, den Mitochondrien und dem dazwischen liegenden Sarkoplasma.

Die Myofibrillen werden aus den Myofilamenten Aktin und Myosin gebildet. Diese stellen die eigentlichen Elemente der Kontraktilität der Muskeln dar. Die Aktin- und Myosinfilamente überlappen sich teilweise, wobei jedes dicke Myosinfilament von sechs Aktinfilamenten umgeben ist. Während einer Muskelkontraktion gleiten die Fi- lamente aneinander vorbei, ohne ihre Länge zu verändern. Während dieser Kontrak- tion entstehen für kurze Zeit Bindungen zwischen den Filamenten, die durch weiteres ineinander Schieben wieder gelöst werden. Durch das Vorhandensein von ATP wird im ruhenden Muskel die Bindung zwischen den Filamenten verhindert. Für eine Kon- traktion muss deshalb ATP erst durch die Aktomyosin-ATPase gespalten werden (WELS 1987).

Jeder Skelettmuskel setzt sich aus mehreren motorischen Einheiten zusammen. Un- ter diesem Begriff wird die Verbindung vom Ventralhorn des Rückenmarks bis zur Muskelfaser zusammengefasst. Dabei stehen das α-Motoneuron über das Axon und die motorische Endplatte mit einer bestimmten Anzahl von Muskelfasern in Verbin- dung. Die Anzahl der Muskelfasern einer motorischen Einheit kann von Muskel zu Muskel stark variieren, wobei die Muskelfasern einer Einheit meist kreisförmig in ei-

(14)

nem Gebiet von 5 – 10 mm angeordnet sind. In diesem Gebiet befinden sich jedoch auch Muskelfasern, die anderen motorischen Einheiten angehören (MÜLLER- FELBER 1990). Über die motorische Endplatte wird die Erregung von den peripheren Nerven auf die Skelettmuskulatur übertragen. Bereits in Ruhe werden geringe Men- gen Acetylcholin in den synaptischen Spalt abgegeben und es kommt zu unter- schwelligen Potenzialänderungen, die als Miniaturendplattenpotenziale gemessen werden können. Dies reicht aber nicht aus, um eine Kontraktion des Muskels herbei- zuführen. Erst beim Eintreffen eines Aktionspotenzials an der präsynaptischen Membran werden aus den Vesikeln größere Mengen Acetylcholin in den synapti- schen Spalt freigesetzt und führen an der postsynaptischen Membran zu einer Erhö- hung der Leitfähigkeit von Na- und K-Ionen. Der Einstrom von Na-Ionen verursacht eine lokale Depolarisation, dem so genannten Endplattenpotenzial. Dieses wirkt de- polarisierend auf die postsynaptische Muskelfasermembran und löst hier ein Akti- onspotenzial aus (WELS 1987; BRAUND 1995). Diese Aktionspotenziale werden in der Elektromyografie in Form von bi- und triphasischen Potenzialen extrazellulär ab- geleitet (AMINOFF 1999).

Die abgeleiteten Signale werden von der elektromyografischen Untersuchungseinheit sowohl optisch, als auch akustisch, nach Filterung und Verstärkung, dargestellt. Ge- messen wird die Erregung, die zwischen der differenten und indifferenten Elektrode läuft. Ist die Faser inaktiv, besteht keine Potenzialdifferenz zwischen den beiden E- lektroden. Aufgezeichnet wird die Nulllinie. Wird ein Aktionspotenzial über die Faser fortgeleitet, kommt es auf Grund der Strömchentheorie zu einem Stromfluss vom bisher unerregten Bereich zum erregten Bereich. Dadurch wird der Bereich kurz vor dem Aktionspotenzial positiv gegenüber seiner Umgebung. Kurz vor dem Eintreffen eines Aktionspotenzials bei der differenten Elektrode kommt es so zu einer Auslen- kung des Kathodenstrahls nach unten. In der Elektromyografie gehen daher verein- barungsgemäß positive Potenzialänderungen nach unten (LUDIN 1997; DAUBE 1999). Erreicht die Erregung die differente Elektrode, kommt es zu einer Umpolarisie- rung durch einströmende Na-Ionen von positiv zu negativ. Die dritte und wiederum positive Phase kommt im extrazellulären Potenzial durch die Repolarisation, ausge- löst vom auswärts gerichteten K-Strom, zustande. Zu der Bildung biphasischer Po-

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tenziale kommt es, wenn die Erregung unmittelbar unter der ableitenden Elektrode entsteht, wie das zum Beispiel bei den Endplattenpotenzialen der Fall ist. Diesen fehlt die initiale positive Phase und sie haben typischerweise einen negativen Ab- gang von der Grundlinie (LUDIN 1997).

Abb. 1: Darstellung eines Aktionspotenzial (nach STÖHR 1998)

2.1.1.2. Technische Grundlagen

Für die Durchführung elektromyografischer Untersuchungen wird ein einfacher E- lektromyograf benötigt, der sich aus einem Verstärker, einer optischen (Oszillograf) und einer akustischen (Lautsprecher) Wiedergabeeinheit zusammensetzt. Zusätzlich sind ein Registriersystem und ein Reizgerät integriert (BRAUND 1995; LUDIN 1997).

Der Verstärker sollte eine Bandbreite von 5 Hz bis 10 kHz vorweisen, wobei die unte- re Grenzfrequenz auf 10 – 20 Hz erhöht werden kann, sobald Störungen in der Grundlinie auftreten. Soll eine Aufzeichnung der Spontanaktivität und einzelner Akti- onspotenziale erfolgen, wird zu einer Verstärkung von 0,1 mV/cm und einer Zeitab-

4 Amplitude

Dauer 1

2

3

(16)

lenkung von 10 ms/cm geraten. Diese Verstärkung sollte bei Ableitungen der Maxi- malinnervation auf 1 mV/cm und 100 ms/cm hochgesetzt werden (STÖHR 1998).

Bei der Durchführung der elektromyografischen und der neurografischen Untersu- chung muss grundsätzlich zwischen der Oberflächen- und der Nadelelektrode unter- schieden werden. Die Auswahl erfolgt je nach Fragestellung der zu untersuchenden Muskeln oder Nerven. Die Oberflächenelektroden werden in der Regel zur Stimulati- on gemischter, motorischer oder sensibler Nervenstämme eingesetzt (STÖHR 1998).

Die elektromyografische Untersuchung zur Diagnostik neuromuskulärer Erkrankun- gen erfolgt mithilfe der Nadelelektroden (MÜLLER-FELBER 1990). Die Nadelelektro- den sind in der Tiermedizin die am häufigsten eingesetzten Elektroden, da die Unter- suchung mit Hautelektroden beim Tier durch das Haarkleid wenig praktikabel ist (BRAUND 1995). Die Nadelelektroden lassen sich in konzentrische Elektroden, bipo- lare und unipolare Elektroden und Multielektroden unterteilen. Sie bestehen aus ei- nem in eine Kanüle eingelassenen Platindraht, dessen Spitze als differente Elektrode dient. Die Kanüle selbst stellt die indifferente Elektrode dar. Beide sind durch eine isolierende Schicht voneinander getrennt. Der Außendurchmesser dieser Elektroden liegt zwischen 0,3 und 1 mm. Die gebräuchlichsten Typen zur Ableitung von Potenzi- alen motorischer Einheiten aus Skelettmuskeln haben einen Durchmesser um 0,5 – 0,6 mm mit einer Oberfläche der differenten Elektrode von 0,07 mm² (BRAUND 1995; LUDIN 1997). Mit diesem Durchmesser werden Erregungen in einem Umkreis der Nadel von 2 mm erfasst. Das Signal reduziert sich allerdings mit steigender Ent- fernung zu der Nadel, sodass in der Regel 15 - 20 Fasern einer motorischen Einheit mit einbezogen werden (MÜLLER-FELBER 1990).

Vor Beginn der elektromyografischen Untersuchung sollte eine gründliche klinische Untersuchung, die auch eine neurologische Untersuchung des Patienten beinhaltet, durchgeführt werden. Anhand dieser Befunde werden je nach Fragestellung die zu untersuchenden Muskeln festgelegt, da ein allgemein gültiges Untersuchungssche- ma der elektromyografischen Untersuchung nicht existiert (CONRAD u. BISCHOFF 1998). Nach Positionierung der Erdelektrode in der Nähe des zu untersuchenden Muskels wird die Nadelelektrode bei einem voluminösen Muskel senkrecht zur Ober-

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fläche eingestochen. Ist der zu untersuchende Muskel zu flach, erfolgt der Einstich im spitzen Winkel und quer zum Faserverlauf. Liegt die Elektrode im Muskel, wird diese nach und nach um mindestens 2 mm vorgeschoben. Zu diesem Zeitpunkt kann die Spontanaktivität registriert werden, wobei die meisten Formen sofort nach dem Verschieben sichtbar werden. Nur die Faszikulationen erfordern ein Innehalten der Nadel für mindestens eine Minute (STÖHR 1998). Dieser Vorgang sollte in einer Na- delinsertionsstelle mehrmals wiederholt werden. Zusätzlich sind weitere Einstiche in dem zu untersuchenden Muskel vorzunehmen, wobei darauf geachtet werden sollte, dass die Elektrode nicht in der Längsrichtung des Faserverlaufs erneut zum Liegen kommt, da sonst Erregungen gleicher Fasergruppen abgeleitet werden können (CONRAD u. BISCHOFF 1998).

Bei der elektromyografischen Untersuchung des Menschen erfolgt die Untersuchung in zwei Schritten. Zuerst wird die Spontanaktivität nach Einstich der Nadel in den re- laxierten Muskel aufgezeichnet, danach wird die willkürliche elektrische Aktivität ge- messen. Diese erfolgt bei minimaler und maximaler Kontraktion des Muskels (DU- MITRU u. DE LISA 1991; DUMITRU et al. 1999a). Auf Grund der zum Teil unter- schiedlichen technischen Anforderungen der beiden Untersuchungsmethoden, hat bei der elektromyografischen Untersuchung des Hundes die Spontanaktivität des Muskels größere Bedeutung und Verbreitung erlangt, als die Beurteilung der Willkür- aktivität. Die Messung der Willküraktivität ist beim Hund schwieriger durchzuführen und mit zahlreichen Artefakten verbunden (BRAUND 1995). Die Untersuchung sollte unter Narkose durchgeführt werden, da die Beurteilung der Spontan- und auch der Willküraktivität bei einem wachen Patienten durch die teils mangelnde Kooperation erschwert werden kann und so das ungewollte Auftreten von Potenzialen motori- scher Einheiten unterdrückt wird. Sollen während einer Untersuchung trotzdem Po- tenziale motorischer Einheiten gemessen werden, so ist dies durch Reflexauslösung und nachfolgender Muskelkontraktion möglich (HECKMANN et al. 1977; BRAUND 1995). Eine negative Beeinflussung durch die Narkose kann durch den Abfall der Körpertemperatur bei längerer Untersuchungsdauer von Bedeutung sein. Die Narko- tika selbst haben nach HECKMANN (1989) bei ausreichender Muskelrelaxation aber keinen Einfluss auf das Untersuchungsergebnis. Bei der elektromyografischen Un- tersuchung des Menschen beschreibt DAUBE (1994) das begünstigte Auftreten e-

(18)

lektrischer Spontanaktivität unter dem Einfluss von Koffein, Adrenalin und einer er- höhten Körpertemperatur. LUDIN (1997) bestätigt dies im negativen Sinne, in dem er in einem unterkühlten Muskel meist keine Fibrillationen und positive scharfe Wellen ableiten konnte.

2.1.2. Befunde im gesunden Muskel

Ein gesunder Muskel zeigt in Ruhe ein elektrisch inaktives EMG-Muster. Bei der Un- tersuchung werden lediglich in geringem Umfang Einstichaktivität, Endplattenpoten- ziale und Endplattenrauschen je nach Nadelposition und Nadelbewegung abgeleitet (CONRAD u. BISCHOFF 1998). KIMURA (1989) ergänzt diese zum Teil auftretende Spontanaktivität im gesunden Muskel mit dem Nachweis von Fibrillationspotenzialen.

Weitere Potenziale, die auch im gesunden Muskel zu finden sind, sind die so ge- nannten benignen Faszikulationen, die von den malignen Faszikulationen im er- krankten Muskel unterschieden werden müssen. Bei minimaler Kraftentwicklung des Muskels ergibt sich ein Bild von Potenzialen motorischer Einheiten. Wird die Kraft- entwicklung auf ein Maximum gesteigert, wird bei dem gesunden Muskel ein Interfe- renzmuster aufgezeichnet (STÖHR 1998).

2.1.2.1. Einstichaktivität

Die Einstichaktivität beginnt bei dem Einstich der Nadelelektrode in den Muskel und ist nur während der Nadelbewegung sichtbar. Sie klingt danach rasch ab und dauert so durchschnittlich etwa 300 ms. Sie zeichnet sich aus durch Salven von kurzen Po- tenzialen unterschiedlicher Morphologie, die allein betrachtet eine Dauer von 1 – 3 ms und eine Amplitude um die 100 µV aufweisen (MÜLLER-FELBER 1990; LUDIN 1997). Die Einstichaktivität wird ausgelöst durch die mechanische Reizung oder Ver- letzung der Muskelfasermembran beim Einstechen der Nadel (BRAUND 1995;

CONRAD u. BISCHOFF 1998). Durch den Einstich in den Muskel kommt es zur De-

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polarisation unter der Nadelspitze und damit zu einer Ableitung eines initialen negati- ven Peaks (DUMITRU et al. 1998).

Bedeutsam wird das Fehlen der Einstichaktivität bei ischämischen Muskelläsionen.

Hier gilt es als ein typisches elektromyografisches Zeichen (LUDIN 1997). Nach DE- JACO und REISECKER (1981) und CEYSSEN et al. (1990) tritt eine Verminderung noch bei Fibrose und bindegewebigem Umbau des Muskels sowie nach BRAUND (1995) auch bei atrophiertem Muskel auf. Eine Verlängerung der Einstichaktivität kann dahingegen vermehrt bei Myopathien, entzündlichen Erkrankungen des Mus- kels, in den frühen Stadien einer Denervation und bei chronisch, partieller Denervati- on des Muskels auftreten (AMINOFF 1999). BRAUND (1995) beschreibt eine Ver- längerung der Einstichaktivität bei Hunden mit Myopathien.

Abb. 2: Einstichaktivität (nach LUDIN 1997)

2.1.2.2. Spontanaktivität

2.1.2.2.1. Endplattenpotenzial und Endplattenrauschen

Bei Ableitungen in der Endplattenregion tritt im gesunden Muskel oft Spontanaktivität in Form des so genannten Endplattenrauschens oder der Endplattenpotenziale auf.

Das Endplattenrauschen ist gekennzeichnet durch eine Unruhe der Grundlinie, her- vorgerufen durch multiple negative Potenziale von niedriger Amplitude, die von ei-

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nem typischen Rauschen im Lautsprecher begleitet werden (JONES et al. 1955;

CONRAD et al. 1972; HECKMANN u. LUDIN 1982).

Die Ursache für dieses Auftreten war längere Zeit umstritten. JONES et al. (1955) vermuten, dass dieses Auftreten in einer mechanischen Reizung der intramuskulären Nervenendigungen liegt. BUCHTHAL (1961) hingegen sieht die Ursache in der Frei- setzung einzelner Acetylcholin-Quanten in den synaptischen Spalt, die an der postsynaptischen Membran zu einer kontinuierlichen unterschwelligen Depolarisation führen und als Miniatur-Endplattenpotenziale bezeichnet werden. WIEDERHOLT (1970) bestätigt diese Ansicht, die auch mit seinen Untersuchungen übereinstimmen.

Die Endplattenpotenziale sind häufig in dem Endplattenrauschen als negative Peaks eingelagert. Sie entstehen in der Endplattenregion der Muskelfaser, wenn eine spon- tan auftretend genügend große Zahl von Miniaturendplattenpotenzialen eine ü- berschwellige Depolarisation der Endplattenmembran auslöst und so eine Erregung über die Muskelfaser fortgeleitet wird (BUCHTHAL u. ROSENFALCK 1966; BRAUND 1995). Die mono- oder diphasischen Endplattenpotenziale haben typischerweise ei- nen negativen Abgang von der Grundlinie, da ihre Ableitung genau am Ort der Ent- stehung erfolgt. Dieser negative Abgang ist neben dem Entladungsmuster das wich- tigste Unterscheidungsmerkmal von den Fibrillationspotenzialen, mit denen sie nicht verwechselt werden dürfen. Die Amplitude kann bis zu 250 µV ansteigen und eine Dauer von 1 – 5 ms aufweisen. Da die Endplattenpotenziale als Spontanaktivität in jedem gesunden Muskel abgeleitet werden können, kommt ihnen keine diagnosti- sche Bedeutung zu (HECKMANN u. LUDIN 1982; LUDIN 1997).

(21)

Abb. 3: Endplattenrauschen und Endplattenpotenzial (nach LUDIN 1997)

2.1.2.2.2. (benigne) Fibrillationspotenziale

Während des Registrierens von Endplattenpotenzialen können durch das Verschie- ben der Nadel um einige Millimeter Potenziale mit einem positiven Abgang von der Grundlinie beobachtet werden, die formal identisch mit den (echten) Fibrillationspo- tenzialen sind. Diese von den einzelnen Muskelfasern abgeleiteten Potenziale sind meist unregelmäßig und haben zwei bis drei Phasen. Nach STÖHR (1998) sind die- se Potenziale fortgeleitete Endplattenpotenziale, wo die Ableitung in einiger Entfer- nung vom Ursprungsort liegt. Die (benignen) Fibrillationspotenziale dürfen nicht mit den echten, meist auf Grund von Denervation des Muskels herbeigeführten, auftre- tenden rhythmischen Fibrillationspotenzialen verwechselt werden.

2.1.2.2.3. Faszikulationen

Im Gegensatz zu den Fibrillationen ist die Entstehung der Faszikulationen auf größe- re Muskelfasergruppen, wahrscheinlich motorische Einheiten, zurückzuführen. Hier- bei wird zwischen benignen im gesunden Muskel und malignen im kranken Muskel unterschieden. Eine Unterscheidung zu den Potenzialen motorischer Einheiten ges- taltet sich sehr schwierig. Formal können die Potenziale nicht unterschieden werden.

Dies gelingt nur durch die Feststellung, dass die Aufzeichnung bei völliger Entspan-

(22)

nung vorgenommen wurde und dass die Potenziale durch den Patienten nicht zu beeinflussen waren. Ein weiterer behilflicher Faktor ist die Eigenschaft der Arrhyth- mie und der starken Streuung, dem die Frequenzen unterliegen (LUDIN 1997).

Die malignen Faszikulationen werden meist bei Vorderhornzellerkrankungen ange- troffen, bei anderen neurogenen Affektionen oder bei entzündlichen Myopathien sind sie selten (LAMBERT et al. 1951). Nach BRAUND (1995) können diese Veränderun- gen auch bei neurogen und myopathischen Störungen beim Hund auftreten.

Über den Entstehungsort der Faszikulationen herrscht noch Unklarheit, vermutet wird aber eine Entstehung in der Peripherie. Es wird angenommen, dass auch an der präsynaptischen Membran einige Acetylcholinrezeptoren lokalisiert sind. An diesen scheint es dann doch gelegentlich zu einer Depolarisation durch Acetylcholin zu kommen und damit zu einer Erregungsfortleitung über die Muskelfaser, aber auch rückführend über das Axon mit seinen Verzweigungen (LUDIN 1997).

2.1.2.3. Potenziale motorischer Einheiten

Bei geringer Kraftentwicklung beim Menschen werden Potenziale abgeleitet, die von der Amplitude und der Entladungsdauer höher und länger sind als die Endplatten- und Fibrillationspotenziale. Hierbei handelt es sich um Potenziale motorischer Einhei- ten.

Die Form der Potenziale kann beim Menschen und Hund stark variieren. Sie ist ab- hängig von der Lage der ableitenden Elektrode in Bezug zur untersuchenden Einheit und auch bedingt durch die Unterschiedlichkeit der einzelnen Einheiten zueinander.

Befindet sich aber die Elektrode in unveränderter Position bei gleicher Kraftentwick- lung, behält ein bestimmtes Potenzial immer die gleiche Form. Die Dauer der Akti- onspotenziale der motorischen Einheiten ist im Vergleich zu den Potenzialen der ein- zelnen Muskelfasern um ein Dreifaches verlängert. Ursächlich dafür sind die räumli- che Ausdehnung der Endplatte über den Muskel und auch die Lage der Elektrode zu

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der Endplatte (BRAUND 1995; LUDIN 1997). Die Dauer der Aktionspotenziale ist beim Menschen auch altersabhängig. Während des Wachstums werden die Aktions- potenziale nach BUCHTHAL et al. (1954) länger, da sich der Abstand zwischen den Endplatten vergrößert. Für die weitere Verlängerung im Erwachsenenalter geben SACCO et al. (1962) und BARKER und IP (1966) zwei Erklärungsmöglichkeiten. Die erste liegt in einer Abnahme der Muskelmasse. Durch diese Abnahme werden die einzelnen Fasern näher zusammengerückt, dadurch wird die Faserdichte größer und die Amplitude der initialen und terminalen Potenzialdauer nimmt zu. Diese werden dadurch besser erkannt und die Potenzialdauer wird länger gemessen. Die zweite Erklärungsmöglichkeit, die durch STÖHR (1998) unterstützt wird, liegt in der be- schränkten Lebensdauer der motorischen Endplatten. Diese werden dann durch kol- laterale Aussprossungen ersetzt. Da diese relativ dünn sind und deshalb eine niedri- ge Leitgeschwindigkeit haben, könnte es so zu einer längeren Potenzialdauer kom- men.

Obwohl die Potenziale motorischer Einheiten in der Form stark variieren, sind sie alle doch meist di- oder triphasisch. Durchquert das Potenzial mehr als viermal die Grundlinie, werden sie als so genannte polyphasische Potenziale bezeichnet. Treten davon in einer Aufzeichnung mehr als 10 % auf, wird diese Veränderung als patholo- gisch angesehen (CONRAD u. BISCHOFF 1998).

Abb. 4: Potenziale motorischer Einheiten (nach LUDIN 1997)

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2.1.2.4. Maximale Willkürinnervation

Bei zunehmender Kraftentwicklung des Muskels wird einerseits die Entladungsfre- quenz der Aktionspotenziale erhöht und andererseits die Zahl der rekrutierten Einhei- ten im Muskel vermehrt. Das zu diesem Zeitpunkt registrierte Aktivitätsmuster wird dadurch immer dichter. Da es den Anschein hat, als ob die Aktionspotenziale sich gegenseitig stören würden, wird diese Veränderung auch als Interferenzmuster be- zeichnet. (BRAUND 1995; STÖHR 1998). Aufgrund des „Größenprinzips" werden zuerst die Kleinen und erst später die größeren Motoneurone rekrutiert. Dies erklärt, dass die Amplitude linear mit der Kraftschwelle ihrer Rekrutierung zunimmt (LUDIN 1997). Im menschlichen Muskel übersteigt die Entladungsfrequenz der motorischen Einheit kaum je 30 Hz (MARSDEN et al. 1971).

2.1.3. Befunde im erkrankten Muskel (Myopathie)

Für die elektromyografische Diagnostik von Myopathien wird überwiegend die Na- delmyografie eingesetzt. Dabei finden sich elektromyografische Aufzeichnungen in Form von Spontanaktivität, die sich als positive scharfe Wellen, Fibrillationspotenzia- le, pseudomyotone und/oder myotone Entladungen darstellen (LUDIN 1997). Die Häufigkeit des Auftretens der Spontanaktivität hängt mit dem Ausmaß der axonalen Schädigung oder der Muskelschädigung zusammen. Sie verringert sich in Abhängig- keit von der Zeit nach dem im Muskel oder Nerv entstandenen Schaden und ist in der Regel nach sechs Monaten nicht mehr zu registrieren (DUMITRU et al. 1998).

Das Auftreten von Spontanaktivität bei Myopathien wird mit lokaler Denervation infol- ge Muskelfasernekrosen erklärt, die herdförmig um den entzündlichen Prozess ver- teilt sind. Begründet durch die herdförmige Ausbreitung im Muskel wird für die Beur- teilung während der Untersuchung eine Positionierung der Nadel am mehreren Stel- len gefordert (CONRAD u. BISCHOFF 1998). AMINOFF (1999) konkretisiert diese Aussage, in dem er den Nachweis an mindestens drei Stellen im Muskel fordert, um

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sie als Zeichen einer Myopathie zu werten. Nach KIMURA (1989) sollte die Spontan- aktivität an mindestens zwei Stellen im Muskel reproduzierbar sein.

In der Veterinärmedizin gestaltet sich die Unterscheidung in Myopathie oder Neuro- pathie bei der Auswertung der Ergebnisse teils schwierig. Die Ursache liegt in der fast ausschließlichen Beurteilung der Spontanaktivität. Nach FISCHER (2001) kön- nen Myopathien und Neuropathien nicht durch die elektromyografische Analyse der Spontanaktivität unterschieden werden, da diese bei beiden nachgewiesen werden kann. Es gibt zwar Angaben, dass positive scharfe Wellen teils häufiger bei Myo- pathien auftreten, sie kommen aber auch bei Neuropathien vor (BRAUND 1995). Nur die myotonen Entladungen werden als spezifischer Nachweis für myotone Myo- pathien angegeben. Dem widerspricht STÖHR (1998), der myotone Entladungen sowohl bei Neuropathien, als auch bei Myopathien nachweisen konnte. Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit in Myopathie oder Neuropathie in Bezug auf die Spon- tanaktivität gibt KORNBERG (2004). Danach treten pseudomyotone Entladungen, Fibrillationen und positive scharfe Wellen meist bei einer Myopathie auf, wohingegen bei einer Neuropathie häufig nur Fibrillationen und positive scharfe Wellen anzutref- fen sind.

In der Humanmedizin wird zur Differenzierung der Neuropathie gegenüber der Myo- pathie die Analyse der Potenziale motorischer Einheiten und der maximalen Willkür- aktivität mit hinzugezogen. Dieses Verfahren hat sich in der Veterinärmedizin nicht durchgesetzt. Dies beruht auf der Notwendigkeit der Verwendung standardisierter Muskelstimulations- und Kontraktionstechniken und auf das Fehlen von muskelspezi- fischen Referenzwerten für Amplitude und Dauer der Potenziale. Da die Potenziale größenabhängig sind und damit auch rassenspezifisch, ist die Erhebung extrem auf- wendig und dadurch bisher noch nicht vorgenommen worden (GRIFFITHS u. DUN- CAN 1974; NIEDERHAUSER u. HOLLIDAY 1989; VALENTINE et al. 1989). Die Un- terscheidung von Myopathie und Neuropathie beschränkt sich daher in der Veteri- närmedizin auf die Angaben der Spontanaktivität, der Messung der Nervenleitge- schwindigkeit und der subjektiven Beurteilung der Amplitude des Muskelpotenzials.

Vereinzelt wurden in der Literatur in der Veterinärmedizin Angaben über veränderte

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Potenziale motorischer Einheiten gemacht, wenn Vergleichsmöglichkeiten durch ge- sunde Wurfgeschwister vorhanden waren (VALENTINE et al. 1989).

2.1.3.1. Spontanaktivität

2.1.3.1.1. Fibrillationen und positive scharfe Wellen

Die Fibrillationspotenziale sind Potenziale von di- oder triphasischer Form mit initial positiver Auslenkung (BRAUND 1995). Liegt die Elektrodenspitze direkt am Ursprungsort der Erregung, ist auch ein initial negativer Abgang möglich. Da die letz- te Form optisch nicht von den Endplattenpotenzialen zu unterscheiden ist, gilt als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal die regelmäßige Entladungsfolge (STÖHR 1998).

In der Literatur werden teils unterschiedliche Angaben zu Frequenz, Amplitude und Dauer im Vergleich der Potenziale zwischen Mensch und Hund gemacht. AMINOFF (1999) beschreibt beim Menschen eine Amplitude von 20 – 300 µV, eine Dauer unter 5 ms und eine regelmäßige Frequenz bei 2 – 20/s. CONRAD und BISCHOFF (1998) hingegen verweisen bei der Amplitude und der Frequenz auf höhere Angaben bis zu 1000 µV/1 und bis zu 50/s. CHRISMAN und CLEMMONS (1993) beschreiben beim Hund eine Amplitude von 50 - 200 mV, eine Dauer von bis zu 3 ms und eine Fre- quenz von 20 - 30/s. Nach BRAUND (1995) kann die Amplitude auch bis auf 350 mV ansteigen, wobei er verkürzte Zeitangaben von 1 - 2 ms angibt.

Fibrillationspotenziale signalisieren nach BUCHTHAL und ROSENFALCK (1966) fast ausschließlich einen Denervierungsprozess. Weitere Angaben in der Literatur bestä- tigen diese Auffassung (LI et al. 1957; CONRAD et al. 1972; PURVES u. SAKMANN 1974). Das Auftreten von Fibrillationspotenzialen jedoch ist nicht spezifisch für eine Denervation des Muskels. PARTANEN und DANNER (1982) haben beim Menschen eine Woche nach Muskelverletzungen, wie intramuskuläre Injektionen und Biopsie-

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entnahme, Fibrillationspotenziale registriert, die über Monate anhielten. Beim Hund ist das Auftreten von Fibrillationen nicht als typisch für eine Neuropathie zu werten.

BRAUND (1995) berichtet von dem Auftreten von Fibrillationen bei myopathischen Erkrankungen wie Muskeldystrophie, Polymyositis und Dermatomyositis. Die patho- logische Bewertung der Fibrillationspotenziale richtet sich nach der Häufigkeit ihres Auftretens. BUCHTHAL und ROSENFALCK (1966) fordern eine Ableitung an min- destens zwei Stellen in einem Muskel, AMINOFF (1999) erhöht den Nachweis auf mindestens drei Nadelpositionen außerhalb der Endplattenregion.

Die positiven scharfen Wellen stellen im Gegensatz zu den Fibrillationspotenzialen ein recht zuverlässiges Merkmal für Denervierungsprozesse beim Menschen und Hund dar. Sie dürfen aber nicht als pathognomonisch dafür angesehen werden, denn sie werden teils auch bei Polymyositis, Verletzungen der Muskulatur und anderen Myopathien angetroffen (DESMEDT 1978; PARTANEN u. DANNER 1982; BRAUND 1995; STÖHR 1998). Sie sind meist biphasisch mit beginnender positiver Kompo- nente und langer negativer Nachschwankung; eine monophasische Ableitung mit ausschließlich positivem Abgang ist selten (CONRAD u. BISCHOFF 1998). Die Po- tenziale haben beim Menschen eine mittlere Dauer von 4,2 ms und etwa die gleiche durchschnittliche Amplitude, wie die Fibrillationspotenziale (BUCHTHAL u. ROSEN- FALCK 1966). CHRISMAN und CLEMMONS (1993) geben beim Hund eine Amplitu- de von 50 – 4000 µV an, wobei die Frequenz wieder mit der des Menschen ver- gleichbar ist.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass Fibrillationspotenziale und positive scharfe Wellen in sehr regelmäßigen Intervallen auftreten und auch meist zusammen anzutreffen sind (LUDIN 1997). Fibrillationen sind, ebenso wie die positiven scharfen Wellen, extrazellulär abgeleitete Muskelpotenziale. Die Fortleitung der Potenziale der positiven scharfen Wellen wird aber durch einen Muskelmembrandefekt blockiert, sodass nur ein monophasisches Potenzial registriert wird (DAUBE 1991; STÖHR 1998; DUMITRU et al. 1999b).

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Für die Entstehung dieser beiden Potenziale gibt es unterschiedliche Angaben. Nach SMITH und THESLEFF (1976) liegt die Ursache für das Auftreten dieser beiden Spontanaktivitäten bei der Denervation in einer Instabilität des Ruhemembranpoten- zials durch die Entstehung neuer Natriumkanäle. Bei Überschreitung der Reizschwel- le wird ein Aktionspotenzial in der Muskelfaser ausgelöst und fortgeleitet. Eine ande- re Ursache könnte nach STANLEY und DRACHMAN (1980) und STÖHR (1998) a- ber auch eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Acetylcholin an der postsynapti- schen Membran auf Grund neuer Acetylcholinrezeptoren sein, was zu einer sponta- nen Impulsentstehung führt. Für das ursächliche Auftreten bei Myopathien beschreibt LUDIN (1970) eine Instabilität der Membran und damit das Auftreten von spontanen Entladungen durch ein erniedrigtes Ruhemembranpotenzial, was auf eine verminder- te intrazelluläre Kaliumkonzentration zurückzuführen ist. Als weitere Pathomecha- nismen werden von PARTANEN und DANNER (1982) die intramuskuläre Denervati- on von Muskelfasern, allgemein eine Veränderung in der Zusammensetzung der Muskelmembran und eine Ausbildung neuer Chloridkanäle genannt.

Abb. 5: Fibrillationen und positive scharfe Wellen (nach LUDIN 1997)

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2.1.3.1.2. Pseudomyotone Entladungen (komplexe repetitive Entladungen)

Die pseudomyotonen Entladungen, auch komplex repetitive Entladungen genannt, zeichnen sich durch Entladungen von Potenzialen mit relativ gleich bleibender Fre- quenz und Amplitude aus (GREENE et al. 1979; BRAUND 1995; STÖHR 1998). Da diese Ausbrüche meist abrupt beginnen und ebenso enden, werden sie akustisch als ein Maschinengeräusch beschrieben (BRAUND 1995; CONRAD u. BISCHOFF 1998). Die auftretenden Potenziale variieren von polyphasisch bis 2 - 3 phasisch, wobei die Polyphasischen meist dominieren. Die Frequenz dieser Potenziale kann nach STÖHR (1998) enorm variieren und weist Frequenzen von 10 – 150/s auf. Die Frequenzangaben nach LUDIN (1997) liegen deutlich darunter und betragen 5 – 20/s. Frequenz- und Amplitudenänderungen kommen nur sprunghaft vor und sind relativ selten (STÖHR 1998).

Da die Entstehung dieser Spontanaktivität sich nicht durch Curare beeinflussen lässt, wird angenommen, dass der Ursprung in den Muskelfasern selbst liegt. Wie die Ent- ladung von komplexen Serien entsteht, ist noch nicht ganz geklärt. Der Kopplungs- mechanismus ist wohl auf eine veränderte Membraneigenschaft zurückzuführen, was zu einer Erregung der benachbarten Muskelfasern führt (LUDIN 1997). Die begin- nende Erregung geht von einer so genannten Schrittmacherzelle mit instabilem Membranpotenzial aus. Die Erregung wird nun kreisförmig an die benachbarten Muskelfasern weitergegeben, bis sie nach einiger Zeit zur Schrittmacherzelle zu- rückgeführt wird und der Kreislauf von neuem beginnen kann (KIMURA 1989; CON- RAD und BISCHOFF 1998). Die Erregungsdauer kann nach STÖHR (1998) mehrere Minuten betragen.

Zur Diagnostik ist diese Art der Spontanaktivität leider nur beschränkt einsetzbar. Sie weist auf jeden Fall beim Menschen auf einen pathologischen Prozess im Muskel hin, erlaubt aber keine eindeutige Differenzierung in Myopathie oder Neuropathie, wobei pseudomyotone Entladungen doch überwiegend bei Neuropathien anzutreffen sind (LUDIN 1997; CONRAD u. BISCHOFF 1998). Das Auftreten bei einer Myo- pathie zeigt meist eine chronische Verlaufsform an (CONRAD U. BISCHOFF 1998).

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Auch beim Hund wird ein gehäuftes Vorkommen von pseudomyotonen Entladungen bei Myopathien bedingt durch Hyperkortisolismus und Polymyositis beschrieben (GREENE et al. 1979; BRAUND et al. 1980; VALENTINE et al. 1989; BRAUND 1995). VALENTINE et al. (1989) zeichneten bei allen untersuchten Hunden mit „ca- niner X-linked muscular dystrophy“ pseudomyotone Entladungen auf.

Abb. 6: Pseudomyotone Entladungen (nach LUDIN 1997)

2.1.3.1.3. Myotone Entladungen

Die myotone Entladung stellt eine Aneinanderreihung von meist ein– bis zweiphasi- gen Potenzialen dar, die meist das Aussehen von Fibrillationspotenzialen und positi- ven scharfen Wellen haben. Die Besonderheit dieser Entladung ist die Zu- und Ab- nahme der Entladungsfrequenz und der Amplitudenhöhe. Akustisch wird diese Ver- änderung als so genanntes „Sturzkampfbombergeräusch“ wahrgenommen (DAUBE 1991; HILL et al. 1995; LUDIN 1997). Die Dauer dieser Entladung kann bis zu Minu- ten anhalten, wobei sie doch meist nur wenige Sekunden beträgt. Die Entladungsfre- quenz kann dabei auf bis zu 150/s beim Menschen und 100 – 200/s beim Hund an- steigen (BRAUND 1995; CONRAD u. BISCHOFF 1998). Registriert werden die myo- tonen Entladungen meist nach Beendigung der Willküraktivität durch mechanische Reizung, wie zum Beispiel Beklopfen des Muskels oder durch bewegen der Nadel und teils spontan ohne erkenntliche Ursache (KIMURA 1989; HILL et al. 1995;

STÖHR 1998).

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Die Ätiologie liegt wahrscheinlich in der Muskelfasermembran, wo Ionenkanaldefekte zu den oben beschriebenen Veränderungen führen. Betroffen sind wahrscheinlich die Natrium- und Chloridkanäle (VITE et al. 1998). Durch eine verminderte Chlorid- leitfähigkeit in der Membran kommt es zu einer Ansammlung von Kalium in den Tu- buli und damit zu einer kontinuierlichen Kontraktion (KORTZ 1989).

Myotone Entladungen sind in der Regel bei allen myotonen Störungen anzutreffen, sie kommen aber auch im geringen Umfang bei neurogenen Erkrankungen, wie chronische Denervation vor (KIMURA 1989; CONRAD u. BISCHOFF 1998). Bei der Steroidmyopathie des Hundes wird häufig vom Auftreten von myotonen Entladungen berichtet (GREENE et al. 1979). In einer Studie von Hunden mit „caniner X-linked muscular dystrophy" konnten VALENTINE et al. (1989) eine geringe Anzahl von myotonen Entladungen aufzeichnen.

Abb. 7: Myotone Entladungen (LUDIN 1997)

2.1.3.2. Potenziale motorischer Einheiten

Die Potenziale motorischer Einheiten zeigen bei einer Myopathie des Menschen typi- scherweise eine Verkleinerung der Amplitude und eine Verkürzung der Dauer der Potenziale motorischer Einheiten. Diese Veränderungen sind auf die Entstehung von Einzelfasernekrosen zurückzuführen, die als Folge einer Myopathie auftreten (STÖHR 1998). Diese beiden myopathischen Veränderungen gelten beim Menschen nach KUGELBERG und PETERSEN (1949) als wichtigste elektromyografische Ver- änderung zur Diagnose einer Myopathie. Die Bildung einer verminderten Potenzial- amplitude ist nach LUDIN (1997) wahrscheinlich nicht nur auf die kleinere Faserdich-

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te zurückzuführen. Ein zusätzlicher Faktor bei Muskeldystrophien ist auch die ver- minderte Amplitude der Spitzenpotenziale der einzelnen Muskelfasern.

Eine weitere Auffälligkeit beim Menschen bei einer Myopathie ist die vermehrte Po- lyphasie, die auch meist als erste elektromyografische Veränderung registriert wer- den kann. Als mögliche Erklärung wird der Ausfall von Muskelfasern innerhalb der motorischen Einheit angegeben. Dadurch werden die Spitzenpotenziale der einzel- nen überlebenden Fasern erkennbar. In der Veterinärmedizin können versuchsweise Muskelaktionspotenziale einzelner motorischer Einheiten untersucht werden. Dafür wird der periphere Nerv mit minimaler Stärke elektrisch stimuliert, sodass möglichst nur wenige motorische Einheiten angeregt werden (BOWEN 1974). Nach BRAUND (1995) ist auch die Reflexauslösung am einem narkotisierten Tier mit nachfolgender Muskelkontraktion und Messung des sich ergebenden Aktionspotenzials möglich.

2.1.3.3. Aktivitätsmuster bei maximaler Willkürinnervation

Bei maximaler Muskelkontraktion beim Menschen mit einer Myopathie kann ein vol- les Interferenzmuster abgeleitet werden. Da die Muskelfaserzahl der einzelnen moto- rischen Einheiten aber vermindert ist, ergibt sich eine kleinere Kraftentwicklung der einzelnen Muskelfasern. Der Patient muss daher zur Entwicklung einer bestimmten Kraft mehr motorische Einheiten einsetzen. Registriert wird dann ein abnorm dichtes Aktivitätsmuster in Beziehung zur Kraftentwicklung (KIMURA 1989; CONRAD u. BI- SCHOFF 1998). Da die Amplitude der motorischen Einheiten bei einer Myopathie verkürzt ist, wird auch hier ein Interferenzbild mit niedriger Amplitude aufgezeichnet (LUDIN 1997).

2.1.4. Spezifität der elektromyografischen Veränderungen bei Myopathien

In einer humanmedizinischen Studie mit Patienten mit neuromuskulären Erkrankun- gen zeigten BUCHTHAL und KAMIENIECKA (1982), dass die Elektromyografie mit

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der morphologischen Untersuchungstechnik fast gleichzustellen ist. Bei 77 % der auszuwertenden Fälle fand man eine positive Korrelation zwischen Histologie und/oder Histochemie und elektromyografischen Befunden der Patienten mit Myo- pathie. Beim Vergleich zwischen elektromyografischen Untersuchungen und klini- schen Befunden fand man eine Übereinstimmung bei 87 % der Patienten. Durch die- se Zahlen wird ersichtlich, dass eine absolute Sicherheit in der klinischen Diagnose von Myopathien kaum gegeben ist. Grundsätzlich soll sich die EMG-Diagnose nicht auf einzelne pathologische Befunde stützen, sondern es müssen immer mehrere Be- funde hinweisend sein.

Auch die Unterscheidung Myopathie zu Neuropathie mithilfe der elektromyografi- schen Befunde ist teils sehr schwierig und nicht sicher festzulegen. Bei dieser Beur- teilung muss auch darauf geachtet werden, dass es auch Differenzen zwischen den Ergebnissen der Elektromyografie und der Muskelbiopsie geben kann (LUDIN 1997).

Einen weiteren Vorteil gegenüber der Muskelbiopsie besitzt die elektromyografische Untersuchung bei der Feststellung der Lokalisation und dem Ausmaß einer Myo- pathie, da sie einen größeren Teil des Muskels untersuchen kann und so fleckförmi- ge Veränderungen im Muskel besser erfasst werden (CONRAD u. BISCHOFF 1998).

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2.2. Myopathien und ihre allgemeine Darstellungsweise

Der Begriff Myopathie wird definiert als eine entzündliche oder degenerative Muskel- erkrankung. Sie geht entweder primär vom Muskel selber aus und ist häufig eine fortschreitende Erkrankung, die sowohl einzelne Muskelgruppen als auch die gesam- te Muskulatur erfassen kann, oder ist sekundär Folge von Erkrankungen anderer Or- gane. Als endokrine Myopathie wird sie bezeichnet, wenn die Erkrankung ursächlich auf eine hormonelle Störung zurückzuführen ist. In diesen Fällen treten Muskelver- änderungen meist symmetrisch auf (PSCHYREMBEL 2004).

Zu den primären Myopathien zählen die Dystrophien und die im Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen auftretenden Veränderungen der Myasthenia gravis und der Polymyositis. Zu den sekundären Myopathien werden die endokrinen (metaboli- schen) Myopathien gezählt. Zu ihnen gehören unter anderem die Glukokortikoid- Myopathie, die metabolisch bedingte Myopathie durch Hypothyreose und die pro- gressive Muskelschwäche verursacht durch Diabetes mellitus und Hyperadrenokorti- zismus. Weiterhin werden zu den sekundären Myopathien Veränderungen gezählt, die im Zusammenhang mit Toxoplasmose/Neosporose, Infektionen, Trauma, sowie neurogenen oder vaskulären Störungen auftreten. Eine Aufteilung der Myopathien nach deren Ursache unterscheidet vaskuläre, entzündlich/infektiöse, metabolische, idiopathische, neoplastische und degenerative Formen sowie Trauma, Anomalie, Muskelkrämpfe und Muskelschwäche (KASA et al. 2004; KORNBERG 2004).

Histologisch gibt es eine Vielzahl von Veränderungen, die typisch für eine Myopathie beim Hund sind. Allgemein zählen dazu Fasernekrose und –phagozytose, Regenera- tion, Faserspaltung, selektive Atrophie eines Fasertyps, zentral ständige Kerne, Va- kuolen, Faserstrukturanomalien und Entzündungszellinfiltrate. Die vorherrschende Veränderung ist die Faseratrophie (PLEASURE et al. 1970; HORAK u. POURMAND 2000). Die Ursachen für diese histologischen Veränderungen sind krankheitsabhän- gig. Bei den Muskeldystrophien liegt häufig ein erblicher Defekt vor. Die Ursachen können aber auch in einer diätetischen Myopathie, einer toxischen Myopathie, einer endokrinen oder entzündlichen Myopathie liegen.

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Das histologische Bild ist bei den einzelnen Myopathien unterschiedlich ausgeprägt.

Bei der Muskeldystrophie führen die degenerativen Prozesse in der Regel zu einem Verlust an Muskelfasern. Histologisch zeigen sich abschnittsweise eine hyalin- schollige Muskelfaserdegeneration und Nekrosen, sowie eine resorptive Entzündung, die überwiegend durch Makrophagen gekennzeichnet ist. Den degenerativen Pro- zessen stehen häufig auch regenerative Prozesse gegenüber, die funktionell aber keine Bedeutung haben. Mit fortschreitender Krankheit bilden sich Narbengewebe und ein Ersatz von Muskelgewebe durch Fettgewebe, histologisch durch Vakatwu- cherung von Fettgewebe gekennzeichnet (HAFNER u. DAHME 1999). Eine beson- dere Form der Muskeldystrophie stellt die vererbte X-Chromoson-assozierte Muskel- dystrophie beim Hund dar. Ursache ist ein erblicher Mangel von Muskelmembran assoziiertem Dystrophin (KORNBERG 2004). Dadurch kommt es zu einer Instabilität der Zellmembran der betroffenen Fasern mit Faserdegeneration.

Im Falle eines kachektischen Zustandes, wie sie bei Leber- und Pankreasinsuffizienz oder als Krebskachexie vorkommt, steht ein generalisierter Muskelschwund in Form der einfachen Atrophie im Vordergrund. Die Atrophie ist also reversibel.

Bei den endokrinen Myopathien, wie sie beim Hund häufig bei dem Cushing- Syndrom vorliegen, kommt es aufgrund der negativen Na-Bilanz und der erhöhten Glukoneogenese zu einer endokrinen Atrophie. Diese liegt in systemischer Form vor und verwandelt sich im fortschreitenden Stadium von einer reversiblen einfachen At- rophie in eine irreversible numerische Atrophie (HAFNER u. DAHME 1999).

Neuropathien führen zu histologischen Veränderungen wie kleine anguläre Fasern, Atrophie kleiner und großer Fasergruppen, Fasertypengruppierung und Anhäufungen pyknotischer Kerne. Bei chronischen Denervationen entwickeln sich auch myopathi- sche Veränderungen (CANCILLA 1984). Die neurogene Atrophie kann durch zwei Grundformen entstehen. Zum einen kann eine Denervationsatrophie oder ein Ausfall der motorischen Nervenzelle vorliegen. Bleibt die Schädigung dauerhaft, kommt es zu einer irreversiblen numerischen Atrophie der Muskulatur. Findet eine frühzeitige Reinervation statt, kann es zu einer kompletten Muskelregeneration kommen. Die

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zweite Form entsteht aus dem Verlust der Erregungsübertragung vom ersten auf das zweite Motoneuron. Histologisch zeichnen sich die Muskelfasern anfänglich durch eine Vergrößerung des Querschnitts aus. Dabei kann es zu einer konzentrischen Anordnung der Muskelfilamente (target fibers) und zur Zentralverlagerung des Zell- kernes kommen. Später wird die Muskelfaser zunehmend kleiner bis zu ihrem völli- gen Schwund (HAFNER u. DAHME 1999).

Die Diagnostik von Myopathien konzentriert sich anfänglich auf Anamnese, Adspek- tion und Palpation. Schon im Vorbericht können Hinweise auf das Vorliegen einer Myopathie gegeben werden. Dazu zählen Leistungsschwäche, Trägheit, Bewe- gungsunwilligkeit und Lahmheit. Weitere typische Befunde einer Myopathie, die meist erst adspektorisch und/oder palpatorisch festgestellt werden, sind Muskelatro- phie oder -hypertrophie, Muskelverhärtung und -spasmus sowie Muskelschmerz. Die Reflexe sind in der Regel normal. Zur Diagnosesicherung werden Laborbefunde, EMG und Muskelbiopsien herangezogen. Elektromyografische Veränderungen, die auf eine Myopathie hinweisen, sind häufig Fibrillationen, positive scharfe Wellen und pseudomyotone Entladungen (VANDEVEDLE u. FANKHAUSER 1987; KASA et al.

2004; KORNBERG 2004).

Das Enzym mit der höchsten Muskelspezifität, welches labordiagnostisch bestimmt wird, ist die Kreatinkinase. Die höchste Aktivität wird vor allem in der quergestreiften Muskulatur, gefolgt von der Herzmuskulatur, gemessen. Bei primären Muskelerkran- kungen, sowie bei sekundären Schädigungen, tritt sie in den extrazellulären Raum aus und erscheint in erhöhten Konzentrationen im Blutplasma. Das Enzym katalysiert die Reaktion zur Bildung von Kreatin und ATP aus Kreatinphosphat und ADP. Ein weiterer Hinweis auf eine Muskelerkrankung ist die Feststellung einer Myoglobinurie, wie sie bei massiven Muskelfasernekrosen vorkommt und anhand brauner Färbung des Harns erkannt werden kann (BICKHARDT 1992; SCHMIDL u. VON FORSTNER 1985). Ein weiterer Laborparameter mit Muskelspezifität ist die Aspartataminotrans- ferase (KASA et al. 2004). AST katalysiert die Bildung von L-Glutamat und Oxalace- tat aus α-Ketoglutarat und L-Aspartat. Das zytoplasmatische und mitochondriale En- zym kommt in hohen Konzentrationen in der Leber, der Skelett- und Herzmuskulatur

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und in den Erythrozyten vor. Es ist damit nicht organspezifisch und wird bei Schädi- gung der Zellen ins Serum abgegeben (SCHMIDL u. VON FORSTNER 1985; SU- TER 2004b).

2.3. Myopathien bei Lebererkrankung und Diabetes mellitus des Hundes

2.3.1. Lebererkrankung

2.3.1.1. Leberfunktion, Diagnose und Symptomatik

Die Leber ist im Körper eines der wichtigsten Organe für den Stoffwechsel körperei- gener und körperfremder Substanzen (GEROK 1995a). Zu ihren vielfältigen Aufga- ben gehören der Kohlenhydrat-, Proteinstoff- und Lipidstoffwechsel, die Ammoniak- entgiftung durch Harnstoffsynthese und die Gallensäuren- und Bilirubinaussschei- dung.

Die Leber des Hundes lässt sich makroskopisch in Lappen aufteilen. Im Einzelnen genannt, sind dies der Lobus hepatis dexter und sinister, die sich jeweils noch in me- diale und laterale Lappen unterteilen, und der Lobus quadratus und Lobus caudatus, der sich weiter aufteilt in den Processus caudatus und Processus papillaris. Die Blut- gefäßversorgung erfolgt über die Leberarterie und die Pfortader, die venöses Blut aus den unpaaren Bauchorganen, Magen, Darm, Milz und Bauchspeicheldrüse, sammelt und über Lappen- und Segmentäste in der Leber verteilt. Den Blutabfluss übernehmen die Lebervenen. Die Leberlappen lassen sich weiter in Leberläppchen unterteilen, die überwiegend aus den Hepatozyten bestehen und um eine Zentralve- ne organisiert sind (NICKEL et al. 2004). Dadurch entsteht eine funktionelle Differen- zierung der Hepatozyten nach Lage des Durchblutungssystems in eine periportale und perivenöse Zone. Die Zellen in der periportalen Zone werden mit arterio- portalvenösem sauerstoffreichem Mischblut versorgt und übernehmen vorzugsweise die Stoffwechselprozesse, die sauerstoffabhängig sind. Dazu zählen Gluconeogene- se, Trans- und Desaminierung, Proteinsynthese, Ammoniakentgiftung und Gallen-

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säuren- und Bilirubinausscheidung. Die Hepatozyten in der perivenösen Zone sind vor allem für Speicherfunktionen, wie Glykogensynthese, Lipogenese und die Spei- cherung von Spurenelementen und Schwermetallen, zuständig (BICKHARDT 1992;

KUNTZ u. KUNTZ 1998).

Die Regulation der hohen Anzahl an Stoffwechselprozessen in der Leber erfolgt auf mehreren Ebenen. Die meisten Stoffwechselleistungen unterliegen der Massenwir- kung, also der Abhängigkeit von Substratanflutung (z.B. Fettsäuren, Ammoniumio- nen, unkonjugiertes Bilirubin) und peripherem Verbrauch (z.B. Gerinnungsfaktoren).

Diese Massenwirkung kann durch Enzyme unterstützt werden, wobei diese auch als eine einzelne Regulationsebene fungieren können. Die hormonelle Regulation ist eine weitere Möglichkeit. Hierzu zählen die duktuläre Sekretion, die Abgabe der Gal- le und einige biochemische Reaktionsketten im Glucose- und Lipidstoffwechsel (BICKHARDT 1992; KUNTZ u. KUNTZ 1998).

Durch die verschiedenen Stoffwechselfunktionen ist das symptomatische Bild bei einer Hepatopathie äußerst vielfältig. Da die Leber sich durch eine hohe Reserveka- pazität auszeichnet, sind klinische Symptome meist erst bei einer bereits ausgedehn- ten und schweren Leberschädigung zu erwarten. Ist eine Schädigung von 70 –80 % erreicht, führt dies zu einer Leberinsuffizienz. Tritt nach einer gewissen Zeit keine Heilung ein, kommt es zur Leberfibrose oder Leberzirrhose und damit zu einer irre- versiblen Leberinsuffizienz.

Leitsymptome bei einer Hepatopathie sind Ikterus ohne Anämie, Lebervergrößerung oder -verkleinerung, Aszites, blasse Fäzes und Leberdruckschmerz. Daneben gibt es eine Vielzahl unspezifischer Symptome, wie Mattigkeit, Anorexie, Durchfall, Erbre- chen, Abmagerung, Bewegungsstörungen oder Muskelschwäche (SUTER 2004b).

Die Diagnostik einer Hepatopathie beginnt mit der Anamnese und der klinischen Un- tersuchung. Erlangt man einen Hinweis auf eine Lebererkrankung, folgen eine rönt- genologische Untersuchung und ein Laborsuchprofil. Zu den in der tierärztlichen Praxis üblicherweise bei Hunden durchgeführten Laborparametermessungen bei

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Verdacht einer Hepatopathie, zählt die Konzentrationsbestimmung von Serumbiliru- bin, Totalprotein (aufgetrennt in Albumine, Globuline und Fibrinogen), Glutamat- Dehydrogenase, Aspartataminotransferase, Alaninaminotransferase und alkalische Phosphatase (BICKHARDT 1992). SUTER (2004b) ergänzt das Suchprofil noch durch einen Blut- und Harnstatus und durch die Bestimmung von Harnstoff, Kreati- nin, Blutglukose und Serumcholesterin. Als weiterführende Maßnahmen werden die Gallensäuren- und Ammoniakbestimmungen genannt. Das Ergebnis dieser klinisch- chemischen Untersuchung kann Hinweise auf das Ausmaß der Lebererkrankung und damit auch für die Prognose geben. Zur vollständigen Abklärung des Erkrankungs- bildes stehen die sonografische Untersuchung und die Leberbiopsie mit Histologie zur Verfügung.

Die einzelnen Ursachen für eine Lebererkrankung sind äußerst vielfältig. Sie umfas- sen akute entzündliche und nichtentzündliche (toxische) Leberparenchymschäden und Lebernekrosen sowie chronische Hepatitiden und Folgekrankheiten, wie die Li- pidose, Leberfibrose und Leberzirrhose. Dazu zählen weiterhin Zirkulationsstörungen der Leber sowie Tumoren des Gallengangsystems und des Leberparenchyms (SU- TER 2004b).

(40)

Tabelle 1: Einteilung der Lebererkrankungen (modifiziert nach SUTER 2004b)

akute Lebererkrankung:

- akute primäre oder sekundäre Hepatitis - akute Hepatose, cholestatische Hepatose

chronische Lebererkrankung:

- reaktive chronische Hepatitis

- chronische progressive Hepatitisarten - chronische Cholangiohepatits

- granulomatöse Hepatitis - Leberfibrose, Leberzirrhose

Leberveränderungen unbekannter Genese:

- knotige Leberzellhyperplasie - Leberamyloidose

Leber- und Gallengangstumore

2.3.1.2. Lebertumoren

Bei den Lebertumoren wird zwischen primär hepatischen, hämatopoetischen Tumo- ren mit Leberbeteiligung und sekundär metastatischen Läsionen unterschieden. Die sekundären metastatischen Lebertumoren treten dabei zweimal häufiger auf als die primären Lebertumore.

Ausgangspunkt der primären Lebertumoren sind die Hepatozyten, das Gallengang- sepithel oder die mesenchymalen Strukturen der Leber (BLUM 1995; KESSLER u.

HAMMER 1999; NOLTE u. NOLTE 2000). Zu den primären Lebertumoren zählen beim Hund nach SUTER (2004c) hepatozelluläre Adenome (Hepatome), hepatozel- luläre Karzinome, Gallengangsadenome und -karzinome, Fibrosarkome, Hämangio-

(41)

sarkome sowie Karzinoidtumore. Die häufigsten primären Lebertumore sind beim Hund die Leberzelladenome. Erst danach folgen die malignen Formen mit dem hepa- tozellulären Karzinom und dem Gallengangskarzinom (PATNAIK et al. 1980; KESS- LER u. HAMMER 1999; NOLTE u. NOLTE 2000). Die Häufigkeit des Auftretens der primären Lebertumore ist in den letzten Jahren zurückgegangen, sie liegt heute unter einem Prozent. Eine Rasseprädisposition konnte bisher noch nicht nachgewiesen werden (KESSLER u. HAMMER 1999). Es liegen aber Studien mit Auftreten von Karzinoiden bei Pudeln, Fox Terriern und Labrador Retriever vor (HAYES et al.

1983). Angaben über Durchschnittsalter und Geschlechtsspezifität variieren je nach Tumorart. In einer Studie von 1980 von PATNAIK et al. trat das hepatozelluläre Kar- zinom am häufigsten bei Hunden auf, die älter als 10 Jahre und männlich waren.

Diese Altersgrenze war auch bei den Gallengangstumoren festzustellen, nur das die- se Tumorart hauptsächlich bei Hündinnen auftrat. Diese Studie wurde von GEISEN- BERGER (1990) im Rahmen einer Dissertation bestätigt.

Die Leitsymptome sind bei fast allen Tumorformen Anorexie, Gewichtsverlust, Hepa- tomegalie, Erbrechen und Aszites (PATNAIK et al. 1980). Auch alle anderen oben genannten unspezifischen Symptome können je nach Lokalisation und Ausmaß des Tumors beim Hund auftreten (SUTER 2004c). Als hämatologische und biochemische Veränderungen konnten Anämie und Leukozytose diagnostiziert werden. Ein erhöh- ter Serumwert der alkalischen Phosphatase als Zeichen einer Cholestase war ein Hauptmerkmal bei allen Tumorarten. Weitere aber eher unspezifische Veränderun- gen sind eine Erhöhung der anderen Leberenzyme Alaninaminotranferase und Aspartataminotransferase, als Zeichen einer hepatozellulären Nekrose und vermehr- ter Zytokinproduktion der Tumorzelle und ein Anstieg des Bilirubins (KESSLER et al.

1997; NOLTE u. NOLTE 2000). Weitere veränderte Laborparameter können auf Grund von paraneoplastischen Veränderungen eine Hypoglykämie, eine Hyperglobu- linämie und sowohl Hypoproteinämie als auch eine Hyperproteinämie sein (KESS- LER u. HAMMER 1999; NOLTE u. NOLTE 2000; SUTER 2004c). Bei ungefähr 50 % der Hunde konnte ein erhöhter Blutspiegel des Tumormarkers α-Fetoprotein bei Hunden mit Lebertumoren diagnostiziert werden (LOWSETH et al. 1991).

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Lebertumore neigen häufig zur Metastasierung. Die Rate steigt bei Gallengangstu- moren sogar auf etwa 90 %. Am häufigsten betroffen sind die Lymphknoten, gefolgt von Lunge und Peritoneum (PATNAIK et al. 1980). In der Humanmedizin wird eine hämatogene Metastasierung in das Skelettsystem beschrieben. Von Metastasen speziell in der Muskulatur werden keine genauen Angaben gemacht (LIAW et al.

1989).

2.3.1.2.1. Lebertumoren und muskuläre Veränderungen durch Paraneoplasien

Lebertumoren und muskuläre Veränderungen kommen meist in Zusammenhang mit der indirekten Wirkung des paraneoplastischen Syndroms vor. Darunter werden Krankheitszustände verstanden, die durch Hormone, ihre Vorstufen, sowie andere, z.B. kreislaufwirksame Substanzen, entstehen. Diese werden von den Lebertumoren gebildet oder durch systemisch pathologische Veränderungen herbeigeführt, die im indirekten Zusammenhang mit den Tumoren stehen (NOLTE u. NOLTE 2000). Ver- mutlich kommen die paraneoplastischen Veränderungen beim Hund relativ häufig vor, wobei die Kachexie, Anämie und Hyperkalzämie dabei an erster Stelle steht.

Die Paraneoplasien lassen sich in paraneoplastisch bedingte Endokrinopathien, Stö- rungen der hämatopoetischen und hämostatischen Systeme, neuromuskuläre Syn- drome, kutane Syndrome und Tumorkachexie unterteilen (GASCHEN 1999).

2.3.1.2.1.1. Tumorkachexie

Myopathische Veränderungen bei Lebertumoren können durch die gehäuft vorkom- mende Tumorkachexie bei Hunden auftreten. Davon betroffen sind meist die malig- nen Formen. Neben Inappetenz, Anorexie und allgemeiner Schwäche tritt auch Ge- webeschwund auf (HOWARD u. SENIOR 1999).

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Die Ursachen für die Tumorkachexie sind bis heute zu großen Teilen noch ungeklärt und sehr komplex (GASCHEN 1999). Tumorzellen benötigen aufgrund ihrer hohen biologischen Aktivität große Mengen an Energie und Nährstoffen. Sie entziehen dem Körper dazu hauptsächlich Glukose und glukoplastische Aminosäuren (ZENTEK 1996). Als Folge treten Veränderungen im Kohlenhydrat-, Lipid- und Eiweißstoff- wechsel auf. Zahlreiche Veränderungen werden durch Zytokine vermittelt. Die Frei- setzung aus den Körperzellen wird vermutlich durch die Tumorzellen bewirkt. Ge- nannt werden Interleukine wie IL 1 und IL 6 und der Tumor-Nekrose-Faktor. Diese Zytokine haben hauptsächlich einen katabolen Effekt und tragen dadurch zur Patho- genese der Krebskachexie bei (ZENTEK 1996; GASCHEN 1999; HOWARD u. SE- NIOR 1999).

Die Hauptveränderungen im dem Kohlenhydratstoffwechsel sind ein erhöhter Serum- laktatwert durch vermehrte anaerobe Glykolyse und eine gesteigerte Glukoneogene- se. Die Ursache liegt in dem ausschließlichen Verbrauch von Glukose als Energie- substrat der Tumorzellen. Sie können im Gegensatz zu normalen Zellen nur eine an- aerobe Glykolyse durchführen, deren Endprodukt Laktat ist. Dieser anaerobe Abbau ist im Gegensatz zum aeroben Abbau wesentlich energieärmer. Das angehäufte Lak- tat wird über die Glukoneogenese in der Leber zu Glukose umgewandelt (GASCHEN 1999). Die Laktataufnahme in die Leber und die gesteigerte Glukoneogenese wird beim Hund vermutlich durch den TNFα und IL 1 vermittelt (FUKUSHIMA et al. 1992).

Der Vorgang der Glukoneogenese stellt für den Körper wieder einen hohen Energie- verbrauch dar, so das im Ganzen gesehen der Tumor dem Organismus Energie ent- zieht. Der Körper muss nun über den Lipidstoffwechsel durch Fettsäureoxidation E- nergie gewinnen. Dadurch kommt es zum Verlust von Körperfetten und Körpermas- senabnahme.

Die Veränderungen für den Eiweißstoffwechsel ergeben sich durch die Aufnahme von Aminosäuren in den Tumor und durch einen vermehrten Verbrauch durch die forcierte Glukoneogenese in der Leber. Dadurch kommt es zu einem erhöhten Prote- inbedarf im Organismus, der bei gleichzeitiger meist vorliegender Inappetenz durch den Abbau von Muskelmasse gedeckt wird und sich klinisch in einer Muskelatrophie

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darstellt (ZENTEK 1996; GASCHEN 1999). Die Aufnahme der Aminosäuren in die Tumorzellen kann nach TRACEY et al. (1987) durch den TNF induziert werden.

2.3.1.2.1.2. Hyperkalzämie

Die Hyperkalzämie ist ein weiteres paraneoplastisches Syndrom, welches zu musku- lären Veränderungen führen kann. Sie tritt häufig bei Lymphomen auf, daneben wird sie auch bei Fibrosarkomen und verschiedenen Karzinomen beobachtet (GASCHEN 1999; NOLTE u. NOLTE 2000). Charakteristische Symptome sind Polyu- rie/Polydipsie, Inappetenz/Anorexie, Muskelschwäche und Apathie. Unterteilt wird diese Form eines paraneoplastischen Syndroms in eine topische und ektopische Form.

Bei der topischen Form wird Parathormon von neoplastisch entarteten Nebenschild- drüsen übermäßig produziert. Diese Form liegt also bei den Lebertumoren nicht vor.

Für die ektopische Form werden zwei Mechanismen angenommen. Die Tumorzellen bilden entweder ein PTH-ähnliches Peptid (PTH-related-peptide „PTH-rp“) oder sie produzieren so genannte osteolytische Faktoren, die lokal zur Freisetzung von gro- ßen Mengen Kalzium aus den Knochen führen. Zu den osteolytischen Faktoren zäh- len Prostaglandine und verschiedene Zytokine (ROSOL u. CAPEN 1992; GASCHEN 1999).

Die Ätiologie hat keinen Einfluss auf die klinischen Erscheinungen. Aufgrund der Hyperkalzämie kommt es zu Störungen der Membranerregbarkeit. Dies führt zu ei- nem neuromuskulären Krankheitsbild über eine generalisierte Muskelschwäche.

2.3.1.2.1.3. Verschiedene paraneoplastische Syndrome

Als ein weiteres paraneoplastisches Syndrom gelten die neurologischen Syndrome.

Bedingt durch tumoröse Veränderungen können eine Myasthenia gravis oder eine

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Polyneuropathie auftreten, die Veränderungen an der Muskulatur und/oder Nerven verursachen. Die damit hauptsächlich assoziierten Tumore sind das Thymom und das Insulinom (GASCHEN 1999). Nach Angaben in der Literatur zu Lebertumoren wird von einem Fall berichtet, wonach eine Myasthenia gravis als paraneoplastisches Syndrom bei einem Hund mit Gallengangstumor aufgetreten ist (KESSLER u. HAM- MER 1999).

Beim Menschen wird von einer Polymyositis als paraneoplastisches Syndrom bei Lebertumoren berichtet. Klinisch zeigen sich Schwäche und Schmerzen im Bereich der Schulter- und Hüftmuskulatur mit Muskelschwund (KUNTZ u. KUNTZ 1998).

2.3.1.2.2. Lebertumoren und elektromyografische Veränderungen

Angaben über elektromyografische Veränderungen in Bezug auf Lebertumoren wer- den in der Literatur allgemein beschrieben. Nach LUDIN (1997) gehen Malignome in der Humanmedizin gelegentlich mit neuromuskulären Erkrankungen einher. Am häu- figsten treten Polyneuropathien, die meist den demyelinisierenden Typ entsprechen, auf. Myopathien werden dahingegen selten angetroffen (PAUL et al. 1978). Die e- lektromyografischen Veränderungen sind sehr unterschiedlich, gelegentlich ist das Bild einer schweren polymyositischen oder dermatomyositischen Erkrankung anzu- treffen. Dazu zählen ein gehäuftes Vorkommen von Spontanaktivität, insbesondere Fibrillationen und positive scharfe Wellen und teils pseudomyotone Ausbrüche. Die Dauer der Potenziale motorischer Einheiten ist häufig verkürzt und die Amplitude er- niedrigt. Eine vermehrte Polyphasierate tritt auf. Diese elektromyografischen Verän- derungen betreffen beim Menschen hauptsächlich die proximale Muskulatur (LUDIN 1997).

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