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Archiv "Einflüsse der Ernährung auf den Abbau und die renale Ausscheidung von Arzneimitteln beim Menschen" (02.10.1985)

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Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

Einflüsse der Ernährung

auf den Abbau und die renale Ausscheidung von

Arzneimitteln beim Menschen

Ingeborg Walter-Sack

Aus der Medizinischen Poliklinik der Universität München (Direktor: Professor Dr. med. Nepomuk Zöllner)

D

er menschliche Organis- mus verfügt über eine Rei- he besonderer Stoffwech- sel- und Transportwege, über die Fremdstoffe je nach ihren physi- kochemischen Eigenschaften ab- gebaut und ausgeschieden oder für physiologische Funktionen nutzbar gemacht werden. Quanti- tativ stehen bei der Aufnahme von Fremdstoffen die Nährstoffe, Vit- amine und Mineralien sowie pflanzliche Ballaststoffe im Vor- dergrund. Außerdem enthält die Nahrung geringe Mengen nicht- nutritiver Begleitstoffe. Im Einzel- fall können auch Genußmittel eine Rolle spielen.

Im medizinischen Bereich sind darüber hinaus auch krankheits- auslösende (toxische) Substan- zen und Arzneimittel bedeutsam.

Sie werden über dieselben Stoff- wechselwege und Transportsyste- me geschleust wie die Nahrungs- bestandteile, so daß vielfältige

„Interaktionen" auftreten können.

Eine Beeinflussung von Resorp- tion, Verteilung, Abbau oder Aus- scheidung von Pharmaka durch die Ernährung kann zu einer kli- nisch relevanten Änderung der

„systemischen Verfügbarkeit"

Die gleichzeitige Nahrungszufuhr und die Vorernährung können den Stoffwechsel und die renale Ausscheidung von Arzneimitteln beeinflussen. Eine simultane Nah- rungsaufnahme verändert die sy- stemische Verfügbarkeit von Pharmaka mit einem hohen soge- nannten First-pass-Metabolismus.

Bei der Vorernährung spielt vor allem die Eiweiß- und Energiezu- fuhr eine Rolle; bei einer Umstel- lung der Ernährung wird die Kine- tik mancher Pharmaka verändert.

solcher Stoffe führen. Der Begriff der systemischen Verfügbarkeit umfaßt dabei mehrere Einzel- aspekte, die eine unterschiedliche praktische Bedeutung haben:

> Der Beginn der Arzneimittel- wirkung ist abhängig von der Ge- schwindigkeit des Anflutens einer Substanz im systemischen Kreis- lauf, das heißt der „Geschwindig- keit der systemischen Verfügbar- keit" (siehe Abbildung).

> Das Ausmaß der Arzneimittel- wirkung korreliert mit der Sub- stanzmenge, und zwar mit demje- nigen Anteil einer Dosis, der über

den systemischen Kreislauf den Wirkort erreicht, das heißt dem

„Ausmaß der systemischen Ver- fügbarkeit".

> Das Wirkprofil eines Arzneimit- tels wird auch durch die Wirkdau- er charakterisiert; diese ist unter anderem von der Verweildauer ei- ner Substanz im systemischen Kreislauf abhängig, steht also in Beziehung zur Eliminationshalb- wertzeit.

Die folgenden Ausführungen be- schäftigen sich mit Veränderun- gen der systemischen Verfügbar- keit durch Einflüsse der Ernäh- rung auf den Stoffwechsel und die renale Ausscheidung von Arznei- mitteln beim Menschen.

Arzneimittelstoffwechsel 1. Sofortwirkungen bei gleichzeiti- ger Aufnahme von Nahrung und Pharmaka

1.1. Einfluß einer gemischten Mahl- zeit

Veränderungen der systemischen Verfügbarkeit durch simultane Nahrungszufuhr sind bisher nur bei Arzneimitteln mit einer hohen

(2)

Am-Konzen- tration (P, S)

1,0

orale Aufnahme

Cmax

0,8

0,6

0,4

0,2

L

t 1/2 (e) t 1/2 (e)

t,ax

Zeit

Verlauf von Plasma-(P-) — bzw. Serum-(S-)Konzentrationen eines Arzneimittels (Am) nach oraler Applikation. Die „Geschwindigkeit der systemischen Verfügbarkeit" gibt mittelbar Aufschluß über die Anflutgeschwindigkeit des Arzneimittels am Wirkort; sie wird durch die maximale Plasmakonzentration c rn„x und die Zeit tmax bis zum Errei- chen dieser Konzentration charakterisiert. Als „Ausmaß der systemischen Verfügbar- keit" wird der Anteil einer Arzneimitteldosis (in Prozent der verabreichten Menge) bezeichnet, der in den systemischen Kreislauf gelangt. Es wird aus der Fläche ermit- telt, die von der Plasmakonzentrationskurve und der Zeitachse eingeschlossen wird;

dabei muß die Messung der Plasmakonzentrationen über eine ausreichend lange Zeit erfolgen, zum Beispiel von 0 bis 24 Stunden nach der Gabe des Arzneimittels.

Die Zeitspanne, in der die Plasmakonzentrationen eines Pharmakons um die Hälfte absinken, wird als Halbwertzeit t1/2 der Elimination (e) aus dem systemischen Kreis- lauf bezeichnet

präsystemischen Elimination be- kannt geworden. Solche Pharma- ka werden bei oraler Applikation im allgemeinen gut resorbiert, je- doch schon beim ersten Durch- gang durch Dünndarm und Leber weitgehend abgebaut. Dieser prä- systemische Abbau, der auch als

„First-pass-Metabolismus" be- zeichnet wird, kann durch gleich- zeitige Nahrungszufuhr gedros- selt werden: das Ausmaß der sy- stemischen Verfügbarkeit steigt an. Nur für L-Dopa ist ein gegen- teiliger Effekt gesichert.

1.1.1. Steigerung der systemischen Verfügbarkeit

Propranolol: Bei Einnahme einer konventionellen Zubereitung die- ses (3-Blockers zu einer gemisch- ten Mahlzeit steigt das Ausmaß der systemischen Verfügbarkeit im Vergleich zur Nüchternapplika- tion um durchschnittlich 50 bis 70

Prozent (1, 2)*). Bei einem hohen Proteingehalt der Mahlzeit kann die Zunahme auch deutlich grö- ßer sein (2, 3). Das Metaboliten- spektrum wird dabei nicht verän- dert (3). Auch der Abbau von Pro- pranolol, das über den arteriellen Kreislauf in die Leber gelangt („systemische Clearance") wird nicht beeinflußt (2). Daher gilt ei- ne nahrungsbedingte Beeinträch- tigung enzymatischer Vorgänge in der Leber als unwahrscheinlich.

Als Ursache der gesteigerten sy- stemischen Verfügbarkeit wird in erster Linie eine verminderte „Ex- traktionsquote" von Propranolol

infolge der postprandialen Mehr- durchblutung der Leber ange- nommen, das heißt eine prozen- tual geringere Aufnahme von Pro- pranolol aus dem Portalvenenblut in die Leber. Diese Interpretation wird durch die Beobachtung ge- stützt, daß auch eine Zunahme der Leberperfusion nach Hydrala-

zingabe eine Steigerung der sy- stemischen Verfügbarkeit von Propranolol bewirkt (4). Der post- prandiale Anstieg der Leber- durchblutung ist abhängig von der Nährstoffzufuhr (5, 6, 6a) und beträgt 40 bis 80 Minuten nach ei- ner eiweißreichen Mahlzeit 25 bis 70 Prozent. Die Bedeutung sol- cher Befunde wird jedoch nicht einheitlich beurteilt. Der Effekt ei- ner Nahrungsaufnahme fehlt bei Verwendung einer Retard-Präpa- ration (7); Voraussetzung für die nahrungsinduzierte Steigerung der systemischen Verfügbarkeit ist also offenbar eine relativ hohe Arzneimittelkonzentration im Por- talvenenblut, die nur bei rascher Resorption des Pharmakons aus einer konventionellen Zuberei- tung erzielt wird.

Hydralazin: Die systemische Ver- fügbarkeit von Hydralazin kann durch die Einnahme zu einer Mahlzeit bis zu 250 Prozent ge- steigert werden (8, 9). Diese Zu- nahme wurde gleichermaßen bei raschen und langsamen Azetylie- rern, also unabhängig von geneti- schen Unterschieden des Hydrala- zinstoffwechsels beobachtet (9, 10). Als Ursache der gesteigerten systemischen Verfügbarkeit wird wie bei Propranolol ein vermin- derter präsystemischer Arzneimit- telabbau angenommen (9). In ei- ner anderen Untersuchung, bei der nicht eine handelsübliche Tablettenform gleichzeitig mit der Nahrung, sondern eine wäßrige Lösung von Hydralazin 45 Minu- ten nach einer Mahlzeit verab- reicht wurde, ergab sich eine Ab- nahme der systemischen Verfüg- barkeit von Hydralazin (11); auf- grund der methodischen Unter- schiede sind diese Daten jedoch nicht sicher mit früheren Befun- den (8-10) vergleichbar. Auch bei Hydralazin fehlt der Effekt einer Mahlzeit, wenn eine Retard-Zube- reitung verwendet wird (9).

Die systemische Verfügbarkeit von Metoprolol und Labetalol

Die in Klammern gesetzten Ziffern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck.

(3)

Tabelle 1: Arzneimittel mit pH-abhängiger renaler Ausscheidung (allgemeine Übersicht bei (73) und (74))

Schwache Säuren: Schwache Basen:

Phenobarbital Amphetamin

Salicylsäure Chloroquin

Probenecid Imipramin

Nitrofurantoin Levorphanol

Acetazolamid Chinidin

Sulfathiazol Ephedrin (77)

Chlorpropamid (75) Methadon (78) Phenylbutazon (76)

Oxiphenbutazon (76)

Säurebildende Nahrungsmittel:

Fleisch, Fisch, Schalentiere Eier, Käse

Zerealien, Gebäck Pflaumen, Preißelbeeren Linsen, Mais

Basenbildende Nahrungsmittel:

Milch und -produkte (außer Käse) Gemüse (außer Linsen und Mais) Obst (außer Pflaumen und Preißel- beeren)

Tabelle 2: Säure- und basenbildende Nahrungsmittel

(allgemeine Übersicht bei (79) und (80), spezielle Getränke s. (82)).

kann ebenfalls durch gleichzeiti- ge Nahrungszufuhr gesteigert werden (1, 12). Bei Verapamil er- scheint ein solcher Effekt möglich (13). Für andere Pharmaka mit ho- her präsystemischer Elimination liegen bisher keine Daten vor (14).

1.1.2. Abnahme der systemischen Verfügbarkeit

Die Sonderstellung von L-Dopa wurde bereits erwähnt. L-Dopa wird durch die ubiquitär vorkom- mende Dopa-Dekarboxilase in al- len Geweben abgebaut; die Akti- vität dieses Enzyms ist jedoch im Magen besonders hoch. Wird die Magenverweildauer von L-Dopa durch gleichzeitige Nahrungszu- fuhr verlängert, so wird ein beson- ders hoher Anteil einer Dosis schon im Magen resorbiert und in- aktiviert (15, 16).

1.1.3. Besonderheiten bei intrave- nöser Arzneimittelapplikation Bei intravenöser Infusion von Li- docain kurz nach einer eiweißrei- chen Mahlzeit wurde eine Abnah- me der systemischen Verfügbar- keit des Arzneimittels infolge ei- ner Steigerung der hepatischen Elimination beobachtet (17).

1.2. Sofortwirkungen einzelner Nahrungsbestandteile

Purine: Bei fehlender oder zeit- lich versetzter Purinzufuhr wer- den bis zu 20 Prozent einer Alio- purinoldosis in pharmakologisch inaktive Riboside umgewandelt;

bei gleichzeitiger Aufnahme von Allopurinol und Purinen wird da- gegen die Bildung der Riboside unterdrückt und die systemische Verfügbarkeit von therapeutisch wirksamem freiem Allopurinol und Oxipurinol gesteigert (18). Als Ursache des veränderten Metabo- litenspektrums kommt am ehe- sten eine kompetitive Hemmung der Bildung von Arzneimittelribo- siden zugunsten der Bildung von Ribosiden aus Nahrungspurinen in der Leber in Betracht. Ascor- binsäure kann in pharmakologi- schen Dosen (1000 mg) den präsy-

stemischen Abbau von Äthinylöst- radiol hemmen, so daß die syste- mische Verfügbarkeit des Stero- ids um etwa 60 Prozent zunimmt (19). Die Inaktivierung von Äthinyl- östradiol erfolgt überwiegend in der Dünndarmmukosa durch eine Konjugation mit Sulfat (20, 21).

Dieser Abbauweg hat allerdings eine begrenzte Kapazität; daher können sich Fremdstoffe, die über dieses System inaktiviert werden, gegenseitig in ihrem Ab- bau hemmen (22).

2. Einfluß der Vorernährung Die Aktivität von arzneimittelab- bauenden Enzymsystemen kann durch die Zusammensetzung der Nahrung innerhalb weniger Tage verändert werden, ohne daß auf- fällige oder krankhafte Abwei- chungen des Ernährungszustan- des bestehen.

2.1. Proteingehalt der Nahrung und Energiezufuhr

Das Ausmaß des Arzneimittelab- baues über eines der wichtigsten Enzymsysteme, das rnischfunktio-

nelle Oxidasensystem der Leber, kann durch die Eiweißzufuhr ge- steuert werden: Bei einer isoener- getischen Ernährung mit geringer Eiweißaufnahme (5 Prozent des Energiebedarfs) ist der oxidative Arzneimittelstoffwechsel (gemes- sen am Abbau von Antipyrin und Aminopyrin) vermindert; schon ei- ne Anhebung des Proteingehaltes auf 10 bis 15 Prozent bewirkt eine Steigerung des Arzneimittelab- baues (23). Besonders deutlich ist der Einfluß der Ernährung an der Halbwertzeit der Elimination der Pharmaka aus dem Serum er- kennbar: t1/2 (e) von Antipyrin be- trägt bei eiweißarmer Ernährung (5 Prozent Protein) etwa 16 bis 17 Stunden, bei eiweißreicher Ernäh- rung (40-50 Prozent Protein) etwa 9 bis 10 Stunden (24-26). Bei ei- ner eingeschränkten Energiezu- fuhr wird eine Verminderung des oxidativen Arzneimittelstoffwech- sels schon bei einem höheren Proteingehalt der Nahrung beob- achtet (10 Prozent); bei einer Stei- gerung der Eiweißzufuhr und ei- ner Annäherung der Energiezu- fuhr an den tatsächlichen Bedarf ergeben sich fließende Übergän-

(4)

ge zum „Normalbereich" (23), das heißt zu Durchschnittswerten, zum Beispiel der Eliminations- halbwertzeit, wie sie bei einer ge- mischten westlichen Ernährung mit ausgewogenen Nährstoff- relationen gefunden werden.

Aufgrund der therapeutischen Be- deutung von Theophyllin ist die nahrungsbedingte Änderung sei- ner Eliminationshalbwertzeit be- sonders zu erwähnen: Bei einer eiweißarmen Ernährung beträgt t1/2 (e) etwa 8 bis 9 Stunden, bei sehr eiweißreicher Ernährung da- gegen 5 bis 6 Stunden (24-26); bei Kindern ist eine solche Abhängig- keit der Theophyllinelimination von der Proteinaufnahme eben- falls nachgewiesen (27). Bei Stei- gerung der Proteinzufuhr kann al- so eine vorher adäquate Arznei- mitteltherapie unzureichend wer- den; zum Ausgleich muß das Do- sierungsintervall verkürzt werden (eine Steigerung der Einzeldosis ist dagegen bei einem Pharmakon mit einer geringen therapeuti- schen Breite nicht günstig). Um- gekehrt kann eine Umstellung der Ernährung von eiweißreicher auf eiweißarme Kost eine Verlänge- rung des Dosierungsintervalls er- fordern, da sonst Überdosierungs- erscheinungen auftreten.

Die Befunde werden durch analo- ge Beobachtungen bei Vegeta- riern bestätigt: Ist eine ausrei- chende Eiweißaufnahme gesi- chert, so bestehen keine Unter- schiede des Arzneimittelstoff- wechsels zwischen Vegetariern und Nichtvegetariern gleicher Hautfarbe (Antipyrin, Phenacetin, Paracetamol (28)). Eine vorüber- gehend bei Vegetariern ange- nommene Beziehung des Antipy- rinabbaues zur Fettzufuhr (29) konnte unter kontrollierten Ernäh- rungsbedingungen nicht bestätigt werden (30). Dagegen gleichen sich Unterschiede des Arzneimit- telstoffwechsels aus, wenn die

Proteinzufuhr von Vegetariern an eine normale Eiweißaufnahme von Nichtvegetariern mit einer ausgewogenen westlichen Ernäh- rung angepaßt wird (31). Ein Ein-

Tabelle 3: Arzneimittel mit tu- bulärer Sekretion

(allgemeine Übersicht bei (73), s. auch (74))

Penicillin, Sulfonamide Glukuronide, Sulfate Neostigmin, Dopamin Hydroxihexamid (aktiver Me- tabolit von Acetohexamid (86) Ranitidin (87)

Acyclovir (88)

Chloramphenicol-Succinat (89, 90)

fluß der Fettzufuhr auf den oxida- tiven Abbau von Pharmaka konnte auch in einer anderen Untersu- chung beim Menschen nicht nachgewiesen werden (26). In ei- ner Studie mit Diphenylhydantoin wurde keine sichere Abhängigkeit des Abbaues dieses Arzneimittels von der Ernährung gefunden (32).

Ein möglicher Effekt der Eiweiß- zufuhr könnte aber durch die ho- he Streubreite der Befunde mas- kiert sein.

2.2. Pflanzliche Ballaststoffe Ein direkter Einfluß von Ballast- stoffen („Nahrungsfaser") auf den Stoffwechwel von Pharmaka ist nicht bekannt. Indirekt könnten Ballaststoffe wirksam werden, in- dem sie die Zusammensetzung der Kolonflora oder deren meta- bolische Aktivität verändern. Zu den bakteriellen Enzymen, die für den Arzneimittelstoffwechsel be- deutsam sind, gehören die f3-Glu- kuronidase (Spaltung glukuroni- dierter Pharmaka, zum Beispiel von Steroiden) und die Azoreduk- tase (Spaltung von Sulfasalazin).

Die Aktivität dieser Enzyme kann zwar beim Menschen ernährungs- abhängig schwanken (33, 34), ei- ne Zuordnung zur Ballaststoffauf- nahme ist jedoch nicht gesichert.

Da bei Tieren durch die Substitu- tion isolierter Ballaststoffe eine Änderung bakterieller Enzymakti- vitäten erzielt werden kann, wäre es wünschenswert zu wissen, ob bei einer hohen Ballaststoffzufuhr beim Menschen mit einer anderen

Kinetik mancher Pharmaka ge- rechnet werden muß als bei ei- ner ballaststoffarmen oder -freien Ernährung (nährstoffdefinierte Trink- und Sondennahrung!).

2.3. Vitamine

Vitamin C hat in physiologischen Dosen (50 mg) keinen Einfluß auf die Elimination von Äthinylöstra- diol; durch pharmakologische Do- sen wird die systemische Verfüg- barkeit des Steroids infolge einer kompetitiven Hemmung der prä- systemischen Konjugation mit Sulfat um etwa 40 bis 50 Prozent gesteigert (38, 39). Ein ähnlicher Effekt wird auch bei der Inaktivie- rung oral zugeführter biogener Amine beobachtet (40). Ein Man- gel an Vitamin C hat keinen Ein- fluß auf den Abbau von Antipyrin (41), pharmakologische Dosen von Vitamin C steigern jedoch den Antipyrinabbau in der Leber (41a).

Pyridoxin vermindert die systemi- sche Verfügbarkeit von Diphenyl- hydantoin und Phenobarbital (42) sowie von L-Dopa (43) und kann die klinische Wirksamkeit von L- Dopa vollständig aufheben (44).

Bei einer Substitution von Folsäu- re wird der Abbau von Diphenyl- hydantoin gesteigert (45), so daß die Plasmakonzentrationen sogar unterhalb des therapeutischen Bereiches liegen können (46).

2.4. Niedermolekulare nichtnutriti- ve Begleitstoffe

2.4.1. Natürliche Nahrungsbestand- teile

Bestimmte pflanzliche Nahrungs- mittel (Kohlgewächse) enthalten als typische Inhaltsstoffe biolo- gisch aktive Indole, die den oxida- tiven Abbau von Fremdstoffen modizifieren (47). Dies gilt sowohl für toxische Substanzen (Kanze- rogene, (48)) als auch für Arznei- mittel: Durch eine indolreiche Er- nährung kann der Abbau von Phenacetin im Verhältnis zu einer indolfreien Kost verdoppelt wer- den (49), das Ausmaß der systemi- schen Verfügbarkeit sinkt auf rund 50 Prozent. Um einen gleich-

(5)

bleibenden analgetischen Effekt zu erzielen, müßte die Phenace- tindosis verdoppelt werden. Tier- experimente zeigen, daß sowohl die indolhaltigen Nahrungsmittel als auch die isolierten Einzelsub- stanzen eine ausgeprägte Induk- tion des mischfunktionellen Oxi- dasensystems bewirken; dabei gewinnt offenbar das intestinale Enzymsystem besondere Bedeu- tung (47). Auch der menschliche Dünndarm ist mit einem solchen Enzymsystem ausgestattet (50).

Während einer indolreichen Er- nährung wird auch Paracetamol vermehrt inaktiviert (49, 51). Dabei handelt es sich um eine Kopp- lungsreaktion (Glukuronidierung).

Das bedeutet, daß indolreiche Nahrungsmittel nicht nur Phase-I- Reaktionen (oxidative Biotrans- formation), sondern auch Phase II- Reaktionen des Fremdstoffabbau- es beeinflussen können. Die Ein- zelwirkungen sind bei verschiede- nen Substanzen unterschiedlich ausgeprägt (zum Beispiel wird die Glukuronidierung von Oxazepam nicht verändert (51)). Es ist vor- stellbar, daß auch die Kinetik jod- haltiger Kontrastmittel, die in der Dünndarmmukosa glukuronidiert werden (52), solchen Ernährungs- einflüssen unterliegt. Auch ande- re natürliche Nahrungsbestand- teile, zum Beispiel Flavone, Safro- le, Phenole und ihre syntheti- schen Analogen (47, 53-55), Me- thylxanthine (56, 57) und Äthylal- kohol (58-60) können den Fremd- stoffabbau verändern.

2.4.2. Akzidentelle Begleitstoffe Zahlreiche Substanzen können sekundär in die Nahrung gelan- gen. So werden bei der Zuberei- tung von Nahrung über offenem Holzkohlenfeuer Gemische poly- zyklischer Kohlenwasserstoffe in die Speisen aufgenommen (61, 62). Sie bewirken bei regelmäßi- ger Zufuhr über einige Tage beim Menschen eine ausgeprägte In- duktion des oxidativen Arzneimit- telstoffwechsels. Dadurch kann die systemische Verfügbarkeit von Pharmaka sinken, z. B. bei

Phenacetin auf 20 Prozent oder weniger (63, 64) oder die Elimina- tionshalbwertzeit verkürzt wer- den, z. B. bei Theophyllin um etwa 30 Prozent (65); Antipyrin wird ebenfalls beschleunigt eliminiert.

Eine Beeinflussung der Kopplung mit Glukuronsäure wurde nicht beobachtet (66).

2.4.3. Lebensmittelzusätze und un- beabsichtigte Rückstände

Weitere Enzyminduktoren finden sich unter den Lebensmittelzusät- zen, vor allem den Antioxidantien (67, 68). Die wirksamsten Substan- zen sind butyliertes Hydroxianisol und butyliertes Hydroxitoluol. Bis- her sind keine Untersuchungen bekannt geworden, in denen eine Enzyminduktion infolge einer ho- hen Aufnahme solcher Stoffe mit der Nahrung nachgewiesen wur- de. Dasselbe gilt für Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in der Nahrung; dagegen ist bei beruf- licher Exposition eine deutliche Beeinflussung des Arzneimittel- stoffwechsels durch Insektizide und Herbizide gesichert (69-72).

Renale Ausscheidung von Arzneimitteln

Eine Beeinflussung der renalen Ausscheidung von Pharmaka durch die Ernährung ist bei Sub- stanzen zu erwarten, deren Elimi- nation pH-abhängig erfolgt (Ta- belle 1). Der pH des Urins schwankt je nach Zusammenset- zung der Nahrung (Tabelle 2): Bei einer gemischten westlichen Er- nährung wird ein saurer pH, bei einer laktovegetabilen Kost dage- gen häufig ein leicht alkalischer Urin gefunden. Pharmakologisch relevante Unterschiede des Urin- pH lassen sich ohne Schwierig- keiten durch eine Umstellung der Ernährung von einer fleischrei- chen auf eine laktovegetabile Kost erzielen (81). Zusätzlich kön- nen Getränke den Urin-pH anhal- tend verändern (82).

Der Einfluß des Urin-pH auf die Gesamtkinetik ist z. B. bei Chlor-

propamid sehr deutlich (75): Die- ser Sulfonylharnstoff wird teilwei- se abgebaut, teilweise unverän- dert im Urin ausgeschieden. Von einer Einzeldosis von 250 mg wer- den bei saurem Urin-pH in drei Ta- gen 3,5, bei alkalischem Urin 213 mg ausgeschieden. Dies ist mit ei- ner erheblichen Änderung der Halbwertzeit der Elimination von Chlorpropamid aus dem Serum verbunden: Sie beträgt bei alkali- schem Urin 12,8, bei saurem Urin dagegen 68,5 Stunden. Mögli- cherweise liegt hier einer der Gründe für den oft ungünstigen Verlauf von Hypoglykämien wäh- rend einer Behandlung mit Chlor- propamid. — Auch bei anderen Pharmaka ist die pH-Abhängigkeit der renalen Ausscheidung vor al- lem toxikologisch bedeutsam.

Manche Arzneimittel werden nicht nur glomerulär filtriert, son- dern auch tubulär sezerniert. Da- bei werden sie über spezifische Transportsysteme geschleust.

Konkurrieren Fremdstoffe mit en- dogenen Produkten um diese Transportsysteme, so kann die Ausscheidung einer der beiden Substanzen gehemmt werden (83-85). Es ist nicht bekannt, ob und in welchem Umfang endoge- ne Stoffe, z. B. Laktat oder Ketone bei einer extrem kohlenhydratar- men Ernährung, einer Hungerke- tose oder einem entgleisten Dia- betes mellitus die tubuläre Sekre- tion bestimmter Arzneimittel hem- men (Tabelle 3). Möglicherweise sollte ein Teil dieser Arzneimittel bei einem vermehrten Angebot kurzkettiger organischer Säuren an die Nieren anders dosiert wer- den als unter normalen Ernäh- rungsbedingungen.

Literatur im Sonderdruck,

zu beziehen über die Verfasserin.

Anschrift der Verfasserin:

Privatdozentin

Dr. med. Ingeborg Walter-Sack Medizinische Klinik

der Universität, Abteilung für Klinische Pharmakologie Bergheimer Straße 58 6900 Heidelberg

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