DIE ENTWICKELUNG DER FORMEN. 139
ISS} Bronzekal'felle mit Email, von Prof. Fritz v. Miller in München.
und Höhe zugleich, an den Haus— und Schrankfacaden wie im Innern fiegt das Prinzip des
»Schiefrunden« über die Geradlinigkeit der antiken Ordnungen. Dabei doch eine gewiffe groteske Regelmiifsigkeit, welche die wogenartig fich aufthürmenden Maffen bündigt und ihrer dekorativen Befiimmung unterordnet. Es kann gar nicht geläugnet werden, dafs in den Händen genialer Meifier — und folche hat es ja auch in diefer Zeit der Verwilderung gegeben —— fogar das bom—
bafiifche Fortiffimo oft fehr geifireich in Szene gefetzt ward; und wenn wir uns ganz in den Geiit der Zeit hineindenken, fo begreifen wir das lebhafte lntereffe, welches unfere Vorfahren in der Allongepcrrücke an diefer Art von Architektur und Tektonik hatten. ]e mehr aber hier das Gewicht auf plaftifche Uebertreibungen gelegt ward, dePto fchwieriger rnufste die Stellung des Omanzcntwrr/cas werden, welches denn auch zunächfi eine fehr traurige Rolle fpielte und erft nach und nach eine gewiffe Höhe ftilvoller Harmonie mit dem Struktiven erreichte. Denn der fchöne, eurytlnnifche Ornamentfchatz der früheren Zeiten pafste ganz und gar nicht mehr hierher; in der Verlegenhcit nahm man feine Zuflucht zu jenen unfchönen, manierirten Wulften, welche wir mit dem Namen des »Ohrwafchlfiils« zufammenfaffen, weil fie die wurmartig rundlichen Formen des menfchlichen Ohres auf das Rahmenwerk übertrugen. Auch die Fratzen, Mufcheln, Feltons etc.
jener Zeit haben den Charakter des Gekneteten. Erf’t zu Ende des 17.” ]ahrhunderts erhielt auch das Ornamentwerk in den Händen franzöfifcher Dekorateure, an der Spitze jean Benzin, eine ele—
gantere Durchbildung und entwickelte fich bei gleichzeitiger Verfeinerung des Struktiven zum