218 Erdkunde Band VIII Bestreben, innerhalb des aus dem gegenwartigen Stand
der Forschung sowie den Bediirfnissen des angesproche
nen Benutzerkreises sich ergebenden Rahmens auch spe
zifische Fragestellungen ungewohnlicherer Art zu be rucksichtigen, die dem Atlaswerk einen bedeutenden geographischen Originalwert verleihen und die iiber das regionale Interesse hinaus zu allgemeinen Dis kussionen reichlich Anregung geben diirften. Der aufier ordentlich weit gespannte geographische Wandel inner halb Schwedens in fast alien Sachbereichen verlockt ohnehin zu mannigfachen Sonderdarstellungen. Die in solchen Bereichen z. T. bereits sehr weit gediehene schwedische Detailforschung und die durch die histo rische Kontinuitat und Integritat des schwedischen Mutterlandes begiinstigte, seit 1721 bzw. 1749 un
unterbrochen arbeitende Reichsstatistik finden zudem auf solche Weise ihren sinnfalligen Niederschlag.
Es sei auf einige solche spezifische Themen hinge wiesen: mehrere Karten der glazialen und postglazialen Entwicklung, der gesteinsbedingten Bodenfruchtbar keit, der Ackerkrumetypen, der Wasser- und Eis fiihrung der Fliisse ? hoffentlich ist auch die geographisch so wichtige Darstellung des Eisverschlus
ses und der Eisbrechertatigkeit entlang der Kiiste vor gesehen! ?, der Hofdichte, der Reliefenergie, der Ver anderungen der Landwirtschaft nach dem 2. Welt kriege, des Gartenbaus (einschl. des Teiles des Kartof
felbaus, der in Kiichengarten bis jenseits des Polar
kreises betrieben wird!) u. a. m. Der Atlas wird da
her ? schon die bi?her vorliegenden Karten be weise n es ? manche Oberraschung demjenigen bringen, der
das Land nur von den wenigen, zudem meist alteren
Darstellungen in einer Weltsprache kennt und dem das Verfolgen der in immer starkerem Mafie schwedisch
publizierten Spezialliteratur sprachliche Schwierig keiten bereitet hat. Es sei hier nur an die neueren Auf fassungen iiber den Bau der Skanden erinnert, die in dem diesbeziiglichen Beitrag von O. Kulling auf Blatt 78 ihren Niederschlag gefunden haben, oder an die siedlungsgeographischen Forschungen von G. Enequist zum Problem der Einzelhofe, Hofgruppen und Dicht siedlungen (bemerkenswerterweise taucht hierbei der uns gelaufige Dorf begriff gar nicht auf!!)
Die Karten iiber solche Probleme, die starkerem zeit lichem Wandel unterworfen sind, folgen erst in den letzten Lieferungen des Werkes, also vornehmlich die
Industrie- und Handelskarten usw. Die Fachwelt sei
schon jetzt auf dieses in Subskription erhaltliche Stan dardwerk nachdriicklich hingewiesen. Es nimmt in der Reihe ahnlicher Landesatlanten allein schon nach dem bisher vorliegenden Teil, zweifellos einen besonders
hervorragenden Platz ein.
DAS DIAMANTENE JUBILAUM DER ENGLISCHEN
GEOGRAPHISCHEN GESELLSCHAFT
Die ?Geographical Association" feierte 1953 ihr diamantenes Jubilaum mit einer Tagung in Sheffield und durch Herausgabe einer Jubilaumsausgabe der Zeitschrift ?Geography" (No. 182. Vol. XXXVIII.
Part 4. Nov. 1953). Der Funfzig-Jahr-Feier wurde ver
haltnismafiig wenig Aufmerksamkeit geschenkt, da sie
in den 2. Weltkrieg fiel; aber heute darf die bliihende Gesellschaft mit iiber 3000 Mitgliedern auf eine Ge
schichte zurtickschauen, die eine lange Phase der Ent wicklung des geographischen Unterrichts in diesem Lande umschliefit, und mit berechtigten Hoffnungen
in die Zukunft blicken. Die geographische Wissen schaft in GroBbritannien hat von drei Seiten wesent liche Anregung empfangen: von der Royal Geographi cal Society, die sich die Forderung jeglichen Fort schritts auf dem Gebiet der geographischen Wissenschaft zur Aufgabe gemacht hat, von der Geographical Asso ciation, deren Mitglieder hauptsachlich aus den Lehr
berufen kommen, und von den geographischen Insti tuten der Universitaten mit ihren zahlreichen Dozenten und Studenten.
Die Gesellschaft verdankt ihre Griindung einer Gruppe von Public-School-Lehrern, die durch die Ver wendung der laterna magica an den Schulen, in denen Erdkunde bisher nur eine sehr unbedeutende Rolle ge
spielt hatte, neue Begeisterung fiir dieses Fach wecken wollten. Die junge Gesellschaft wurde bald gefordert
durch Mitglieder der Royal Geographical Society und durch Lehrer der neuen 'grammar schools', die damals
in rascher Folge von den ortlichen Erziehungsbehorden
gegriindet wurden. Zu den Universitatsprofessoren, die
sie unterstiitzten, gehorten vor allem Mackinder und Herbertson, ferner Fleure, der fast 30 Jahre lang ihr Geschaftsfiihrer war. Sie hat der hohen Bildung ihrer
Vorsitzenden, unter denen sich viele hervorragende Manner, die nicht ?vom Fach" waren, befanden, wie
auch der aufopfernden Arbeit der iibrigen Mitarbeiter
und Angestellten viel zu verdanken.
Obwohl Oxford die Statte war, die sie im wesent lichen befruchtete, war ihr Sitz von 1917?30 Aberyst wyth, von 1930?47 Manchester und seit 1947 Shef field. Sie gehorte also nie zu den Gesellschaften, die ihren Hauptsitz in der Metropole haben, obwohl ihre jahrlichen Konferenzen haufig in der London School of Economics abgehalten wurden. Obwohl ihre Arbeit sowohl wie ihre Mitgliederschaft nationalen Charak ters ist, liegt ihre eigentliche Bedeutung in ihren 50 oder mehr Zweiggesellschaften.
Die- Geographical Association hat ihr ursprungliches Ziel ?die S teilung der Geographie als Wissenschaft und
den geographischen Unterricht an den Schulen zu ver bessern" und auf Lehrmethoden zu drangen, ?die mehr
auf die Erfassung geographischer Grundbegriffe als
einzelner Tiatsachen abzielen", nie aufier acht gelassen.
Zu den ersten Aufgaben, die sie sich stellte, gehorten die Ausgabe und der Verleih von Diapositiven. Als sie sich in Priifungen an Schulen und fiir den Heeres- und Zivildienst einschaltete, zielte sie auf exaktere Frage
stellungen ab und war auch vor allem darauf bedacht, dafi nicht nur physikalische Geographie gelehrt wurde,
sondern auch regionale Gesichtspunkte beachtet wur den. Ferner setzte sie sich ein fiir moderne Atlanten.
Seit 1901 gibt sie eine Zeitschrift heraus, zuerst unter dem Titel ?The Geography Teacher", jetzt einfach
?Geography", die sich einen Namen gemacht hat durch ihre Artikel iiber grofiere und speziellere Aspekte der geographischen Wissenschaft und des geographischen Unterrichts, und die Besprechungen iiber eine grofie Reihe von Biichern enthalt, die in den verschiedensten Sprachen erschienen sind. Sie bewies dem allgemeinen
Berichte und kleine Mitteilungen 219
Publikum, dafi geographische Studien der Miihe wert sind, und beantwortete damit die Frage, die von dem wohlbekannten Dr. Jowett von Balliol College, Ox
ford, gestellt wurde: ?Kann Erdkunde so gelehrt wer den, dafi sie die Menschen zum Denken erzieht?" Die Zeitschrift veroffentlichte vor allem Herbertsons be riihmte These von den grofien natiirlichen Raumen.
Seit 1909 organisiert sie Ferienkurse. Sie hat eine Bibliothek von fast 8000 Banden und vielen Zeit
schriften, wahrscheinlich eine der drei grofiten im Land, die die Biicher an ihre Mitglieder auch per Post ver leiht. Die Gesellschaft sucht ihre Ziele auch dadurch zu verwirklichen, dafi sie die Schaffung von Lehrstiihlen
und Dozenturen an den Universitaten anregte. Alle unsere Universitaten haben heute ausgezeichnete geo
graphische Abteilungen, von denen jede ihre eigenen Methoden und Auffassungen ehtwickelt hat. Jede grammar school im Land kann samtliche Schuljahre hindurch Geographie lehren und macht von dieser Moglichkeit auch Gebrauch. Auch in den meisten an
deren Schulen wird Erdkunde gelehrt. Studierende wa ren in der Gesellschaft als Mitglieder immer willkom men. Die Gesellschaft hat Ausschiisse, die sich mit den
Problemen der Universitat und der privaten sowohl wie offentlichen Elementar- und hoheren Schulen be
fassen. Sie hat zusammengearbeitet mit dem staat
lichen Amt fiir Kartographie bei der Herausgabe von Karten geographischer Typenlandschaften mit Bildern zum Gebrauch an Schulen. Sie unterstiitzt die moderne Neigung zu heimatkundlichen Studien. 1940 wurde ihre Geschaftsstelle beinahe ein Opfer des Luftkrieges.
Die Geschichte der Gesellschaft nach dem Krieg ist ge kennzeichnet durch rege Tatigkeit am Hauptsitz, neue Anregungen von seiten der Zweiggesellschaften und
eine weiterhin grofie Mitgliederschaft.
Das Programm einer ihrer Zweiggesellschaften fiir 1953/54 gibt eine gute Anschauung von der Arbeit der Gesellschaft, denn viele sind der Ansicht, dafi ihre Arbeit in den Provinzen ebenso wichtig ist wie ihre Be miihungen fiir das Land als Ganzes. Die Zweiggesell
schaft in Birmingham halt mindestens einmal im Monat eine zweistiindige Versammlung mit Lichtbildervor tragen und nachfolgender Diskussion ab. Die fiir 1953/54 vorgesehenen Themen sind: ?Eindriicke von den USA", ?Westlich des Felsengebirges", ?Gebirge",
?Landnutzung und menschlichesZusammenleben in der Ebene von Valencia", ?Bauernsiedlung in Ceylon",
?Bidassoa; ein pyrrhenaisches Tal", ?Das wallisische
Bergland", ?Geschichte und Entwicklung der Wasser versorgung von Birmingham" (mit Unterstiitzung des Extra-Mural Department of the University = Univer
sitatsabteilung fiir oftentliche Vorlesungen), ferner
?Die Verwendung von Luftbildern fiir Geographie und Geschichts wissenschaft" (gemeinsam mit der Historical Association). Die Gesellschaft halt zwei
Samstag-Veranstaltungen ab, wo Mitglieder von ihren Ferienreisen erzahlen und zwei Veranstaltungen in um
liegenden Orten am Wochenende. Sie tauscht auch mit der Zweiggesellschaft in Nottingham Besuche aus und veranstaltet im Juli einen Ausflug fiir Schiiler der hoheren Klassen. Ferner ist eine Htagige Reise ins Berner Oberland geplant (in Zusammenwirken mit der Abteilung fiir offentliche Vorlesungen der Universitat).
In seiner Jubilaumsansprache betonte Professor
Debenham, dafi es viele gebe, die geborene Geographen
sind, aber nie ein akademisches Studium genossen hat
ten. Er stimmte mit Mackinder darin iiberein, dafi Geographie eine ?geistige Haltung" sei und sprach von den Menschen mit ?sehenden Augen, dem wissenschaft
lichen Geist und dem ausgewogenen Urteil". Die
Geographen stellten keinen geschlossenen Kreis dar.
Diese Tendenz zur vielseitigen Betrachtung der Um welt, in der der Mensch lebt, ist fiir die Geographen
Grofibritanniens heute bezeichnend. Professor Deben ham meinte: ?Alle Staatsmanner sollten Geographen
sein" und stellte die These auf: ?So'undso ist kein
Geograph. Also kann er kein Staatsmann sein".
Man beginnt in England mehr und mehr zu erkennen, dafi Geographie eine wertvolle Anschauungsart an sich
ist, was weitgehend auf den Einflufi und die Auf klarung der Geogr. Association zuruckzufiihren ist.
Andrerseits sind sich die geographischen Wissenschaft ler auch mancher Schwierigkeiten bewufit. Professor Fleure deutete diese an, als er davon sprach, dafi der innere Zusammenhalt der Geographie gewahrt bleiben
miisse, der z. B. zerstort werden konne durch zu starke
Konzentrierung auf die schwierige Technik heimat kundlicher Studien unter Verzicht auf eine grofie Welt
sicht. Er gab zu, dafi wir das Problem der richtigen Besetzung der Universitatslehrstiihle noch nicht gelost
haben. Sollten unsere Professoren Fachmanner sein
fiir geographische Einzeldisziplinen oder fiir geo graphische Raume?
Zusammenfassend kann gesagt werden, dafi die Ge sellschaft einen der Hauptfaktoren in der Zusammen fassung der zentrifugalen Tendenzen darstellte, so dafi die Lehrer an den Schulen heute sich nicht mehr nur auf Einzelgebiete ihres Faches beschranken, sondern die
Welt als Ganzes sehen. D.J.Davis
INTERNATIONALE TAGUNG UBER ALPINE METEOROLOGIE
IN DAVOS 12.? 1 4. APRIL 1954 Vom 12. bis 14. April 1954 fand in Davos die 3. Internationale Tagung fiir Alpine Meteorologie
statt. Das Tagungsprogramm war auf die 4 Grund
themen ?Meteorologie, Strahlung, Schnee und Eis,
Bioklimatologie" abgestimmt. Dazu kamen Vortrage
von den Mitgliedern des Physikalisch-Meteorologischen Observatoriums Davos als Einfiihrung in die Aufgaben
des unter Leitung von Dr. Morikofer stehenden Insti tutes. Aufier dem Physikalisch-Meteorologischen
Observatorium wurde das Eidgenossische Institut fiir
Schnee- und Lawinenforschung unter Leitung von Dr.
De Quervain auf dem Weififluhjoch besucht.
Es kann hier nicht auf die Vortrage im einzelnen ein gegangen werden; ausfiihrliche Referate werden in einem Sonderheft der Zeitschrift ?Wetter und Leben"
gebracht. Nur auf einige ?
geographisch besonders wichtige ?
Vortrage soil hingewiesen werden. Inge Dirmhirn sprach iiber die Entstehung der extrem nied
riigen Temperaturen (?nurK ?32,5 ?
im Friihjahr 1953) in der Doline Gstettneralm. Entscheidend be teiligt diirfte der friih einsetzende Kaltluftzuflufi von den Nordhangen des weiten Einzugsgebietes sein.