Bewertung von Ärzten
Überflüssige Leistungen machen keine zufriedenen Patienten
Patienten nicht indizierte medizinische Leistungen zu verwehren, mag manchmal mühsam sein. Da hilft es vielleicht zu wissen, dass das Gewähren solcher Maßnahmen das Urteil über die medizinische Versorgung nicht verbessert.
Überversorgung ist nach wie vor ein Problem. Häufig werden diagnostische oder therapeutische Maßnahmen er
bracht, obwohl sie nachweislich nicht nützlich oder sogar schädlich sind. Ein Grund dafür ist das Drängen oder der (vermeintliche) Wunsch von Patienten.
Dem nachzugeben scheint aber selbst für die Beurteilung der Versorgung durch die Patienten wenig förderlich zu sein. Laut einer Studie aus den USA wer
den Ärzte, die besonders oft überflüs sige Leistungen erbringen oder verordnen, von ihren Patienten nicht besser be
urteilt als Ärzte, bei denen dies nicht der Fall ist.
Mehr Überversorgung, mehr Wartezeit
Anhand der Krankenversicherungs
daten von jeweils 20 % ihres Patienten
stamms wurde für rund 100.000 Primärärzte ein Score ermittelt, der den Anteil an Patien ten mit Überversor
gung widerspiegelte. Dabei wurden acht überflüssige Leistungen berücksichtigt,
wie etwa die PSA(prostataspezifisches Antigen)Messung bei Männern über 75 ohne Prostatakarzinom, das Schallen der Karotiden bei Patienten ohne ein
schlägige Vorbelastung oder die Bild
gebung bei akuten Rückenschmerzen ohne Warnsignale. Die Bewertung durch die Patienten entnahmen die For
scher dem „Consumer Assessment of Healthcare Providers Survey“. Darin hatten 300.000 Patienten Punkte ver
geben für die Gesamtqualität ihrer medizinischen Versorgung und für die Qualitäten ihres Arztes.
Das Ergebnis: Zwischen der Häufig
keit unnötiger Maßnahmen und dem Urteil der Patienten zeigte sich einzig im Hinblick auf die Wartezeiten ein statis
tisch signifikanter Zusammenhang.
Diese waren in Praxen im höchsten Quintil der Überversorgung nämlich länger als in Praxen mit der geringsten Überversorgung. Alle anderen Assozia
tionen waren statistisch irrelevant oder praktisch nicht bedeutsam und zudem uneinheitlich.
Keine positivere Bewertung
„Das heißt, mehr Versorgung von geringer Qualität war nicht assoziiert mit mehr günstigen Patientenbewertungen“, kon
statieren die Studienautoren. Dass zwei hochrangig publizierte Studien [Jerant A et al. JAMA Intern Med 2018; 178: 85–91;
Fenton JJ et al. Arch Intern Med 2012; 172:
405–11] zu gegensätzlichen Ergebnissen gekommen sind, führen die Forscher da
rauf zurück, dass dort dieselben Patienten, deren Versorgung erhoben wurde, diese auch bewerteten. Damit könne die ge
sundheitliche oder soziale Situation der Patienten zu einem Konfundierungseffekt geführt haben. In der aktuellen Studie gab es zwischen diesen Gruppen höch s
tens eine kleine Schnittmenge.
Die Studie zeige, dass „Patienten mit einer weniger verschwenderischen Ver
sorgung genauso zufrieden sind“, so die Forscher. Dieses Wissen könne dazu beitragen, auf überflüssige Leistungen, die nur erbracht werden um Patienten zufriedenzustellen, zu verzichten.
Dr. Beate Schumacher
Literatur
Sanghavi P et al. Association of Low-Value Care Exposure With Health Care Experience Ratings Among Patient Panels. JAMA Intern Med 2021;
https://doi.org/gj8tzm
© tomertu / stock.adobe.com
Einer aktuellen Studie zufolge brauchen Ärzte keine schlechtere Bewertung zu fürchten, wenn sie ihren Patienten nicht indizierte Leistungen verwehren.