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ahlreiche Methoden sind in den letzten Jah- ren entwickelt worden, um die Effektivität und Ver- träglichkeit der klassischen Bestrahlungs- und Chemo- therapie zu verbessern. Dazu gehören auch die lokale und intraarterielle Chemothera- pie, die Dosissteigerung bis zur Hochdosistherapie und die Blutstammzelltransplan- tation.Selektiver Schutz
Beim Internationalen Ethyol-Kongreß in Monte Carlo wurde nunmehr ein neues zytoprotektives Thera- pieprinzip vorgestellt. Die bereits in den 50er Jahren vom Walter-Reed-Forschungs- institut in den Vereinigten Staaten entwickelte Thio- phosphatverbindung Amifo- stin schützt selektiv nur die gesunden Gewebe des Orga- nismus, ohne den Anti-
tumoreffekt der Zytostatika- und/oder Radiotherapie zu vermindern. Die zytopro- tektive Substanz Amifostin ist in Deutschland als Ethyol (Essex Pharma) im Handel.
Nach Angaben von Prof.
Peter Drings (Heidelberg- Rohrbach) unterscheidet sich das Wirkprinzip von Amifo- stin deutlich von den bisher zur Verfügung stehenden sup- portiven Maßnahmen. Denn jetzt steht dem Onkologen ein zytoprotektives Medikament mit einem breiten Wir- kungsspektrum und guter Verträglichkeit zur Verfü- gung. Amifostin reduziert ne- ben der hämatologischen To- xizität nachweislich auch die Nephro-, Neuro- und Oto- toxizität verschiedener Zyto-
statika. Die Tumorzellen blei- ben unvermindert sensibel gegenüber den eingesetzten Zytostatika.
Aufgrund der Schutzwir- kung von Amifostin auf die verschiedenen Organsysteme kann die maximal tolerable Dosis um den sogenannten dosismodifizierenden Faktor erhöht werden. Er beträgt bei Cisplatin 3,2, bei Cyclophos- phamid 2,4 und bei der Ra- diotherapie ebenfalls 2,4.
Durch die Verminderung der therapiebedingten Toxizität können möglicherweise hö- here Remissionsraten und damit längere Überlebenszei- ten erreicht werden.
In einer internationalen Multizenterstudie mit an Ovarialkarzinom erkrankten
Patientinnen konnte der posi- tive Effekt der Amifostinbe- handlung auf die Neutrope- nie nachgewiesen werden.
Der Anteil der Patientinnen mit Neutropenie Grad IV sank unter Amifostin-Gabe von 43 auf 22 Prozent.
Noch ist der Wirkmecha- nismus der organischen Thio- phosphatverbindung Ami- fostin nicht geklärt. Kurz nach der intravenösen Appli- kation wird die Muttersub- stanz durch die zellmem- branständige alkalische Phos- phatase zum aktiven freien Thiol umgewandelt. Im ge- sunden Gewebe erfolgt diese Umwandlung und Aufnahme in die Zellen schneller als im Tumorgewebe.
Die Selektivität des Schutzmechanismus erklärt sich aus der Tatsache, daß im gesunden Gewebe wesentlich mehr freies Thiol entsteht als in den Tumorzellen. Das freie Thiol besitzt Radikalfänger- Eigenschaften und hemmt die Bindung von Cisplatin an die DNA. Dr. Richard Roth
A-331 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 6, 9. Februar 1996 (63)
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