• Keine Ergebnisse gefunden

Internationales Projekt zur Zukunft der (nuklearen) Rüstungskontrolle

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "Internationales Projekt zur Zukunft der (nuklearen) Rüstungskontrolle"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Research Collection

Book Chapter

Internationales Projekt zur Zukunft der (nuklearen) Rüstungskontrolle

Author(s):

Thränert, Oliver Publication Date:

2020-12-09 Permanent Link:

https://doi.org/10.3929/ethz-b-000458199

Rights / License:

In Copyright - Non-Commercial Use Permitted

This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection. For more information please consult the Terms of use.

(2)

(NUKLEAREN) RÜSTUNGSKONTROLLE

Von Oliver Thränert

Atomwaffen wurden bisher erst zweimal eingesetzt. Das ist mittlerweile 75 Jahre her. Im August 1945 fügten US-amerikanische Kernwaffen den beiden japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki massive Schäden zu.

Zehntausende Menschen kamen unmittelbar um. Die Langzeitfolgen dauern teilweise noch immer an. Das amerikanische nukleare Monopol währte indes nicht lange. Im August 1949 führte die Sowjetunion ihren ersten Nuklearwaffentest durch. Während des die nachfolgenden Jahr- zehnte die internationalen Beziehungen prägenden Ost-West-Konflikts hing ein nukleares Damoklesschwert über der Menschheit. Glücklicher- weise wurde diese historische Phase ohne weitere Atomwaffenabwürfe bewältigt. Doch noch immer existieren weltweit fast 14 000 Nukle- arwaffen in neun Staaten. Zugleich werden die Grossmächtekonflikte wieder schärfer; dieses Mal jedoch nicht nur zwischen Washington und Moskau sowie deren jeweiligen Alliierten, sondern auch zwischen Wa- shington und Peking. Mehr noch: Die Welt ist heute geprägt von einer zuvor nie dagewesenen technologischen Dynamik. Die Weiterentwick- lung von Kernwaffen und ihren Trägersystemen spielt dabei eine grosse Rolle. Aber auch nicht-nukleare Fähigkeiten wie Raketenabwehr, Cy- beroperationen oder Weltraumkapazitäten wirken auf die strategische Stabilität ein. Setzt sich diese Entwicklung völlig ungebremst fort, droht Instabilität. Krisen könnten ausser Kontrolle geraten. Der Einsatz von Kernwaffen wäre dann nicht ausgeschlossen. In einem auf einer interna- tionalen Zusammenarbeit basierenden Projekt möchte das CSS Beiträge dazu leisten, um dieser gefährlichen Entwicklung entgegenzuwirken.

Während des Kalten Krieges war nukleare Rüstungskontrolle ein nicht wegzudenkender Bestandteil der Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion. Seit der nur mit einigem Glück überstandenen Kuba-Krise von 1962 war die Notwendigkeit gemeinsamer Anstrengun- gen offensichtlich geworden, einen aus dem Ruder laufenden atomaren Rüstungswettlauf zu verhindern. Über die Jahre bildete sich so eine Rüs-

(3)

AUS DEM CSS 206

tungskontrollarchitektur, die zwar die nukleare Rüstungsdynamik nie vollständig einhegte, jedoch zu gewissen Begrenzungen, Regeln und auch zu mehr Transparenz führte. Die meisten der seinerzeit geschlos- senen Verträge sind jedoch bereits Geschichte. Nun sind wir dabei, in gänzlich unbekanntes Territorium aufzubrechen: in eine neue Phase des Nuklearzeitalters mit mehr als nur zwei dominierenden Akteuren, einer technologischen Dynamik auf verschiedenen nuklearen und nicht-nuk- learen Ebenen, und der gleichzeitigen nahezu vollständigen Abwesen- heit internationaler Bemühungen, mittels Dialog und Verhandlungen gegenseitiges Verständnis, Transparenz und im besten Fall Rüstungs- begrenzungen zu erzielen.

Am CSS will man sich im Rahmen des auf mehrere Jahre angeleg- ten Projektes «Redesigning Arms Control for New Realities» Gedan- ken darüber machen, wie die Rüstungskontrolle so runderneuert und angepasst werden könnte, dass sie auch im 21. Jahrhundert dazu beitra- gen kann, Atomkriege zu verhindern. Angesichts der Komplexität die- ses Unterfangens war von vorneherein klar, dass das CSS diese Aufgabe nicht allein bewältigen kann. Daher wurden international renommierte Einrichtungen aus Frankreich (Institut Français des Relations Internati- onales), Grossbritannien (European Leadership Network), Deutschland (Stiftung Wissenschaft und Politik) und den USA (Lawrence Livermore Laboratory) eingeladen, sich an dem Vorhaben zu beteiligen. Diese Aus- wahl reflektiert die Annahme, dass wichtige intellektuelle Impulse für eine Runderneuerung der Rüstungskontrolle aus Europa kommen soll- ten. Zugleich müssen aber auch US-amerikanische Expertinnen und Experten von Beginn an Teil der Anstrengungen sein, wäre eine mo- derne nukleare Rüstungskontrolle ohne die USA doch undenkbar. In einem zweiten Schritt gilt es, auch Vertreterinnen und Vertreter aus wei- teren Atomwaffenstaaten, insbesondere aus Russland und China, einzu- binden. Zunächst soll aber die westliche Projektkerngruppe Grundsätze und Vorschläge erarbeiten.

Die Kerngruppe bestehend aus acht Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftlern trifft sich zunächst online, um Grundfragen zu erörtern.

Zu den entsprechenden Kurzseminaren werden je nach Thema weitere internationale Fachpersonen hinzugezogen. Dabei stehen in einer ersten Phase einige grundsätzliche Problemkomplexe auf der Agenda: Welche Lehren können aus der Geschichte der Rüstungskontrolle gezogen wer-

(4)

den? Warum waren einige Abkommen recht erfolgreich, andere aber nicht? Warum und woran sind Rüstungskontrollabkommen geschei- tert? Welche Elemente der Rüstungskontrolle im Kalten Krieg können noch heute eine Rolle spielen – und wo müssen Methoden und Heran- gehensweise angepasst werden? Wie kann es gelingen, China, das noch wenige Erfahrungen mit Rüstungskontrolle hat, von einer Beteiligung zu überzeugen? Welche technischen Fähigkeiten und Entwicklungen müssen bei einer künftigen Rüstungskontrolle Berücksichtigung finden?

Wie viel Transparenz und Verifikation ist möglich und nötig? In wel- chem Verhältnis steht die Rüstungskontrolle zur nuklearen Abrüstung, aber auch zu den Bemühungen um nukleare Nonproliferation? Sodann käme es darauf an, sich genauer zu überlegen, welche nuklearen Ak- teure in welchen Phasen und in welcher Reihenfolge einbezogen wer- den müssen. Ferner gilt es, die Gegenstände einer neu zu gestaltenden Rüstungskontrolle zu definieren: sich eben nicht nur auf Atomwaffen zu konzentrieren, sondern auch nicht-nukleare Systeme in rüstungskon- trollpolitischen Aktivitäten zu berücksichtigen.

In einem für den Frühsommer 2021 geplanten internationalen Workshop sollen die bis dahin erzielten Ergebnisse besprochen und analysiert werden. Die Beratungen sollen im besten Fall in einem ge- meinsamen Papier münden, das auch Vorschläge für die Neukonzep- tion der Rüstungskontrolle enthalten soll. Auf dieser Grundlage sollen Gespräche mit europäischen Regierungsvertreterinnen und -vertretern stattfinden, selbstverständlich auch in der Schweiz. Erst dann soll in ei- ner weiteren Phase das Gespräch mit russischen und chinesischen Ex- pertinnen und Experten gesucht werden. Auch Zusammenkünfte mit VertreterInnen aus weiteren Kernwaffenstaaten wie Indien oder Pakis-

tan wären sicher hilfreich.

Ausgangspunkt der Überlegungen muss sein, die Rüstungskont- rolle auf ihren Kern zurückzuführen: Im Nuklearzeitalter kann es nicht mehr nur um die jeweils eigenen Sicherheitsinteressen gehen, sondern die Interessen der anderen Beteiligten müssen mitbedacht werden. Nur im Geiste dieser gemeinsamen Sicherheit kann Rüstungskontrolle ge- deihen. Die neue Rüstungskontrolle wird mit einiger Sicherheit nicht mehr hauptsächlich auf Verträgen beruhen können, die gemeinsame Obergrenzen für bestimmte Waffensysteme enthalten, wie dies früher der Fall war. Das ist mit mehr als zwei Akteuren schon deshalb nicht

(5)

AUS DEM CSS 208

praktikabel, weil dann das früher angewendete Prinzip der Parität nicht mehr funktioniert. Zudem müssen in dem unübersichtlich gewordenen technologischen Umfeld militärische Optionen gegeneinander aufge- wogen werden; zahlenmässige Obergrenzen für ausgewählte Waffen- systeme sind hinsichtlich der anzustrebenden strategischen Stabilität immer weniger aussagekräftig. Transparenzmassnahmen, gemeinsamen Doktrin-Seminaren, einseitigen Zurückhaltungen und anderen «wei- cheren» Rüstungskontrollmethoden dürfte eine sehr viel grössere Be- deutung zukommen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

- Die Revolution in Military Affairs – Möglichkeiten und Bedingungen für die Rüstungskontrolle, in: Götz Neuneck/Christian Mölling (Hrsg.), Die Zukunft der

91 Southern African Development Community (SADC) Protocol on the Control of Firearms, Ammunition and Other Related Materials.. anderem vorgesehen, die

Das Scheitern des Ansatzes der NATO muss nicht das Ende der Bemühungen um kon- ventionelle Rüstungskontrolle bedeuten. Auch MBFR ist viele Jahre fortgesetzt worden, obwohl

Ein Lösungsvorschlag wäre es, hier die Definition von „facility“ der IAEO (z.B. den Begriff Reaktor) auf alle neutronenproduzierenden Prozesse auszuweiten, die ausreichend

Insgesamt zeigt sich gerade im Hinblick auf die nationalen Exportkontrollen, dass die Staaten für die Gefahren der unbegrenzten Verbreitung von MANPADS vor allem für die

Wer sich mit Information Warfare als Facette von IT-Sicherheit beschäftigt hat, wird die Frage stellen, was neu an dieser Lagebeschreibung ist. Die Supermächte USA und Sow-

• The primary task is to develop a multilateral agreement on designation of protected areas and corresponding systems in the high seas and append this to UNCLOS, either as an

Der Wechsel erlaubte es ihr, ausgewählte EU- und NATO-Staaten (auch Deutschland, aber nicht Russland) zur Beobachtung einzula- den, um Erkenntnisse über die Lage in der