Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 37⏐⏐15. September 2006 A2415
G E L D A N L A G E
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enn alle einer Meinung sind, das gilt an der Börse wie an- derswo auch, ist es immer schwer, mit seiner konträren Auffassung ge- genzuhalten. Die persönliche Verun- sicherung nimmt in dem Maße zu, je mehr Profis in das gleiche Horn bla- sen, die Herren Kenner der Szene müssten es ja eigentlich besser wis- sen, also lieber nicht allzu sehr auf das eigene Gefühl vertrauen.Dieses Phänomen gilt umso mehr, je drastischer die Mehrheit der Wertpapierprofis den Daumen zu einer Aktie senkt. In einer sol- chen Situation seine Anlagemei- nung nicht umzuwerfen, schaffen dann nur wenige; der Homo oeco- nomicus wird dann zu einem Homo espenlaubiensis.
Ob diese Form des Herdentriebes allerdings zu einem guten Ende führt, kann füglich bezweifelt wer- den. Erinnern Sie sich noch daran, wie im Jahr 2004 der Börsengang der
Postbank vom Markt aufgenommen wurde? Es war das reine Fiasko.
Wäre es nach der versammelten Expertenschar gegangen, hätte es die Postbank als Börsenwert niemals gegeben, nicht geben dürfen, so sehr wurde die Emission von Analysten, Fondsmanagern und was weiß der Teufel noch von Aktienauguren jeg- licher Couleur runtergemacht. Die damalige Kontrafront war durch- gängig. „Das kann nichts werden.“
Die Postbank sei ein verstaubter Be- amtenladen, die Kunden würden nur angeschnauzt, von Markt keine Ah- nung und so weiter.
Die Verunsicherung war so gewal- tig, dass vor gut zwei Jahren der Bör- sengang fast abgesagt wurde, die herr- schende Meinung damals war, dass die Postbank selbst am unteren Rand der Angebotsspanne von 31,50 Euro total überteuert wäre. Vor lauter Schreck platzierte das Emissionskon- sortium die Aktie dann tatsächlich zu
einem Preis von 28,50 Euro. Selbst auf dieser Basis quälte sich die Emis- sion nur mühsam aufs Börsenparkett.
Alles falsch. Heute hat die Deut- sche Postbank im Aktienkurs einen Gewinn von 100 Prozent auf dem Buckel, der Anleger hätte, ohne großes spekulatives Risiko, einen Riesenreibach gemacht, und die Postbank präsentiert sich plötzlich als eine Bank, die in den Hitlisten als renditestark und kundenfreund- lich dargestellt wird. Mittlerweile gilt das Institut sogar als idealer Übernahmekandidat.
Ein Einzelfall? Mitnichten. Die Lanxess-Abspaltung von Bayer wie auch die Trennung der Hypo Real Estate von der Mutterbank wurden vom Markt ebenso ungnädig auf- genommen und können heute mit glänzenden Kursgewinnen aufwar- ten. Es lohnt sich also doch, erstens eine eigene Meinung zu haben und sie zweitens auch durchzuhalten. I
geprüft 2006
BÖRSEBIUS