MATTHIAS JUNG SOSEM 2010
Vorlesung:
Einführung in die philosophische Anthropologie
PHILOSOPHISCHE ANTHROPOLOGIE
Überblick 1. Vorlesung
Was oder Wer ist der Mensch?
Alltagserfahrung, Wissenschaft, Philosophie
PhA als Integrative Anthropologie
Aufbau der Vorlesung
Literaturhinweise
WAS ODER WER IST DER MENSCH:
- implizite Menschen- und Weltbilder
- Narrative Anthropologie in Religion und Kultur - Wissenschaftliche Anthropologie
WAS ODER WER IST DER MENSCH?
Die Beobachter- und die Teilnehmerperspektive:
Das System der Personalpronomina
Ich/Wir; Du; Sie
Extensionale und intensionale Fragen
Gattungsidentität und personale Identität
Deskriptive und normative Fragen
ALLTAGSERFAHRUNG,
WISSENSCHAFT, PHILOSOPHIE
Die Unhintergehbarkeit gewöhnlicher Erfahrung
Die Fähigkeit symbolischer Distanzierung
Personale und soziale Innenperspektive, geistes- und naturwissenschaftliche Außenperspektive
ALLTAGSERFAHRUNG,
WISSENSCHAFT, PHILOSOPHIE
Die Humanwissenschaften
Der überholte Gegensatz von Kultur- und Naturwissenschaften
Falsche Auflösungen des Gegensatzes: Naturalismus/Kulturalismus
ALLTAGSERFAHRUNG,
WISSENSCHAFT, PHILOSOPHIE
Die Bedeutung der Kognitionswissenschaft
Evolutionäre Anthropologie
Theorien verkörperten Geistes: Funktionalismus und seine Grenzen
Verbindung von Phänomenologie und kausalem Denken
Suche nach anthropologischen Invarianten (Zitat Pinker:
„Differences among individuals are so boring“)
ALLTAGSERFAHRUNG,
WISSENSCHAFT, PHILOSOPHIE
Historische bzw. Kulturanthropologie
Betonung kultureller Differenz
Ethnologischer Eurozentrismus-Verdacht
Skepsis gegenüber Naturwissenschaften
ALLTAGSERFAHRUNG,
WISSENSCHAFT, PHILOSOPHIE
Immanuel Kant:
Schul- und Weltbegriff der Philosophie
Idee einer Anthropologie in pragmatischer Hinsicht
Zitat Vorrede BA III, IV
PHA ALS INTEGRATIVE ANTHROPOLOGIE
Interpretation, Integration, Holismus (Ch. Thies)
Integration als Bezug von Perspektiven, die verschieden bleiben (keine Synthese)
Nachträgliche Konvergenz vs. Differenzierung eines Grundphänomens
Keine „Lehnstuhlphilosophie“
Relevanz und Grenze des Wissenschaftlichen
I. Grundlagen 13.4.
Einführung: die Rückkehr philosophischer Anthropologie 20.4.
Nomaden im Zweistromland:
Natürlichkeit/Kulturalität/Ausdrücklichkeit/Symbolizität/Diversität/Historizität II. Historische und aktuelle Positionen
27.4.
Ohne Menschenbild geht es nicht:
Die implizite Anthropologie religiöser und metaphysischer Weltbilder 04.5.
Klassische Positionen I: Lebensphilosophie und Pragmatismus 11.5.
Klassische Positionen II: Scheler/Gehlen/Plessner 18.5.
Ausfall wg. auswärtigen Termins 25. 5.
Vorlesungsfrei 01.6.
Gegen den Dualismus: eine Anthropologie der Artikulation
III. Problemfelder 08.6.
Die evolutionäre Entstehung des Menschen 15.6.
Bewusstsein, Sprache und Verkörperung 22.6.
Was unterscheidet uns von anderen Lebewesen?
29.6.
Freiheit und Verantwortung: Anthropologische Grundlagen der Moral
LITERATURHINWEISE
Gerald Hartung, Philosophische Anthropologie, Reclam (eher historisch)
Christian Thies, Einführung in die philosophische Anthropologie, 2. Aufl., WB (eher systematisch)
Christoph Wulf, Anthropologie, rowohlts enzyklopädie (Kulturalismus)
Ganten/Gerhardt etc., Was ist der Mensch?, De Gruyter
Joachim Illies, Philosophische Anthropologie im biologischen Zeitalter, stw
Matthias Jung, Der bewusste Ausdruck, Anthropologie der Artikulation, De Gruyter
HOMEPAGE FÜR
HERUNTERLADEN DER VORLESUNG
• http://uni-koblenz.de/~mjung/
OHNE MENSCHENBILD GEHT ES NICHT
Mensch als selbstinterpretierendes Wesen
Mythen als Deutungen der Stellung des Menschen in der Welt
Anthropomorphismus („ursprüngliche Allvermenschlichung“) und
„Kosmozentrik“
Mikro/Makrokosmos
DIE ACHSENZEIT
Blütezeit der ersten Hochkulturen
Zitat aus Karl Jaspers, Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
Synchrone Entstehung von universalen Weltdeutungen, wissenschaftlichem Denken und politischem Bewusstsein
„Entdeckung der Transzendenz“
„Second-Order-Thinking“
BEISPIEL I: DIE HEBRÄISCHE BIBEL
Distanzierung des Mythischen durch Monotheismus und Schöpfungsgedanke
Klassische Stellen: die zwei Schöpfungsberichte Gen 1,26-28; Gen 2-3; Psalm 8
Kein Dualismus von Leib und Seele
Spannung von Größe und Nichtigkeit
BEISPIEL II: CHORLIED DER ANTIGONE
aus Sophokles, Antigone:
CHOR
Ungeheuer ist viel und nichts Ungeheurer als der Mensch.
Er überschreitet auch das graue Meer Im Notossturm
Unter tosenden Wogen hindurch.
Erde, der Güter höchste,
Die unerschöfliche, unermeßliche, Bedrängt sein Pflug. Auf und ab Ackern die Rosse ihm
Jahr um Jahr.
Leichtgesinnter Vögel Volk Fängt er im Garn,
Wilder Tiere Geschlechter Und Kinder des Meers
In verschlungenem Netzgeflecht, Der kluge Mensch.
Mit List bezwingt er, Was haust auf Höhlen Und schweift im Freien.
Dem Pferd mit der mutigen Mähne, Dem unbändigen Bergstier
Zähmt er den Nacken
Unter das Joch.
Und luftgewirkte Gedanken Lehrte er sich
Und den Trieb zum Staat Und Obdach
Gegen ungastlichen Reif vom Himmel Und Regengeschosse,
Allberaten.
Ratlos tritt er
Vor nichts, was kommt,
Nur dem Tod entrinnt er nicht.
Aber aus heillosen Leiden
Ersann er sich Rettung.
Mit der Erfindung Kunst Reich über Hoffen begabt, Treibt's zum Bösen ihn bald
Und bald zum Guten.
Ehrend des Landes Gesetz
Und der Güter beschwornes Recht, Ist er groß im Volk. Nichts im Volk,
Wer sich dem Unrecht gab Vermessenen Sinns.
Nie sei Gast meines Herdes, Nie mein Gesinnungsfreund,
Wer solches beginnt.
LEBENSPHILOSOPHIE UND PRAGMATISMUS
• Anthropologie im engeren Sinn als spezifisch neuzeitliche Frage vor dem Hintergrund von
• Humanismus
• Aufklärungsphilosophie
• Idealismus
• Romantik/Expressivismus
WILHELM DILTHEY 1833-1911
LITERATURHINWEIS
Matthias Jung, Dilthey zur Einführung. Junius-Verlag
„EINLEITUNG IN DIE
GEISTESWISSENSCHAFTEN“
• Motiv des „ganzen Menschen“
• Kritik an Theoretizismus und Intellektualismus
• Wille, Gefühl, Vernunft
• Interaktionszusammenhang von Organismus und Umwelt
• Entwicklung und Evolution
• Erkenntnisanthropologie der „inneren Erfahrung“:
• Zitat aus der „Einleitung...“
GEISTES- UND
KULTURWISSENSCHAFT
• Abgrenzung von den Naturwissenschaften: Innen- und Außenperspektive
• Unterschied, nicht Gegensatz von Erklären und Verstehen:
Perspektivendifferenz vs. unterschiedliche Seinsarten
• Hermeneutik als Theorie des Verstehens: Mensch als interpretierendes Lebewesen
• Sinn als artikulierte Lebensbedeutsamkeit
• Dreischritt Erlebnis-Ausdruck-Verstehen
Lebenszusammenhang Mensch-Umwelt Lebenszusammenhang Mensch-Umwelt
Erklären Verstehen
Naturwissenschaften Geisteswissenschaften
Beobachterperspektive Teilnehmerperspektive
Kausalität Sinnzusammenhang
Deduktiv-nomologisches Schema:
empirische Daten
PRAGMATISMUS
• Hauptvertreter:
• Charles Sanders Peirce 1839-1914
• William James 1842-1910
• John Dewey 1859-1952
CHARLES S. PEIRCE
WILLIAM JAMES
JOHN DEWEY
GRUNDGEDANKEN
• philosophische Bedeutung der alltäglichen Erfahrung und des Handelns
• Menschen als qualitativ erlebende und interpretierende Wesen
• Bedeutung der Praxis für die Theorie und umgekehrt
• Anerkennung von Kontingenz:
• Handeln immer prekär; keine „Flucht in die Theorie“ (Dewey,
„Die Suche nach Gewissheit“)
• Antidualismus: Zitat „Erfahrung und Natur“, 40
ZUM BEISPIEL JOHN DEWEY:
• nichtreduktionistischer Naturalismus
• antiindividualistischer und antidualistischer Begriff des Geistes
• menschliche Bedeutungen als realer Teil der Natur
• anthropologisch zentrale Werke:
• Human Nature and Conduct (1922)
• Experience and Nature (1925)
„EXPERIENCE AND NATURE“
• menschlicher Geist als Teil der Natur
• Alltagsperspektive nicht abgewertet (keine „Folk Psychology“), sondern unhintergehbar
• Naturalismus, aber nicht szientifisch
• Dreigliedrigkeit:
• physisch
• psycho-physisch
• mental (geistig)
DIE „PHILOSOPHISCHE ANTHROPOLOGIE“
• HAUPTAUTOREN:
• Max Scheler
• Arnold Gehlen
• Helmuth Plessner
MAX SCHELER
1874-1928
ARNOLD GEHLEN
1904-1976
HELMUTH PLESSNER
1892-1985
DER KLASSISCHE ENTWURF HELMUTH PLESSNERS
• Literaturhinweis: Kai Haucke, Plessner zur Einführung, Junius-Verlag
• Hauptwerk: Die Stufen des Organischen und der Mensch (1926)
• Hintergründe:
• Diltheys Lebensphilosophie als Theorie der Geisteswissenschaften;
• Interesse für Biologie
• Kognitive Bedeutung der Sinnlichkeit/Leiblichkeit: „Versinnlichung des Geistes, Vergeistigung der Sinne“: kein „Gehirn im Tank“
• Diskreditierung des cartesianischen Dualismus
METHODISCHE GRUNDLAGEN
• Verbindung von:
• Phänomenologie (Fokus auf dem in der Perspektive der ersten Person Erlebbaren; zentrale Figur: Edmund Husserl)
• Hermeneutik (Fokus auf Ausdruckshandeln als Interpretation der Wirklichkeit; zentrale Figur: Wilhelm Dilthey)
• Lebensphilosophie (Fokus auf Interaktionszusammenhang von Organismus und Umwelt)
• Biophilosophische Grundlegung der Anthropologie
GRUNDPOSITIONEN PLESSNERS
• Positionalität des Organismus
• wechselseitige Vermittlung von Teil und Ganzem
• Gestalthaftigkeit
• Grenze haben (Stein) - Grenze sein (Tier)
• Zentriertheit
• Umweltfixiertheit („ökologische Nische“)
Zusammenfassend: Stufen des Organischen: 288
GRUNDPOSITIONEN PLESSNERS
• Exzentrische Positionalität des Menschen
• Körper und Leib (Naturprozess und phänomenales Erleben)
• Weltoffenheit
• Nicht-Festgelegtheit, Plastizität
• Ausdruckshaftigkeit:
• „Ausdrücklichkeit als Lebensmodus des Menschen“ (Stufen des Org. 323f.)
• Sprache als Expressivität zweiter Stufe
• Kulturalität
• Reflexive Distanz (Herder: „Besonnenheit“)
PLESSNERS DREI ANTHROPOLOGISCHE GRUNDGESETZE
• Natürliche Künstlichkeit
• Vermittelte Unmittelbarkeit
• Utopischer Standort
KRITIK AN PLESSNER
• überzeitlicher Wesensbegriff: „Essentialismus“
• Keine produktive Rezeption der Evolutionstheorie
• Naturphilosophie von Naturwissenschaften abgekoppelt
MENSCHEN UND ANDERE LEBEWESEN
• Verhältnis Mensch-Tier als zentrale anthropologische Frage
• Bei Aristoteles: „animal rationale“
• Schon Begriffe unklar: „animal“ als Lebewesen bzw. als „Tier“
KLASSIFIKATIONSSCHEMA A
Lebewesen
Menschen Tiere
Gattung
Art/Nebenart
KLASSIFIKATIONSSCHEMA B
Menschen Tiere
Gattungen
DIE MENSCH-TIER-DIFFERENZ IN RELIGIONEN UND
WELTANSCHAUUNGEN
• In den „abrahamitischen“ Religionen Spannung zwischen
„Ausnutzung“ und „Kultivierung“ als zwei Dimensionen von Herrschaft über die übrige Natur; Betonung der Differenz von Mensch und Tier
• Im Hinduismus über Wiedergeburtslehre stärkere Kontinuitätsannahme
• In Buddhismus und Daoismus Betonung von Mitleid und Nähe aller Lebewesen
DIE MENSCH-TIER-DIFFERENZ IN RELIGIONEN UND
WELTANSCHAUUNGEN
• Naturalistische Weltanschauungen in der Moderne:
• Mensch als Teil der Natur; aber Interpretationsspielraum:
• Primat des Menschlichen und der Naturausnutzung z.B. im Marxismus
• ökologische Naturalismen: Nähe zum Pantheismus, z.B. Gaia- Hypothese (Margulis/Lovelock)
DIE MENSCH-TIER-DIFFERENZ IN DER ANTHROPOLOGIE
• Klassische Philosophie: Mensch als
• „animal rationale“ bzw.
• „zoon politikon“ (Aristoteles)
• Philosophische Anthropologie: „Sonderstellung des Menschen“
• Doppeldeutigkeit: a.) Mensch fällt aus evolutionärer Kontinuität heraus (nicht haltbar!); b.) Einzigartigkeit der menschlichen
Lebensform als ganzer (Ablehnung des Stufenmodells)
DIE MENSCH-TIER-DIFFERENZ IN DER ANTHROPOLOGIE
• falsche Strategie: Suche nach einzelnen Kompetenzen, die allen anderen Lebewesen fehlen
• Beispiel Werkzeuggebrauch (tool-making-animal)
• Beispiel kognitive Fähigkeiten (etwa Intentionsverstehen)
• Beispiel Zeichensysteme (aber: Bienensprache, Walgesänge etc.)
• richtige Strategie: Suche nach Struktureinheit, die alle Aspekte durchdringt
SYSTEMATIK: ZWEI GRUNDSÄTZLICHE WEICHENSTELLUNGEN
• Evolutionäre Kontinuität
• Differenzholismus (Menschliche Lebensform als Einheit)
EVOLUTIONÄRE KONTINUITÄT
• Menschen stehen in der Kette des Lebendigen
• Entstehung aller humanspezifischen Fähigkeiten und Eigenschaften im Laufe natürlicher Evolutionsprozesse
• Funktionale Parallelen zwischen Mensch und Tier:
• Organismus als selbstorganisierende Interaktionseinheit mit innerer Struktur, äußerer Grenze und Bewegungsorganen
• Enge Verwandtschaft in der Physiologie der Organe und des Gehirns
• Organismen als unselbständige Teilkomponenten von Interaktionszusammenhängen mit der Umwelt
EVOLUTIONÄRE KONTINUITÄT
• Zentrale Bedeutung des Interaktionszusammenhangs/der Umwelteinbettung für Verständnis der Reichweite naturalistischer Argumente
• Literaturhinweis: Thomas Fuchs, Das Gehirn - ein Beziehungsorgan, Kohlhammer-Vlg.
• In den Neurowissenschaften/Kognitionswissenschaften häufig:
• Tendenz zur Isolierung des Gehirns: Mereologischer Fehlschluss
• Beispiel für Fehlschluss: Zitat aus Gerhard Roth: Fühlen, Denken, Handeln, 554:
• „Menschen können als bewusste Individuen nichts für das, was sie tun, denn ihr bewusstes Handeln wird durch das emotionale Erfahrungsgedächtnis geleitet, das nicht dem Willen unterliegt.“
EVOLUTIONÄRE
KONTINUITÄT, THESEN:
• Gehirne können nicht denken, sondern nur Menschen-in-einer-Umwelt
• Alle menschlichen Fähigkeiten sind evolutionär entstanden
• Annahmen über Prozentzahlen der Übereinstimmung an genetischem Material etc.
verraten nichts über den Grad der tatsächlichen Differenz
• Die Umwelt des Menschen ist zum Teil von ihm selbst geschaffen (Kultur)
• Die Umwelt bestimmt über epigenetische Prozesse die Wirkung der Erbanlagen mit
• Nur die innere Verbindung natürlicher und kultureller Faktoren erlaubt ein Verständnis
DIFFERENZHOLISMUS
• Grundthese: durch natürliche, evolutionäre Entwicklung ist eine menschliche Lebensform entstanden, die sich als ganze, nicht nur in ihre „oberen Etagen“ von anderen Lebensformen unterscheidet.
DIFFERENZHOLISMUS
• Ablehnung aller Schichten- bzw. Stockwerksmodelle
•
Erdgeschoss Erste Etage Oberstübchen
Vegetative Funktionen Animalische Funktionen
Geistige Funktionen
Pflanzen, Tiere, Menschen Tiere, Menschen
Menschen
DIFFERENZHOLISMUS
• Statt dessen: neue menschliche Möglichkeiten strukturieren den Organismus im ganzen neu
• Zentrale Differenz zu anderen Lebewesen: Sprachfähigkeit
• Sprache nicht einfach nur als Erweiterung tierischer
Ausdrucksmöglichkeiten, sondern als deren funktionale Neubestimmung
• Beispiel: Menschenaffen und Menschen verwenden Gesten, um
Aufmerksamkeit zu erzeugen (sog. „Attention Getters“, M. Tomasello)
• Funktion menschlicher „Attention Getters“ in Sprache eingebettet
DIFFERENZHOLISMUS
• Zentrales Strukturmerkmal der menschlichen Lebensform:
• Kommunikation und Denken mittels verkörperter Symbolizität
• Kommunikationssysteme gibt es auch bei anderen Lebewesen
• Funktionale Überlegenheit angepasster Kommunikationssysteme über Sprache (Beispiel: Bienentanz)
• Besonderheiten von (symbolischen) Sprachen:
• Ablösbarkeit der Kommunikation vom Hier und Jetzt
• Thematisierbarkeit von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft; von Möglichkeit, Wirklichkeit und Unmöglichkeit; Normativität und Totalität
• „Indirekter Gegenstandsbezug“, aber Gefahr des Realitätsverlustes (Sprache muß verkörpert
DIFFERENZHOLISMUS
• Mensch als Wesen der Ausdrücklichkeit
• Wir müssen handeln und können uns nicht einfach verhalten
• Reflexivität im Unterschied zu bloßer Intelligenz: Bruch des Motivationskontinuums
• Zusammenhang Sprache-Handeln: Freiheit und Möglichkeitshorizont
• Plastizität und Selbstbestimmung
• Kultur als Natur des Menschen
FAZIT I
• Zugleich von evolutionärer Kontinuität und Differenzholismus
• Wir sind ganz Teil der Natur wie alle anderen Lebewesen, und
• Unsere Lebensform ist als ganze anders:
• Wir sind verkörperte Symbolverwender: Geist, Gehirn, Körper und physische Umwelt bilden eine funktionale Einheit
• durch körperliches Handeln und Wahrnehmung haben wir einen direkten Wirklichkeitszugang
• durch den Gebrauch von Symbolen können wir uns von der Gegenwart und von der Wirklichkeit lösen
FAZIT II
• Gemeinsamkeit mit Tieren: wir sind Lebewesen
• Fähigkeiten, mit Tieren Lebensgemeinschaften zu bilden, dann sind die Tiere nicht Nahrung, sondern Selbstwert
• Bewusstsein, Empfindungsfähigkeit, Schmerz und Lust, Instinkte mit anderen Säugetieren gemeinsam
• Wir haben diese Gemeinsamkeiten aber auf spezifisch menschliche Art
• elaboriertes Selbstbewusstsein, biographische Identität, Reflexivität, Umgang mit Möglichkeitshorizonten, Normative Orientierung: Alleinstellungsmerkmale des Menschen aus Ausdruck der Struktureinheit seiner spezifischen Lebensform
EVOLUTION UND
ENTWICKLUNG DES MENSCHEN
• Begriffsklärung: Evolution und/oder Entwicklung
• Siegeszug der Evolutionspsychologie seit den 80er Jahren
• Grundannahmen:
• Dominanz genetisch geprägter Verhaltensweisen: Weitergabe der Gene als „Ziel“ (Klassiker: Richard Dawkins, The Selfish Gene)
• Entstehung von menschlichem Verhalten als Folge von Adaptionen in der Steinzeit
• Verhalten also nicht an die Jetztzeit angepasst. Tooby/Cosmides: „Our modern skulls house a Stone Age mind“
• Lieblingsbeispiel der Ev. Psych: Unterschiedliches Sexualverhalten von Frauen und Männern
• Modularitätsannahme: Geist aus vielen unabhängig voneinander evolvierten Funktionsmodulen
KRITIK AN DER EVOLUTIONÄREN PSYCHOLOGIE
• genetischer Determinismus
• Ausblendung der Rolle von Kultur (dagegen: Dual-Heritage-Theory)
• Vernachlässigung des menschlichen Bewusstseins und Symbolgebrauchs
DIE EVOLUTIONÄRE
ENTSTEHUNG DES MENSCHEN
• Konzentration auf die innere Form des spezifisch menschlichen Bewusstseins
• Koppelung von Bewusstseins- Sprach-, Gehirn und Handentwicklung:
Koevolution (Terrence Deacon)
• Ineinandergreifen von kultureller Entwicklung und natürlicher Evolution:
sog. ratchet effect (Michael Tomasello): Kultur als Tradition von kognitiven Errungenschaften, sodaß nicht jede Generation neu anfangen muß
• Die Evolution des Bewusstseins nach Merlin Donald, A Mind so Rare