• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Das „Gespräch“ während der Ergometrie: Die Borg-Skala" (09.04.2004)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Das „Gespräch“ während der Ergometrie: Die Borg-Skala" (09.04.2004)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

M E D I Z I N

A

A1014 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 159. April 2004

D

ie Bestimmung des Anstren- gungsempfindens (RPE, ratings of perceived exertion) während körperlicher Arbeit, insbesondere bei der Ergometrie, gilt im angelsächsi- chen Sprachraum als Standard. Die Leitlinien der American Heart Asso- ciation enthalten diese Methode, alle gängigen Bücher zum Thema Ergome- trie („stress-test“) führen die „Borg- Skala“ als Routinemethode auf (2, 8).

Auch in Deutschland wurde die Borg- Skala schon im Jahr 1977 bei wissen- schaftlichen Fragestellungen einge- setzt (5, 6); sie hat sich methodisch be- währt.

Zurzeit wird die Skala auch in Deutschland mit zunehmendem Inter- esse genutzt, wenngleich die aktuellen deutschen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie die Borg- Skala noch nicht aufführen. Weitere Varianten dieser Skala zur Bestim- mung des Anstrengungsempfindens ermöglichen die Schätzung des Dys- pnoeempfindens (6) und der musku- lären Anstrengung (1).

Das Anstrengungsempfinden gehört in die subjektive Sphäre eines Pro- banden oder Patienten. Mit der Borg- Skala kann er dieses Empfinden dem Untersucher mitteilen. Der Untersu- cher erhält somit Informationen darü- ber, wie Patienten die Schwere einer Arbeit bewerten.

Die Verwendung der Borg-Skala er- möglicht eine zusätzliche diagnosti- sche Aussage über den Grad der Be- anspruchung und der Ausbelastung.

Nur Borg-Werte über oder gleich 17 werden bei der Ergometrie als Hin- weis auf eine Ausbelastung angesehen.

Das Anstrengungsempfinden korre- liert gut mit Messgrößen der Ergome-

trie wie Herzfrequenz, Sauerstoffauf- nahme oder Lactatwerten. Auch für den 6-Minuten-Gehtest kann die Borg- Skala eingesetzt werden.

Das Anstrengungsempfinden als Antwort auf den „Reiz“ Ergometrie- Arbeit zeigt einen exponentiellen An- stieg, wie Borg dies in vielen Studien zu dem Verhältnis Stimulus – Antwort beschrieben hat (1). Um die Skala dennoch linear anzulegen, erfolgte die Einteilung von 6 bis 20. Der Patient soll am Ende der Fahrradergometer- belastung (oder anderen Arbeiten) diejenige Zahl nennen, die seinem An- strengungsempfinden am nächsten kommt, die nebenstehenden Worte dienen nur zur Erläuterung.

Bemerkenswert ist, dass bei der Skala von 6 bis 20 die Multiplikation mit 10 ungefähr die zugehörige Herz- frequenz während der Ergometrie er- gibt. Die Borg-Skala liefert somit eine zusätzliche Information zu den ergo- metrischen Messgrößen. Wichtig ist hierbei, dass der Patient sich zum Aus- maß der Anstrengung äußern kann.

Die gängige, pseudoexakte Durch- führung der Ergometrie erhält da- durch eine wichtige subjektive Infor- mation. Die Ergometrie selber ist nur begrenzt objektiv, da die Registrie- rung der Messgrößen und ihre Inter- pretation bekanntlich einer großen in- dividuellen ärztlichen Schwankungs- breite unterliegen und noch von einer exakten, reproduzierbaren Methode weit entfernt sind. Eine strenge Qua-

litätssicherung der Ergometrie (unter anderem Kalibrierung der Ergometer) wird in Deutschland derzeit nicht vor- genommen.

In der Praxis wird es vorkommen, dass die Angaben zur Borg-Skala oberhalb oder unterhalb der bekann- ten Referenzwerte liegen. Patienten die im Rahmen einer Gutachtenerstel- lung sich einem Belastungstests un- erziehen, schätzen eine Anstrengung eher mit zu hohen Werten ein, Patien- ten mit koronarer Herzkrankheit ge- ben häufig zu niedrige Werte an. Der Bezug zu den gleichzeitig gemessenen physiologischen Variablen erlaubt es, weitere Schlussfolgerungen zu ziehen (Aggravation oder Dissimulation).

Neben den diagnostischen Aussa- gen der Borg-Skala gibt sie auch eine Hilfestellung in der Therapie bei Trai- ningsberatung und insbesondere in der Rehabilitation.

Patienten mit Herz- und Lungen- krankheiten sind beispielsweise eine wesentliche Gruppe bei der die Borg- Skala in der Diagnostik erfolgreich eingesetzt wird. Diesen wird nach der Ergometrie mit Erfassung der Borg-Werte eine Übungs- und Trai- ningsempfehlung mitgegeben. Erstaun- licherweise sind die meisten Patienten in der Lage, diese Borg-Skalenwerte als Empfehlung umzusetzen und danach selbst ihr Training durchzuführen.

Selbst bei Sportlern wird sie zur Eintei- lung der Intensität bei Sprintern oder Langstreckenläufern verwendet (8).

Bei Tausenden von Einzelschätzungen (3, 5, 6, 9) konnten Probanden ohne Einübung reproduzierbare RPE-Werte angeben. Eine Standardisierung ist al- lerdings auch bei dieser Methode erfor- derlich.

Das „Gespräch“

während der Ergometrie:

Die Borg-Skala

Herbert Löllgen1, Hans-Volkhart Ulmer2

Editorial

1Medizinische Klinik, Sana-Klinikum GmbH (Direktor:

Prof. Dr. med. Herbert Löllgen), Remscheid

2Sportphysiologische Abteilung (Direktor: Prof. Dr. med.

Hans-Volkhart Ulmer) der Johannes-Gutenberg-Univer- siät, Mainz

(2)

M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 159. April 2004 AA1015

Einsatz im Alltag

Eine Erklärung für den unproblemati- schen Einsatz der Borg-Skala liegt in der Erfahrung des täglichen Lebens.

Im Alltag wird bei körperlicher Ar- beit stets das Anstrengungsempfinden geschätzt, wenn beispielsweise beim Treppensteigen oder beim Heben und Tragen schwerer Lasten eine ange- messene Intensität beurteilt werden muss. Dem entspricht die Beobach- tung, dass die Schätzung des Anstren- gungsempfindens bei Kindern mit dem Alter zunimmt (3). Dies ist ein Hinweis darauf, dass alltägliche Lern- prozesse zu einer adäquaten Einschät- zung der Anstrengung entscheidend beitragen.

Neu ist eine Skala zur Beschreibung der Anstrengung nach einer Bela- stung. Hier werden andere subjektive Qualitäten erfasst, wie die Erholung nach einer Anstrengung (TQR, „total quality recovery“) oder beim Über- training (4, 8). Schließlich kann die ak- tuelle Version der Borg-Skala (siehe Beitrag Borg in dieser Ausgabe), durch die Skala von 1 bis 10 (so ge- nannte CR-Skala, „Category-Ratio- Scale“) auch mit einer Änderung der beschreibenden Worte sehr gut für die Schätzung von Schmerzintensitäten eingesetzt werden (1).

Borg-Methode verstärkt einsetzen

Die aufgeführten Beispiele zeigen wertvolle Einsatzmöglichkeiten bei der Skalierung subjektiver Kategorien auch im ärztlichen Alltag. Die vorlie- gende Darstellung von G. Borg soll die diagnostischen Möglichkeiten, die sich aus dem Einsatz der Borg-Skala ergeben, auch deutschen Ärzten stär- ker bekannt machen und als Option aufzeigen.

Angesichts der momentanen Ko- stensituation im Gesundheitswesen sollte diese Methode verstärkt einge- setzt werden: Denn sie ist ausgespro- chen preiswert. Im Prinzip benötigt man nur den auf Karton aufgeklebten Text und kann diese und ähnliche Ska- len sofort bei der nächsten Ergometrie verwenden.

Manuskript eingereicht: 23. 12. 2003, revidierte Fas- sung angenommen: 7. 1. 2004

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2004; 101: A 1014–1015 [Heft 15]

6. Löllgen H, Graham T, Sjogaard G: Muscle metaboli- tes, force and perceived exertion bicycling at varying pedal rates. Med Sci Sports Exerc 1980; 12: 345–

351.

7. Löllgen H, Erdmann E, eds.: Ergometrie. Heidelberg, Berlin: Springer, 2.Auflage. 2000.

8. O'Connor FG, Wilder RP: Textbook of running medici- ne. New York: McGraw Hill 2001.

9. Ulmer H-V: Concept of extracellular regulation of muscular metabolic rate during heavy exercise of awake men by psychophysiological feedback. Experi- entia 1966; 52: 416–420.

Anschriften der Verfasser:

Prof. Dr. med. Herbert Löllgen Sana-Klinikum GmbH

Medizinische Klinik Burgerstraße 211 42859 Remscheid

Prof. Dr. med. Hans-Volkhart Ulmer Sportphysiologische Abteilung FB 26

Johannes-Gutenberg-Universität Mainz 55099 Mainz.

Hypnotismus

Bernheim (Schule von Nancy)

Zitat:„Mittlerweile hatte ich immer mit großem Interesse die früher er- wähnten, mir unverständlichen For- schungen über Hypnotismus verfolgt.

Nun hörte ich, daß hierüber ein neues wichtiges Buch mit ganz neuen An- schauungen von Professor Bernheim in Nancy erschienen war [...] (De la suggestion et de ses applications à la thérapeutique) […].

Mit einem Schlag wurden mir die bisherigen Rätsel und Widersprüche klar. [...] Ich schrieb an Bernheim, bekam eine ungemein freundliche Einladung als Antwort, nahm fünf Tage Urlaub und reiste am 8. März mit Stoll [1] nach Nancy ab. Dort weihte uns Bernheim in liebenswür- diger Weise auf seiner Abteilung in alle Erscheinungen des Hypnotismus oder der Suggestion, was ein und dasselbe bedeutet, ein und experi- mentierte sogar vielfach mit uns an seinen Kranken.Wir lernten auch den

alten Liébeault kennen, der zwar der erfindende Genius gewesen war, aber wissenschaftlich in manchen Bezie- hungen zu wünschen übrig ließ. Ich konnte während der fünf Tage nicht genug mich über alles Gesehene wun- dern.

Mit herzlichem Dank konnten wir uns nach fünf Tagen von Bernheim verabschieden, und am 14. März kam ich als fast vollendeter Hypnotiseur aus Nancy zurück. Ich begann sofort, meine neu erworbene Kunst zu versu- chen und, siehe da, es ging wie von selbst, mit einer ungeahnten Leich- tigkeit, so daß ich in wenigen Wochen eine unglaubliche Sicherheit darin bekam. Die Leute fingen an, mich für einen Hexenmeister zu halten.“

August Forel: Rückblick auf mein Leben. Prag, Zürich, Wien 1935, Seite 132 f. – [1] Otto Stoll (1849–1922), Züricher Mediziner und Ethnologe. Der schweizeri- sche Psychiater Forel (1848–1931) schildert hier seine Reise 1886 zu dem Internisten und Pionier der Psy- chotherapie Hippolyte Bernheim (1840–1919), dem Begründer der Suggestionslehre und Oberhaupt der

„Schule von Nancy“.

MEDIZINGESCHICHTE(N))

AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT AUSGEWÄHLT UND KOMMENTIERT VON H. SCHOTT Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Litera- turverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit1504 abrufbar ist.

Literatur

1. Borg G: Borg's perceived exertion and pain scales.

Human Kinetics,Champaign Il.,1998.

2. Froelicher V, Myers JN: Exercise and the heart. 4th ed.

Philadelphia: Saunders 2000.

3. Kahle CH, Ulmer H-V, Rummel L: The reproducibility of BORG's RPE scale of female pupils from 7 to 11 years of age. Pflügers Arch 1977; 368: (Suppl. R26).

4. Kennta G, Hassmen P: Overtraining and recovery. A conceptual model. Sports Med 1998; 26: 1–6.

5. Löllgen H, Ulmer HV, Nieding G v: Heart rate and per- ceptual response to exercise with different pedalling speed in normal subjects and patients. Europ J Appl Physiol 1977; 37: 297–304.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Bei der verbalen Ratingskala wird der Patient auf einem Fragebogen oder mündlich befragt, welches Wort seine Schmerzen am besten beschreibt, z.B.: nicht vorhanden, leicht, mittel,

Sie erhalten am Vortragsabend auch Informationen, bei welchen Beratungsstellen Sie kostenfrei ein persönliches Gespräch vereinbaren können, in dem alle Punkte einer

In diesem Kapitel wurde eine Methode vorgestellt, mit der AFM-Bilder, die mit einer funktionalisierten Spitze aufgenom- men wurden, entzerrt werden können. Die Korrektur basiert auf

Zusammenfassung: Am Beispiel Baden-Württemberg wird aufbauend auf einer landesweiten Analyse der regionale Versorgungsgrad für psychisch kranke Kinder und Jugendliche in den

Die laterale Aufl¨osung im Kontakt-Modus ist jedoch auf- grund von Adh¨asionskr¨aften durch eine minimale Kontakt- fl¨ache von einigen Atomen begrenzt. Dieses Problem wur- de, wie

Stemming from research on calibration and probability, overconfidence has become an important interdisciplinary concept. Its structure and development are currently

[r]

Schließlich kann die ak- tuelle Version der Borg-Skala (siehe Beitrag Borg in dieser Ausgabe), durch die Skala von 1 bis 10 (so ge- nannte CR-Skala, „Category-Ratio- Scale“) auch