DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
FÜR SIE GELESEN
I
n der referierten Arbeit zum vieldiskutierten AIDS-Problem (siehe hierzu auch DT. ÄRZ- TEBL. 80 [1983] Heft 26) werden zum ersten Mal Abnormalitäten der B-Zellaktivierung, der Im- munregulation auf dem B-Zellni- veau und der T-Zell-kontrolliertenB-Zellfunktion beschrieben.
B-Zeltpool bei Normalpersonen Bei Normalpersonen scheint sich der B-Zellpool aus folgen- den Zellen zusammenzusetzen:
a) aus ruhenden B-Zellen, die durch Stimulatien, u. a. Staphylo- coccus aureus Strain I (SAC), zur Proliferation induziert werden, b) aus partiell aktivierten B-ZeI- len, die mit Hilfe von T-Zellen, unter Einfluß von Pokeweed Mitogen (PMW), zu Antikörper- sezernierenden Zellen differen- zieren, und
c) aus ausdifferenzierten B-Zel- len, die spontan Immunglobuline sezernieren.
B-Zellpool bei AIDS-Patienten Demgegenüber scheinen bei AIDS-Patienten
a) ruhende B-Zellen zu mangeln, b) eine erniedrigte Anzahl von teilweise aktivierten Zellen und c) eine erhöhte Anzahl ausdiffe- renzierter B-Zellen vorzukom- men.
Untersuchungsmethoden und Ergebnissicherung Diese Befunde wurden an fol- genden Untersuchungen der B-Zellfunktionen erhoben: Bei den Patienten mit AIDS (n=12) war die Proliferation der zirkulie- renden B-Zellen als Antwort auf ein T-Zellabhängiges B-Zell- und T-Zell Mitogen (PMW) signifikant
Abnormale
B-Zeltaktivierung und Immunregulation bei AIDS
erniedrigt. Um auszuschließen, daß hierfür lediglich eine man- gelhafte T-Zellfunktion verant- wortlich sei, wurden Untersu- chungen mit einem reinen B-Zell Mitogen (SAC) vorgenommen.
Sie zeigten keine Proliferation.
Dieses wurde auch durch einen weiteren Versuch dokumentiert, bei dem nach vorheriger Entfer- nung von T-Zellen keine prolife- rative B-Zellantwort auf SAC er- folgte. Die Fähigkeit der B-Zel- len, spontan Antikörper zu sezer- nieren, war bei den Patienten mit AIDS um das 10fache erhöht, ver- glichen zur heterosexuellen Kon- trollgruppe.
Allerdings konnte durch eine spezifische Stimulierung mit PMW keine vermehrte Immunglo- bulinproduktion ausgelöst wer- den. Der letztgenannte Effekt kann durch einen T-Zell-, einen B-Zelldefekt oder einen Defekt in beiden Zellen verursacht sein.
Keine spezifische Immunantwort der B-Zellen von AIDS-Patienten auf KLH
Untersuchungen mit Kulturen von Patienten-B-Zellen und Kon- troll-T-Zellen und umgekehrt zeigten, daß B-Zellen von AIDS- Patienten in ihrer Fähigkeit Im- munglobuline auf einen spezifi- schen Reiz zu sezernieren defekt waren. In ersten Untersuchungen wurden die T-Helferzellen (T 4), im Gegensatz zu den T-Suppres- sorzellen (T8), ebenfalls als de- fekt und als unfähig gefunden, einen Einfluß auf die Immunglo- bulinproduktion nach Gabe von PMW auszuüben. Eine spezifi- sche Immunantwort der B-Zellen auf Keyhole-Limpet Hemocyanin (KLH) konnte bei Patienten mit AIDS weder in vivo noch in vitro
ausgelöst werden. Schon bei ge- sunden Homosexuellen fand sich eine Reduktion dieser Immunant- wort, sie lag zwischen den Wer- ten der AIDS-Patienten und der heterosexuellen Kontrollgruppe.
Antikörper-Produktion bei AIDS-Patienten qualitativ defekt?
Die bei Patienten mit AIDS beob- achteten Abnormalitäten einer polyklonalen B-Zellaktivierung in vivo wurden auch bisher bei aku- ten Infektionen mit Herpesviren, insbesondere Epstein-Barr Virus, gefunden. Die Kulturen aller 12 AIDS Patienten waren positiv für Cytomegalovirus und in den ge- testeten 11 Patienten positiv für Epstein-Barr Virus. Die polyklo- nale Vermehrung könnte somit die Folge einer viralen B-Zellakti- vierung oder Transformation sein, hervorgerufen durch ein bekanntes oder bisher unbe- kanntes Agens. Die teilweise er- höht gefundenen IgG- und IgA- Werte, eventuell induziert durch eine polyklonale B-Zellaktivie- rung, sind möglicherweise keine Antigen-spezifischen Antikörper- synthesen, denn die AIDS-Patien- ten konnten gegen ein potentes Antigen (KLH) keine Antikörper produzieren. Weiterhin spricht das Auftreten einer Autoimmun- Thrombozytopenie bei Homose- xuellen und eine Erhöhung zirku- lierender Immunkomplexe bei Patienten mit AIDS für eine quali- tative defekte Produktion von An- tikörpern.
Besonders bemerkenswert sind die, als teilweise sehr variabel beobachteten immunologischen Abnormalitäten bei gesunden Homosexuellen. Von dem „Cen- ter for Disease Control" in Atlan- ta/USA konstatiert, erfahren die- se z. Zt. besondere Aufmerksam-
keit. HuD
Lane, H. C.; Masur, H.; Edgar, L. C.; Whalen, G.; Rook, A. H.; Fauci, A. S.: Abnormalities of B-Cell Activation and Immunoregulation in Patients with the Acquired Immunodeficiency Syndrome, N. Engl. J. Med. 309 (1983) 453-458
114 (72) Heft 3 vom 20. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A