Niki de Saint Phalle mit Picknick-Szene „Adam und Eva", 1987, Polyester, Farbe
Skulpturenpfad der Universität Ulm
Kunst auf dem Campus
W
o Niki de Saint Phalles"Adam und Eva" beim Picknick mit Hähnchen, Wein und Schlan- ge im Grünen sitzen und der
„Dichter" seine „Muse" — ein deriviertes Adam-und-Eva- Motiv derselben Künstlerin — kraftvoll (in die Höhe) stemmt, wo die Patina des
„Ulmer Tores" von Bernhard Heiliger in der Sonne gold- braun leuchtet, wo Harald Hausers „10/87" elegant- scharfkantige Akzente setzt und die „Drei Bildsäulen"
von Max Bill nach dem Wil- len ihres Erzeugers „Farbe in den Außenraum" bringen, dort ist der Kunstpfad der Universität Ulm. „Kunstpfad"
steht dabei für eine Kollekti- on von derzeit 58 vorrangig plastischen Schöpfungen in- nerhalb und außerhalb der Universität auf dem Oberen Eselsberg, eine Kollektion von sinnfälliger Heterogeni- tät. „Wir wollten nicht nur ei- ne Kunstrichtung vertreten wissen, sondern das ganze Spektrum der Kunstszene
darstellen...", so lautet die da- zugehörige Programmatik, wie sie von Caius Burri und Karl-Heinz Reisert in ihrem Begleitbuch „Kunstpfad Uni- versität Ulm", Verlag Ulmer Kunststiftung „Pro Arte", 1990, entwickelt wird.
Bis 1988 konnten sich in der und um die Universität Ulm als Kunst-am-Bau-Be- standteile 17 Stücke ansie- deln, bis die Ulmer Kunststif- tung „Pro Arte" eine Verstär- kung der Kunstpräsenz an- regte. Die Initiative verkör- perte sich in dem Ulmer Chir- urgen Professor Dr. Caius Burri, dem es mit öffentlichen und privaten Mitteln, mit gro- ßem Engagement und nicht zuletzt dank seiner Beziehun- gen zur Kunstszene gelang, die nach ihm gelegentlich
„Burri-Pfad" benannte Kol- lektion bis zum Frühsommer 1991 auf die stattliche Marke von 58 Objekten zu heben.
Doch nicht die schiere Zahl, nicht die Stellungsdich- Oben: „Fi-
ele" von Christoph Freimann, 1990, Stahl Links: Drei Bildsäulen von Max Bill,
1977, ver- zinkter Stahl mit Email- platten
A,-1770 (108) Dt. Ärztebl. 89, Heft 19, 8. Mai 1992
schichtlichen Exponenten Kant wollte die Epoche Kunst als Mittel zur Erzeugung äs- thetischer Lust begreifen, de- ren Wesen in einem interes- selosen Wohlgefallen am schönen Gegenstand besteht.
Zwar eröffnet diese Optik nicht den Himmel der Gewiß- heit; schnell bietet sich einer solchen Sichtweise der Zwei- fel dar, gekleidet in die Frage, wie Schönheit zu bestimmen sei. Allein wen es nach wei- tergehender Reflektion ver- langt, wer Kunst als ein Vehi- kel zur Auseinandersetzung des Menschen mit der Welt verstehen möchte, hat es Oben: Erich Hauser, Plastik
10/87, rostfreier Stahl Unten: Rolf Jörres, Land Art,
1985 bis 1987, fränkischer Mu- schelkalk
te der Schöpfungen, nicht der Umstand, daß auf einer ge- dachten Besichtigungsroute durchschnittlich alle 25 Meter ein Kunstwerk begegnet, sind hier das Entscheidende. Die eigentliche Bedeutung des Kunstpfades auf dem Oberen Eselsberg erwächst aus seiner stilistischen Vielfalt zum ei- nen und seinem Charakter als immerwährender Einrichtung zum anderen: Die Werke ha- ben sich nicht zu einer vor- übergehenden Exposition zu- sammengefunden, sie stellen vielmehr eine unbefristete, ei- ne auf Verbleib angelegte Versammlung plastischer Hervorbringungen mit zeitge- nössischem Hintergrund dar.
Was will, was kann dieser Ballungsraum moderner Kunst dem Betrachter geben, inwieweit vermag er ihn anzu- rühren und vielleicht ein Er- lebnis ästhetischer Satisfakti- on zu gewähren? Was Kunst ist, so läßt sich in Abwand- lung eines Augustinischen Wortes über die Zeit sagen, was Kunst ist, weiß ich, solan- ge mich keiner danach fragt.
Und wenn der schillernde Be- griff denn Erklärung unnach- giebig heischt, mag sich die Sichtweise des 18. Jahrhun- derts in Erinnerung bringen.
Im Sinne ihres geistesge-
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© Peter Pietschmann
nicht einfacher, zwingt diese Entscheidung doch auf den problematischen und häufig unfrohen Pfad der Interpre- tation.
So belassen wir es denn bei Kant und folgen in seinem Horizont dem Ulmer Plasti- ker Herbert Volz (der selbst mit zwei Werken auf dem Oberen Eselsberg vertreten ist, mit der künstlerischen Ausgestaltung der Medizini- schen Universitätsklinik und der „Dottenhausener Säu- le"), wenn er sagt: „Ich möch- te... einen Anlaß zur Ent- spannung bieten, nicht thera- pieren, aber auch nicht den Pulsschlag erhöhen."
Entspannen wir uns also und nehmen wir bei allem auch „Des Kaisers neue Klei- der" wahr. Nein, bloß meta- phorisch ist dies nicht ge- meint: Zur Eselsberg-Samm- lung gehört tatsächlich eine plastische Schöpfung gleichen Namens, deren Urheber Ge- org Laschinger ist. Vielfalt zeigt sich auch daran, Vielfalt bis hin zur moderaten Selbst- ironie. Peter Pietschmann A1-1772 (110) Dt. Ärztebl. 89, Heft 19, 8. Mai 1992