• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Gesundheitsbildung als Erlebnis: Das praxisnahe Konzept der Pfadfinder" (23.07.1987)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Gesundheitsbildung als Erlebnis: Das praxisnahe Konzept der Pfadfinder" (23.07.1987)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

›./2

Originalzeichnung von Baden-Po- well zur gesundheitlichen Aufklä- rung: Rauchen ist ungesund . ,

Gesundheitsbildung als Erlebnis

Das praxisnahe Konzept der Pfadfinder

Die Präventivmedizin befaßt sich auch mit der Zielgruppe der Jugendlichen. Zur Gesundheitser- ziehung von Kindern und Jugendli- chen sind viele theoretische Ansätze entwickelt worden: So soll die Hin- führung zu einer gesunden Lebens- weise bereits im Kindesalter begin- nen; Elternhaus, Familie und Schule stellen wichtige Institutionen für die Gesundheitserziehung dar (1). Da- neben spielen aber auch die Einflüs- se aus der Freizeit für die Orientie- rung und Prägung von Jugendlichen eine wichtige Rolle. Allerdings sind diese jugendlichen Subkulturen für die primären Bildungs- und Erzie- hungsinstitutionen nur schwer zu- gänglich (2).

In der gesundheitserzieheri- schen Praxis steht der Abbau von speziellen Risikofaktoren wie fal- sche Ernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht, Genußmittel- und Drogenmißbrauch immer noch im Vordergrund. Schwerer tun sich die Verantwortlichen der Gesundheits-

M

ehr als 200 000 Kinder und Jugendliche sind in der Bundesrepublik Mitglieder in verschie- denen pfadfinderischen Jugendorga- nisationen (5). Den größten Ver- band stellt die Deutsche Pfadfinder- schaft Sankt Georg dar, ein koedu- kativer Verband mit über 100 000 Mitgliedern (6). Begründet wurde die Pfadfinderbewegung 1907 durch den englischen General Lord Ba- den-Powell (1857-1941), einen der hervorragenden Reformpädagogen unseres Jahrhunderts (7). Heute ge- hören dieser weltweiten Jugendbe- wegung 24 Millionen Mädchen und Jungen in über 100 Ländern an (8).

Die Pfadfinderbewegung ist eine

erziehung mit der Entwicklung soge- nannter primärpräventiver Konzep- te die grundsätzlich auf Entwick- lung, Erhaltung und Schutz der Ge- sundheit zielen und nicht nur auf spezielle Fehlverhalten gerichtet sind. Beklagt wird ein Mangel an

„Modeschöpfern einer gesunden Lebensweise", die neue, für Jugendliche akzeptable und anspre- chende Moden des gesunden Lebens entwerfen (3).

Die bisher eher bescheidenen Erfolge, das individuelle Fehlverhal- ten durch Information, Aufklärung oder gar Drohung zu verändern, ha- ben zum Überdenken der bisherigen gesundheitserzieherischen Modelle geführt. Entsprechend dem Zeit- geist wurden „ökologische" und

"gemeindenahe" Ansätze zur Ge- sundheitserziehung erarbeitet, die nun zwei Komponenten vereinen:

den bereits bekannten Erwerb ge- sundheitsfördernder Verhaltensmu- ster und zusätzlich die Veränderung gesundheitswidriger Lebensbedin-

Die sechs

Gesundheitsregeln der Pfadfinder

1. Frische Luft 2. Sauberkeit

a) persönliche b) der Umgebung 3. Bewegung

4. Gesunde Nahrung 5. Vernünftige Kleidung 6. Genügend Schlaf

freiwillige, unpolitische Erziehungs- bewegung für junge Leute, die offen ist für alle, ohne Unterschied nach Herkunft, Rasse oder Glaubensbe-

gungen (4). Aber auch diesen neue- ren Ansätzen fehlen praktisch ver- wendbare Konzepte für die Ziel- gruppe der Kinder und Jugendli- chen.

Als wesentlicher Bestandteil der Freizeitgestaltung von Jugendlichen ist die in der Bundesrepublik stark ausgeprägte verbandliche Jugendar- beit bisher noch nicht als möglicher Träger gesundheitserzieherischer Maßnahmen in dieser Altersstufe er- kannt worden.

Den vielfältigen Institutionen der Gesundheitserziehung ist außer- dem wohl oft auch nicht bekannt, daß Jugendverbände selbst über pädagogische Ansätze zur Gesund- heitserziehung verfügen, die bereits praxiserprobt sind und genau die an- gesprochenen Forderungen für eine wirksame Primärprävention erfül- len.

Ein Beispiel dafür ist die Päd- agogik der pfadfinderischen Jugend- verbände, von der im folgenden die Rede sein soll.

kenntnis. Zweck der Bewegung ist es, zur Entwicklung junger Men- schen beizutragen, damit sie ihre vollen körperlichen, intellektuellen, sozialen und geistigen Fähigkeiten als verantwortungsbewußte Bürger und als Glieder ihrer örtlichen, na- tionalen und internationalen Ge- meinschaften einsetzen können (9).

In umfangreichem Schrifttum hat Baden-Powell sein Modell einer sozial-integrativen Jugendbewegung vorgestellt. Danach beruht die pfad- finderische Erziehung auf der Ein- sicht, daß man durch Erfahrung und Übung lernt (Maxime: „Learning by Doing"). Die inhaltlichen Program- me orientieren sich an den Bedürf- nissen der Jugendlichen (Maxime:

Johannes Winter

, Heft 30, 23. Juli 1987 (23) A-2031 Dt. Ärztebl. 84

(2)

Zeichnung von Baden-Powell über die Aus- breitungsformen von Bakterien:

Tröpfcheninfek- tion bei Tuberku- lose; Pfadfinder sollen deshalb stets durch die Nase atmen

Eine weitere Originalzeichnung von Lord Baden-Powell soll sagen: Für ei- nen Pfadfinder ist nichts unmöglich!

OSSI BLE

„Look At The Boy"). Das mittler- weile in der Erziehungspädagogik etablierte Großgruppen-Kleingrup- pen-System wurde von Baden-Po- well praktisch in die Jugendarbeit eingeführt (10, 11).

Die Erziehung zu körperlicher (und geistiger) Gesundheit ist von je her ein wesentlicher Schwerpunkt der Pfadfinderausbildung gewesen.

Zur Jahrhundertwende galt es, die Unverantwortlichkeit und Unwis- senheit auf seiten der Eltern sowie den Mangel an Kenntnissen in der Hygiene und des menschlichen Kör- pers zu überwinden. Ergänzend zur Schulerziehung bietet Baden-Powell Aktivitäten „draußen” an ( „Out- door Practices"), praktisches Ein- üben von gesunden Lebens- und Verhaltensweisen, und fördert da-

durch die Entwicklung der Verant- wortlichkeit für den eigenen Körper.

Im Laufe der Zeit ist die pfad- finderische Methodik B aden-Po- wells kontinuierlich weiterentwik- kelt und in zeitgemäße Formen übersetzt worden. Als System fort- schreitender Selbsterziehung durch Bildung kleiner Gruppen unter der Leitung Erwachsener mit Übernah- me von Verantwortung sowie Erzie- hung zur Selbständigkeit, bietet die moderne pfadfinderische Pädagogik wichtige Ansätze zur Gesundheitser- ziehung:

0 In kleinen Gruppen können Pfadfinderinnen und Pfadfinder ab dem siebten Lebensjahr einen einfa- chen, nicht am Konsum orientierten aktiven Lebensstil einüben. Vielfäl- tig sind die Möglichkeiten, positive gesundheitsfördernde Programme (ohne den erhobenen Zeigefinger des Elternhauses oder den Schulge- ruch) in die Jugendarbeit einzube- ziehen: sportliche Betätigung, Be-

wegungsspiele , Kochen, Hygiene, richtige Kleidung, Verzicht auf Ge- nußmittel, soziales und umwelt- schützerisches Engagement als ent- sprechende „gemeindenahe" sowie

„ökologische" Komponenten.

fp

Gemäß einer weiteren Maxi- me der pfadfinderischen Pädagogik leiten (meist junge) Erwachsene ihre Jugendgruppen in der Rolle von „äl- teren Brüdern" („elder Brothers").

Ihnen sind die Vorstellungen und In- halte der jugendlichen Subkulturen, das tägliche Umfeld und die Lebens- räume der Jugendlichen mit all ihren Ängsten, Wünschen und Interessen oft besser bekannt als Eltern und Lehrern. In dieser Rolle haben Jugendleiter eine ganz andere Basis des Vertrauens und können ohne die Verbote und Strafen anderer Erzie- hungsinstitutionen auch durch eige- nes Vorleben wichtige Vorbildfunk- tionen erfüllen. Zudem ist es in der heutigen Zeit oft notwendig, daß Jugendleiter als „Anwalt von Kin- dern und Jugendlichen" deren Welt in der bestimmenden Welt der Er- wachsenen vertreten und verteidi- gen.

Die Weltorganisation der Pfadfinderbewegung hat in Zusam- menarbeit mit der WHO, der UNI- CEF und den Vereinten Nationen eine Arbeitsmappe unter dem Titel

„Pfadfinden und Gemeindewohl"

veröffentlicht (12). Darin wird der gemeindenahe, ökologische Charak- ter der pfadfinderischen Gesund- heitserziehung besonders deutlich:

Behandelt werden Themen der pri- mären Gesundheitsfürsorge wie Si- cherung und Überwachung der Er- nährung, Familienplanung, Behand- lung von Krankheiten etc. Natürlich sind diese Punkte besonders für die Pfadfinderorganisationen in den Entwicklungsländern wichtig, aber die Aufforderung an alle Pfadfinder und Pfadfinderleiter, mit den loka- len politischen Gremien und den Gesundheitsämtern für die Schaf- fung eines „gesunden" Lebensrau-

mes zusammenzuarbeiten, gilt auch gleichermaßen für die von Umwelt- krisen belasteten Industrienationen.

Auf der Weltpfadfinderkonfe- renz, die 1985 in München zum er- sten Mal in Deutschland stattfand, wurden die gesundheitserzieheri- schen Schwerpunkte der Pfadfinder- bewegung neu formuliert (13).

Wertvolle Erfahrungen

Der unschätzbare Vorteil einer

„Erziehung" in einem „Freizeitver- band" ist die Freiwilligkeit, mit der die Mitglieder an verbandsspezifi- schen Aktivitäten teilnehmen. Die pfadfinderischen Jugendverbände sind trotz aller bestehenden Vorur- teile für Kinder und Jugendliche in ihrer heutigen, zeitgemäßen Form weiterhin attraktiv, steigende Mit- gliederzahlen in den letzten Jahren sind ein Indiz dafür. Die pfadfinderi- sche Pädagogik verfügt über einen der wenigen wirklich primärpräven- tiv und ökologisch ausgerichteten Ansätze zur Gesundheitserziehung von Kindern und Jugendlichen. Si- cherlich können nicht alle Jugendli- che mit dieser Erziehungsform ange- sprochen werden — die Pfadfinder sind nur ein kleiner Teil in der viel- fältigen Palette deutscher Jugend- verbände —, aber die Erfahrungen, die aus dieser speziellen gesund- heitsfördernden Jugendarbeit exem- plarisch gewonnen werden können, sind für die Weiterentwicklung pra- xisnaher Modelle zur Gesundheits- erziehung in der Zielgruppe der Kin- der und Jugendlichen sicher von grundlegender Bedeutung (14).

(Die in Klammern gesetzten Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, zu beziehen über den Verfasser)

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Johannes Winter Klinikum der Stadt Mannheim Postfach 23, Theodor-Kutzer-Ufer 6800 Mannheim 1

A-2032 (24) Dt. Ärztebl. 84, Heft 30, 23. Juli 1987

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE