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Irdenware und grünes Glas in der Latrine. Funde aus dem späten 15. und dem 16. Jahrhundert in einer Grube in der Zollhüttengasse 18

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Academic year: 2022

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HAUSGESCHICHTEN

Bauen und Wohnen im alten Hall und seiner Katharinenvorstadt

herausgegeben von

Albrecht Bedal und Isabella Fehle

Eine Ausstellung

des Hällisch-Fränkischen Museums, des städtischen Hochbauamtes

und des Stadtarchivs Schwäbisch Hall

Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen

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Gefördert von der Bausparkasse Schwäbisch Hall

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Haus(ge)schichten: Bauen und Wohnen im alten Hall und seiner Katharinenvorstadt; eine Ausstellung des Hällisch-Fränkischen Museums, des Hochbauamtes und des Stadtarchivs Schwäbisch Hall; [Ausstellung im Hällisch-Fränkischen Museum, in der Alten Löwenbrauerei und im Haus Lange Strasse 49, Schwäbisch Hall, 1. Mai bis 31. Juli 1994] / hrsg. von Albrecht Bedal und Isabella Fehle. - Sigmaringen: Thorbecke, 1994

(Kataloge des Hällisch-Fränkischen Museums Schwäbisch Hall; Bd. 8)

ISBN 3-7995-3310-9

NE: Bedal, Albrecht [Hrsg.]; Hällisch-Fränkisches Museum;

Hausschichten; Hällisch-Fränkisches Museum: Kataloge des Hällisch-Fränkischen...

Umschlaggestaltung:

design ... und mehr, Ursula und Herwig Schneider, Stuttgart

© 1994 by Jan Thorbecke Verlag GmbH & Co., Sigmaringen

Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Werk unter Verwendung mechanischer, elektronischer und anderer Systeme in irgendeiner Weise zu verarbeiten und zu verbreiten. Insbesondere vorbehalten sind die Rechte der Vervielfältigung - auch von Teilen des Werkes - auf photomechanischem oder ähnlichem Wege, der tontechnischen Wiedergabe, des Vortrags, der Funk- und Fernsehsendung, der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, der Übersetzung und der literarischen oder anderweitigen Bearbeitung.

Dieses Buch ist aus säurefreiem und alterungsbeständigem Papier hergestellt.

Gesamtherstellung: M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co. Verlagsanstalt, Sigmaringen Printed in Germany • ISBN 3-7995-3310-9

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Irdenware und grünes Glas in der Latrine

Funde aus dem späten 15. und 16. Jahrhundert in der Zollhüttengasse 18 von Uwe Gross

Anläßlich von Bauarbeiten konnten im Februar 1992 im rückwärtigen Bereich des Grundstücks ZOLLHüTTEN- GASSE 18 die Reste einer mit Fäkalien gefüllten Grube dokumentiert werden1 (Abb. 1). Soweit noch zu ermitteln war, hatte die rundliche Grube einen Durchmesser von etwa 1 bis 1,5 Meter und war circa 2 Meter tief. Während vergleichbare schlichte Latrinen mit solchen bescheide- nen Abmessungen im Hoch- und frühen Spätmittelalter häufig vorkamen, waren seit dem 14. Jahrhundert grö- ßere ausgezimmerte oder gemauerte Konstruktionen die Regel2. Da es sich bei der Latrine in der Zoilhütten- gasse um das bislang einzige entdeckte und untersuchte Haller Beispiel überhaupt handelt, läßt sich nicht sagen, ob die Art dieser Anlage für die Stadt am Kocher typisch ist. Wahrscheinlich stellt diese Grube mit ihrer einfachen Bauweise und geringen Größe eine Besonderheit des nicht so dicht bebauten Siedlungsbereiches der Kathari- nenvorstadt dar.

Angesichts der straßenabgewandten Lage auf dem Grundstück und der Art der Grube ist zu vermuten, daß sie sich einst außerhalb eines Gebäudes im Hinterhofbe- reich befand. Der Überbau dürfte aus einem hölzernen Aborthäuschen bestanden haben, wie man es aus spät- mittelalterlichen Abbildungen kennt3.

Haushaltsabfall im Abort

Im Gegensatz zu den bekannten, meist viel größeren Latrinengruben aus den innerstädtischen Kernbereichen von Konstanz, Freiburg oder Heidelberg erbrachte die Latrine in der Zollhüttengasse nur vergleichsweise wenig Fundmaterial. Eigentliche Zweckbestimmung die- ser städtischen Entsorgungseinrichtungen aus der Zeit vor der modernen Kanalisation war ja schließlich die Aufnahme von Fäkalien, nicht aber die von zerbroche- nem oder sonst unbrauchbar gewordenem Hausrat.

Wenn Ausgrabungen an den genannten Orten reiche Keramik-, Glas- und sonstige Funde erbrachten, so deshalb, weil man einen Teil des Haushaltsabfalls aus Bequemlichkeit in den Abort warf, anstatt ihn wegzu- schaffen. (Näheres zur Abfallbeseitigung im Beitrag von Arnhild Retzlaff in diesem Katalog.) Das bedeutete jedoch nur kurzfristige Abhilfe. J e mehr große und nicht

verrottende Gegenstände nämlich in die Latrinengrube gelangten, umso schneller war sie voll. Anscheinend wurden zwar regelmäßig Säuberungen4 durch die »hey- melichkeit-fegere« oder die »goldgrübler« vorgenom- men (so und ähnlich hießen in anderen Orten die Ange- hörigen der meist unehrenhaften Berufe, die diese Tätig- keiten verrichten mußten)5. Aber durch die oft engen Beschickungsschächte konnten sie von oben her6 in der Regel nur den flüssigen Inhalt abschöpfen.

1 Beim Aushub der Baugrube für den Neubau anstelle der drei Taglöhnerhäuser, die durch Brand und Löschwasser irreparabel beschädigt worden waren, schnitt die Baufirma eine Latrine an. Es war die erste Abfallgrube, die in Hall entdeckt wurde. Sie lag innerhalb des Hauses Zollhüttengasse 18, aber, wie der Übersichtsplan mit Eintra- gung der alten Kelleranlagen zeigt, nicht auf der im Mittelalter überbau- ten Fläche, sondern etwa zwei Meter vom Wohnhaus entfernt. Vermut- lich saß auf der Latrinengrube ein einfaches Bretterhäuschen als Abort.

Erst ab dem späten 16. Jahrhundert hatten die damaligen Hausbesitzer ihre kleinen Häuser nach rückwärts in den Hof hinein erweitert.

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298 DIE KATHARINEN- UND WEILERVORSTADT

Die sich im Laufe der Lagerung immer mehr verdichten- den Feststoffe verblieben fast gänzlich in der Latrine, die auf diese Weise nach und nach aufgefüllt und dann geschlossen wurde. Große Abortgruben hatten aufgrund ihres Volumens eine Nutzungszeit von einem oder sogar mehreren Jahrhunderten, so daß sich natürlich entspre- chend mehr Fundgut ansammeln konnte als in der kleinen Grube in der Zollhüttengasse: Sie wurde, wie sich aus den datierbaren Funden schließen läßt, etwa vom späten 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts benutzt.

Fundstücke aus Keramik

Da die keramischen Funde nicht sehr zahlreich sind, werden hier auch einige Stücke aus dem obersten untersuchten Bereich berücksichtigt - ihre Zugehörig- keit zur Latrinenverfüllung ist allerdings nicht ganz gesi- chert (Abb. 2, 1. 2.). Dieser obere Bereich wurde durch Bauarbeiten verunklärt; es ist möglich, daß Material aus der Zeit nach Aufgabe der Kloake durch die Erdarbeiten verlagert wurde.

Das Fundmaterial aus Keramik gehört überwiegend zum unglasierten, aber bereits oxydierend gebrannten Geschirr (»Irdenware«). Genau wie in den benachbarten Fundkomplexen des ausgehenden Mittelalters (LANGE STRASSE 4 9 ) u n d d e r R e n a i s s a n c e (PULVERTURM) s i n d bei den Gefäßformen die Töpfe vorherrschend. Ihre Randbildungen sind entweder noch als typische Kar- niesformen anzusprechen (Abb. 2, 8. 11. 14.), oder es handelt sich um Ausführungen mit dem gerade für Fundplätze in Franken charakteristischen Mittelgrat7

(Abb.2, 6. 7.). Späterdann, im 16. Jahrhundert, gingen aus ihnen die schmaleren, profilierten Leistenränder hervor, die größtenteils schon zu Henkeltöpfen gehörten (Abb. 2,1. 2.). Die Tendenz zur Randprofilierung ist auch an den beiden Fragmenten zu erkennen, die von grau gebrannten Krügen stammen müssen8 (Abb. 2, 9. 10.).

Sie stehen daher den renaissancezeitlichen Krügen vom PULVERTURM näher als denen des 15. Jahrhunderts aus d e r LANGEN STRASSE 4 9 .

Die zwei konischen beziehungsweise leicht gewölbten Deckel, von denen nur Unterteile vorliegen, besitzen beide die für Stücke des späten 15. und 16. Jahrhunderts bezeichnenden schlichten Randausformungen (Abb. 2, 12. 13.).

Das einzige Schüsselbruchstück im Fundbestand, ein graues, unter Luftabschluß gebranntes Randfragment (Abb. 2, 5.), trägt auf der Innenseite Glättspuren. Die flächige Glättung der Wandungen wurde nach dem Trocknen und vor dem Brand der Gefäße mit einem harten Gegenstand - einem Stein, Knochen oder Scher- ben - vorgenommen. Dieses Glätten bewirkte eine

2 Im nicht sehr umfangreichen Keramikmaterial aus der ungemauerten Kloakengrube in der Zollhüttengasse 18 dominieren die meist nofch unglasierten Töpfe. Sie zeigen sowohl die für das späte Mittelalter charakteristischen Karniesränder (6. 8. 11. 14.) als auch die für das 16.

Jahrhundert typischen kürzeren Randabschlüsse, zum Teil mit Henkeln (1. 2. 7.). - Die zugehörigen Deckel (12. 13.) sind hier flacher als im Material aus der Langen Straße 49, ihre Ränder wurden schlichter gestaltet als bei jenen älteren Stücken. - Auch bei den Krügen (9. 10.) lassen sich einfachere Randbildungen feststellen. - Die herausragen- den Keramikfunde sind ein Leuchter auf hohem Fuß mit aufgesetzter Halterung für eine Kerze (3.) sowie das glasierte Oberteil eines Hand- waschwasserbehälters (4.).

Verdichtung der Gefäßoberfläche und ist als spätmittelal- terlicher Vorläufer der Glasur anzusehen.

Lange war unklar, wie das schälchenartige Gefäß mit dem tüllenartigem Aufsatz (Abb. 2, 3.) eingeordnet wer- den könnte. Schließlich stellte sich heraus, daß es sich bei ihm um das Oberteil eines Leuchters auf hohem Fuß handeln muß, auf dessen Öl- oder Talgschale zusätzlich eine Halterung für eine Kerze angebracht war. Parallel- funde aus Heidelberg erlauben die Rekonstruktion des ursprünglichen Aussehens1 0, wie sie hier wiedergege- ben ist.

Bei einem glasierten Keramik-Fragment mit zahlreichen Löchern (Abb. 2, 4.) lassen sich nur Vermutungen über seine einstige Form und Funktion anstellen. Möglicher- weise stammt es von einem Wasserbehälter, einem

»Lavabo«11. In Anlehnung an Vorbilder aus Metall wur- den im späten Mittelalter auch Kannen aus Ton mit zwei oder drei Ausgußtüllen hergestellt, die in Wandnischen oder speziellen Schränkchen (zu diesen Möbelstücken siehe den Beitrag von Dietrich Heißenbüttel in diesem Katalog) aufgehängt wurden und die das Wasser für die Handwaschungen vor und nach den Mahlzeiten enthiel- ten. Darunter befand sich zum Auffangen des Wassers ein Becken aus Metall12.

Nuppenbecher, Guttrolfe und Pilgerflaschen

Die Vorstellung der Funde aus der Latrinengrube in der Zollhüttengasse lohnt sich vor allem deshalb, weil hier neben dem Keramikgeschirr auch einige funktional und zeitlich leicht einzuordnende und in ihrer einstigen Form rekonstruierbare Gläser aus dem späten 15. und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vorliegen.

Zwei Boden- und Wandungsfragmente stammen von einem Trinkglastyp, der in der Mitte des 16. Jahrhunderts weit verbreitet war. Die Höhe dieser zylindrischen oder leicht konischen Gläser mit mehrreihigem Nuppenbe- satz - also auf die Wandung aufgeschmolzenen Glas- tropfen - unter dem Halsfaden konnte beträchtlich schwanken und gelegentlich mehr als 20 Zentimeter betragen13. Der Rekonstruktion wurde eine niedrige

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300 DIE KATHARINEN- UND WEILERVORSTADT

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IRDENWARE UND GRüNES GLAS IN DER LATRINE 301

3 Die spärlichen Glasfunde, sämtlich aus grünem Waldglas, setzen sich aus Bechern und Flaschen zusammen. Während sich bei einem zylindrischen Nuppenbecher aus dem 16. Jahrhundert zwar die Gesamtform, nicht jedoch die Größe rekonstruieren läßt (1.), bleibt sie bei dem glatten Randstück (2.) fraglich. - Drei Fragmente lassen sich eindeutig bekannten Flaschentypen zuweisen: Eine abgeplattete, schräggeriefte Wandscherbe (3.) stammt von einer sogenannten Pilger- flasche des 16. Jahrhunderts, ein engmündiges Oberteil (5.) gehört zu einem wahrscheinlich einröhrigen Guttrolf aus dem 15. Jahrhundert, und ein gut erhaltenes Fragment ist mit einer bauchigen Flaschenform zu verbinden, die erstmals im 16. Jahrhundert auftritt.

Ausführung zugrundegelegt (Abb. 3, 1.). Geradwandige, grüne Gläser wie das vorliegende Exemplar lösten im 16.

Jahrhundert die bauchigen, spätmittelalterlichen Nup- penbecher vom »Krautstrunktyp« ab14 und führten gemeinsam mit den »Berkemeiern«, den frühesten Vor- formen der heute noch beliebten Weingläser in der Römerform, die Tradition der Gefäße mit aufgeschmol- zenen Nuppen in die frühe Neuzeit hinein fort.

Ein schälchenartiges Randfragment (Abb. 3, 5.) rührt von einem kleinen »Guttrolf« her, einer spätmittelalterlich- frühneuzeitlichen Sonderform der Flasche. Die unver- wechselbare Gestaltung des Mündungsbereiches gestattet eine Rekonstruktion als Exemplar mit geradem Hals15. Diese Ausführung ist typisch für das 15. Jahrhun- dert, während nach 1500 meist Guttrolfe mit schrägge- stellten und mit Ausgußschnauzen versehenen Mün- dungspartien auftraten16. Ihre Hälse waren nun für gewöhnlich geschwungen und konnten auch aus zwei oder mehreren Röhren bestehen.

Der Name der Guttrolfe ist möglicherweise vom lateini- schen »gutta« (= Tropfen) abgeleitet, da aus dem engen Hals immer nur wenig Flüssigkeit herauslief; bei ihnen handelte es sich wohl um Schnapsbehälter. Es ist nicht geklärt, ob das auf spätmittelalterlichen und renaissance- zeitlichen Bildern festgehaltene Trinken direkt aus dem Guttrolf18 den allgemeinen Gepflogenheiten entsprach, oder ob auf diesen Darstellungen nicht vielmehr schlechte Manieren angeprangert werden sollten.

Eine typische Glasform des 16. Jahrhunderts ist in der Latrine der ZOLLHüTTENGASSE 18 mit der sogenannten Pilgerflasche (Abb. 3,3.) vertreten19. Die dünnwandigen, an der Rückseite abgeplatteten Gefäße mit dem schräg- gestellten Hals und dem gerieften Körper gehören zu den Neuerungen der Zeit nach 1500; im Formenschatz des Spätmittelalters fehlen sie noch.

Der Begriff »Pilgerflasche« ist angesichts der leicht zerbrechlichen gläsernen Exemplare mißverständlich. Er bezieht sich lediglich auf die abgeplattete Form, die sich bei den tatsächlich auf Reisen und Pilgerfahrten benutz- ten Keramik-, Metall- und Holzflaschen bewährte. In Glas ausgeführte Stücke waren dagegen wohl ganz auf den häuslichen Gebrauch als Ausschankgefäße bei

Tisch beschränkt. Eine seltene Sonderform der Pilgerfla- sche mit einer vorne aufgeschmolzenen Christusfigur kam übrigens unweit von Schwäbisch Hall bei Ausgra- bungen in Unterregenbach an der Jagst zutage20.

Grünes »Waldglas«

Bauchige Flaschen - vom einem Exemplar liegt in der untersuchten Latrine ein Oberteilfragment vor21 (Abb. 3, 4.) - gewannen erst im Laufe der Frühen Neuzeit an Bedeutung; das jüngst in Heidelberg entdeckte, reiche Fundmaterial des 16. und 17. Jahrhunderts zeigt das deutlich22. Noch bis in die Frührenaissance waren die heute völlig vergessenen doppelkonischen oder ge- stauchten Flaschen d i e gläsernen Flaschen schlecht- hin23. Ihre dachförmig überhängende Mittelpartie und der innere Stauchungsring24 verliehen ihnen weit höhere Bruchsicherheit, als sie die dünnwandigen, bauchigen Flaschen besaßen. Wohl wegen des gegenüber anderen Formen beschränkteren Fassungsvermögens büßten sie im Laufe des 16. Jahrhunderts ihre führende Stellung ein und verschwanden spätestens im 17. Jahrhundert völlig aus dem Glasbestand.

Im Gegensatz zu den bisher behandelten gläsernen Stücken kann man für ein gefundenes glattes Randfrag- ment (Abb. 3, 2.) keine eindeutige Rekonstruktion vor- schlagen, da solche Ränder an verschiedenen Becher- formen auftreten konnten.

Die besprochenen Glasfunde sind alle aus grünem sogenannten Waldglas hergestellt - sie sind also Erzeugnisse der einheimischen Glashütten, die in den Waldgebieten ansässig waren. Diese Stücke aus Wald- glas, das in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zunehmend von entfärbtem Glas verdrängt wurde, waren durchweg geläufige, sehr verbreitete Gebrauchs- formen des ausgehenden Mittelalters und der beginnen- den Renaissance. Sonderanfertigungen oder kostbare Stücke aus weit entfernten Produktionsstätten - etwa aus Venedig - fehlen völlig. Daher legt dieses Fundgut den Schluß nahe, daß die einstigen Bewohner der Liegenschaft in der ZOLLHüTTENGASSE 18, die die dortige Latrine benutzten, nicht über besonderen Wohlstand verfügten.

Botanische Funde: Kerne, Steine, Nüsse und Hülsenfrüchte

Im feuchten Milieu der Latrine, das gute Erhaltungsbe- dingungen bietet, wurden bei der Bergung des Inhaltes auch zahlreiche botanische Reste entdeckt (mit dem Thema »Pflanzenreste« im archäologischen Fundgut

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3 0 2 DIE KATHARINEN- UND WEILERVORSTADT

befaßt s i c h d e r Beitrag v o n M a n f r e d R ö s c h u. a. in d i e s e m K a t a l o g ) . D a ihre A u s w e r t u n g d u r c h S p e z i a l i s t e n n o c h a u s s t e h t , k a n n hier nur auf s i e h i n g e w i e s e n w e r d e n .

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ANMERKUNGEN

1 Untersuchung durch Christian Schaetz und Donatus Bönsch, Vör- stetten, im Auftrag des Stadt Schwäbisch Hall im Februar 1992.

2 Sven Schütte, Brunnen und Kloaken auf innerstädtischen Grund- stücken im ausgehenden Hoch- und Spätmittelalter; in: Heiko Steuer (Hrsg.), Zur Lebensweise in der Stadt um 1200. Ergebnisse der Mittelalter-Archäologie; in: Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters, Beiheft 4. Köln 1986, S. 237ff. - Judith Oexle, Versorgung und Entsor- gung nach dem archäologischen Befund; in: Stadtluft, Hirsebrei und Betteimönch. Die Stadt um 1300. Katalog Zürich/Stuttgart 1992, S. 364 ff. - Vor dem großen Brand. Archäologie zu Füßen des Heidelber- ger Schlosses. Katalog Heidelberg. Stuttgart 1992, S. 58ff.(Achim Wendt).

3 Schütte, Kloaken, wie Anm. 2, S. 238, Abb. 1.

4 Zu archäologisch festgestellten Teilentleerungen: Schütte, Kloaken, wie Anm. 2, S.241.

5 Ulf Dirimeier, Zu den Lebensbedingungen in der mittelalterlichen Stadt: Trinkwasserversorgung und Abfallbeseitigung; in: Bernd Herr- mann (Hrsg.), Mensch und Umwelt im Mittelalter. Frankfurt a. M. 1989, S.156.

6 In Heidelberg beispielsweise lagen die Latrinengruben innerhalb der Häuser noch unter (!) dem Keller: Vor dem großen Brand, wie Anm. 2, S. 60f. mit Abb. 63 (Achim Wendt).

7 Siehe dazu die Ausführungen zum Fundmaterial aus der Langen Straße 49 in diesem Katalog.

8 Zur Formrekonstruktion vergleiche man die Funde aus der Langen Straße 49 in dem Beitrag des Verfassers »Spätmittelalterliche Hafnerei in der Katharinenvorstadt«.

9 Hier vergleiche man die Exemplare vom Pulverturm in dem Beitrag

»Hausrat an der Stadtmauer«.

10 Vor dem Großen Brand, wie Anm. 2, S. 109, Abb. 143. - Berndmark Heukemes, Weitere archäologische Beobachtungen im Erweiterungs- gebiet des Kurpfälzischen Museums in Heidelberg; in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1987. Stuttgart 1988, S. 297, Abb. 210.

.11 Regensburg: Stadt und Mutter Israel. Jüdische Geschichte und Kultur in Regensburg. Katalog Regensburg 1989, S.43f., Nr. 8. - Zwickau: Harald W. Mechelk, Ein hochmittelalterlicher Keramikfund von Zwickau; in: Arbeits- und Forschungsberichte zur sächsischen Boden- denkmalpflege 18, 1968, S.489, Abb. 13.

12 Zahlreiche Abbildungen von Lavabos in: Elisabeth Theuerkauff- Liederwald, Mittelalterliche Bronze- und Messinggefäße. Eimer - Kan- nen-Lavabokessel. Berlin 1988, S.417ff„ Abb. 123-140.

13 Vergleiche die Stücke aus Heidelberg: Vor dem großen Brand, wie Anm. 2, S.86, Abb. 99 (Christine Prohaska-Gross).

14 Erwin Baumgartner/Sabine Krüger, Phönix aus Sand und Asche.

Glas des Mittelalters. München 1988, S.336ff.

15 Baumgartner/Krüger, Phönix, wie Anm. 14, S. 322. - Erwin Baum- gartner, Glas des späten Mittelalters. Die Sammlung Karl Amendt.

Düsseldorf 1987, S. 66. - Vor dem großen Brand, wie Anm. 2, S.96, Abb. 119 (Christine Prohaska-Gross).

16 Vor dem großen Brand, wie Anm. 2, S. 96, Abb. 119 (Mitte) (Chri- stine Prohaska-Gross).- Günter Stachel, Funde aus einer spätmittelal- terlichen Kloake im Kernbereich der Altstadt Crailsheim; in: Württem- bergisch Franken 73, 1989, S.117, Abb. 8, 1. - Hartmut Schäfer/

Susanne Jenter/Uwe Gross/Christine Prohaska, Ausgrabungen in Unterregenbach, Stadt Langenburg, Kreis Schwäbisch Hall; in: Archäo- logische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1988. Stuttgart 1989, S.255, Abb. 189, 6.

17 Beispiele aus den Abfallgruben in Worms: Peter T. Keßler, Reiche spätmittelalterliche Glas- und Keramikfunde auf dem Domberg in Worms; in: Der Wormsgau 2, 1938, S.75, Abb. 3, 68.-70.

18 Vgl. die Wandmalerei im Züricher Haus »Zur Glocke«: Jürg E.Schneider/Jürg Hanser, Mittelalterliche Wandmalerei in Zürich; in:

Turicum. Vierteljahresschrift für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft.

Sommer 1986, Abb. S. 16 und 18.

19 Ernst Tochtermann, Von der Pilgerflasche zum Bocksbeutel; in:

Claus Grimm (Hrsg.), Glück und Glas. Zur Kulturgeschichte des Spes- sartglases. München 1984, S. 77ff.

20 Schäfer/Jenter/Gross/Prohaska, Unterregenbach, wie Anm. 16, S.255, Abb. 189, 19.

21 Die zeichnerische Rekonstruktion wurde, wie auch bei den übrigen Stücken, in Anlehnung an Heidelberger Funde vorgenommen.

22 Vor dem großen Brand, wie Anm. 2, S. 95, Abb. 117 (Christine Prohaska-Gross). - Judith Oexle, Der Ulmer Münsterplatz im Spiegel archäologischer Quellen; in: Archäologische Informationen aus Baden- Württemberg 21. Stuttgart 1991, S.30, Abb. 28.

23 Baumgartner/Krüger, Phönix, wie Anm. 14, S. 316ff. - Eine Gegen- überstellung von älteren und jüngeren Ausprägungen der doppelkoni- schen Flasche bei: Franz Rademacher, Die deutschen Gläser des Mittelalters. Berlin 1933, Taf. 16.

24 Gut zu erkennen bei dem fragmentierten Mainzer (?) Exemplar in Baumgartner/Krüger, Phönix, wie Anm. 14, S.317, Nr. 375.

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