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Auswirkungen der Luftverunreinigungen auf die Vegetation l

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Eidgenössische Anstalt

für das forstliche Versuchswesen, Birmensdorf

Juni 1971, Nr. 67 Theodor Keller

Auswirkungen der Luftverunreinigungen auf die Vegetation

Separatdruck aus dem Werk

«Schutz unseres Lebensraumes»

l

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Die zunehmende Industrialisierung, der wachsende Motorfahrzeug- verkehr und die sich ausdehnenden Siedlungen bringen eine außer- ordentlich starke Zunahme gasförmiger Abfallstoffe mit sich, welche in der Regel bedenkenlos oder mit einem Achselzucken in die Atmo- sphäre entlassen werden und mit der Hoffnung, der Wind, das himm- lische Kind, werde schon mit dem Gift fertig werden. Es ist eine welt- weite Erscheinung, daß die Umwelt, die Natur einschließlich der Luft, bis vor kurzem als vogelfrei betrachtet wurde. Die bisherige Technisie- rung im Zeichen der Gewerbefreiheit ging völlig auf Kosten der Um- welt!

Zugegeben: Die Beseitigung geringer Mengen giftiger oder übelriechen- der Gase aus riesigen Abluftvolumina bringt technische Probleme mit sich, die heute meist als ungelöst zu betrachten sind. Leider arbeitet die Industrie aber oftmals ohne Schwung an diesen Problemen, da deren Lösung für sie nicht viel mehr einbringen würde als erhebliche Unkosten. Aus Angst vor dem Verlust der Konkurrenzkraft verzichtet sie darauf, die Kosten der Luftreinhaltemaßnahmen als Gestehungs- kosten auf die Produktekosten abzuwälzen. Statt dessen trifft sie nur ungenügende Maßnahmen. Es bedarf daher eines international koordinierten Druckes auf die Industrie, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Noch sitzen wir alle auf demselben Erdball. Die Rauchgase machen nicht halt vor Gemeinde- oder Staatsgrenzen. Es ist daher höchste Zeit, daß auch die Schweiz durch Artikel 24septies in der Bundesverfassung dem Schutze unserer natürlichen Umwelt eine legale Grundlage verleiht.

Wie wirken sich die Luftverunreinigungen auf die Vegetation aus? Ich möchte vorausschicken, daß der Wald zu den empfindlichsten Vege- tationsformen gehört. Aus diesem Grunde folgen vorwiegend Beispiele aus der Flora des Waldes. Dies will nicht heißen, daß die landwirt- schaftlichen Nutzpflanzen gegen Luftverunreinigungen immun seien.

Der Wald muß jedoch viele Dezennien an seinem Standort ausharren, es gibt in ihm keine rasche Fruchtfolge. Zudem reichen die Bäume bis in höhere Luftschichten, welche stärker verunreinigt sind und wo größere Windgeschwindigkeiten herrschen, so daß ihre Kronen den Giften stärker ausgesetzt sind.

Es sind generell zwei Gruppen von Luftverunreinigungen auseinander- zuhalten: Staube und Gase.

Diese Unterscheidung ist auch insofern von Bedeutung, als es in der Regel für die Industrie wesentlich leichter ist, die Luft von Staub zu

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befreien als von Gasen. Auch die Vegetation reagiert unterschiedlich:

Inerte Staube vermag sie, ohne Schaden zu nehmen, auszufiltern;

toxische Gase dagegen zerstören die Vegetation. Die geringen Gas- mengen, welche die Pflanzen dabei aufnehmen, fallen für die Luft- reinigung aber überhaupt nicht ins Gewicht.

1mm

Bild 1. Detail einer Blattoberfläche von Holunder (Sambucus nigra).

(Photo R. Wessicken, Labor für Elektronenmikroskopie, ETH Hönggerberg.) Bild 2. Mikroschnitt durch einige Jahrringe einer immissionsgeschädigten Fichte. Oben ein normaler Jahrring, darunter drei enge, nur wenige Zell- reihen umfassende Jahrringe als Folge von Immissionen.

Von allen Vegetationsformen besitzt der Wald die größte Filterwirkung.

Die in den Bestand eindringende Luft wird durch den Reibungswider- stand an Stämmen, Blättern usw. abgebremst, und die Staubteilchen sedimentieren. Neben dieser Sedimentation zwingen die belaubten Zweige die Luftströmungen zu mancherlei Richtungsänderungen. Dabei prallen die schweren Teilchen auf die Blattoberflächen auf und bleiben haften. Bild 1 zeigt einen Ausschnitt von einer Blattoberfläche, auf welcher sich Staubpartikeln bei Haaren abgelagert haben. Dem Hand- buch der Staubtechnik (Meldau, 1955) ist zu entnehmen, daß 1 ha Fichtenwald etwa 32 t Staub, 1 ha Buchenwald gar 68 t zu binden vermag, bis die Kapazität erschöpft ist, das heißt, bis kein weiterer Staub mehr gebunden werden kann. Dies bedeutet, daß im Extremfall der Wald ein Mehrfaches seines Gewichtes an Blättern und Nadeln zu binden vermag. Dieser Staub wird durch Regen großenteils abge- waschen, wobei der Filter regeneriert, der Staub jedoch mit dem Boden vermischt wird. Die Filterwirkung widerspiegelt sich daher sogar in bodenkundlichen Untersuchungen (Bild 3). Im Lee eines industriellen Ballungsgebietes, in dem riesige Mengen aschereicher Braunkohle verbrannt werden, wurde durch die Ausfilterung der alkalischen Flug- asche durch die Baumkronen der pH-Wert (Säuregrad) der Humus- schicht in Föhrenwäldern bis in etwa 30 km Entfernung erhöht. In geringer Distanz von der Industrie wurde der Oberboden sogar leicht

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alkalisch, was für den Föhrenwald nachteilig ist, da die Wurzeln der Nadelbäume und ihre Mykorrhizen in einem leicht sauren Boden besser gedeihen.

pH-Wert der Humusauflage im Wald ( Flugasche l

s~--~----r---r---.---

0 10 20 30 km

Distanz van Industrieballung

Bild 3. pH-Wert der Humusauflage in Föh- renwäldern in Abhän- gigkeit von der Distanz von einer Industrie- ballung. (Nach An- gaben von Enderlein und Stein, 1964.)

Bild 4 illustriert die Filterwirkung einer niedrigen Hagebuchenhecke für Aerosole bleihaltiger Partikelchen, die vom Autoverkehr ausgepufft werden. Längs stark befahrenen Autostraßen kann Gras, Blattgemüse usw. Bleigehalte aufweisen, die zum Aufsehen mahnen. Hecken könn- ten die Kulturen bis zu einem gewissen Grade schützen. Die obere Kurve zeigt den steilen Abfall des Bleigehaltes von Gras im Bereich der Hecke. Die untere Kurve stellt den «normalen» Bleigehaltsabfall in offenem Feld dar (allerdings bei geringerem Verkehr, daher der allge- mein niedrigere Bleigehalt).

ppm Pb 125 100 75 50

' '

25

0 [1

- - - ---o

Bild 4. Einfluß einer niedrigen (1 m hohen) Hagebuchen hecke (Carpinus betu/us) auf den Bleigehalt von Gras (ppm

=

mg/kg

Trockensubstanz) 1: Straßenrand; 2, 3: Hecke; 4, 5, 6, 7:

2 beziehungsweise 5, 10, 20 m hinter der Hecke. Gestrichelte Kurve: Freiland ohne Hecke. (Nach Keller, 1970.)

Im Atomzeitalter ist neu die Filterwirkung für radioaktive Substanzen aktuell geworden. Auch hier übt der Wald eine wohltätige Wirkung der Absorption aus: In Baumkronen maß Herbst (1965) auf der Wetterseite eine zweiunddreißigfach höhere Gesamtradioaktivität als im Wind- schatten!

Es gibt allerdings auch Fälle, in denen die Assimilationsorgane zum Beispiel durch Zementstaub verkrusten, wobei die Kruste durch Licht- absorption und Hemmung der Gasdiffusion die Photosynthese, den grundlegenden Prozeß jeglicher pflanzlicher Substanzproduktion, be- einträchtigen kann.

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Viel folgenschwerer als diese Staube sind jedoch die phytotoxischen (für Pflanzen giftigen) Gase. An erster Stelle bezüglich Bedeutung und flächenmäßigen Auftretens steht das Schwefeldioxid (S02), das vor allem bei Erzröstereien, thermischen Kraftwerken, Zementfabriken, Raffinerien usw. in größeren Mengen in die Luft gelangt. Aber auch die zahllosen Heizungen der Wohnstätten tragen zur Belastung der Luft bei. Da die Nadelbäume zu den empfindlichsten Organismen ge- hören, haben industrielle Emissionen dieses Gases zu gewaltigen Wald- vernichtungen geführt. So schätzt man zum Beispiel in der DDR 200000 ha Wald als rauchgeschädigt. Bei einem kanadischen Hütten- werk kann im schmalen Sektor der Hauptwindrichtung bis in 18 km Entfernung kein lebender Baum mehr gefunden werden! Die Störung der Lebensgemeinschaften ist so stark, daß bis in 8 km Entfernung nur noch zwei Pflanzenarten mehr oder weniger kümmerlich zu wachsen vermögen. Weit herum ist der Boden sogar vegetationslos und an Hängen schutzlos der Erosion preisgegeben (Gordon und Gorham, 1963).

Wie wirkt sich das S02 auf die Pflanzen aus?

Dieses Gas dringt (wie andere Gase) durch die Spaltöffnungen in das Innere der Assimilationsorgane, wo es in den Zellen den Stoffwechsel stört. Sterben größere Zellkomplexe unter dem Einfluß kurzfristiger Konzentrationsspitzen ab, so entstehen von Auge sichtbare Nekrosen (braune Flecken) auf der Blattspreite. Handelt es sich dagegen um langfristige Einwirkungen niedriger Konzentrationen, so kann es zu Blattrandnekrosen kommen, das heißt, der Rand verdorrt. Bei noch schwächeren Einwirkungen können diese Symptome völlig ausbleiben, dennoch kann der Stoffwechsel gestört sein. Infolge ungenügender Reservebildung kann dann zum Beispiel die Vitalität {Lebenskraft) und/oder die Nadellänge abnehmen. Damit steigt unter anderem die Gefährdung durch Schwächeparasiten (Insekten, Pilzkrankheiten) oder ungünstige Klimaeinflüsse (harte Winter, Dürre). Zur Zeit ist nicht mit Sicherheit bekannt, welche S02- Konzentration bei dauernder Einwir- kung von den Pflanzen ohne jegliche Schädigung ertragen würde.

Die Richtlinien für S02 der Eidgenössischen Lufthygienekommission nennen 0,2 ppm (0,2 cm3/m3 Luft) als zulässigen Dauerwert, doch ist dieser Wert möglicherweise noch zu hoch angesetzt {für Flechten liegt er bei etwa 0,02 ppm!).

Das in die Zellen gelangende S02 greift aber auch das für die C02- Assimilation notwendige Blattgrün an, so daß es zu Chlorosen, das heißt zu Ausbleichungen der Blätter und Nadeln, kommt. Auf diese Weise wird die pflanzliche Substanzproduktion gestört oder gar lahm- gelegt. Die Messung der Assimilation wird damit zu einem empfind- lichen Indikator, ob die Pflanze durch luftfremde Stoffe geschädigt wird (Bild 5). Die geschädigte Pflanze zeigt eine viel geringere Assimila- tionsleistung und im Tagesgang eine verkürzte Assimilationsperiode.

Die Tagessumme der Nettoassimilation erreicht bei der geschädigten Pflanze im vorliegenden Fall nur etwa einen Drittel der Leistung der normalen Pflanze. - Die Kurve der Transpiration läßt erkennen, daß S02 auch die Spaltöffnungen zu lähmen vermag. Die geschädigte

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Fichte ~

A: Ass,ini(al~ons-Intensität im Tagesgang T: Transp1rallons.,,.

mg COz/g/h bzw g H20/g/h

s· ~---,

5

4

3

2

6

- SÜ2 -geschädigt a-o normal

8 10 12

% TKW-TGW-PMG

105¾

G)

@

Entwicklungsstadium Stage of growth

14

Stade de developpement

16 18 Uhr

@

@

Bild 5. Tagesgang von Assimilation (A) und Transpiration (T} einer SO•- geschädigten Fichte (Picea abies;

ausgezogene Kurven) beziehungsweise einer gesunden Fichte (ge- strichelte Kurven).

(Nach Koch, 1957, um- gezeichnet.)

Bild 6. Die Auswirkung einer S02-Begasung in verschiedenen Ent- wicklungsstadien auf den Kornertrag von Hafer (Avena sativa).

(Aus Van Haut und Stratmann, 1970.)

Pflanze weist in den frühen Nachmittagsstunden eine sehr hohe Tran- spiration auf, da die Spaltöffnungen offen bleiben und sich nicht schlie- ßen wie bei der gesunden Pflanze. In der Folge kann der hohe Wasser- verlust zu Welke- und Verdorrungserscheinungen führen. Selbstver- ständlich hat dies schwerwiegende Rückwirkungen auf die Assimila-

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tion. Dementsprechend findet man in rauchgeschädigten Bäumen oft- mals nur mehr enge Jahrringe (Bild 2). In extremen Fällen kann der Jahrring ganz fehlen, das heißt, am Stamm ist überhaupt kein Holz mehr zugewachsen. Man beachte auch die dünnen Zellwände. Es wurde praktisch kein Spätholz mit dicken Zellwänden gebildet, die Assimilation brach schon früh im Verlaufe des Sommers zusammen.

Da die Luftverunreinigungen in erster Linie durch die Spaltöffnungen ins Blattinnere eindringen, fördern all jene Faktoren die Schadstoff- aufnahme, welche die Öffnung der Spaltöffnungen begünstigen, wie zum Beispiel gute Belichtung und Wasserversorgung, hohe Luftfeuch- tigkeit usw. Begasungsversuche unter kontrollierten Bedingungen ha- ben ergeben, daß auch ein Einfluß der Tageszeit vorliegt. Immissionen sind nicht zu jeder Tageszeit gleich gefährlich. So ist zum Beispiel Luzerne (Zahn, 1963) am Vormittag ungleich viel empfindlicher als am Nachmittag. Gegenüber Nachtbegasungen erweisen sich die Pflanzen in der Regel wesentlich widerstandsfähiger als gegenüber Immissionen bei Licht. Ähnliches gilt für die Jahreszeiten: In der Winterruhe sind die Pflanzen im allgemeinen resistenter als während der Vegetationsperiode.

Es ist jedoch zu beachten, daß die Pflanzen im laufe ihrer Entwicklung gewisse empfindliche Stadien durchlaufen. Eine Immissionseinwirkung im kritischen Stadium kann den Ertrag wesentlich beeinträchtigen.

Bild 6 illustriert, wie S02-Einwirkungen im Zeitpunkt der Blüte (Sta- dium 4) das Tausendkorngewicht von Hafer und damit den Ertrag um

Bild 7. Verformungen von Buchenblättern (Fagus si/vatica) unter dem Einfluß von F.

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einen Drittel senkten, wogegen dieselbe Einwirkung im Vier- bis Fünf- blattstadium (Stadium 1) keinerlei Ertragseinbußen zeitigte (Van Haut und Stratmann, 1970).

Die Widerstandsfähigkeit gegenüber S02 ändert sich auch mit dem Blattalter. So hat Van Haut (1961) gezeigt, daß die jüngsten und ältesten Blätter mit geringer Assimilationsintensität weniger stark ge- schädigt werden als die physiologisch aktivsten, gerade vollentwickel- ten Blätter. Allerdings hat Guderian (1970) nachgewiesen, daß Scha- densausmaß und Assimilationsintensität nicht immer korreliert sind.

Da in der Schweiz verschiedenenorts Fluorschäden zur Diskussion stehen, sei kurz auch auf die Wirkung von Fluor auf Pflanzen einge- gangen. Fluor ist im Vergleich zu S02 etwa hundertmal giftiger, das heißt, schon außerordentlich geringe Konzentrationen können zu Schä- den führen. Als typische Symptome sind zu erwähnen: Blattrand- nekrosen beziehungsweise die schiffchen- oder löffelförmige Wölbung der Blattspreite (Bild 7). An die Stelle der Randnekrosen treten bei Nadelbäumen verdorrte Nadelspitzen. Daß eine derartige Verminderung der Assimilationsorgane eine drastische Senkung der Assimilations- leistung zu Folge hat, ist einleuchtend und am Beispiel von Föhren und Douglasien nachgewiesen (Bild 8). Diese vertopften Pflanzen wurden im April auf ihre Assimilationsleistung untersucht, 6 Monate lang in verschiedener Entfernung von einer F-Quelle exponiert und zur neuerlichen Assimilationsmessung wieder ins Labor geholt. Da die F-Einwirkungen in Werksnähe alle diesjährigen Nadeln vernichteten, zeigten die werksnahen Föhren keinerlei Zunahme der Assimilation nach 6 Monaten, wogegen die Pflanzen in sauberer Luft eine deutlich erhöhte Assimilation aufwiesen, als Folge des vergrößerten Assimila- tionsapparates. Die Douglasien erwiesen sich in diesem Versuch als widerstandsfähiger als die Föhren.

Asslm. zunahme April - Oktober mg COz/h

100

75

50

25

--- -~

500 750 1500 m Nullprobe Distanz vom Werk

Douglasie

%, Lichtabsorption (August)

100 ~ - - - -~

500m

750m

1500m Nullpr.

2 3 Min.

Bilä 8. Anstieg der Assimilationsleistung von Föhre (Pinus silvestris) und Douglasie (Pseudotsuga menziesii) während einer sechsmonatigen Exposi- tion zu F-lmmissionen in verschiedener Entfernung von einer Aluminium- hütte.

Bild 9. Peroxidaseaktivität diesjähriger Douglasiennadeln (Pseudotsuga menziesii) nach viermonatiger Exposition zu F-lmmissionen in verschie- dener Entfernung von einer Aluminiumhütte.

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Aus der Überlegung heraus, daß vor der Beeinflussung der Photo- syntheseleistung schon eine Störung des enzymatisch gesteuerten Stoffwechsels einsetzen muß, haben wir begonnen, auch gewisse Enzymaktivitäten zu erfassen. Ein Enzym, das sich relativ leicht erfassen läßt, ist die Peroxidase, welche bei der Lignifizierung (Verholzung) der Gewebe gewisse Funktionen ausübt. Es ist bekannt, daß die Peroxidase in alternden Geweben eine verstärkte Aktivität entfaltet. Vorzeitige Ver- färbung und Blattfall in F-Schadensgebieten lassen auf eine vorzeitige Alterung schließen. In der Tat konnte zum Beispiel in Douglasien- nadeln nach viermonatiger Exposition mit abnehmender Entfernung von der F-Quelle eine Zunahme der Peroxidaseaktivität (und damit eine vorzeitige Alterung) nachgewiesen werden (Bild 9), und zwar an Nadeln, welche äußerlich keinerlei Schädigungssymptome aufwiesen!

Es ist durchaus möglich, daß in Zukunft auch die Auspuffgase der Motorfahrzeuge in der Schweiz zu Schäden führen werden. Unter den klimatischen Bedingungen Kaliforniens soll bereits ein Zehntel der land- wirtschaftlichen Erzeugung durch «smog » {der auf die Auspuffgase zurückzuführen ist) geschädigt werden (Darley, 1969) und Tausende von Hektaren Föhrenwald (Pinus ponderosa) sterben noch in etwa 100 km Entfernung vom Zentrum von Los Angeles unter dem Einfluß des «smog» ab (Miller, 1970)!

An diesem Symposium ist auch·verschiedentlich auf das Problem der C02-Anreicherung und Sauerstoffverarmung als Folge der Nutzung der fossilen Brennstoffe hingewiesen worden. Wie reagiert die Vege- tation dazu? Basierend auf den Angaben für die Holzproduktion und auf der Assimilationsformel

läßt sich schätzen, daß der Schweizer Wald im Holz (ohne Blätter und Reisig) jährlich 3 bis 4 Millionen t C02 fixiert, wobei gleichzeitig etwa 2,5 Millionen t Sauerstoff frei werden. Die einheimische Vegeta- tion vermag somit nur einen Bruchteil des in der Schweiz freigesetzten C02 zu binden beziehungsweise den verbrannten Sauerstoff zu produ- zieren. Es sei nur nebenbei erwähnt, daß dieser Gaswechsel mit der Produktivität des Standortes parallel geht, daß also die Wälder des Mittellandes daran den größten Anteil haben und eine wichtige Funk- tion ausüben. An Pappeln ist übrigens nachgewiesen worden, daß eine zehnfach erhöhte C02-Konzentration die Assimilation nur um etwa das Dreifache steigert (Koch, 1964). Die Vegetation vermag somit nicht, einen Anstieg der C02- Konzentration der Atmosphäre zu ver- hindern.

Welche Gegenmaßnahmen hat die Urproduktion in der Hand, um die Immissionsschäden zu vermindern? Im heutigen Zeitpunkt zeichnen sich drei Möglichkeiten ab:

1. Die Wahl der Kulturen

Die Erfahrung hat gelehrt, daß nicht alle Pflanzenarten gleich empfind- lich sind (vergleiche Bild 8). So hat sich zum Beispiel gezeigt, daß Laubbäume im allgemeinen wesentlich widerstandsfähiger sind als

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Nadelbäume. Im Ruhrgebiet muß die Forstwirtschaft auf weiten Flächen auf jegliche Nadelbäume verzichten. Dies hat wirtschaftliche Konse- quenzen, weil mit fehlendem Reinertrag die Pflege der Wälder nicht mehr gewährleistet wird.

2. Resistenzzüchtung und Selektion

. Selbst innerhalb der Arten gibt es große Unterschiede in der Wider- standskraft. Durch sorgfältige Auslese und Züchtung widerstandsfähi- ger Individuen und Sorten dürfte die Anfälligkeit geringer werden.

Derartige Vorhaben sind jedoch recht zeitraubend, besonders in der Forstwirtschaft.

3. Düngung

Es hat sich gezeigt, daß in manchen Fällen durch geeignete Düngungs- und Bodenverbesserungsmaßnahmen die Widerstandskraft der Pflan- zen gesteigert wurde. So kann zum Beispiel durch eine Stickstoff- düngung das Wachstum stimuliert werden, so daß auch Schädigungen schneller überwunden werden. Andererseits kann durch eine Düngung die Empfindlichkeit erhöht werden, da mit der gesteigerten Assimila- tion auch mehr Schadstoff in die Pflanzenorgane aufgenommen wird.

Diese sich widersprechenden Befunde bedürfen daher weiterer Unter- suchungen. Zudem ist zu berücksichtigen, daß durch die intensive Düngung Probleme des Gewässerschutzes entstehen.

Wie Sie dieser Aufzählung entnehmen können, sind im gegenwärtigen Zeitpunkt mögliche Abwehrmaßnahmen seitens der Geschädigten recht begrenzt. Um so mehr gilt es, das Übel an der Wurzel zu packen und von seiten der Emittenten Abwehrmaßnahmen zu ergreifen.

Bisher war durchwegs die Rede von höher organisierten Pflanzen. Es hat sich aber erwiesen, daß auch die Flechten sehr empfindliche An- · zeiger für Luftverunreinigungen sind. Es gibt sogar Botaniker, welche

behaupten, die Kartierung der Flechtenvorkommen in einem bestimm- ten Gebiet sei die billigste Methode zur Erfassung der dortigen luft- hygienischen Verhältnisse. Daher verpflanzt man empfindliche Flechten in Gebiete mit verunreinigter Luft, um an Hand der absterbenden Thalli die Lebensfeindlichkeit der herrschenden Umweltsverhältnisse nach- zuweisen. In mehreren Städten wird die Verarmung der Flechtenvege- tation und das Wachstum der sogenannten Flechtenwüsten seit län- gerer Zeit verfolgt. Lange wurde allerdings bestritten, daß die Luft- verunreinigungen für das Verschwinden der Flechten verantwortlich seien. Die Schuld wurde vielmehr der verminderten Strahlung und der trockeneren Luft der Städte zugeschoben. Das Aussterben gewisser Arten in stadtnahen Wäldern und die Tatsache, daß Flechtenwüsten im Lee der Städte oft weiter in die offene Landschaft hinaus vorstoßen, als durch das Stadtklima erklärt werden könnte, deuten jedoch darauf hin, daß die Luftverunreinigungen einen wesentlichen Faktor für die Flechtenvorkommen bilden. Bild 10 erhärtet dies mit dem Nachweis, daß die Flechten auf Baumrinden rascher verschwinden als auf Sand- steinmauern, deren Kalkgehalt der Wirkung der schwefligen Säure der Luft entgegenwirkt.

Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, daß die Vegetation eine wichtige Warnfunktion ausübt: Wo die Pflanzen kümmern oder

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Flechten wüste Newcastle u.T.

0 5 10km

Bild 10. Grenzen der Flechtenvorkommen auf Eschenrinde be- ziehungsweise Sand- steinmauern im Gebiet von Newcastle-upon- Tyne. {Nach Gilbert, 1969.)

gar absterben, da wirkt die Umwelt lebensfeindlich, da droht vermutlich auch dem Menschen auf weite Sicht Gefahr!

So müssen wir uns abschließend fragen, wie wir der Luftverpestung entgegenwirken können, vor allem auch welche Problemkomplexe be- arbeitet, wo die Forschung intensiviert werden sollte. Die folgende Liste möge Anregungen geben:

Dem Biologen stellen sich Aufgaben wie:

- die Erfassung von Immissionsschädigungen im chronischen Bereich, in dem noch keine Symptome, sondern erst Stoffwechselstörungen auf eine ungünstige Einwirkung hinweisen. Diese Vorwarnung ist nötig, um weitergehende Schäden durch werkseitige Maßnahmen vermeiden zu können.

- die Erfassung der von der Vegetation tolerierten Grenzkonzentra- tionen, bei welchen die Gesundheit gewährleistet bleibt, als Grund- lage der für die Luftreinhaltung zu fordernden Normen, und dies für die verschiedensten Gase beziehungsweise Gasgemische.

- die Erforschung der Ursachen der pflanzlichen Resistenz und Förde- rung der Resistenzzüchtung.

Chemiker und Ingenieure sollten sich Problemen widmen wie:

Entwicklung hochleistungsfähiger Abgasreinigungsanlagen;

Entschwefelung fossiler Brennstoffe;

Entwicklung fluorloser Schmelzmittel für metallurgische Prozesse;

Entwicklung von Motoren ohne schädliche Abgase.

Architekten und Landesplanern stellen sich Fragen der - Grün- und Trenngürtel zwischen Industrie und Siedlungen;

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- Gesamtüberbauungen mit zentralen Heizanlagen;

- richtige Dimensionierung der Kamine usw.

Juristen sollten sich Fragen der solidarischen Haftung widmen für die sich häufenden Fälle, wo der einzelne Emittent keine Schäden verur- sacht, wohl aber die Gesamtheit der Emittenten.

Die Politiker endlich sollten sich um internationale Einigungen auf ein- heitliche Normen bemühen.

Nur wenn jeder an seinem Platze mithilft, unsere Umwelt grün zu er- halten, wird es gelingen, unsern Planeten in menschenwürdigem Zu- stande zu bewahren.

Literaturverzeichnis

Darley, E. F., 1969. The rote of photochemical air pol/ution on vegetation.

Air Pollution, Wageningen, 137-142.

Enderlein, H., und Stein, G., 1964. Der Säurezustand der Humusauflage in den rauchgeschädigten Kiefernbeständen des staatlichen Forstwirtschafts- betriebes Dübener Heide. Arch. Forstwes. 13, 1181-1191.

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Gordon, A. G., und Gorham, E., 1963. Eco/ogica/ aspects of air pollution from an ironsintering plant at Wawa, Ontario. Can. J. Bot. 41, 1063-1078.

Guderian, R., 1970. Untersuchungen über quantitative Beziehungen zwi- schen dem Schwefelgehalt von Pflanzen und dem Schwefeldioxidgehalt der Luft, II. Teil. Z. Pflzkrankh. u. Pflzschutz 77, 289-308.

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Vergleiche ferner:

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Garber, K., 1967. Luftverunreinigung und ihre Wirkungen. Bornträger, Berlin.

Referenzen

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