• Keine Ergebnisse gefunden

W Freie Energie!

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "W Freie Energie!"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

© 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 1617-9439/14/0909-3 Physik Journal 13 (2014) Nr. 8/9 3 M E I N U N G

Meinung von Prof. Dr. André Thess, Professor für Energiespei- cherung an der Universität Stutt- gart und Direktor des Instituts für Technische Thermodynamik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.

W

ir Physiker verstehen unter Freier Energie normalerwei- se eine thermodynamische Größe.

Doch um die geht es hier nicht.

Mich bewegt vielmehr die Freiheit in der Energieforschung. Ich finde es bemerkenswert, mit welcher Leidenschaft energiepolitische Fra- gen – auch hier im Physik Journal – diskutiert werden. Doch stimmt es mich nachdenklich, dass sich Energiediskussionen von anderen Debatten unter Physikern unter- scheiden. Drei Aspekte bereiten mir besondere Sorgen:

Erstens finde ich es bedauer- lich, dass unsere Äußerungen oft von nationaler Besserwisserei durchwirkt sind. Das beginnt mit Kleinigkeiten wie dem Wort „En- ergiewende“, für das es in der Fach- literatur keine englische Entspre- chung gibt. Schwerwiegender sind freilich Sprüche wie „Deutschland kann der Welt beweisen, dass die Energiewende machbar ist“. Es gibt wohl kaum jemanden, der am Kli- mawandel und an der Notwendig- keit eines weltweiten Umbaus des Energiesystems zweifelt. Ob die ge- betsmühlenartige Betonung einer deutschen Sonderrolle auf diesem Weg hilfreich ist, darf allerdings bezweifelt werden. Lieber sollten wir erörtern, ob klimaschädliche deutsche Sonder regeln wie die Ent- fernungspauschale, das Steuerpri- vileg für Dienstwagen, Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung oder der Verzicht auf eine allgemei- ne kilo meterabhängige Autobahn- gebühr die richtigen Signale an die internationale Gemeinschaft sind.

Zweitens bereitet mir die Selbst- gefälligkeit Sorge, die wir bei Äußerungen zu Energiefragen oft verbreiten. So gibt beispielsweise ein deutscher Klimaforscher in einem Interview mit dem Bordma- gazin der Deutschen Bahn (mobil 10.2013) zu Protokoll: „Nach meiner Einschätzung werden wir künftig

in Europa kaum noch fliegen, zu- mindest nicht in Mitteleuropa.“ Für diese pauschale These gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Im Ge- genteil, CO2-neutrale Flugzeugan- triebe auf der Basis von Batterien, Wasserstoff oder synthetischen Flüssigtreibstoffen werden nach dem gegenwärtigen Stand der Luft- fahrt- und Energieforschung gerade auf Kurzstrecken zum Erst einsatz kommen. Besorgniserregend finde ich indessen nicht die inhaltliche Seite dieses Beispiels, sondern den Akt fachfremder Selbstermäch- tigung, in dem sich ein Wissen- schaftler ohne fundierte Kenntnisse zu Themen jenseits seines eigenen Fachgebiets äußert. Ich finde es umgekehrt ebenso inakzeptabel, wenn konservative Energieforscher die Erkenntnisse der Klimafor- schung ohne tieferes Wissen in Fra- ge stellen. Natürlich können sich Wissenschaftler auch zu Fragen jenseits ihrer Forschungsgebiete äu- ßern. Wir sollten aber die DFG-Re- gel guter wissenschaftlicher Praxis,

„alle Ergebnisse konsequent selbst anzuzweifeln“, nicht nur auf unsere Forschungs arbeit, sondern auch auf Meinungsbeiträge zu energiepo- litischen Themen jenseits unserer Fachgebiete anwenden.

Drittens staune ich über die Ob- rigkeitsgläubigkeit, die wir so oft an den Tag legen. Jeder zweite Vortrag zum Thema be ginnt heutzutage mit dem Satz „Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht vor, dass

…“ Deutsche Autoren zitieren in internationalen Fachzeitschriften nicht selten Regierungsdokumente.

Und oft hören wir Äußerungen wie

„Der Staat soll die Energiewende jetzt mal endlich richtig managen.“

All dies deutet auf einen tief ver- wurzelten Glauben an die Wirk- samkeit staatlicher Planwirtschaft.

Ich halte dies für naiv.

Langfristige staatliche Konzepte sind durchaus nichts Schlechtes.

Allerdings sind sie nur sinnvoll, wenn sich Fachleute über den richtigen Weg einig sind. So wäre beispielsweise ein „Hochschul- konzept 2050“ zur Beseitigung der Unterfinanzierung deutscher Universitäten ein Kompass, an dessen Richtungsanzeige kaum Zweifel bestehen dürften. Auf un- sicherem Terrain wie der Energie hingegen, wo hundert Experten hundert verschiedene Meinungen haben, sind staatliche Konzepte für die ferne Zukunft ungefähr so zuverlässig wie ein Kompass am Nordpol. Technologiefossilien wie der Schnelle Brüter oder der Trans- rapid legen Zeugnis davon ab, dass der Staat selbst in einer mustergül- tigen Demokratie wie Deutschland die technologische Zukunft nicht vorhersagen kann.

Statt nach dem Staat zu rufen, plädiere ich daher dafür, dass wir Wissenschaftler – stärker als bisher – die Führungsrolle in Sachen En- ergie wahrnehmen. Anschließend kann die Industrie unsere besten Ideen aufgreifen und zum Wohle der Gesellschaft verwerten. Der Staat hingegen tut gut daran, sich auf die Schaffung weniger Rahmen- bedingungen zu beschränken und sich ansonsten zurückzuhalten.

Damit wir ihm bei seiner Kernauf- gabe Klimaschutz aber sinnvolle Richtungen weisen können, sollten wir Energieforscher sachlicher mit- einander umgehen und Pluralismus statt Gleichschaltung fördern – das ist für mich freie Energie.

Freie Energie!

Die Energiedebatte benötigt mehr Führung durch Wissenschaftler und eine sachliche Diskussionskultur.

André Thess

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Stadt Bern aber darf ein Doppeljubiläum begehen, wurde sie doch gleichzeitig zur Bundeshauptstadt er¬ koren, eine Ehrung, die ihr zweifellos viele Pflichten, aber auch

Maßnahmen zur Energieberatung sind wichtige Bestand- teile der Energieeffizienz- und Klimaschutzpolitik der Bun- desregierung. So stellt etwa eine qualifizierte Energiebera-

Quelle: Eigene Darstellung Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.. Neben dem NAPE wurden weitere Maßnahmen zur Stei- gerung der Energieeffizienz auf Grundlage der Eckpunkte

Die Kosten für die Bereitstellung von Primärenergie sind im Jahr 2014 gegenüber dem Vorjahr um rund 12 Prozent auf 112 Milliarden Euro gesunkenz. Die Kosten für die

z Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch für Wärme und Kälte bis zum Jahr 2020 auf 14 Prozent erhöht werden.. z

Aktuelle Projektionen gehen davon aus, dass durch die bisher beschlossenen und umgesetzten Maßnahmen bis 2020 eine Minderung der Treibhausgase um etwa 33 bis 34 Prozent

Es gehört heute zum Geschäft, daß man sich zu ver- kaufen weiß und dies auch mehr oder weniger ungeniert tut.“ 94 Was Norbert Bolz, wenn auch für die Hochkultur, als Erkenntnis

den Neuerscheinungen der militärischen Literatur entgegenbringen, ist es diesen von grossem Wert, wenn sie möglichst frühzeitig durch objektive Darlegung des Inhalts neuer Werke in