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Ein Framework zur systematischen Entwicklung und Anpassung von Digitalisierungsstrategien

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source: https://doi.org/10.48350/156280 | downloaded: 31.1.2022

1 23

Wirtschaftsinformatik &

Management ISSN 1867-5905 Wirtsch Inform Manag

DOI 10.1365/s35764-021-00336-9

Ein Framework zur systematischen Entwicklung und Anpassung von Digitalisierungsstrategien

Boris Ricken, Adrian Wüthrich &

Christian Matt

(2)

1 23

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the original work is cited. You may self-

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(3)

Wirtschaftsinformatik & Management https:// doi.org/ 10.1365/ s35764- 021- 00336-9 Angenommen: 12. März 2021

© Der/die Autor(en) 2021

Ein Framework

zur systematischen Entwicklung

und Anpassung

von Digitalisierungs­

strategien

Die Digitalisierung stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Diese reagieren hierauf in der Regel zunächst durch verschiedene Einzelinitiativen, sei es im Bereich der (internen) Prozessautomatisierung, der Schnittstelle zum Kunden oder durch digitale Produkte oder Services. Bislang erfolgen diese Initiativen jedoch häufig zunächst „bottom up“ und sind selten aufeinander abgestimmt oder gar an der Unternehmensstrategie ausgerichtet. Dies führt nicht nur zu Doppelspurigkeit und Effizienzverlusten, sondern auch zu einem mangelnden strategischen Fokus. In der Praxis besteht somit ein großer Bedarf, die Digitalisie- rung strategisch zu gestalten und systematisch in einer Digitalisierungsstrategie zu verorten. Wir begegnen diesem mit einem Framework zur systematischen Entwicklung und Anpassung von Digitalisierungsstrategien.

Boris Ricken, Adrian Wüthrich und Christian Matt

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Die bisherige wissenschaftliche Literatur fokussierte sich häufig auf die Abgrenzung und Ausgestaltung von Digitali‑

sierungsstrategien [1] und identifizierte bspw. Kunden, Da- ten, Organisation, Wertversprechen, Operations- und Trans- formationsmanagement als relevante Handlungsfelder [2].

Ebenso wurden organisatorische, strukturelle oder techno- logische Strategieinhalte konzeptualisiert [3] und auf Basis verschiedener Einzelfallstudien untersucht, wie Digitalisie- rungsstrategien innerhalb von Unternehmen entstehen und in emergente Strategieprozesse münden [4]. Im Fokus der For- schung stand ebenso die organisatorische und personelle Ver- antwortung von Digitalisierungsstrategien durch Chief Digi‑

tal Officers [5].

Während somit die strategischen Inhalte, Verantwortlich- keiten und organisatorische Aspekte im Kontext von Digita- lisierungsstrategien bereits näher beleuchtet wurden, so fehlt es Praktikern jedoch weiterhin an Methoden, wie sie basie- rend auf dem aktuellen Status quo des Unternehmens zu ei- ner integrierten Digitalisierungsstrategie kommen. Dies gilt umso mehr, da auch die aktuelle Literatur zu Recht darauf hinweist, dass Konzeptions- und Implementierungsprozesse von Digitalisierungsstrategien durchaus komplex sind, sich zwischen Unternehmen merklich unterscheiden können, di- verse Stakeholder einzubinden sind und im Laufe der Zeit die zugrunde liegenden Annahmen überprüft werden müs- sen [6]. Zusätzliche Komplexität entsteht auch dadurch, dass Digitalisierungsstrategien i. d. R. über zahlreiche einzelne Digitalisierungsprojekte umgesetzt werden, die dann nicht nur individuell, sondern im Zuge eines übergeordneten Pro- gramm-Managements mit entsprechendem Projektcontrol- ling überwacht und gesteuert werden müssen.

Wir wollen daher in diesem Beitrag ein praktisch anwend- bares 6‑Phasen‑Framework für die Entwicklung von Digitali- sierungsstrategien vorstellen. Jede Phase besteht dabei aus an- wendungsorientierten Werkzeugen, die Unternehmen bei der Entwicklung von Digitalisierungsstrategien unterstützen. Bei der Entwicklung des Frameworks haben wir die Methodiken der Aktionsforschung eingesetzt und die einzelnen Elemen- te anhand mehrerer, aufeinanderfolgender Fallstudien ent- wickelt [7]. In jedem Anwendungsfall wurde eine angepasste Version des Frameworks eingesetzt, evaluiert und weiterent- wickelt, sodass eine kontinuierliche Verbesserung erreicht werden konnte. Theoriebildung, Intervention und Reflexion bilden dabei einen inkrementellen Zyklus und stellen die ziel- gerichtete Anwendung sicher.

Nachdem wir nachfolgend zuerst kurz das für das Frame- work zugrunde gelegte Verständnis der Digitalisierung be- schreiben, erläutern wir anschließend dessen wesentliche Werkzeuge entlang der sechs Phasen und illustrieren deren

Dr. Boris Ricken1

verantwortet als Senior Manager den Marktbereich „Manufacturing“ bei der AWK Group. Er verfügt über mehrjährige Industrie‑ und Beratungserfahrung und hat bereits zahlreiche Digitalstrategien sowie andere Kundenprojekte im Kontext von Digitalisierung realisiert.

boris.ricken@awk.ch

Dr. Adrian Wüthrich1

ist als Consultant im Bereich „Digital Strategy & Innovation“ bei der

AWK Group tätig. Er ist spezialisiert auf die Entwicklung von Digitalstrategien und begleitet Kunden aus der Privatwirtschaft sowie dem öffentlichen Sektor bei dies‑

bezüglichen Herausforderungen.

adrian.wuethrich@awk.ch

1AKW Group AG, Zürich, Bern, Basel, Lausanne, Luxemburg, Zürich, Schweiz

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Einsatz anhand eines praktischen Fallbeispiels aus dem Be- reich „Consumer Health Care“.

Handlungsfelder der Digitalisierung

Digitalisierung im Sinne unseres Frameworks bezieht sich auf vier Handlungsfelder:

Handlungsfeld I beinhalt die Digitalisierung der internen Prozesse und Produktion. Beispiele sind die Automatisie- rung von Produktions-, Verkaufs- oder Beschaffungspro- zessen. Ziel ist die Optimierung von Kosten, Qualität und Zeit.

Handlungsfeld II umfasst die Digitalisierung der Kunden‑

schnittstelle. Typische Digitalisierungsbeispiele sind Apps, Web- und Social-Media-Seiten, Serviceportale und die Er- gänzung bestehender Produkte um digitale Schnittstellen, jeweils mit dem Ziel, die Kundenbindung zu steigern.

Handlungsfeld III umfasst neue digitale Produkte, Services und Geschäftsmodelle. Beispiele sind der Aufbau eines digi- talen Marktplatzes, ein „pay-per-use“ Geschäftsmodell oder die Initialisierung einer Online-Lernplattform. Ziel ist die Generierung neuer Umsätze oder die Absicherung der be- stehenden Umsatzbasis.

Handlungsfeld  IV beinhaltet den Aufbau digitaler Infra‑

struktur und Kompetenzen. Beispiele sind Investitionen in

Data Analytics, Security und IT oder der Aufbau von orga- nisatorischen und methodischen Fähigkeiten. Ziel ist es, die Voraussetzungen für die Umsetzung in den Handlungsfel- dern I–III zu schaffen.

Beschreibung des Frameworks

Im Folgenden werden die einzelnen Phasen des Frameworks erläutert. Üblicherweise erfolgen die entsprechenden Arbei- ten mit einem designierten Projektteam, bestehend aus dem Topmanagement (Geschäftsführung) sowie den relevanten Entscheidungsträgern aus den maßgebenden Fach- bzw. Un- ternehmensbereichen (z. B. CEO, CIO, CTO, CDO, Leiter/

in Unternehmensstrategie etc.). Für ein Unternehmen in der Größenordnung von 200–1000 Mitarbeitenden erstreckt sich ein Projekt dabei typischerweise über 10–30 Interviews sowie 3–4 Workshops und einen Zeitraum von ca. 2–3 Monaten. Bei größeren Unternehmen können mehr Interviews und Work- shops realisiert werden, um eine bessere Involvierung der Be- reiche sicherzustellen.

Phase 1: Analyse

Ziel dieser Phase ist die konsolidierte Darstellung der Ist-Si- tuation eines Unternehmens in Bezug auf die Digitalisierung.

Ein wichtiges Hilfsmittel hierzu ist der Digital Analysis Can‑

vas (vgl. Abb. 1), der von uns im Rahmen mehrerer Projekte, in Zusammenarbeit mit Unternehmen und mit Fachgruppen erarbeitet wurde. Für die Darstellung in einem Canvas haben wir uns entschieden, da auf diese Weise alle relevanten Infor- mationen auf einen Blick ersichtlich sind. Zu diesem Zweck realisiert das Projektteam einen ganztägigen Workshop. Im ersten Teil des Workshops (am Vormittag) erstellt das Pro- jektteam mithilfe des Digital Analysis Canvas ein fundiertes Bild der Ist‑Situation:

Im oberen Bereich des Digital Analysis Canvas fasst das Management die Kernaussagen der Unternehmensstrategie sowie deren Implikationen für Digitalisierung zusammen.

In der Mitte des Canvas identifiziert das Management die

Zusammenfassung

Ein Framework kann dabei helfen, systematisch und strukturiert eine Digitalisierungsstrategie zu entwi- ckeln und anzuwenden.

Über 6 Phasen hinweg ermöglichen spezifische Tools u. a. eine bessere Berücksichtigung des Status quo und das Aufzeigen diverser Optionen.

Prof. Dr. Christian Matt2 ()

ist Professor und Mitdirektor des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Uni‑

versität Bern. Seine Forschungs‑ und Lehrtätigkeiten fokussieren sich auf Digital Business und digitale Unternehmenstrans‑

formation, datenbasierte Dienste und Entscheidungsunterstützung sowie digitale Kundenschnittstellen und ‑erlebnisse.

christian.matt@iwi.unibe.ch

2Universität Bern, Bern, Schweiz

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laufenden und geplanten Digitalisierungsprojekte und deren Fokus (Prozesse, Kundenschnittstelle oder neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle). Dies lässt sich übersichts- artig in einem Portfolio darstellen (vgl. die dunkelblauen Punkte in Abb. 2).

Auf der rechten Seite des Canvas analysieren die Manage- rinnen und Manager die externen Einflussfaktoren auf die Digitalisierung ihres Unternehmens: Welche Bedürfnis- se haben unsere Kunden? Welche digitalen Vorhaben ver- folgt unser Wettbewerb bzw. mögliche Neueintritte in den Markt? Was sind relevante Technologien und Trends für unser Unternehmen?

Auf der linken Seite des Canvas diskutiert das Management die internen Einflussfaktoren: Wie ist unsere Firma hinsicht- lich der Digitalisierung unserer Prozesse aufgestellt? Wo ste- hen wir hinsichtlich Menschen und Kultur? Und wie sind unsere digitale Infrastruktur und Kompetenzen im Bereich IT, Data Analytics, Innovation und Agilität sowie Cyber Security ausgestaltet?

Die Analyse dieser Einflussfaktoren resultiert in Stärken und Schwächen (interne Einflussfaktoren) sowie Chancen und Risiken (externe Einflussfaktoren). Diese fasst das Ma-

nagement unten im Canvas zusammen und priorisiert sie in einer Diskussion.

Phase 2: Design

Ziel von Phase 2 ist die Erstellung eines Top‑Down‑Zielbildes für die Digitalisierung. Dieses adressiert einen Zeitraum von 3–5 Jahren. Dazu geht das Projektteam in zwei Teilen vor. Zu- nächst nimmt das Management eine Bottom‑up‑Priorisierung möglicher zukünftiger digitaler Stoßrichtungen vor:

Vorgängig zum Workshop werden alle möglichen zukünf‑

tigen Projekte über qualitative Interviews mit dem Projekt- team und weiteren Unternehmensvertretern erfasst. Bei- spiele für Projekte sind „Einführung eines CRM-Systems“,

„Einsatz von Chat-Bots“ oder „Einführung digitales Lager“.

Auf diese Weise kommen schnell über 100 Projektideen zu- sammen.

Inhaltlich zusammenhängende Projekte werden in einem zweiten Schritt in Stoßrichtungen gruppiert. Beispielsweise lassen sich die Projekte „Einführung eines CRM-Systems“,

„Chat-Bot“ oder „Kundenplattform“ in einer Stoßrichtung

„Digitalisierung unseres Kunden- und Serviceprozesses“

zusammenfassen. Bei ca. 100 Projekten entstehen so ca. 20–

40 Stoßrichtungen.

Technologien und Trends

• Was sind wichtige technologische Entwicklungen?

• Welche Technologien schaffen neue Möglichkeiten für uns?

• Welches sind relevante gesellschaftliche und politische Trends?

Unternehmensstrategie

• Welches sind unsere Vision, Mission, Ziele und Stoßrichtungen?

• Welche Anforderungen ergeben sich hieraus für das Thema Digitalisierung?

Kundenbedürfnisse

• Welche Bedürfnisse haben unsere Kunden?

• Was sind „Pains“ und „Gains“ für unsere Kunden?

• Welche Probleme wollen wir für diese lösen?

Wettbewerb und Neueintritte

• Welche digitalen Vorhaben verfolgt unser Wettbewerb?

• Was sind digitale Substitute für unsere Produkte?

• Wo besteht das Risiko neuer Wettbewerber?

Stärken und Schwächen

• Was für Stärken und Schwächen ergeben sich aus unserer internen Analyse?

Chancen und Risiken

• Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus unserer externen Analyse?

Menschen und Kultur

• Welche Fähigkeiten haben unsere Mitarbeiter hinsichtlich Digitalisierung?

• Wie digital affin sind unsere Mitarbeiter?

• Wie offen ist unsere Kultur für Veränderungen?

Digitale Kompetenzen

• Wie ist unsere Kompetenz in den Bereichen Technologie, IT Architektur & (Um-)Systeme, Datenmanagement und -analyse Innovation, Agilität, Cyber Security?

Kern- und Supportprozesse

• Inwieweit sind unsere Kernprozesse dokumentiert, standardisiert und automatisiert?

• Inwieweit sind unsere Supportprozesse dokumentiert, standardisiert und automatisiert?

Digitale Projekte

• Was sind laufende oder geplante digitale Projekte?

• Welchen Fokus haben diese (Prozesse, Kundenschnittstellen, Produkte, Services,

Geschäftsmodelle)?

Abb. 1 Digital Analysis Canvas

(7)

Diese Stoßrichtungen diskutiert und priorisiert das Ma- nagement am Nachmittag des 1.  Workshops nach ihrer Wichtigkeit für das Unternehmen. Erfahrungsgemäß ba- siert diese Bottom‑up‑Priorisierung oft auf operativen und taktischen Überlegungen und ist wenig strategisch fundiert.

Im zweiten Teil hinterfragt das Projektteam in einem zweiten Workshop die in Phase 1 vorgenommene „Bottom-up-Prio- risierung“ mithilfe einer Digital Strategy Map (vgl. Abb. 3).

Diese zeigt den gesamten strategischen Möglichkeitsraum an- hand verschiedener digitaler Stoßrichtungen über die vier in Abschnitt 2 dargestellten Handlungsfelder auf.

Das Projektteam fokussiert sich dabei auf die folgenden Fragestellungen:

Reflektiert unsere erste Bottom-up-Priorisierung alle Er- gebnisse der Ist-Analyse? Entspricht die Bottom-up-Priori- sierung beispielsweise der Unternehmensstrategie? Spiegelt sie die in Phase 1 identifizierten Stärken und Schwächen so- wie Chancen und Risiken wider? Wo gibt es Gaps?

Berücksichtigt die Bottom-up-Priorisierung die gesamten Möglichkeiten der Digitalisierung? Oft fokussieren sich Un- ternehmen stark auf die Digitalisierung ihrer internen Pro- zesse und der Produktion (Handlungsfeld I). Die Digital Strategy Map regt das Projektteam dazu an, auch die Hand- lungsfelder „Digitalisierung der Kundenschnittstelle“ und

„Digitale Produkte, Services und Geschäftsmodelle“ in Be- tracht zu ziehen.

Sind die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Stoßrich- tungen hinreichend berücksichtigt?

Auf Basis dieser Diskussion nimmt das Management eine Top‑down‑Priorisierung der digitalen Stoßrichtungen in ei- nem Portfolio vor. Sodann wählt es 2–6 Stoßrichtungen für die Umsetzung aus und konkretisiert diese. Zum Abschluss von Phase 2 erstellt das Projektteam ein übergeordnetes Ziel- bild. Dieses setzt die verschiedenen digitalen Stoßrichtungen in einen Bezug zueinander.

Phase 3: Digitales Portfolio

Das in Phase 2 entwickelte Zielbild adressiert einen Zeitraum für die kommenden 3–5 Jahre. Dieses gilt es nun in Phase 3 in konkrete Projekte für die kommenden 12–18 Monate he- runterzubrechen. Hierzu definiert das Projektteam in einem 3. Workshop ein digitales Portfolio an Projekten für jede Stoß- richtung.

Ein solches Portfolio für die Stoßrichtung „Neue digitale Services“ ist exemplarisch in Abb. 4 dargestellt. Für jede Stoß- richtung werden die möglichen Projekte anhand des geschätz- ten Aufwandes (intern und extern) sowie des erwarteten Nut‑

zens (Umsatz, Kosteneinsparungen etc.) positioniert. Ziel ist

Digitalisierungsgrad„Kundenschnittstelle

Digitalisierungsgrad „Prozesse“

Weiterentwicklung Exploration

Transformation

Neue Kundenschnittstellen

Neue Produkte, Services und Geschäftsmodelle

Prozess- und Produktions- digitalisierung

Abb. 2 Handlungsfelder der Digitalisierung

(8)

es, Projekte mit geringem Aufwand und großem Nutzen zu identifizieren.

Auf Basis des Portfolios wählt das Team diejenigen Projek- te aus, welche in den kommenden 12–18 Monaten angegan- gen werden sollen.

Phase 4: Operationalisierung

Ziel von Phase 4 ist die Operationalisierung der für die Stoß- richtungen definierten Projektportfolien. Dazu wird eine re- alistische Planung für die kommenden 12–18 Monate erstellt, die die relevante (Gesamt-)Projektlandschaft des Unterneh-

Geplante Vorhaben

Handlungsfeld Stoßrichtungen

Prozess- und Produktions- digitalisierung

Digitalisierung der Kundenschnittstelle

Digitale Produkte, Services und Geschäftsmodelle

Infrastruktur & Kompetenzen Handlungsfelder:

Strukturieren die Strategischen Stoßrichtungen und zeigen auf, wo Unternehmen ihren strategischen Fokus in der

Digitalisierung setzen. Digitalisierung im Service

Initiative 1 Initiative 2 Initiative 3

Stoßrichtungen:

Definieren

Digitalisierungsprogramme zur Steigerung des

Unternehmenswertes. Um sich nicht zu verzetteln sollten Unternehmen auf 2-6 Stoßrichtungen fokussieren.

Digitalisierung

der Produktion Digitalisierung

Logistik Digitalisierung

Beschaffung Digitalisierung im Service

Digitalisierung F&E / Technik

Digitalisierung Marketing u.

Verkaufsproz.

Digitalisierung Finanzen, HR

Support, IT

Digitale Kom- munikation und

Marketing Webshop Kundenportal &

Apps Serviceportal &

Apps Erlebbares

Produkt (AR, VR,

dig. Twin) ….

Digitale Wartungs- services

Digital angereicherte Produkte

Verbesserte Logistik für Kunden

MassCustomiziation (Losgröße 1) Digitale

Geschäfts- modelle

Plattform Geschäfts-

modelle ….

IT Infrastruktur &

Architektur IoT & Data

Analytics Cyber Security Moderne Produktions- technologien

Innovation Kultur Mitarbeiter &

Fähigkeiten

Projekt- und Programm- management

Initiativen:

Jede Stoßrichtung beinhaltet mehrere Initiativen. Dies sind die eigentlichen

Digitalisierungsprojekte. Diese werden agil im Zyklus von 12- 18 Monaten definiert.

Initiative …

Abb. 3 Digital Strategy Map

Niedriger Aufwand / hoher Nutzen

Nutzen

Aufwand

tief hoch

tief hoch

1 Projekt 1

3 Projekt 3 4 Projekt 4 5 Projekt 5 6 Projekt 6 7 Projekt 7 8 Projekt 8 9 … 2 Projekt 2

= ausgewähltes Projekt = weitere Projekte 8

1 2

3 4

5 6

7

Stoßrichtung 1: „Neue digitale Services“

Abb. 4 Digital Portfolio der priorisierten Projekte je Stoßrichtung

(9)

mens angemessen berücksichtigt und die schnellstmögliche Realisierung von „low-hanging fruits“ bzw. sog. „Leucht- turm-Projekte“ ermöglicht. Hierdurch werden sämtliche Mit- arbeitenden des Unternehmens anhand konkreter Beispiele von der Sinnhaftigkeit der neuen Strategie überzeugt und als

„Change Agents“ für das neue Zielbild gewonnen. Dazu erar- beitet das Projektteam folgende Elemente:

Die Inhalte und Ziele der einzelnen Projekte werden ge- schärft. Wo es sinnvoll ist, werden Projekte in Teilprojekte oder Projektphasen heruntergebrochen.

Sämtliche Projekte werden mit Verantwortlichkeiten und Meilensteinen versehen. Diese werden in Form einer Ta- belle festgehalten (vgl. nachfolgende Tab. 1). Für eine bes- sere Umsetzbarkeit können die definierten Stoßrichtungen der Digitalisierungsstrategie auch als Programme konzi-

piert werden, welche dann mit einem entsprechenden Pro- gramm-Management-Ansatz unter der Leitung eines Ge- schäftsführungsmitglieds in die Umsetzung gelangen.

Die Projekte werden sodann auf eine zeitliche Roadmap gelegt und aufeinander abgestimmt. Dabei hinterfragt das Projekt- team noch einmal, ob die Planung hinsichtlich der verfüg- baren Zeit und der Ressourcensituation realistisch ist. Abb. 5 zeigt ein Beispiel für eine solche Umsetzungs-Roadmap.

Phase 5: Transformation

Auf Basis bzw. mithilfe der Digital Roadmap aus Phase 4 erfolgt in dieser Phase die eigentliche Umsetzung der Pro- jekte aus den verschiedenen Stoßrichtungen der Digitali- sierungsstrategie durch die (Regel-)Organisation. Dabei ist zu entscheiden, ob die Umsetzung mit einer klassischen

Tab. 1 Tabelle zur Ausarbeitung der Maßnahmen je Stoßrichtung und Projekt

Nr. Was? Beschreibung Wer? Mit wem? Bis wann?

1 Zielbild Kommunikation Digitalisierungsstrategie/

Zielbild

Mitglied 1 Projektteam Meilenstein 1

2 Zielbild Überarbeitung Zielbild mit Inputs Mitglied 2 Projektteam Projektmitarbeiter/-in 1, 2 Meilenstein 2

3 Zielbild Konsolidierung + Verabschiedung Mitglied 3 Projektteam Meilenstein 3

4 Stoßrichtung 1 „Neue digitale Services“

Umsatzziel für Stoßrichtung

„Neue digitale Services“ plausibilisieren

Mitglied 1 Projektteam Projektmitarbeiter/-in 1, 3 Meilenstein 4

2020 2021 2022 2023

Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4

Digitales Marketing

QM der Prozesse

2. Aufbau XR-Plattform

4. Kompetenzaufbau IT 1. Digitalisierung Verkauf

Finalisierung MES-Einführung

Angefangenes fertig machen

Finalisierung Einführung MAWI

Aufbau CRM & Workflow Evaluation

Implementierung

Implementierung Training

AR in Produktion

Partner Evaluation Anforderungen definieren

Definition Architektur

Digitaler Angebotsprozess

Soll-Prozess definieren

Entscheid & Verhandlungen Entscheid

Tätigkeit / Initiativen

3. Digitale Schnittstelle Lieferant

Digital Twin für Aqui Projektstart

Marktscreening für Lösungen

Evaluation und Entscheid

Abb. 5 Digital Roadmap. MAWI Materialwirtschaft, MES Manufacturing Execution System, AR Augmented Reality

(10)

Programm organisation im Wasserfallmodell oder agil, bspw.

über SCRUM-Teams erfolgen soll.

Bei größeren Unternehmen und/oder solchen, die ihre Pro- jekte primär klassisch umsetzen, kann ein entsprechendes Programm-Management ein zielführender Ansatz sein. Wie in der untenstehenden Abb. 6 verdeutlicht, werden dabei die Stoßrichtungen aus der Digitalisierungsstrategie in entspre- chende „Streams“ überführt, welche von den Verantwortli- chen (idealerweise jene Mitglieder aus dem Projektteam, wel- che die Strategie miterarbeitet haben) geführt werden. Das Portfolio aller Streams wird von einem „Digital Portfolio Manager“ koordiniert, welcher seinerseits die Arbeiten ins- besondere auf strategischer Ebene mit dem „Digital Portfolio Board“ unternehmensweit koordiniert bzw. abstimmt.

Sofern ein Unternehmen bereits über Erfahrung mit agi- len Projektmanagementmethoden verfügt, können auch die Digitalisierungsstrategie bzw. ihre verschiedenen Initiativen und Projekte je Stoßrichtung agil umgesetzt werden. Analog zum klassischen Ansatz wird hierfür ebenfalls ein „Stream Manager“ je Stoßrichtung definiert. Auf übergeordneter Ebe- ne wird das digitale Projektportfolio aber nicht als klassisches Portfolio, sondern als Digital Release Train geführt und die Projektarbeiten innerhalb der einzelnen Stoßrichtungen wer- den in agilen Teams im Rahmen agiler Sprints umgesetzt (vgl.

Abb. 7).

Unabhängig vom gewählten Ansatz ist ein klares Bekennt- nis auf Ebene der obersten Unternehmensführung für eine er- folgreiche Umsetzung entscheidend. Daher ist die Geschäfts- führung im gesamten Strategieprozess stark zu involvieren und eine entsprechende Abstimmung insbesondere in der Umsetzung sicherzustellen. Da die Maßnahmen aus einer Di- gitalisierungsstrategie meistens wesentliche Veränderungen in sämtlichen Unternehmensbereichen zur Folge haben, han- delt es sich um einen großangelegten Change-Prozess, dessen Umsetzung in der Phase der Transition professionell geführt und eng begleitet werden sollte.

Digital Portfolio Board

Digital Portfolio Manager

I. Digitale Produkte

& Geschäftsmodelle

III. Digitalisierung in Kernprozess 2 II. Digitalisierung in Kernprozess 1

IV. Kompetenzaufbau

Umsetzungs-Streams

Board Mitglied 1 Board Mitglied 2 Board Mitglied 3

Stream Manager 1

Stream Manager 3 Stream Manager 2

Stream Manager 4

Stream Manager Arbeit in Projekten in den

Umsetzungs-Streams

Abb. 6 Digitales Programm-Management (klassisch)

Kernthesen

Die Erstellung von Digitalisierungsstrategien ist auf- grund der notwendigen Berücksichtigung von zahl- reichen Aspekten ein komplexes Unterfangen und er- fordert ein strukturiertes Vorgehen.

Durch Nutzung eines Frameworks lassen sich die Chancen für eine erfolgreiche Digitalisierung stei- gern und Synergien besser nutzen.

Mit der Erstellung der Digitalisierungsstrategien ist es nicht getan, eine kontinuierliche Kontrolle und Anpassung ist stets notwendig.

(11)

Phase 6: Agiler Strategieprozess

Wie eingangs dargestellt, wird im Rahmen einer Digitalisie- rungsstrategie zwar ein langfristiges Zielbild entwickelt, die Auswahl konkreter Projekte erfolgt aber agil über einen Zeit- horizont von 12–18 Monaten.

Um eine solche Agilität auch auf Ebene des fortlaufenden Strategieprozesses zu erreichen, empfiehlt sich die Weiter- entwicklung und das Monitoring sämtlicher Projekte in ei-

nem Digital Kanban Board, welches laufend aktualisiert wird.

Wie Abb. 8 verdeutlicht, besteht ein solches Kanban Board aus vier Spalten, in denen sämtliche digitalen Projekte entspre- chend ihrem aktuellen Umsetzungsstatus abgebildet und ge- steuert werden. Der „Funnel“ beinhaltet alle neuen digitalen Initiativen und Projektideen, welche aus einem kontinuier- lichen Soll-Ist-Vergleich hervorgehen. Sind diese Initiativen konform mit den in der Digitalisierungsstrategie definierten

I. Stoßrichtung

III. Stoßrichtung II. Stoßrichtung

V. Kompetenzaufbau

Digitale Umsetzungs-Streams

Stream Manager 1

Stream Manager 3 Stream Manager 2

Stream Manager 5

Initiative 1

Initiative 1 Initiative 1

Initiative 1

Initiative 3

Initiative 3 Initiative 3

Initiative 3 Initiative 2

Initiative 2 Initiative 2

Initiative 2

Vision und Unternehmensstrategie

Steuern Steuern

Digitales Projektportfolio (Digital Release Train)

Steuern

IV. Stoßrichtung Stream Manager 4 Initiative 1 Initiative 3

Terminfixierte Lieferungen von Zwischenergebnissen

Initiative 2

Abb. 7 Digitales Programm-Management (agil)

GAP-Analyse Soll-Ist

Funnel strategischer Digitalinitiativen

Für Implementierung vorgesehene strategische Digitalinitiativen

Zuordnung von

Arbeitspaketen/Aufgaben und Ressourcen

Digitalinitiativen, die derzeit implementiert werden („work in progress“)

Laufende Status-Updates

Abgeschlossene Initiativen

Review und Evaluation

Implementierung Done

Portfolio Backlog Funnel

Abb. 8 Digital Kanban Board

(12)

Stoßrichtungen und fällt ihre Aufwand-Nutzen-Analyse po- sitiv aus (vgl. Phase 3), so werden sie in den Portfolio Back- log verschoben, wo dann auch eine Zuordnung zu Arbeits- paketen bzw. entsprechenden Aufgaben mit dazugehörender Ressourcen-Allokation erfolgt. Sämtliche Initiativen, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Umsetzung befinden, sind in der Spalte „Implementierung“ ersichtlich. Abgeschlos- sene Initiativen werden in die Spalte „Done“ verschoben, wo abschließend ein Review und eine Projektevaluation erfolgt.

Mithilfe eines Digital Kanban Boards erhält ein Unterneh- men somit schnell und konsolidiert einen Überblick über sämtliche digitale Projekte und deren Status. Die Auflistung in den einzelnen Spalten gibt zudem Aufschluss über potenzielle Engpässe (wenn bspw. Projekte auffallend lang in der Spalte

„Implementierung“ verbleiben und nicht abgeschlossen wer- den) oder wenn nur wenig neue Ideen vorliegen (kaum Pro- jekte im „Portfolio Backlog“).

Fallbeispiel

Wir wollen im Folgenden die Anwendung unserer Toolbox an einem praktischen Fallbeispiel illustrieren. Bei diesem Fallbeispiel handelt es sich um ein Schweizer Marketing‑ und Vertriebsunternehmen im Bereich „Consumer Health Care“.

Das Unternehmen vertreibt sowohl Fremd- als auch Eigen-

marken und ist überwiegend im B2B-Geschäft tätig. Um die Unternehmensentwicklung möglichst wirkungsvoll zu un- terstützen, benötigte die Geschäftsführung einerseits eine konsolidierte Gesamtsicht über alle laufenden Digitalisie- rungsvorhaben; andererseits sollte im Rahmen einer auf die Unternehmensstrategie abgestimmten Digitalisierungsstrate- gie auch eine diesbezügliche Fokussierung bzw. Priorisierung erreicht werden.

In Phase 1 entwickelte das Projektteam zunächst eine ge- meinsame Sicht auf die Ist‑Situation des Unternehmens in Bezug auf die Digitalisierung. Dazu wurden persönliche In- terviews mit sämtlichen Mitgliedern der Geschäftsführung durchgeführt und eine Online-Umfrage mit dem mittleren Kader realisiert. Die Inhalte wurden entsprechend dem Vor- gehen in Phase 1 der Toolbox in einem Digital Analysis Can‑

vas (Abb. 9) konsolidiert und in einem Workshop diskutiert:

Die Unternehmensstrategie sah vor, die bestehende Position und Stärken des Unternehmens zwingend zu erhalten und die Position als Kompetenzanbieter neu in allen Kunden- segmenten zu verstärken. Zudem sollte die Marktposition durch Konzentration der bestehenden Top-Fremdmarken und systematischem Eigenmarkenausbau mit Realisierung des Profitabilitätssprungs verstärkt werden. Die Digitalisie- rungsstrategie und deren Maßnahmen sollten vor diesem

Stärken und Schwächen Chancen und Risiken

Kern- und Supportprozesse

• Wertschöpfungskette: Supply- Chain Lieferant-Einkauf- Marketing-Verkauf-Absatzmittler- Konsument

• Digitalisierungsbedarf bei internen Finanzprozessen, Supply-Chain-Prozess und Kundenbeschwerden

• Online-Angebot DL / Schulungen anbieten

Bestehende digitale Projekte

Abgeschlossen:

Tooloptimierung für Bestellaufnahmeverfahren, digitale Medienplattform für Verkauf, neue Websites, Interface mit Kunden

On-Going:CRM-Projekt, kollaborative Tools zur Unterstützung der internen Zusammenarbeit

Geplant:Automatisierung interne Prozesse (z.B. FI/CO), neue digitale Marketingkommu- nikationsstrategie

Kundenbedürfnisse

• Großverteiler: Zunehmende Sensibilität für Mehrwegkanal- Strategie

• Konsumverhalten verändert sich stark (Junge besser informiert und digital), veränderte Kommunikation und Service- Erwartung (Online-Bestellungen, Beschwerden, Preis)

Menschen und Kultur

• Erfahren, fit, vertrauensvoll, routiniert, traditionell, hierarchisch, kontrolliert

• Fokus auf Optimierung des Bestehenden, kritisch und engagiert, machen bei Commitment der Geschäfts- führung und Mehrwert mit

Digitale Kompetenzen

• Neue Kompetenzen benötigen Ausbildung der Mitarbeitenden sowie ergänzend neue Talente und Employer Branding

• Hochmotivierte IT mit anstehendem Generationenwechsel

• Affiner Leiter Marketing, Position des Digital-Managers besetzt

Wettbewerb und Neueintritte

• Starker Wettbewerb (alle großen Pharma-Player)

• Neue, innovative Wettbewerber mit neuartigen Geschäfts- modellen (Direktvertrieb individualisierter Angebote)

Technologien und Trends

• Story-Telling, Gamification

• Künstliche Intelligenz und Big-

• Individualisierte ProdukteData

• Konnektivität Lieferanten

• Zunehmender Preisdruck bei Medikamenten

Unternehmensstrategie

• Erfolgreiche Position und bestehende Stärken bewahren, Position als Kompetenzanbieter neu in allen Kundensegmenten verstärken

• Verstärkung der Marktposition durch Konzentration der bestehenden Top-Fremdmarken und systematischem Eigenmarkenausbau mit Realisierung Profitabilitätssprung

- Begrenzte Innovationskraft außerhalb des Bestehenden - Tw. komplizierte Abläufe/Silo-Denken + Starke strategische Position (v.a. Abdeckung

Distributionskanäle)

+ Attraktives Brand-Portfolio, M&A Kompetenzen

- Kleine Skalierfähigkeit aufgrund begrenztem CH-Markt

- Potenzielle Kannibalisierung bestehender stationärer Kanäle mit Digitalisierung + Potenzial für Leadership in

Branchendigitalisierung (national + international) + Direktkommunikation /-verkauf

Abb. 9 Beispiel für einen Digital Analysis Canvas. DL Dienstleistungen, FI/CO Finanzwesen und Controlling, M&A Mergers & Acquisitions, HR Human Resources

(13)

Hintergrund insgesamt auf den Stärken aufbauen und dem Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, vor allem auch neue Kundensegmente bzw. Ertragsquellen zu erschließen.

Als wesentliche Stärken wurden die etablierte strategische Position sowie das attraktive Markenportfolio identifiziert, teilweise komplizierte interne Abläufe und begrenzte In- novationskraft waren demgegenüber nennenswerte Schwä‑

chen. Eine hauptsächliche Chance sah die Geschäftsführung im zunehmenden Direktverkauf, basierend auf einem sich stark verändernden Konsumverhalten und entsprechenden neuen Erwartungen (z. B. in Bezug auf ergänzende Service- Leistungen).

Ebenso wurden für die Erstellung des Digital Analysis Can- vas nebst laufenden auch mögliche zukünftige bzw. bereits ge‑

plante Projekte im Kontext der Digitalisierung erfasst und zu Stoßrichtungen gruppiert. Beispiele für neue Projekte waren

„Automatisierung interne Prozesse“ (z. B. FI/CO), die „Ein- führung eines neuen Dokumentenmanagementsystems“ oder

„Aufbau Marketingdaten & Analytics“. Das erstgenannte Pro- jekt wurde dann – zusammen mit inhaltlich ähnlich gelager- ten Projekten wie bspw. „Digitalisierung Buchhaltung rea- lisieren“ oder „Digitalisierung von Spesenbelegen“ – in der Stoßrichtung „Digitale Prozessverbesserung“ zusammenge- fasst. Die Geschäftsführung priorisierte sämtliche Stoßrich- tungen, wobei sich klare Schwerpunkte bei jenen Stoßrichtun- gen zeigten, die in den Handlungsfeldern I (Digitalisierung der internen Prozesse und der Produktion) und II (Digita- lisierung der Kundenschnittstelle) der Digitalisierung anzu- siedeln sind.

Im Rahmen eines Workshops wurden die Ergebnisse aus Phase 1 anschließend in Phase 2 mit der Geschäftsfüh- rung diskutiert. Dabei zeigte sich insbesondere ein Gap im Handlungsfeld III (neue digitale Produkte, Services und Ge-

schäftsmodelle) bzw. die entsprechenden Projekte und Stoß- richtungen wurden im Vergleich tiefer gewichtet. Auch eine Spiegelung mit den Kernelementen des Digital Analysis Can- vas machte deutlich, dass insbesondere eine zentrale Forde- rung aus der Unternehmensstrategie („Erschließung neuer Ertragsquellen“) noch besser adressiert bzw. in entsprechende digitale Stoßrichtungen überführt werden konnte. Dies resul- tierte in einer Top‑down‑Priorisierung der Stoßrichtung „Di- gitales Ökosystem“ mit entsprechenden Projekten, insbeson- dere auch im Bereich digitaler Geschäftsmodelle. Daneben wurden zusätzliche vier Stoßrichtungen für die weitere Aus- arbeitung selektiert (z. B. „Digitales Marketing“). Sämtliche Stoßrichtungen wurden anschließend in ein Digitalisierungs- zielbild übertragen, wobei die Geschäftsführung nebst einer übergeordneten Digitalisierungsvision auch digitale Zielset- zungen formuliert hat.

Im Anschluss hat die Geschäftsführung sämtliche Projek- te der selektierten Stoßrichtungen, wo nötig, in weitere Pro- jekte für die erste Umsetzungsphase heruntergebrochen bzw.

für jede Stoßrichtung die entsprechend wichtigsten Projekte priorisiert (Phase 3). Bei der Stoßrichtung „Digitales Öko- system“ wurde bspw. der Aufbau einer „Consumer-Plattform“

definiert.

In den Phasen 4 und 5 wurden die priorisierten Stoßrichtun- gen zwecks Operationalisierung schließlich in entsprechen- de (gleichnamige) Digitalisierungsprogramme überführt, welche dann mit den entsprechenden Umsetzungs-Streams aus der laufenden Unternehmensstrategie abgeglichen bzw.

in diese integriert wurden. Auf diese Weise konnten einer- seits klare Verantwortlichkeiten für die priorisierten digitalen Initiativen auf Stufe der Geschäftsführung definiert werden, andererseits ließ sich die Umsetzung durch die bestehende Organisation so optimal aufsetzen, weil die priorisierten digi- talen Initiativen mit den im Rahmen der Unternehmensstra- tegie bereits laufenden bzw. final geplanten Initiativen optimal abgestimmt werden konnten.

In Phase 6 wurden sämtliche digitalen Projekte in einem Kanban Board agil gesteuert.

Fazit

Zahlreichen Unternehmen fiel es bislang schwer, den kon- kreten Prozess zur Erstellung, Überwachung und Anpassung von Digitalisierungsstrategien zu meistern. Vielfach schei- terte dies nicht an fehlenden Ideen zu deren Inhalt, sondern vielmehr an Unsicherheit und Unwägbarkeiten bzgl. der Ge- staltung und Ausführung der dafür notwendigen einzelnen

Handlungsempfehlung

Die einzelnen Phasen des Frameworks sollten als inte- grierter Prozess, der aus iterativen Einzelschritten be- steht, verstanden und angewendet werden.

Unternehmen sollten in Abhängigkeit ihrer bisherigen Erfahrungen abwägen, wie stark sie hierbei auf agile Praktiken setzen.

Gerade bei den längerfristigen späteren Phasen soll- ten Unternehmen kontinuierlich überprüfen und ggf.

nachschärfen, sobald Handlungsbedarf besteht.

(14)

Prozessschritte. Allzu aufwendige Frameworks sind aufgrund der erforderlichen Schnelligkeit und häufig notwendiger An- passungen nicht zielführend. Das hier vorgestellte Framework dient als eine Toolbox für Unternehmen, die diese mittels der einzelnen Werkzeuge (Digital Analysis Canvas, Digital Strate- gy Map, Digital Portfolio, Digital Roadmap, Digital Program Management sowie Digital Kanban Board) unterstützt. Dieses Framework unterstützt Unternehmen durch einen systemati- schen Prozess, von der Überprüfung des Status quo, der For- mulierung einer dazu passenden Digitalisierungsstrategie bis zur fortwährenden Überprüfung dieser Strategie und schließ- lich der Multi-Projekt-Steuerung. Für Unternehmen wird der bislang zumeist eher holprige Weg zu einer Digitalisierungs- strategie somit ein Stück weit planbarer und geebneter.

Funding. Open access funding provided by University of Bern.

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