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Sabbioneta, eine historische Stadt in der Lombardia,

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vivere i Art

in d

Galleria degli Antichi

Sabbioneta, eine historische Stadt in der Lombardia,

versprüht eine dörfliche Atmosphäre, die im heftigen Widerspruch zum strengen Straßenraster, zur Gleich­

förmigkeit der Häuser und zur herrschaftlichen Archi­

tektur steht.

Text und Fotos: Annegret Winter

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eit dem 16. Jahrhundert kaum

verändert, erfährt der Besucher in Sabbioneta eine ungewöhnliche Präsenz von Geschichte, die an die stillen Gemälde de Chiricos erinnert. Stadtgründer von Sabbioneta war Vespasian Gonzaga-Colonna, der am 6. Dezember 1531 gebo­

ren wurde. Er war das einzige Kind des bald darauf gestorbenen Luigi Gonzaga, aus einer Nebenlinie der Mantueser Gonzaga hervorgegangen, und erstes Kind der Isabella Colonna, die einer einflussreichen römischen Familie entstammte. Er wuchs bei der Tante Giulia Gonzaga, Gräfin von Fondi, zwischen Roma und Napoli auf. In Giulias Salon traf der Junge die elegante Welt und die Intelligenz Napolis, die sich mit Reformation und humanistischem Gedankengut befasste. Giulia ließ ihm auch eine standesgemäße Ausbildung zukommen, war er doch für eine wichtige

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Originalveröffentlichung in: Vivere magazine : Italien entdecken, 2003, Nr. 4, S. 118-121

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Rolle bei der Vertretung der Gonzaga innerhalb der habsburgisch-spanischen Italienpolitik ausersehen. Entsprechend wurde er mit neun Jahren an den kai­

serlichen Hof nach Spanien geschickt, wo er drei Jahre Page des Infanten Philipp war und insbesondere in Mathe­

matik und militärstrategischen Dingen unterrichtet wurde.

Und tatsächlich sollte Vespasian einer der ranghöchsten Offiziere der habsbur­

gisch-spanischen Armeen in Italien wer­

den, es bis zum Herzog bringen und Träger des Goldenen Vlieses werden.

Im Dienst des Kaisers war er auch als Militärarchitekt tätig. Daher kannte er auch die aktuelle Bauform der Bastion, die er schon ab 1554 auf sechseckigem Grundriss in seiner Residenz Sabbio- neta errichten ließ.

Die Idealstadt entsteht

Auch während wiederholter und länge­

rer Abwesenheit von Vespasian schritt der Umbau Sabbionetas voran. Um 1560 etwa wurde mit dem Abriss des alten borgo zugunsten einer weit größe­

ren städtischen Anlage begonnen. Bis zu seinem Tod 1591 erhielten die Häu­

ser einheitliche Fassadenfresken, Stra­

ßen wurden gepflastert, Türrahmen und -schwellen mit Marmor ausgestattet.

Auch außerhalb der Mauern baute er Straßen, ließ Häuser bemalen und stat­

tete Kirchen aus. Erst 1588 bestimmte er Vincenzo Scamozzi zum Architekten eines Theaters nach dem Vorbild des Palladio-Theaters in Vicenza.

Um seiner Stadt Leben und Prosperität zu verleihen, betrieb Vespasian ab etwa der Mitte der 50er Jahre eine regel­

rechte Zuwanderungspolitik durch Grundstücksschenkungen, Land- und Häuserverkäufe und durch ein Dekret über die Ansiedlungspflicht innerhalb der Stadt. Vom folgenden wirtschaft­

lichen Aufschwung profitierte der Sig­

nore selbst durch erhöhte Steuer- und Zolleinnahmen. Aber auch verschiedene Handwerke, wie Möbel-, Keramik- und Textilproduktion, die Münzprägeanstalt, eine Kanonengießerei und eine Buch­

druckerei geben Zeugnis vom Wohl­

stand der Bevölkerung Sabbionetas zu jener Zeit. In einer öffentlichen Schule

konnten Kinder und Erwachsene Fähig­

keiten, wie Rechnen und Schreiben, als Techniken merkantilen Handelns erler­

nen. Und nicht nur Vespasians Groß­

baustelle, auch der wachsende Beam­

tenapparat, der Hofstaat und die wohl­

habenden Bürger bewirkten eine rege Bautätigkeit. Von all diesem profitierte natürlich auch die Landwirtschaft, wo man nun begann, Reis und, speziell unter Vespasian erstmals in Italien, Mais anzubauen.

Wie tragisch enden dagegen Vespasians Bemühungen um den Fortbestand der Gonzaga von Sabbioneta! Aus drei Ehen gingen nur zwei Kinder hervor. Der Sohn Luigi starb schon 1580.

So ging Sabbioneta an die Tochter Isa- bella und wurde Teil der zerstreuten Be­

sitzungen ihres Mannes Luigi Caraffa, Principe von Stiglione, der aus einer nea­

politanischen Familie stammte. So ver­

lor Sabbioneta bald nach Vespasians Tod 1591 den Glanz und Charakter einer Residenzstadt. Schon 1595 blieben nach einer Überschwemmung durch den Po die ersten nötigen Ausbesse­

rungsarbeiten aus.

Eine Stadt nach Plan

Dennoch: Vespasian schuf eine typi­

sche Planstadt der Renaissance. Er ließ seine Idealstadt als ein Zitat römisch­

antiker Stadtbaukunst auf einem sechs­

eckigen Grundriss in weitgehend regel­

mäßigem Raster errichten. Doch sind die Straßenzüge oftmals eigenwillig ab­

gewinkelt, die Hauptstraßen liegen zu den Torstraßen parallel versetzt.

Kein anderer als der berühmte Architekt

Leon Battista Alberti (1404-1472) emp­

fiehlt dies, um Feinde im Eroberungsfall in die Irre zu führen, in seinem Architek­

turtraktat „X libri de re aedificatoria“.

Hat man die Stadt durch die Torbauten der Porta Imperiale und Porta Vittoria betreten, deren manieristische Fronten auf das Vorbild des Mantueser Palazzo Te von Giulio Romano zurückgehen, sollte man eine Besichtigung der Stadt an der Piazza d'Armi beginnen. Dort fin­

det man heute im ehemaligen Palazzo Giardino auch das ufficio turistico, wo man selbst in der Mittagszeit Eintritts­

karten, freundlichen Rat und Informa­

tionsmaterial bekommt. Dieses intime Landhaus war ursprünglich durch einen hohen Gang mit der zerstörten Burg verbunden und ist erst in den 1580er Jahren entstanden.

Die herzoglichen Gebäude

Zu dem Bereich der herzoglichen Privat­

sphäre gehört auch die mit den Palazzo Giardino verbundene Galeria degli Antichi. In den Jahren 1583/4 fertig gestellt, sind ihre mit Fresken versehe­

nen Innenräume wunderbar vom Licht durchflutet, da alle Wände mit Fenstern durchbrochen sind. Die heute leerste­

hende Galerie enthielt die umfangreiche Antikensammlung Vespasians, beste­

hend aus 50 Statuen, 160 Büsten und 80 Reliefs, die unter Kaiserin Maria The­

resia nach Mantova ins Museo greco- romano überführt wurde.

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Im eigentlichen Zentrum der Stadt bei der Piazza Ducale stoßen wir auf ein geschlossenes Ensemble mit Gebäuden öffentlicher Funktionen, wie dem Pa­

lazzo Ducale, dem Palazzo del Ragione und der Kirche S. Maria Assunta. Zu dieser repräsentativen Sphäre des Her­

zogs gehörten auch ein Hospital, eine Bibliothek und die Hofkirche S. Maria Incoronata (1586-88). Sie diente - an der Rückseite des Palazzo Ducale ste­

hend - ausschließlich dem Herzog und ist ein typisch lombardischer Zentralbau der Renaissance auf achteckigem Grund­

riss. Mit dieser Kirche ließ sich Vespa- sian ein Grabmonument schaffen, wie es keiner seiner großen Verwandten aus der Familie der Gonzaga für sich errichtet hat. Sehenswert ist sie beson­

ders deshalb, weil sich dort heute noch eine Bronzeplastik von Leone Leoni befindet, die als authentisches Porträt Vespasians gilt und von Michelangelos Medici-Grabmälem und dem Marc Aurel vom römischen Kapitol inspiriert scheint.

Der Palazzo Ducale wurde schon 1554- 68 erbaut, erhielt aber erst 1586 sein heutiges Aussehen durch den Söller auf dem Dach, Fensterrahmen und Balkon sowie die hoch ansetzende Loggia mit

Balustraden. So wirkt er nicht wie ein Wohngebäude, sondern eher wie ein öffentliches Ratsgebäude.

Seiner repräsentativen Funktion werden wir anhand der Reste ehemaliger Aus­

stattung, so auch im sogenannten Adler­

saal im ersten Obergeschoss gewahr.

Offenbar wollte Vespasian seine Stadt dem Schutz Jupiters unterstellen, denn dessen Insignien, Adler und Donnerkeil, zieren diesen Raum. Herrschaftliche Geltungsansprüche lassen sich auch in der Ahnengalerie ablesen, die sich in repräsentativer Lage in der Mitte des ersten Obergeschosses zum Platz hin befindet. Daneben ist der Thronsaal für den spanischen König reserviert und mit Wappen und Insignien der Gonzaga, Colonna und der Aragonesen ausge­

stattet.

Ein Theater nach römischem Vorbild

Ein letzter Höhepunkt ist der Besuch des teatro olimpico. Erst drei Jahre vor seinem Tod erteilte Vespasian dem Architekten Vincenzo Scamozzi C1552-

1616) den Auftrag, ein teatro all'antica zu entwerfen. Scamozzi war durch seinen Bühnenausbau des Vicentiner Theaters nach Palladios Tod zum idealen

Architekten für diese Aufgabe gewor­

den und errichtete eine maßstäbliche Verkleinerung eines römischen Freilicht­

theaters. Beide Theaterbauten gehören zu den ersten festen Theatern der nach­

römischen Zeit. Wie bei einem Stadt­

palast sind die Fassaden reich und in römisch inspiriertem klassizistischem Stil und mit schwerer manieristischer Rustika aufgeführt.

In drei Fassaden dienen zentrale Portale den verschiedenen gesellschaftlichen Schichten sowie Schauspielern und Musikern als separate Eingänge. Eine aus einem Architekturtraktat Sebastiano Serlios (1475-1554) entnommene Inschrift auf dem Gebälk zwischen den Geschossen besagt: ROMA QUANTA FUIT IPSA RUINA DOCET (Noch in Ruinen lehrt Rom, was es war).

Aus Zeichnungen Scamozzis kann man die scena fissa von Sabbioneta als perspektivischen Aufbau eines Straßen­

zuges mit palazzi, also einer scena tragica, rekonstruieren. Der Blick des Besuchers fiel über diesen Straßenzug hinweg auf Landschaft und Himmel, so dass er sich in ein antikes Freiluft­

theater versetzt fühlte. Auf der Loggia saß der Fürst inmitten römischer Gott­

heiten, gewissermaßen auf dem Olymp.

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An der Rückwand der Loggia manifestiert sich Vespasians Geltungsanspruch in idealisierten römischen Kaiserporträts.

Die Fresken der Seitenwände zeigen ein Triumphbogen-Motiv und Landschaftsausblicke.

An der nördlichen Wand, dort wo sich in Sabbioneta die Platzanlage der Piazza Ducale befindet, entdeckt man ein Fresko mit dem römischen Kapitol. Im Süden dagegen, wo sich ehemals die Rocca befand, erblickt man die Engelsburg.

Zwar wurde das Theater 1590 mit einer Reihe von Abend­

aufführungen noch eingeweiht, doch blieb dies anscheinend die einzige Festsaison.

Nach Vespasians Tod war es also seiner Funktion enthoben und alsbald zweckentfremdet Lazarett, Warenhaus und Kino.

Bühneneinbauten und Fresken wurden so zerstört.

Heute blinzelt der Himmel durch das lecke Dach. Dennoch versucht man in Sabbioneta, das architektonische Erbe zu bewahren und bietet Führungen für Touristen an. Sogar mit­

tags sind alle Gebäude zugänglich. Mit der touristischen Belebung der alten Stadt gehen auch stetige Renovierungs­

arbeiten einher. So scheint das Leben in der Stadt wieder lebhafter zu werden. ■

Informationen

Ufficio Turismo / Fremdverkehrsbüro Via Vespasiano Gonzaga 27

46018 Sabbioneta (Mn) Tel: 0039-0375-221044 Fax: 0039-0375-222119

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