• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Sigmund Freuds 150. Geburtstag: Psychoanalyse spielerisch entdecken" (28.07.2006)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Sigmund Freuds 150. Geburtstag: Psychoanalyse spielerisch entdecken" (28.07.2006)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

V A R I A

Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 3028. Juli 2006 AA2053

A

usgehend von Freuds Lebensstationen und seinen berühmtesten Fallgeschichten, zeigt das Jüdische Museum Ein- blicke in die Welt von Zwangsneurose, Kastrati- onskomplex und Über-Ich.

Filmsequenzen aus 100 Jahren Filmgeschichte so- wie Couch-Fotografien von Berliner Psychoanalytikern vermitteln in einer originellen Installation etwas von der Faszination und den Geheim- nissen rund um die Psycho- analyse.

Die Ausstellung, eingebet- tet in die umfangreiche Samm- lung zur jüdischen Kultur- geschichte, legt als erste As- soziation nahe, dass Freud selbst ein Teil dieser geworden ist. Zugleich wird dem Besu- cher bewusst, wie stark ver- wurzelt der Begründer der Psychoanalyse in dieser Histo- rie ist. Man erwartet in dem traditionellen Rahmen des Museums deshalb etwas ganz anderes und ist überrascht, auf eine Torteninstallation zu stoßen: Freuds Geburtstags- torte. Darauf werden in 24 Szenen – mit einfach herge- stellten Puppen – Einblicke in Freuds Lebensstationen gege- ben: Geburt, Familie, Heirat, Charcot, Rom-Reise, Berliner Institut, Krankheit, Aufbruch ins Exil. Die Szenen werden von kurzen Hörspielstücken begleitet.

Wie in einer Leuchtreklame, die an Pop-Art erinnert, wer- den die grundsätzli- chen psychoanalyti- schen Begriffe er- klärt: Orale Phase, Urszene, Trieb, Über- tragung, das Unbe- wusste, Freie Assozia- tion, Ödipuskomplex, Narzissmus. Falldar- stellungen zu Anna O., Dora, der kleine Hans, Rattenmann, Schreber, Wolfsmann werden plastisch mit einfachen Mitteln er- läutert. Hier und da lässt sich ein Kästchen öffnen, eine Tafel hin und her schieben. Der Blick von Anna O. in den Spiegel bei- spielsweise, als sie den Va-

ter als Totenkopf halluziniert, kann so nacherlebt werden.

Den Besuchern wird er- möglicht, in spielerischer Art die Psychoanalyse zu ent- decken. Das Konzept der Ausstellungsmacher, über ei- ne künstlerische Installation hochkomplexe psychoanalyti- sche Begriffe auf einfache Art und Weise nahe zu bringen,

scheint gelungen – ein leichter, humorvoller Zugang zur Psy- choanalyse.

Ziel der psychoanalytischen Kur ist letztendlich Erleichte- rung, Entlastung und Freiheit für die individuelle Persönlich- keit. Kunst und Psychoanalyse haben darin durchaus Gemein- samkeiten, folgen gleichsam ei- nem kreativen Prozess. Kunst kann sich als Form einer sym- bolischen Erfahrung vermitteln, in der es zu einer Begegnung kommt. Symboli- sches Verstehen ist demnach erfahrungs- orientiert. Bestimm- te sprachliche Be- griffe der Psycho- analyse haben längst einen eigenen symbo- lischen Wert. Hier korrespondiert dann die künstlerische In- stallation mit den Be- grifflichkeiten der Psycho- analyse und lädt ein zu ei- ner Assoziationsreise, die sich nicht nur auf die psy- choanalytischen Begriffe beschränkt.

Der Besucher lässt sich gerne am Ende der Aus- stellung, nachdem er den dunklen Gang durch die Traumwelt passiert hat, auf einer der Couchen nieder.

Hier ist es möglich, sich zurückzulehnen und Aus- schnitte aus Filmsequenzen anzusehen, welche subjek- tive Sichtweisen auf den analytischen Prozess zwischen Therapeut und Patient skiz- zieren. So schreibt Karl-Josef Pazzini, Psychoanalytiker und Professor für bildende Kunst in Hamburg, im didaktisch gut aufbereiteten Ausstellungska- talog: „. . . Für diese kurze Charakterisierung wichtiger Momente der Psychoanalyse steht nun die Couch, wie man im alltäglichen Reden bemer- ken kann, in Witzen, in Comics, in Filmen. Sie wird zum dar- stellbaren Symbol der Nicht- darstellbarkeit, aufgeladen mit all den Fantasien zu den Grenz- situationen, auf die sie an- spielt.“ Rundherum sind die Arbeitsgeräte von 140 Berli- ner Analytikern auf Fotos zu sehen: Couch neben Couch.

Die unterschiedlichen Ausstat- tungen der Räume lassen er- ahnen, dass Psychoanalytiker Individualisten sind, die mit ih- rer Persönlichkeit den Rah- men des Möglichen oder Un- möglichen abstecken.

Psychoanalyse ist auch ei- ne Antwort auf das gesell- schaftliche Problem, dass Sinn- gebung und Orientierung nur mehr als individuelle Aufga- ben verstanden werden, die sich nicht auf transzendente Autoritäten beziehen können oder wollen. In der Ausstel- lung bleibt dieses Transzen- dente außerhalb des Rau- mes der Sonderausstellung bewahrt. Der Blick über den Tellerrand in die ständige Ausstellung des Museums lohnt daher. Freud ist Teil die- ser Historie – eine individu- elle Auseinandersetzung im Raum des Museums, den Raum der Psychoanalyse zu entdecken. Mit dem unkon- ventionellen Ausstellungskon- zept werden individuelle As- soziationen und Berührungen ermöglicht: Psychoanalyse zum Anfassen.Dr. phil. Georg Franzen Die Ausstellung „Psychoanalyse – Sigmund

Freud zum 150. Geburtstag“ ist bis zum 27.

August zu sehen: Jüdisches Museum Berlin, Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin, Telefon:

0 30/25 99 33 00, E-Mail: info@jmberlin.de, Internet: www.jmberlin.de.

Psychoanalyse Sigmund Freuds 150. Geburtstag

Psychoanalyse

spielerisch entdecken

Eine unkonventionelle Ausstellung im Jüdischen Museum Berlin

Fotos:Jüdisches Museum,Berlin

Feuilleton

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nathanael erzählt uns, wie sich sein Vater vor der Ankunft von Coppelius und während der Zeit, wann der Advokat bei ihnen war, benahm: „An des Vaters Schweigen, an der

Als sich endlich der Erfolg einstellt, schreibt er an Fließ (im letzten Brief dieses fünfzehn Jahre. Es regnet auch jetzt schon Glückwünsche und Blumen- spenden. als

Ein Weg zum Unterbewussten ist laut Freud die Traumdeu- tung: Der Mediziner ging davon aus, dass Individuen im Traum.. unbewusste Wünsche und un- terdrückte Triebe ausleben, die

Die Zwangsneurose äußert sich darin, dass die Kranken von Gedanken beschäftigt werden, für die sie sich eigentlich nicht interessieren, Impulse in sich verspüren, die ihnen

Emotional finance is able to explain this enigma by explicitly recognising the important role mutual fund managers play in facilitating people’s saving and investment activity by

Februar fand die diesjährige Tagung der freien (nicht fachge- sellschaftsgebundenen) Institute in der DGPT in Heidelberg statt, ausge- richtet vom IPP (Institut für Psychoanalyse

Ausgangspunkt der Gegenüberstellung des Filmwerks von Ingmar Bergman und David Lynch in psychoanalytischer Sicht war für Cornelia Puk, dass beide Regisseure existentielle Angst in

Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren – reproduziert oder in eine