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Archiv "Noch einmal: Das „Gebet des Maimonides“" (12.01.1978)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen GESCHICHTE DER MEDIZIN

Seit Jahren geistert ein „Ärztliches Gelöbnis" durch den medizinischen Blätterwald, das ebensoviel Auf- merksamkeit wie Unsicherheit zu er- wecken vermochte. Das Dokument ist getragen von Standespflicht und Fürsorglichkeit, von Wahrheitssu- che und Menschenliebe, von echter Humanität. Es klingt an vielen Stel- len an die ethische Grundgesinnung des hippokratischen Eides an, und es wurde bereits vor Jahren von

„kritischen" Studenten aufgegrif- fen, um den antiquierten „Eid" zu ersetzen, zumal hier kein Passus über den Schutz des ungeborenen Lebens zu finden war.

Das berühmte „Morgengebet eines Arztes" nun, das immer wieder dem Maimonides, dem jüdischen Leib- arzt eines arabischen Kalifen um das Jahr 1200, zugeschrieben wird, das oftmals hochstilisiert wurde als das

„Gelöbnis des Arztes" und bereits als „Eid des Maimonides" in die Li- teratur eingegangen ist, um dem

„Eid des Hippokrates" Konkurrenz zu machen, dieses ärztliche Gelöb- nis stammt freilich nicht von Maimo- nides (1135-1204), sondern ist zum ersten Male in einer deutschen Zeit- schrift des Jahres 1783 erschienen.

Die aufgeklärte Zeitschrift mit dem Titel „Deutsches Museum" bringt im ersten Bande (Seite 43-45) einen an- onymen Beitrag mit der Überschrift:

„Tägliches Gebet eines Arztes, be- vor er seine Kranken besucht" und dem Untertitel: „Aus der hebräi- schen Handschrift eines berühmten jüdischen Arztes in Egypten aus dem zwölften Jahrhundert". Damit war offensichtlich Abü Imrän Müsa b. Maimün gemeint, auf hebräisch

„Rambam" und im Griechischen

„Maimonides", der 1135 im andalu- sischen Cordoba geboren ward, um 1200 als Leibarzt am Kalifenhofe in Kairo wirkte und am 13. Dezember 1204 in Fustat, einem Vorort von

Kairo, verstorben ist —: einer der be- deutendsten Ärzte des Mittelalters, der als „Adler der Synagoge" in die jüdische Geschichte eingegangen ist.

Das umstrittene „Gebet eines Arz- tes", oftmals mit dem „Eid des Hip- pokrates" auf eine Stufe gestellt, stammt sicherlich nicht von Maimo- nides, kommt vielmehr aus der Fe- der des Berliner Arztes Marcus Herz, des Gatten der ebenso attraktiven wie geistreichen Henriette Herz.

Marcus Herz wurde am 17. Januar 1747 in Berlin geboren, studierte in Königsberg, wo er Immanuel Kant kennenlernte, sowie in Berlin, wo er zu Moses Mendelssohn in engere Beziehung trat. Nach seiner Promo- tion in Halle (1774) ließ er sich als praktischer Arzt in Berlin nieder. Er war der erste, der dort Vorlesungen über Experimentalphysik hielt. Im Jahre 1785 wurde er zum Hofrat er- nannt; 1787 erhielt er den Titel eines Professors der Philosophie. Marcus Herz starb am 20. Januar 1803 an einer Pneumonie. Aus seinem um- fangreichen Schrifttum seien er- wähnt: die „Briefe an Ärzte" (Berlin 1777/1784), ein „Grundriß aller me- dizinischen Wissenschaften" (Berlin 1782) sowie der in die Medizinge- schichte eingegangene „Versuch über den Schwindel" (Berlin 1786).

Marcus Herz hatte seinen Text des Morgengebetes 1783 in deutscher Sprache veröffentlicht; eine hebräi- sche Übersetzung erschien erst- mals, aus der Feder des befreunde- ten Isaac Euchel, 1790 in der jüdi- schen Zeitschrift Ha-Meassef (Band 6, S. 242-244), womit auch die My- stifizierung des Untertitels mit dem Hinweis auf eine hebräische Hand- schrift geklärt wäre. Gleichwohl ist dieser Text, unter dem Titel „Gebet eines Arztes" und mit der vermute- ten Autorenschaft des Maimonides, immer wieder und in den verschie-

Angeregt wurde dieser Bei- trag durch einen Brief des Au- tors an die Redaktion: in Heft 19/1977 sei im „Post scrip- tum" das „Gebet des Arztes"

(wieder einmal) dem Maimoni- des in den Mund gelegt wor- den. Und das sei doch nun wirklich ein „altes Märchen".

Das war der Redaktion — reue- voll sei's eingestanden — gar nicht bewußt gewesen; sie hatte sich bei der Veröffentli- chung des Gebetes . (in bear- beiteter und gekürzter Form übrigens) auf die „Schweizeri- sche Ärztezeitung" gestützt — und den zuverlässigen Schweizern geglaubt. Was al- so hat es mit dem - angeblichen

„Gebet des Maimonides" nun auf sich? DÄ

densten Sprachen nachgedruckt worden. Der amerikanische Wissen- schaftshistoriker Fred Rosner, dem wir die endgültige Aufklärung über diesen Fall verdanken, führt in sei- nem Aufsatz „The Physician's Pray- er attributed to Moses Maimonides"

des" (Bulletin of the History of Medi- cine, Vol. 41 [1967] 440-454) über 50 Stellen aus der Sekundärliteratur an, die sich kritisch oder nachbtend mit diesem merkwürdigen Morgen- gebet befaßt haben. Fred Rosner, der im Bulletin auch die ausführli- che englische Fassung des Gelöb- nisses bringt (entnommen dem Bul- letin of the Johns Hopkins Hospital 28 [1917] 256-261), ist in seiner sorgfältigen Studie den verschlun- genen Wegen dieser Deutungen und Mißdeutungen nachgegangen.

Vor jeder weiteren Diskussion um das „Gebet des Arztes" sollte daher diese Untersuchung zu Rate gezo- gen werden.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Heinrich Schipperges Institut für Geschichte der Medizin der Universität Heidelberg

Im Neuenheimer Feld 305 6900 Heidelberg 1

Noch einmal:

Das „Gebet des Maimonides"

Heinrich Schipperges

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 2 vom 12. Januar 1978 95

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