Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 22–23|
4. Juni 2012 A 1117Das Uniklini- kum Gießen und Marburg gehört derzeit zur privaten Kli-
nikkette Rhön.
RANDNOTIZ
Eva Richter-Kuhlmann
Wir wissen Monat für Monat oder fast Woche für Woche mehr über die Beteiligung vieler Genvarianten an den Risiken für die gängigen Volks- krankheiten. Die Zahl der Publikatio- nen dazu wächst rasant. Dennoch ist der medizinische Nutzen dieser Er- kenntnisse bislang fraglich. Darin waren sich auch Experten aus ver- schiedenen medizinischen Fachge- bieten sowie aus dem Bereich der Bioinformatik einig, als sie der Deut-
sche Ethikrat Mitte Mai zu den Mög- lichkeiten und Grenzen prädiktiver Diagnostik multifaktorieller Erkran- kungen befragte. Bei dieser öffentli- chen Anhörung drängte sich dem Zuhörer ein altes Sprichwort auf: Der Mensch denkt, Gott lenkt.
Denn trotz einzelner Erfolge bei der Krankheitsvorhersage durch Gen- tests, wie beispielsweise durch Tests auf Mutationen des Insulinrezeptor- gens bei Diabetes mellitus oder auf Mutationen in bestimmten Enzymge- nen beim Herzinfarkt, werden diese in naher Zukunft wohl keinen breiten Einsatz bei der Vorhersage und Früherkennung der Volkskrankheiten finden. Meist haben die beteiligten Genvarianten nämlich nur einen je- weils sehr geringen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko. Ferner wird das Erkrankungsrisiko von vielen Varian- ten gleichzeitig beeinflusst. Hinzu kommen Wechselwirkungen der Genvarianten mit umweltbedingten Faktoren. Möglicherweise können neue epigenetische Untersuchungen und neue Biomarker die Krankheits- prädiktion künftig verbessern, da sie nicht nur die genetische Grundaus- stattung, sondern die jeweilige Gen- aktivität in den Blick nehmen.
Doch bis dahin zählen – unab- hängig von einem erhöhten Risiko – die allgemeinen Empfehlungen für eine gesunde Lebensweise und das Vertrauen in die eigene Gesundheit.
Mensch denkt, Gott lenkt
Das Bundeskabinett hat am 23. Mai den Gesetzentwurf zur Verbesse- rung der Rechte von Patientinnen und Patienten gebilligt. Der jetzt verabschiedete Gesetz entwurf ist eine nur geringfügig geänderte Fas- sung des bereits im Januar 2011 ge- meinsam von den Bundesministe- rien der Justiz und für Gesundheit erarbeiteten Referentenentwurfs. Er umfasst Regelungen zur Kodifi - zierung des Behandlungs- und Arzthaftungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch, zur Förderung der Fehlerver meidungskultur und zur Stärkung der Verfahrensrechte bei Behandlungsfehlern. Darüber hin - aus soll er die Rechte der Patienten gegenüber Leistungsträgern stär- ken, mehr Patientenbeteiligung er- möglichen und die Patienteninfor- mation verbessern.
„Mit dem gemeinsam vorgeleg- ten Patientenrechtegesetz schaffen wir endlich eine einheitliche gesetz- liche Grundlage und sorgen da- durch für mehr Klarheit und Trans- parenz im Gesundheitswesen“, sag- te Bundesgesundheitsminister Da- niel Bahr (FDP). Die Rechte der Versicherten in der gesetzlichen BUNDESKABINETT
Patientenrechtegesetz beschlossen
Krankenversicherung würden wei- ter ausgebaut und verbessert. So würden Kranken- und Pflegekassen verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadenser- satzansprüchen aus Behandlungs- fehlern zu unterstützen. Nicht frist- gemäße Entscheidungen der Kran- kenkassen würden künftig sanktio- niert, die Fehlervermeidungskultur gestärkt sowie Fehlermelde- und Risikomanagementsysteme einge- führt, erläuterte der Minister.
„Wichtige Beweiserleichterungen für Patienten werden klar geregelt und für jeden nachvollziehbar ge- macht“, ergänzte Bundesjustizmi- nisterin Sabine Leutheusser-Schnar- renberger (FDP). Bei groben Be- handlungsfehlern sehe das neue Ge- setz eine Umkehr der Beweislast vor. Danach muss nicht der Patient darlegen, dass er falsch behandelt wurde. Vielmehr müsse der Arzt be- weisen, dass die Behandlung auch ohne den Fehler nicht erfolgreich gewesen wäre. Als grob ist ein Be- handlungsfehler einzustufen, wenn der behandelnde Arzt offensichtlich gegen medizinische Erkenntnisse
verstoßen hat. KBr
Angesichts der geplanten Übernah- me des Rhön-Konzerns durch Fre- senius hat der Medizinische Fa - kultätentag (MFT) dafür plädiert, das 2006 privatisierte Universi - tätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) wieder in staatliche Hän- de zu nehmen.
UNIKLINIKUM GIESSEN UND MARBURG
Fakultätentag gegen Übernahme durch Fresenius
„Die vergangenen sechs Jahre haben gezeigt, dass ein privater Konzern Chancen und Erfordernis- se der Hochschulmedizin nicht er- kennen und verwirklichen kann“, betonte der MFT. Daran ändere auch ein Betreiberwechsel nichts.
Sollte das UKGM dennoch an den nächsten börsennotierten Kon- zern übergeben werden, forderte der Fakultätentag, Land und Uni- versität bei Entscheidungen in For- schung, Lehre und Krankenversor- gung ein Mitspracherecht einzuräu- men. Das Land dürfe sich nicht wieder vollkommen aus der Kon- trolle zurückziehen. Darüber hinaus warnte der MFT potenzielle private Träger vor gesteigerten Ertragser-
wartungen. hil
Foto: dapd