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er Mann lächelt seit Jah- ren in die Fernsehkame- ras der Welt. Verspricht das Blaue vom Himmel. Ließ sich von TV-Stars wie Tatort- kommissar Manfred Krug (dem die Leute eh alles glau- ben) helfen, Aktien für teu- res Geld unter die Leute zu bringen. Alles ungestraft, bis- her wenigstens. Daueropti- mist Ron Sommer, Chef der Deutschen Telekom AG, hat seit dem Börsengang des ehe- maligen Staatsmonopolisten unzähligen Anlegern schlaflo- se Nächte, angefressene Ner- ven und wohl auch etliche Wutanfälle beschert.Kursfiasko
Die T-Aktie entwickelt sich zu einem T-Saster sonderglei- chen. Auf über 100 Euro in der Spitze hochgejubelt, legte der Telekomwert einen beispiel- losen Niedergang bis derzeit rund 17 Euro hin. Eine sagen- hafte Geldvernichtung für ei- nen deutschen Blue Chip, vor allem vor dem Hintergrund der glühenden Bekenntnisse des Vormannes Sommer, welch tolles Unternehmen der Ak- tionär da gekauft habe. Jeder Fernsehauftritt des „Münch- hausen zu Sommer“ müsse ihm „eigentlich um die Ohren gehauen werden“, bekannte mir gestern erst ein entsetzter Anrufer. Ob das ein probates Mittel wäre, den Konzern- chef vorsichtiger auftreten zu lassen, vermag ich nicht zu beurteilen, verstehen kann ich den leidgeprüften Klein- sparer schon.
Seit Monaten redet Som- mer von Dividendenkonti-
nuität und Abbau des hor- renden Schuldenberges. Lee- re Versprechen. Die tiefrote Bilanz des vergangenen Jah- res zwang die Deutsche Tele- kom endgültig zu einer Divi- dendenkürzung um 40 Pro- zent. Der geplatzte Verkauf des Kabelnetzes an Liberty Media lässt die Verbindlich- keiten auf einem horrend ho- hen Niveau.
Soll bloß keiner sagen, das wäre alles überraschend ge- kommen. Das Kartellamt si- gnalisierte monatelang, dass es dem Deal nicht zustimmen werde. Die Deutsche Tele- kom hätte sich längst nach ei- nem potenten Käufer umse- hen können. Der lange – und vollmundig – angekündigte Börsengang von T-Mobile steht auch noch in den Ster- nen. Dieses peinliche Miss- management ist ein Offenba- rungseid erster Güte.
Schurkenstück Babcock Ein Einzelfall? Keineswegs.
Es wimmelt in der Commu- nity deutscher Börsengesell- schaften von Vorständen, de- nen das Wohl und Wehe ihrer Aktionäre anscheinend ziem- lich gleichgültig ist. Als jüng- stes Beispiel mag die Deut- sche Babcock AG herhalten.
Dort hat Vorstandschef Klaus G. Lederer als treibende Kraft die Mehrheitsbeteili- gung HDW an die US-Gesell- schaft One Equity Partners verkauft. Pikant: Der neue Chef bei HDW soll Lederer (!) heißen. Der „Trickkünst- ler“ hat also quasi mit sich selbst verhandelt. Die Ak- tionäre quittierten diesen Deal
– verständlich – mit einem dramatischen Kurssturz.
Die Rolle der Depotban- ken speziell beim letzten Ak- tionärstreffen am 19. März die- ses Jahres kann auch nicht kri- tikfrei bleiben. Meines Erach- tens wären sie im Sinne der Anteilseigener verpflichtet ge- wesen, angesichts der aktuel- len Ereignisse die Entlastung des Vorstands zu verweigern.
Es kann an dieser Stelle nicht darum gehen, das Top- management deutscher bör- sennotierter Aktiengesell- schaften in Bausch und Bo- gen zu verdammen. Es käme nur ein ungerechtes Urteil heraus. Es gibt viele verant- wortungsbewusste Leute, de- nen das Interesse der Ak- tionäre sehr wohl am Herzen liegt. Das gilt auch für viele Banken. Aber es gibt eben auch bei Geldinstituten man- che Berater, denen das schnel- le Drehen eines Depots nä- her liegt als ein kontinu- ierlicher Vermögensaufbau.
Zudem gibt es im großen wei- ten Feld von Börsenzeit- schriften wie auch TV-Maga- zinen jede Menge Gurus, die mit Charisma und Chuzpe Anleger in Werte reinjagen, aus denen sie bestenfalls arg zerrupft wieder rauskommen.
Übrigens halte ich viele Fi- nanzinnovationen für ziem-
lich gut geeignet, Kleinspa- rern den Kopf zu verdrehen und den Blick zu vernebeln, weil sie die Produkte entwe- der nicht verstehen oder von den Werbeaussagen so ent- zückt sind, dass sie bedenken- los zugreifen. Dazu zähle ich auch Aktienanleihen und Turbo-Zertifikate.
Anlegerfalle: Der eigene
„Größenwahn“
Warum funktioniert das ei- gentlich alles so gut? Warum fallen selbst aufgeklärte und sonst besonnene Investoren immer wieder auf heiße Tipps herein, warum werden den Banken so genannte neue Finanzinstrumente aus den Händen gerissen, warum ver- trauen wir (oder Bundesfi- nanzminister Hans Eichel) Eloquenzen wie Ron Som- mer weiterhin, wider besseres Wissen, wider die immer aufs Neue gemachten schlechten Erfahrungen?
Es kann meiner Meinung nach nur damit zusammen- hängen, dass der Anleger selbst auch nicht ganz un- schuldig daran ist, dass Lug und Trug in der Aktienwelt funktionieren. Wer kennt nicht die aufkeimende Gier, eine Aktie nichtverkaufen zu können, wenn sie 50 Prozent Gewinn gemacht hat, sie soll gefälligst 100 Prozent steigen.
Wie anders ist es zu verste- hen, wenn eine fallende Aktie nicht am Anfang der Ab- wärtsbewegung verkauft wird, sondern erst wenn sie sich halbiert hat.
Der eigene „Größenwahn“
verbietet einem oft genug zuzugeben, einen Fehler ge- macht zu haben. Auf dieser Schiene gedeihen auch heim- licher Respekt vor Unterneh- menslenkern und Bankexper- ten. Die müssen es doch ein- fach drauf haben, aus viel Geld noch mehr Geld zu ma- chen – und erst recht aus we- nig Geld viel. So schließt sich ein Teufelskreis. Über diese Zusammenhänge nachzuden- ken vermag der erste wichtige Schritt zu sein, dem Honig auf der Leimrute früh genug zu misstrauen. Reinhold Rombach V A R I A
Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 99½½Heft 14½½5. April 2002 AA961
Aktienmarkt
Alles Lug und Trug?
Sowohl Banken als auch die Chefs der Börsen-AGs vertreten nicht die Interessen der Kleinaktionäre, glauben immer mehr von Kursverlusten genervte Anleger. Börsebius untersucht Licht und Schatten einer Glitzerwelt, der Hunderttausende verfallen.
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