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für pathologische Anatomie und Bakteriologie an de» städtischen Krankenanstalten Rigas.

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kekte 6er Selelllctmkt tür kommunale Zoiicilpolitik in kigct.

— ^is. i 6 . i>- —

Wer die

Ausgestaltung der Einrichtungen

für pathologische Anatomie und Bakteriologie an de» städtischen Krankenanstalten Rigas.

Vorträge»

gehalten am >4. Januar iy,o in cter Gesellschaft kür kommunale Sozialpolitik in Kiga

DDr. P. Praetor!»; und kl. kertels.

III. Acitirgcing.

W i g « .

Druck von W. F. Hacker.

1910.

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I. Vortrag von vr. Paul Prastorius.

Hochverehrte Anwesende!

Von dem Gedanken ausgehend, daß Krankheit der Einzel­

individuen den Wohlstand der Kommunen beeinträchtigt, da verlorene Arbeitskraft einem Kapitalverlust gleichzusetzen ist, erlaube ich mir, Ihnen an dieser Stelle einige Vorschläge zur Begutachtung zu unter­

breiten, die den Zweck haben sollen, gewisse, die Kommunen ganz be­

sonders gefährdende Krankheitsgruppen zu bekämpfen. Es sind dies die Infektionskrankheiten und speziell solche, die der modernen medizinischen Wissenschaft durch Erforschung ihrer Erreger und ihrer Verbreitungsart bekannt sind. Erst dadurch, daß wir unsere Feinde auf diesem Gebiete von Grund auf erkennen und kennen, werden wir in die Möglichkeit gesetzt, sie, wenn auch nicht gleich vollkommen auszurotten, so doch auf das möglichste Mindestmaß in ihren Schä­

digungen der Kommune zu beschränken. Andererseits ist es aber auch unsere Pflicht, die uns in ihrem'" innersten Wesen noch unbe­

kannten Krankheiten zu erforschen und so auch ihnen beizukommen.

Aus diesem Gebiete bahnbrechend und fördernd gewirkt zu haben, ist erst dem jüngsten Zweige der medizinischen Wissenschaft vorbehalten gewesen, und das ist die Bakteriologie, die sich im Lause einiger Dezennien zu einer ganz selbständigen, riesigen Wissenschaft ausge­

wachsen hat, so daß nicht jeder praktische Arzt sich jetzt ohne weiteres die Möglichkeit verschaffen kann, sich mit ihr näher bekannt zu machen, bezw. sie voll und ganz in ihrer Entwickelnng zu verfolgen. Er muß die Möglichkeit haben, sich in diesen Fragen an solche Kollegen zu wenden, die speziell aus diesem Gebiete erfahren sind und denen Institute unterstehen, in welchen solche Untersuchungen gemacht werden können.

Die einzelnen Infektionskrankheiten richtig zu erkennen, gelingt wohl meistenteils dem erfahrenen Kliniker, aber nur meistenteils, nicht immer, und dann entsteht noch die Frage, wann der Kranke, ohne

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Äefahr für seine Mitmenschen, wieder aus seiner Jsolierhaft entlassen werden darf.

Ich will als Beispiel die Diphtherie herausgreifen und Ihnen an der Hand dieses Beispieles zu erklären versuchen, wie dieses zu ver­

stehen ist. Die klinischen Symptome und die kolossale Infektiosität dieser Krankheit sind wohl den meisten bekannt. I n der Zeit, als man den Erreger der Diphtherie noch nicht kannte, muß es den prak­

tischen Ärzten unmöglich gewesen sein, mit Sicherheit zu erkennen, ob es sich in der Tat um diese Seuche handelte, und im Genesungs­

salle, wann der Genesene nicht mehr infektiös war. Erst durch die Entdeckung des Diphtheriebazillus durch die Professoren Klebs und Löffler wurde Licht in dieses Dunkel gebracht, und heute können wir mit fast absoluter Sicherheit diese Frage beantworten, aber auch nur mit Hilfe dazu geeigneter Institute.

Es gibt nun eine ganze Reihe von Krankheiten, die der Bakteriolog mit Sicherheit konstatieren kann, was dem praktischen Arzte eine Un­

möglichkeit ist; auch kauu er, in geeigneter Weise von der Kommune durch Sanitätsbeamte unterstützt, helfen, den Herd der Erkrankung zu erkennen, uud dadurch die Möglichkeit bieten, daß dieser Herd unschädlich gemacht werde.

I n einer kleinen Stadt Deutschlands wütete seit geraumer Zeit, bald stärker, bald schwächer, eine Unterleibstyphusepidemie. Es wur­

den, was am nächsten lag, alle Anlagen, die das Trinkwasser der Bevölkerung lieferten, untersucht, jedoch ohne Resultat. Man sah sich nach allen Seiten um, von denen eventuell eine Infektion statt­

finden könne. Da stellte sich heraus, daß fast die ganze Stadt von einer Anstalt mit Milchprodukten versorgt wurde. Die Milch er­

wies sich als infiziert mit Typhusbakterien. Nun ging man der Sache weiter auf den Grund und fand schließlich die Ursache der Epidemie in einem Manne, der beim Melken der Kühe angestellt war und der sich als Bazillenträger erwies. Unter dem Begriffe

„Bazillenträger" versteht man solche Individuen, die, ohne selbst krank zu seiu — sie mögen vielleicht einmal die betreffende Krankheit durchgemacht haben, was aber nicht immer nötig zu sein braucht —, die gefährlichen Jnfektionskeime in sich herumtragen und sie ge­

legentlich aussäen. Es wurde nun der Mann von seinem Amte entfernt und auf einen Posten gesetzt, bei dem er nicht mit Nahrungs-

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Mitteln zu tun hatte, die der übrigen Mitwelt zum Verzehren gereicht werden sollten, und mit einem Schlage erlosch die Epidemie. Als nach einiger Zeit wieder eine Epidemie ausbrach, stellte es sich her­

aus, daß der Bazillenträger aufs neue sein früheres Amt ausübte.

Als er nun hierauf definitiv entfernt wurde, blieb die Stadt ver­

schont von Typhusepidemien. Solche und ähnliche Fälle sind ge­

legentlich immer wieder in der Literatur verzeichnet.

Ich habe geglaubt, mich über einen solchen Fall des Näheren auslassen zu müssen, um Ihnen darzutun, welche Perspektiven sich eröffnen bei einer planvollen Arbeit der Sanitätsbeamten, verbunden mit bakteriologischen Untersuchungen.

Die Schnlen sind ja bekannterweise mit Recht gefürchtete Institute hinsichtlich der Verbreitung von Infektionskrankheiten. Was hilft es nun, wenn z. B. bei Diphtheriefällen das Institut geschlossen und desinfiziert wird und darauf der Bazillenträger wieder das gereinigte Lokal verseucht? Auch hier gilt es, die Infektionsquelle aufzufinden und unschädlich zu machen. Jdealerweise müßten sämtliche Mit­

schüler bakteriologisch untersucht werden, ebenso die Hausgenossen des Erkrankten, und bei diesen Untersuchungen wird man häufig zu über­

raschenden Resultaten gelangen und damit der Kommune nützen können. I n diesem Falle wären vielleicht zur Unterstützung des Bakteriologen die betreffenden Schulärzte heranzuziehen. Wieweit sich solche ausgedehnte Untersuchungen realisieren ließen, würde natürlich noch einer gründlichen Bearbeitung bedürfen.

Erwähnen möchte ich noch die Untersuchungen auf Tuberkulose, C h o l e r a , d i e V e r g i f t u n g e n m i t d e n b a k t e r i e l l e n N o x e n durch Nahrungsmittel, wie Fleisch, Fisch, Wurst und Konserven, eventuell auch T o l l w u t und Milzbrand, neben vielen anderen Erkrankungen, mit deren Aufzählung ich die geehrten Zuhörer nicht ermüden will, um zu zeigen, was für ein Arbeitsfeld dem Bakterio­

logen zum Heile der Gesamtheit gegeben wäre bei geeignet dazu ein­

gerichteten Instituten.

Es sei mir an dieser Stelle noch gestattet, auf ein anderes Gebiet der medizinischen Wissenschast hinzuweisen, welches direkt der Bakterio­

logie entsprungen ist und mit ihr eng zusammenhängt. Es ist dieses die Serologie, d. h. die Lehre von den Eigenschaften des Blutserums in normalem und pathologischem Zustande. Dieser jüngste wissen­

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schaftliche Zweig hat bereits so vielfache überraschende Erfolge auf­

zuweisen, daß er in keiner größeren Stadt unberücksichtigt bleiben darf.

Ich will hier nicht sprechen von den bahnbrechenden Arbeiten von Prof. Uhlenhuth, der mit seinen genialen Methoden die Eiweiß­

arten der verschiedenen Tiergattungen voneinander zu unterscheiden uns gelehrt und damit speziell für die gerichtsärztliche Praxis sehr Wert­

volles geleistet hat, denn solche Arbeiten können nur in einzelnen wenigen, ganz besonders bevorzugten Instituten ausgeführt werden.

Erwähnen möchte ich aber die moderne Diagnosenstelluug einer der größten Volksseuchen, nämlich der Lues, die auf serologischem Wege bewerkstelligt wird. Den Erreger dieser Krankheit, den uns der leider zu früh gestorbene Prof. Schaudinn kennen lehrte, aufzufinden, ist auch jetzt nicht immer möglich, und so haben sich die verdienstvollen Gelehrten, Prof. Wassermann, Neisser und Bruck, weiterbauend auf den Erfahrungen der Franzofen Bordet und Gengon, ein äußerst geniales Verfahren ersonnen und ausgearbeitet, uach dem man eine bestehende Lueserkrankung leicht erkennen kann, aber auch solche Er­

krankungen, die nur auf einer früheren Luesinfektion beruhen, deren Zusammenhang wohl z. T. früher geahnt wurde, aber nicht nachge­

wiesen werden konnte. Naturgemäß hat dieses Versahreu einen be­

deutenden Einfluß anf die Therapie, und fchon gelingt es hier und da, derartig erkrankten Personen Heilung oder Besserung ihrer Leiden zu bringen. Solche Untersuchungen werden in allen größeren Städten in großem Stile angestellt mit durchaus zufriedenstellendem Resultate.

Auch an unserem Stadt-Krankenhause werden sie geübt, aber es wäre wünschenswert, daß die gesamte Ärztewelt die Möglichkeit hätte, ihren Kranken dieses Untersuchungsverfahren ohne große Kosten zugänglich zu machen. Auf dem serologischen Gebiete wird jetzt enorm viel ge­

arbeitet, wir haben von dieser Seite auch noch sehr viel zu erwarten und müssen auch hier vorbereitet sein, um mitarbeiten zu können, zum Besten der sanitären Verhältnisse bei uns. Die Bearbeitung dieser Errungenschaften der neuen Medizin kann aber nur von fach­

männisch dazu ausgebildeten Personen geleitet werden und ist dem praktischen Arzte vorenthalten.

Aber nicht nur die diagnostische Seite der Krankheiten ist durch die Bakteriologie geklärt worden, sondern es sind durch sie auch bereits große Erfolge erzielt worden in therapeutischer Hin­

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ficht. Ein jeder von Ihnen kennt wohl die Bedeutung des rechtzeitig angewandten Diphtherieheilserums, das viele Kranke, die in der vorbakteriologischen Zeit dem Tode verfallen wären, doch noch ge­

nesen läßt. Das große Schreckgespenst dieser so sehr gefürchteten Seuche hat durch die Entdeckung Prof. Behrings viel an seiner Größe verloren. Behring machte die Entdeckung, daß das Blutserum von Tieren, die künstlich mit Diphtheriebazillen vorbehandelt waren, andere Tiere, die mit Diphtherie infiziert wurden, vom sicheren Tode erretteu konnte, wenn man es ihnen in geeigneter Weise und Menge beibrachte. Wir haben nun auch uoch andere wirksame Heil­

s e r a i m G e b r a u c h , w i e d i e S e r a g e g e n R u h r , e p i d e m i s c h e G e n i c k ­ starre, Starrkrampf und andere Erkrankungen. An der Herstel­

lung vieler wird mit großem Eifer gearbeitet, und zwar mit der Zu­

versicht des kommenden Erfolges, denn bei den Infektionskrankheiten ist wohl diese Behandlungsmethode diejenige, die logischerweise am allermeisten aus Erfolg zu rechnen hat, da sie aufgebaut ist auf der Erkenntnis der Erreger der Krankheiten und ihrer Lebensbedingungen.

An Heilseren gegen die am meisten verbreitete Volksseuche, die Tuberkulose, wird mit fieberhaftem Eifer gearbeitet, und wir können durchaus hoffen, daß über kurz oder lang auch hier ein Erfolg zu verzeichnen sein wird. I n allernenester Zeit sind im Kaiserlichen Institut für experimentelle Medizin in St. Petersburg von Scharapoff Heilsera gegen Cholera hergestellt worden und fast zur selben Zeit auch von Prof. Kolle in Bern, deren Anwendung schon gute Resultate gezeitigt hat und auch weitere verspricht.

Zum Schluß möchte ich noch die Behandlung der Tollwut erwähnen, einer Erkrankung, die auf unserem Festlande endemisch ist und die durch die Entdeckung Paste u r s sehr viel von ihren Schrecken verloren hat. Wo früher diese Krankheit eine unheimliche Mortalität aufwies, erreicht sie, nach den Angaben von Professor Kraus, bei Infektion von nachgewiesen tollwütigen Tieren eine solche von kaum 1A, seitdem viele Tausende von Personen nach der Pasteurschen Methode behandelt worden sind. Dieses genügt wohl schon voll­

kommen, um deu Wert dieses Heilverfahrens zu illustrieren. Auch bei uus in Rußland existieren an vielen Orten Pasteurfche Institute, wie in S t . Petersburg, Warschau, Odessa, Samara ?e., die mit gutem Erfolge arbeiten. Auch iu Riga kommen ja Tollwuterkraukuugeu vor

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und haben der Kommune Geldopfer gekostet. Laut Angaben des Armenamtes sind zur Behandlung nach S t . Petersburg geschickt worden: im Jahre 1906 — 62 Personen, 1907 — 121, 1908 35 und 1909 — 11 Personen, was im ganzen 229 Personen ausmacht, bei einem Kostenaufwaude von 6154 Rbl. 2 Kop. Vor 1906 sind keine Erkrankten auf allgemeine Kosten verpflegt worden, so daß sich darüber keine Angaben finden. Allerdings ist es auch nicht bekannt, wie viele von den ins Pastenrsche Institut geschickten Menschen äe taeto erkrankt waren, denn wie es sich später herausgestellt hat, haben sich eine Reihe von Personen künstlich Verletzungen beibringen lassen, um auf diese Art billig nach S t . Petersburg zu gelangen.

Bei der Einrichtung eines Pasteurschen Instituts bei uns müßte man allerdings mit größeren Zahlen rechnen, da es dann wohl sicher auch die in Südlivland und Kurland gebissenen Personen hierher ziehen dürfte.

Nachdem ich Ihnen nun einen kurzen, wenn auch unvollkommenen Bericht erstattet habe über die Forderungen, die die moderne medi­

zinische Wissenschaft an die Bakteriologie mit ihren Nebenzweigen stellt, und Ihnen klar zu machen versucht habe, was wir von chr e r w a r t e n k ö n n e n , e n t s t e h t u n w i l l k ü r l i c h d i e F r a g e : w a s g e s c h i e h t i n d i e s e r B e z i e h u n g i n u n s e r e r S t a d t u n d w a s k ö n n t e n w i r m a c h e n , u m h i e r i n , f a l l s n ö t i g , e i n e B e s s e r u n g z u e r z i e l e n ?

Daß die Bakteriologie mit ihren Nebenzweigen bei uns noch nicht in dem Maße ausgenutzt wird, wie es wohl dem heutigen Stande der Wissenschaft entspricht, liegt daran, daß wir über kein Institut verfügen konnten, das dem praktischen Arzte die Möglichkeit gab, jederzeit solche Untersuchungen ausführen zu lassen, besonders auch ohne den durch Krankheit schon sowieso pekuniär stark geschä­

digten Menschen noch dafür Geldopfer aufzuerlegen. Daß trotzdem das I n t e r e s s e der Ärztewelt auch für diesen Zweig der Wissen­

schaft im Wachsen begriffen ist, sollen Ihnen folgende Zahlen beweisen, die die Untersuchungen in meiner 6 jährigen Tätigkeit als Bakteriolog am Stadtkrankenhause ergaben. Es wurden Untersuchungen ausgeführt:

1904 — 142, davon private 2 1907 — 472, davon private 18 1905 — 176, „ „ 4 1908 — 572, .. „ g?

1906 — 272, „ ^ 4 1909 — 1050, „

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Die beiden letzten Jahre sind allerdings als anormale zu bezeichnen, da die Cholera viele Untersuchungen beanspruchte: 1908 — 80 und 1909 — 450 Untersuchungen; doch wäre die Zahl eine noch größere gewesen, wenn ich nicht durch die Kollegen in liebenswürdigster Weise, wegen der überbürdung, die mir die Cholera brachte, mit unwichtigen U n t e r s u c h u n g e n v e r s c h o n t w o r d e n w ä r e . W a s d i e P r i v a t u n t e r ­ suchungen betrifft, so sind sie mir aus meinem persönlichen Bekannten­

kreise überwiesen worden, also nur von einer geringen Anzahl von Kollegen. Diese Untersuchungen würden ganz bedeutend häufiger gemacht werden, wenn sie allen Ärzten zugänglich wären; dann würde eine solche Tätigkeit zum mindesten die volle Arbeitskraft eines Menschen in Anspruch nehmen. Ein Bedürfnis für die Ausführung derartiger Arbeiten liegt fraglos vor, und es wäre diesem Bedürfnis, m e i n e s E r a c h t e n s , n u r d u r c h G r ü n d u n g e i n e s k o m m u n a l e n Untersnchnngsamtes für bakteriologische Arbeiten abzu­

helfen. Ein solches Institut hätte vor allen Dingen die Verpflichtung, a l l e i h m v o n d e m S a n i t ä t s a m t e > d e n S c h u l ä r z t e n u n d A r m e n ­ ärzten überwiesenen Materialien zu verarbeiten und darauf die von den praktischen Ärzten. Es wären in erster Linie solche Krank­

heiten zu berücksichtigen, die der Bakteriologie zugänglich und Epi­

demien hervorzurufen imstande sind. Zu diesem Zwecke müßten dem Institut z. B. sämtliche Diphtherieuntersuchungen über­

wiesen werden, ebenso ihm die Entscheidung überlassen werden, ob die betreffenden Rekonvaleszenten aus ihrer Isolierung entlassen werden dürsten. Um diesem Ziele näherzurücken, müßte eine obli­

gatorische Meldepflicht aller Infektionskrankheiten mittels Ortsstatuts der Ärztewelt auferlegt werden. Die Meldekarten wären der zustän­

digen Behörde einzuschicken, worauf diese sich dann jederzeit beim Institut erkundigen kann, ob die betreffenden Untersuchungen aus­

geführt worden sind. Die Rekonvaleszenten würden vom Institut eine Bescheinigung über ihre Unschädlichkeit erhalten und müßten diese ihrem Vorgesetzten, z. B. dem Schuldirektor, vorweisen, bevor sie wieder den Schulbesuch aufnehmen dürfen.

An den kommunalen Instituten, an denen solche Untersuchungen bereits ausgeführt werden, sollten deswegen diese Arbeiten nicht sistiert werden; auch müßten ihre Bescheinigungen dieselbe Gültigkeit haben, wie am Zentralinstitut. Doch sollten der besseren statistischen Arbeit

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wegen in bestimmten Zeitabschnitten kurze Berichte über die Zahl und Art der ausgeführten bakteriologischen Arbeiten dem Zentralinstitut e i n g e s c h i c k t w e r d e n . Z w e c k m ä ß i g w ä r e e s , e i n s o l c h e s I n n i t n t e i n e r s c h o n b e s t e h e n d e n k o m m u n a l e n K r a n k e n a n s t a l t a n z u ­ gliedern. Dabei wäre das II. städtische Krankenhaus in Vorschlag zu bringen. Am I. Krankenhause herrscht schon sowieso Raummangel, auch ist es besser, zu dem Zwecke etwas vollständig Neues zu schaffen.

Durchaus wünschenswert wäre es, wenn in einem solchen Institut auch sämtliche urologischen Arbeiten ausgeführt würden, denn gerade bei diesen Untersuchungen ist eine Einheitlichkeit dringend geboten, da die Bearbeitung der graduellen Unterschiede der Resultate doch eine subjektive Auffassung der einzelnen Untersucher darstellt.

Ferner sind ja viele Materialien und Apparate, wie Tiere und Brut­

schränke ?c., für den Bakteriologen und den Serologen die gleichen und brauchten dann nicht in doppelter Anzahl angeschafft zu werden.

E b e n s o l i e g t e s m i t d e r e v e n t u e l l e n G r ü n d u n g e i n e s P a s t e u r s c h e n I n s t i t u t s ; es müßten hier die Kranken, falls sie keiner chirurgischen Behandlung bedürfen, ambulatorisch behandelt werden.

Die Untersuchungsmaterialien könnten dem Institut entweder direkt jederzeit überwiesen werden oder durch Vermittelung der Apo­

theken, die weiter verpflichtet werden könnten, sie zu bestimmten Tageszeiten zur Weiterbeförderung den elektrischen Straßenbahnen zu übergeben, wobei sie dann von der dem Institut nächstgelegenen Haltestelle abgeholt werden müßten. Die Antwort auf die gestellten Fragen hätte immer schriftlich zu erfolgen und nur in dringenden Fällen auch schon telephonisch.

Die von tollwütigen Tieren gebissenen Personen müßten nach Absolvierung ihrer Kur noch ein Jahr unter ärztlicher amtlicher Aufsicht stehen, um sich Klarheit über den Erfolg der Kur zu verschaffen.

Die auf Tollwut verdächtigen Tiere müssen isoliert uud beobachtet werden.

Was die Herstellung von spezifischen Heilseren betrifft, so möchte ich nicht raten, daß bei uns ein derartiges Institut errichtet würde, und zwar aus dem Grunde, weil sowohl bei nns in Rußland, wie auch im Auslande eine Reihe solcher Institute besteht, die sich im größten Maßstabe damit beschäftigen und mit denen wir, wegen des Mangels eines Absatzgebietes, nicht leicht in Konkurrenz

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treten könnten. Die Anlage eines derartigen Instituts wäre zu kost­

spielig im Vergleich zum Nutzeu, deu es uns bringen könnte. Außerdem sind die Heilsereu jetzt jederzeit zu mäßigen Preisen überall erhältlich.

Das wäre alles, was ich der verehrten Versammlung unterbreiten wollte. Weuu vieles in meinem Berichte uuvollkommen ist, so liegt es daran, daß mir nur eiue sehr kurze Zeit zur Ausarbeitung meines Vortrages bewilligt werde» konnte, und so bitte ich Sie, mir dieses zugute halteu zu wollen.

Wenn ich aber durch meiue Worte dazu beigetragen haben sollte, die sanitären Verhältnisse in unserer uns allen teuren Vaterstadt zu heben, so würde ich mich glücklich schätzen.

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II. Vortrag von Dr. me6. krvici ksrtslz.

Verehrte Anwesende!

Herr Or. Praetorius hat Ihnen die große Bedeutung der Bakteriologie für die praktische Hygiene auseinandergesetzt, und ich glaube, es wird ihm gelungen sein, Sie davon zu überzeugen, wie nützlich die Tätigkeit eines Bakteriologen für ein Gemeinwesen werden kann. Weit schwieriger dürfte es im allgemeinen sein — und das ist meine heutige Aufgabe —, einem Nichtarzt klarzumachen, daß auch die Tätigkeit eines pathologischen Anatomen von großer praktischer Wichtigkeit ist. Zwar sieht jeder Laie ein, daß, wenn jemand stirbt und es während des Lebens nicht möglich gewesen ist, zu einer klaren Diagnose zu gelangen, daß es in solchen Fällen aus vielfachen Gründen sehr erwünscht ist, eine Sektion vorzunehmen.

Gegenüber dieser Laienmeinung, welche die Sektion nur für besonders dunkle Fälle reserviert wissen will, muß ich nun den Standpunkt vertreten, daß eine solche prinzipiell in jedem Fall wünschenswert wäre.

Zwar in allen denjenigen Fällen, wo jemand zu Hause stirbt, wird man, der übergroßen praktischen Schwierigkeiten wegen, von einer allgemeinen Durchführung dieses Prinzips Abstand nehmen müssen. I n Krankenhäusern dagegen läßt es sich bis zu einem gewissen Grade verwirklichen, und es muß danach gestrebt werden, ihm möglichst allgemeine Geltung zu verschaffen.

Die Gründe, weshalb ich auch in scheinbar klaren Fällen eine Sektion für nötig halte, sind folgende. Erstens kommt es nicht so ganz selten vor, daß die Diagnose während des Lebens zweifellos erschien und daß sich bei der Sektion doch das Vorhandensein einer ganz anderen Krankheit herausstellt. Z. B.: eine Frau erkrankt im Anschluß an eine Geburt unter fieberhaften Erscheinungen, und man ist gar nicht im Zweifel, daß es sich um eiu Kindsbettfieber, um eine Blutvergiftung handelt. Bei der Sektion aber stellt es sich heraus, daß die Frau an Unterleibstyphus gestorben ist. I n diesem Fall hat

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die Sektion, abgesehen von der Belehrung, die der behandelnde Arzt erfahren hat, noch nach zwei Richtungen klärend gewirkt. Erstens:

hätte es sich um Kindsbettfieber gehandelt, so hätte der Arzt selbst oder die Hebamme im Verdacht gestanden, bei der Untersuchung der Gebärenden nicht aseptisch vorgegangen zu sein und dadurch ihren Tod verschuldet zu habeu. Von diesem Verdacht hat sie die Sektion befreit. Zweitens: da es nun festgestellt wurde, daß es sich um Unterleibstyphus handelte, wird man unter Umständen in der Lage sein, durch geeignete Desinfektionsmaßnahmen, durch Schließung eines verdächtigen Brunnens, durch Isolierung anderer kranker Personen, weiteren Ansteckungen vorzubeugen.

Ein anderer Fall, den ich kürzlich beobachtet habe: eine Frau erkrankt, ebenfalls im Anschluß an eine Geburt, mit heftigen Leib­

schmerzen, Erbrechen und anderen für eine Bauchfellentzündung sprechenden Symptomen. Da Bauchfelleutzüuduugeu durch Infek­

tion während der Geburt leider alltägliche Vorkommnisse sind, so wird an andere seltenere Krankheiten gar nicht gedacht, bei der Sektion aber stellt es sich heraus, daß es sich um eine innere Darm- einklemmung, in diesem Fall um einen Zwerchfellbruch handelt. Durch das heftige Drängen während der Geburt war eine Darmschlinge durch eine enge Öffnung im Zwerchfell in die Brusthöhle geschlüpft und hatte sich eingeklemmt. Wäre hier rechtzeitig eine Diagnose gestellt worden, so hätte die Frau durch eiue Operation vielleicht gerettet werden können.

Gar nicht selten sind diejenigen Fälle, wo ein Patient unter den Erscheinungen eiuer richtig diagnostizierten Lungenentzündung stirbt, wo sich aber bei der Sektion außer der Lungenentzündung uoch eine eitrige Brustfellentzündung findet, die als Todesursache wesentlich mitgewirkt und die, rechtzeitig diagnostiziert, einer chirurgischen Behand­

lung wohl zugänglich gewesen wäre.

Sie sehen aus diesem letzteren Beispiel, daß es nicht genügt, wenn eine Diagnose richtig ist, sie muß auch vollständig sein. Sie muß möglichst vollständig und möglichst detailliert sein, und da es sich nie wird erreichen lassen, daß die Diagnosen am Lebenden mit einer solchen Vollständigkeit gestellt werden können, da auch in den scheinbar klarsten Fällen stets Irrtümer möglich sein werden, so ist in jedem Fall eine Sektion erwünscht.

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Dadurch, daß in den Krankenhäusern regelmäßig Sektionen ausgeführt werden, wird den in den Krankenabteilungen beschäftigten Ärzten eine stetige Fortbildung zuteil, und diesem Umstand ist der große Zndrang ärztlicher Aspiranten zu den Krankenhausstellen zu verdauten. Sobald die Sektionen fortfallen würden, oder sobald sie in einer Weise ausgeführt werden würden, die den stetig steigenden Anforderungen der Wissenschaft nicht mehr genügt, müßte auch das Angebot an ärztlichen Arbeitskräften zurückgehen; gerade die tüchtigsten Ärzte würden sich von der Bewerbung um Kraukeuhausstelleu zurück­

ziehen, und es würde schwer werden, geeignete Kräfte zu gewinnen.

Aber auch ganz unabhängig vom Willen der behandelnden Arzte wäre eine regelmäßige Ausführung von Sektionen überaus wünschens­

wert. Der verstorbene Ministerialdirektor Althoff in Berlin hat einmal geäußert: „Die pathologischen Institute sind für die Arzte das, was für alle Staatsbeamten und Gemeindebeamten die Oberrechnungs­

kammern uud die Rechnungshöfe sind. Es ist die wichtigste und unentbehrlichste Kontrolle; diejenige Einrichtung, durch die das Gewissen jedes einzelnen Arztes auf das allerbedeutendste geschärst wird."

Schließlich ist aber die Aufgabe des pathologischen Anatomen nicht darauf beschränkt, nur am Toten die während des Lebens gestellte Diagnose zu kontrollieren. I n zahlreichen Fällen wird seine Hilfe auch in Anspruch genommen, um durch die mikroskopische Unter­

suchung festzustellen, welcher Natur Geschwülste oder Geschwulst­

partikel siud, die der Chirurg bei eiuem Kranken entfernt hat. Solche Untersuchungen werden im Rigaschen Stadtkrankenhause jährlich in nahezu 200 Fällen ausgeführt. Von dem Ausfall einer derartigen Untersuchung hängt dann oft das weitere therapeutische Vorgehen des Arztes ab.

Die Notwendigkeit, pathologisch-anatomische Untersuchungen anzu­

stellen, ist denn auch vou unserer Stadtverwaltung schon seit langer Zeit anerkannt worden. I m Jahre 1878 wurde das noch jetzt bei unserem Stadtkrankenhause bestehende Leichenhaus gebaut, uud als dauu in der Folgezeit die Bakteriologie eine bis dahin unbekannte Bedeutung für die praktische Medizin gewann, wurde im Jahre 1891 durch eiueu Erweiteruugsbau Raum, hauptfächlich für bakteriologifche Arbeiten, geschaffen.

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Über die Anzahl der Toten und Sezierten liegen mir erst vom Jahre 1883 au Daten vor. I n den Jahren 1883—1885 betrug die Zahl der im Krankenhause Verstorbenen: 373, 303, 322; in den Jahren 1907- 1909 dagegen: 1018, 1114, 1236; sie ist also auf das drei- bis vierfache gestiegen. Die Zahl der Sektionen (einschließlich der gerichtlichen Sektionen) betrug 1883—1885: 233, 233, 251;

in den Jahren 1907—1909 dagegen: 816, 884, 691; wozu ich bemerke, daß im Jahre 1909 infolge besonderer Umstände die Zahl der Sektionen lange keine so große gewesen ist, wie es wünschenswert gewesen wäre und wie sie unter normalen Umständen im Verhältnis zur großen Zahl der Sterbefälle hätte fein müffen. Also auch die Zahl der Sektionen ist, normale Verhältnisse vorausgesetzt, auf das drei- bis vierfache gewachsen. Trotzdem hat seit dem Jahre 1878 eine Erweiterung des Sektionslokals nicht stattgefunden, und es ist sür den gegenwärtigen Betrieb viel zu eng geworden. I n einem engen und niedrigen Zimmer stehen 2 Sektionstifche, und mehr lasten sich darin auch nicht unterbringen. I m Durchschnitt finden täglich allerdings auch nur 2 Sektionen statt. Aber naturgemäß schwanken die wirklichen Zahlen um dieses Mittel herum sehr bedeutend, so daß wir bis zu 9 Sektionen an einem Tage gehabt haben. Das sind allerdings Ausnahmen, aber 4 Sektionen an einem Tage kommen etwa jede Woche einmal vor, und auf eine solche Zahl müßte das Krankenhaus eingerichtet sein. Dazu ist aber ein Raum mit 4 Tischen erforderlich, denn aus Gründen, auf welche hier nicht eingegangen werden kann, ist es nicht möglich, die Leichen nacheinander aus dem Leichenanfbewahrranm in das Sektionslokal und nach beendeter Sektion gleich wieder zurückzuschaffen.

Es müßte also unbedingt eine E r w e i t e r u n g des jetzigen Sektionszimmers vorgenommen werden, was sich auch, wie mir scheint, ohne große Schwierigkeiten durch einen Ausbau bewerk­

stelligen läßt.

Eiu zweiter Übelstand ist der, daß die Wohnung des Jnstituts- dieners sich im Leichenhause besiudet, in dessen Keller beständig Leichen von Kraukeu liegen, die an ansteckenden Krankheiten gestorben sind.

Die traurigen Folgen hiervon haben sich denn auch schon gezeigt.

Der eiue Sohu des frühereu Juftitutsdieuers starb vor etwa 2 Jahren au Pocken; der zweite erkrankte vor einigen Monaten ebenfalls an

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Pocken, ist zwar genesen, hat aber ein pockennarbiges Gesicht und eine Ohreiterung nachbehalten; das dritte noch vorhandene Kind leidet an einer tuberkulösen Hüftgelenkserkrankung. Es ist also dringend erforderlich, daß die Wohnung des Jnftitntsdieners in ein anderes Haus verlegt wird. Durch das Freiwerden seiner Wohnung würden dann auch die Räume für bakteriologische, serologische und mikro- skopisch-histologische Arbeiten eine sehr wünschenswerte Erweiterung erfahren.

Auf eine Reihe anderer, weniger gravierender Mißstände des jetzigen Leichenhauses, welche bei einem Erweiterungsbau gleichzeitig abgestellt werden müßten, will ich hier nicht näher eingehen.

Gegenwärtig nuu wird auf dem linken Dünaufer ein zweites städtisches Krankenhaus gebaut, das allmählich bis zu derselben Größe anwachsen soll, wie das Krankenhaus in der Ritterstraße, und e s f r a g t s i c h , i n w e l c h e r W e i s e d a s s e l b e i n p a t h o l o g i s c h - a n a t o - M i s c h e r u n d b a k t e r i o l o g i s c h e r B e z i e h u n g v e r s o r g t w e r d e n soll. Diese Frage steht in engster Beziehung zur Beantwortung einer anderen Frage, auf welche ich jetzt eingehen muß.

Von Herrn I>r. v. Engelhardt ist nämlich die Idee angeregt w o r d e n , f ü r R i g a , u n a b h ä n g i g v o n e i n e m K r a n k e n h a u s , e i n z e n t r a l e s pathologisches Institut zu schaffen, das nicht nur die Bedürfnisse der Krankenhausärzte befriedigen, fondern dessen Wirksamkeit auch den in der Stadt praktizierenden Ärzten bezw. deren Patienten zugute kommen sollte. An der Spitze dieses Instituts müßte ein Arzt stehen, der sich nur mit pathologisch-anatomischen Arbeiten, nickt aber mit der ärztlichen Praxis beschäftigen dürfte.

Es ist ein großes Verdienst des Herrn Or. v. Engelhardt, an maßgebender Stelle Verständnis sür die Bedeutung der pathologischen Anatomie und Bakteriologie erweckt zu haben, aber ich glaube, daß die Art und Weise, in welcher den genannten Wissenschaften zu ihrem Recht verholfen werden soll, nämlich durch Schaffung eines patholo­

gischen Instituts, uuabhäugig von einem Krankenhause, höchst unprak­

tisch ist.

Jedes Krankenhaus muß eine Stelle haben, an welcher die in

demselben Verstorbeneu seziert werden können; denn man kann die

Leichen nicht aus deu verschiedenen Krankenhäusern in ein zentrales

Institut schaffeu. Für die im Anschluß an die Sektion auszuführenden

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mikroskopischen Gewebsuntersuchungen müssen gleichfalls alle Einrich­

tungen an Ort und Stelle vorhanden sein; denn dieselbe Person, welche die Sektion ausführt, muß auch die zugehörigen mikroskopischen Untersuchungen machen. Gerade dadurch, daß der Sezierende das von ihm mit bloßem Auge Gesehene unter dem Mikroskop kontrolliert, wird sein Auge für die makroskopisch sichtbaren Veränderungen geschärst. Hierzu kommt noch, daß eine Anzahl mikroskopischer Unter­

suchungen an frisch der Leiche entnommenem Material ausgeführt werdeu muß, das man alfo nicht erst in ein zentrales Institut trans­

portieren kann.

Auch bei den bakteriologischen Untersuchungen für die Sektionen ist es wünschenswert, daß sie vom Sezierenden selbst ausgeführt werden, ja manche einfachere bakteriologische Untersuchungen müssen unbedingt während der Sektion an Ort und Stelle gemacht werden, weil ihr Ergebnis für den weiteren Gang der Sektion von Wichtig­

keit sein kann.

Die mikroskopischen Gewebsuntersuchungen und die bakteriolo­

gischen Untersuchungen, welche für die Kranken nötig sind, könnten, soweit fie nicht von den betreffenden Abteilungsärzten selbst gemacht werden, schon eher einem zentralen Institut zugewiesen werden, aber auch hier ist es klar, wie sehr der ganze Mechanismus durch den Transport des Materials, durch die Rückbeförderung der Antwort kompliziert wird, namentlich da bei uns in Riga die Krankenhäuser so weit auseinanderliegen.

Jedes Krankenhaus braucht also sein eigenes pathologisches In­

stitut, und damit sällt das Bedürfnis nach einem derartigen Institut außerhalb eines Krankenhauses sort. Denn was sonst noch an Auf­

gaben für eiu zentrales Institut vorhanden wäre, ist verhältnismäßig geringfügig im Vergleich zu dem, was für die Krankenhäuser geleistet werdeu muß, und läßt sich leicht von dem einen der beiden künstigen Institute bewältigen. Sowohl das Pastenrinstitut (Präventiv­

i m p f u n g e n g e g e n H u n d s w u t ) , a l s a n c h d a s s t ä d t i s c h e U n t e r ­ such uugs am t (zur bakteriologischen Diagnose gemeingefährlicher Krankheiten) können einem der beiden pathologischen Institute ange­

gliedert werden. Auf diese Weise würde ein in gewissem Sinn

„zentrales" Institut geschaffen werden, das sich von dem des Herrn

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— 18 —

Dr. v. Engelhardt nur dadurch unterscheidet, daß es räumlich und verwaltungstechnisch zu einem Krankenhause gehört.

Auch einzelne der für die Krankenhausinsassen nötigen Unter- suchungen ließen sich an einer Stelle zentralisieren Ich denke hier vor allen Dingen an die Wassermannsche Syphilisreaktion, die einen ziemlich großen Apparat an Tieren und speziellen Instrumenten erfordert.

Es fragt sich nun, welches von den beiden in Betracht k o m m e n d e n K r a n k e n h ä u s e r n d a s „ z e n t r a l e " I n s t i t u t e r ­ halten s o l l ? Es ist ja wohl das Nächstliegende, daß das alte Krankenhaus, das auf ca. 700 Betten eingerichtet ist und zeitweilig, zu Epidemiezeiten, über 1000 Betten gehabt hat, diesen Vorzug ge­

nießen sollte, während das neue Krankenhaus zunächst nur mit 120 Betten eröffnet werden soll. Auch wegen seiner mehr zentralen Lage würde es sich, besonders zur Ausnahme des städtischen Untersuchungs­

amtes, besser eignen, als das neue. Leider muß aber auf diesen Ge­

danken verzichtet werden, da die Raumverhältnisse eine derartige Er­

weiterung des Leicheuhauses resp. einen Neubau nicht zulassen. Es bleibt also nichts übrig, als das „zentrale" Institut dem II. Kranken- Hanse anzugliedern.

Ich komme nuu zu dem Punkt, der mir der wesentlichste in dieser ganzen Frage zu sein scheint.

I m Stadtkrankenhanse werden die pathologisch-anatomischen und bakteriologischen Arbeiten von praktischen Ärzten als Nebenbeschäftigung betrieben. Mit diesem Modus muß gebrochen werden. Schon die sachgemäße Ausführung einer Sektion, ganz besonders aber die mikroskopischen und bakteriologischen Untersuchungen erfordern heut­

zutage eine solche Menge sozialistischer Kenntnisse, daß sie nur v o n d e m z u r Z u f r i e d e n h e i t g e l e i s t e t w e r d e n k ö n n e n , w e l c h e r s i c h a u s ­ schließlich mit diesen Dingen beschäftigt. I n Deutschland ist denn auch in Städten, die sich der Größe Rigas nähern, dieses Prinzip, soweit ich darüber orientiert bin, allgemein durchgeführt. I n Char­

lottenburg (239,559 Einwohner)*) sind am pathologischen Institut 1 Prosektor und 2 Assistenten angestellt, in Nürnberg (294,426 Einw.) 1 Prosektor, die Zahl der Assistenten ist mir unbekannt. Von allen diesen Ärzten ist es ganz selbstverständlich, daß sie sich nicht mit der Tie Einwohnerzahlen sind nach der Zählung vom 1, Tezember 1903 angegeben.

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— 19 —

ärztlichen Praxis beschäftigen. Beide Prosektoren haben in der wissenschaftlichen Welt einen guten Ruf. I n Berlin (2,040,148 Einw.) haben die städtischen Krankenhäuser am Friedrichshaiu, am Urban, Moabit uud das Virchow-Kraukeuhaus, trotzdem daß in der Charite sich vielleicht das besteingerichtete pathologische Institut der Welt be­

findet, doch jedes sein eigenes pathologisches Institut mit zünftigen pathologischen Anatomen an der Spitze. Aber auch iu Städten, die kaum halb so groß siud wie Riga, gibt es Prosektoren, die ausschließlich in ihrem Spezialgebiet tätig sind, so in Barmen (156,080 Einw.), Braunschweig (136,397 Einw), Zwickau (68,502 Eiuw.).

Über russische Städte habe ich nur wenig in Erfahrung bringen können. Ich kann Ihnen nur mitteilen, daß der Prosektor des Nishni-Nowgoroder Land)chaftskrankenhanses ein Gehalt von 2300 Rbl.

erhält, und daß Odesfa einen Bakteriologen von Weltruf besitzt (Gamaleja) uud auch schon damals besaß, als die Odessaer Universität noch keine medizinische Fakultät hatte. Über sein dienstliches Ver­

hältnis zu einer kommunalen oder staatlichen Institution weiß ich aber nichts.

Wenn ich Ihnen nun praktische Vorschläge darüber machen soll, w i e d e r ä r z t l i c h e D i e u s t a n d e n p a t h o l o g i s c h e n I n s t i t u t e n der beideu Krankenhäuser organisiert werden soll, so muß ich mich dafür aussprechen, daß jedes von ihnen einen Prosektor er-- hält, der gleichzeitig Bakteriolog ist und dem die Beschäftigung mit ärztlicher Praxis untersagt, die Ausführung pathologisch-anato­

mischer und bakteriologischer Arbeiten in privatem Austrage dagegen gestattet sein muß. Die Anstellung von Assistenzärzten würde dann vorläufig nicht erforderlich sein. Erst später, wenn die Anzahl der Betten im zweiten städtischen Krankenhause größer wird, wird im dortigen pathologischen Institut ein Assistent nötig werden.

Einen einzigen Prosektor mit der erforderlichen Anzahl von

Assiste n t e n f ü r b e i d e K r a n k e n h ä u s e r a n z u s t e l l e n , h a l t e i c h n i c h t f ü r

möglich, obgleich dieses billiger wäre. Die Sektionen müssen in der

Regel in den Vormittagsstunden gemacht werden, einerseits der

Tagesbeleuchtuug wegen, andererseits, weil zu dieser Zeit die Ab-

teiluugsärzte, .welche meist der Sektion beizuwohnen wünschen, im

Krankenhause anwesend sind. Bei der großen Entfernung der beiden

Krankenhäuser voneinander dürste es an folcheu Tagen, wo eine

(19)

— 20 —

größere Zahl von Sektionen zu machen ist, nicht möglich sein, daß der Prosektor die mit der Ausführung der Sektionen betrauten Assistenten in genügender Weise kontrolliert. Auch dürfte es bei uns oft auf Schwierigkeiten stoßen, Assistenten sür diese Posten zu bekommen.

Falls, nach meinem Vorschlag, für jedes der beiden großen Krankenhäuser ein Prosektor angestellt wird, so könnte dem am neuen Krankenhaus angestellten aufgetragen werden, auch die Sektionen und sonstigen Untersuchungen für das Kinderhospital auszuführen, soweit die dortigen Ärzte es wünschen, und ebenso könnte der Pro­

s e k t o r a m a l t e n K r a n k e n h a u s e d e r a r t i g e V e r p f l i c h t u n g e n a m L e p r o - sorium übernehmen.

Zum Schluß noch einiges über den Kostenpunkt. In einer Berechnung, die Herr Stadtrat Di-. Heerwagen, unter Hinzuziehung von I)r. Schabert, Dr. Praetorius und meiner Person, angestellt hat, kam er zum Schluß, daß das pathologische Institut am

II.

Stadtkrankenhaus auf etwa

50,000

Rbl. zu stehen kommen würde, wobei berücksichtigt war, daß ein Teil der Einrichtung schon vor­

handen ist, oder wenn man die Anschaffungskosten für diefe mit­

rechnet, auf

55,000

Rbl. Hierbei war auf die Einrichtung eines Pafteurinstituts Bedacht genommen, fowie auf die Möglichkeit, auch für Nichtinsassen des Krankenhauses bakteriologische Untersuchungen auszuführen. Ungefähr zu demselben Resultat gelange ich, wenn ich mich danach umsehe, wieviel in neuerer Zeit die Anlage solcher Institute in anderen Krankenhäusern gekostet hat.

Das in der Bauperiode

1901—1906

erbaute pathologische In­

stitut des Krankenhauses St. Georg in Hamburg kostet mit der Ein­

richtung

183,000

Mark, wobei die Stallungen für gesunde Versuchs­

tiere nicht mitgerechnet sind. Diese wären noch mit einigen tausend Mark zu veranschlagen. Hierbei ist zu bemerken, daß das Kranken- Hans St. Georg nur eines der beiden großen Krankenhäuser Ham­

burgs ist; das zweite, das Eppendorfer, hat ebenfalls ein vorzüglich

eingerichtetes pathologisches Institut. Ein drittes großes Krankenhaus

soll in diesem Jahre in Barmbeck eröffnet werden. Das Kranken-

Hans St. Georg ist für

1600

Betten eingerichtet, das

II.

Rigafche

Krankenhaus soll nur bis zu

700

Betten anwachsen, und das hier

zu errichtende pathologische Institut kann also natürlich bedeutend

kleiner sein. Es könnte sür Riga wohl auch manches fortfallen, was

(20)

— 61 -

in S t . Georg vorhanden ist, nämlich ein Vorlesungssaal und etu chemisches Laboratorium. Andererseits würde für Riga hinzukommen das Pasteuriustitut, das aber nur wenig Raum beansprucht. Hal­

biert mau also die Kosten sür das Institut S t . Georg — 183,000 Mark und fügt 10,000 Rbl. hinzu, weil ein halb fo großes Krankenhaus ein mehr als halb fo großes Institut braucht, so erhält man 55,000 Rbl., also genau dieselbe Summe, welche auch Herr Stadtrat Dr. Heer­

wagen ermittelt hat.

Einen guten Vergleich bietet ferner das städtische Krankenhaus in Nürnberg. Es ist im Jahre 1897 eröffnet, hat 1907 990 Betten gehabt, ist also etwas größer, als jedes unserer Krankenhäuser seiu soll. Die Zahl der Todesfälle und der Sektionen ist auffallend klein:

im Jahre 1907 nur 504 Todesfälle, währeud wir im felben Jahre 1018 gehabt haben. Der Sektionssaal hat 1000 Quadratfuß Boden­

fläche, derjenige in unserem Leichenhause nur 294 Quadratfuß. Bei der Erbauung des pathologischen Instituts am II. Krankenhause brauchen wir den Sektionssaal nicht ebenso groß anzulegen, vielmehr dürften 600—700 Quadratsuß Bodenfläche genügen. Dagegen müßten die übrigen Räumlichkeiten, falls man ein Pastenrinstitut und ein städtisches Untersnchuugsamt dort einrichten will, etwas größer sein als in Nürnberg. Auch ist für den Vergleich wichtig, daß das Nürnberger Leichenhaus keine Kapelle besitzt, die bei unserem II. Krankenhause ja wohl nötig sein wird. Das Nürnberger Leichen- Hans kostet nun ohne Einrichtung 63,000 Mark. Rechnet man hinzu noch sür den Tierstall 10,000 und für die Einrichtung 30,000 Mark (nämlich ungefähr so viel, wie in dem gleich zu erwähnenden Char­

lottenburger Krankenhause), so ergäbe das 103,000 Mark — ca.

50,000 Rbl. oder, wenn man für die Kapelle noch 5000 Rbl.

hinzufügt, ebenfalls 55,000 Rbl.

Zu einer höheren Zahl gelangt man, wenn man Charlottenburg zum Vergleich heranzieht. Die Stadt Charlottenburg, kleiner als Riga, wird in bezug auf die Versorgung ihrer Kranken sehr entlastet durch die leicht erreichbaren Universitätskliniken in Berlin. I n Charlottenburg gibt es 2 städtische Krankenhäuser: das alte Krankenhaus, in welchem gegenwärtig nur noch die geburtshilfliche und die Abteilung für Haut­

krankheiten und Syphilis untergebracht sind, mit 140 Betten und mit 30 Sektionen im Jahr, und das neue Westend-Krankenhaus, im Jahre

(21)

- 22 —

1904 eröffnet, mit 662 Betten und nahezu 700 Sektionen jährlich.

Die wenigen Sektionen im alten Krankenhause werden vom Prosektor des neuen Krankenhauses im alten Krankenhanse ausgeführt, die weitere mikroskopische Verarbeitung des Sektionsmaterials erfolgt ganz im neuen Krankenhause. Das pathologische Institut des neuen Kranken­

hauses hat mit der Einrichtung 197,000 Mark gekostet, wozu noch 11,500 Mark für den Tierstall kommen, also im ganzen 208,500 Mark — ca. 100,000 Rbl. I n bezug auf die Zahl der zu erwartenden Sektionen ist es dem zu erbauenden II. Rigaschen Krankenhaus gleichzusetzen.

Fortfallen konnte das ziemlich große chemische Laboratorium, und auch sonst könnte einiges bescheidener eingerichtet werden. Andererseits wird das bakteriologische Laboratorium als zu eng empfunden. Ich bemerke noch, daß das ganze Charlottenburger Westend-Krankenhaus sehr teuer gebaut ist; es kostet pro Bett ca. 10,000 Mark, während das Krankenhaus S t . Georg, das Eppendorfer und das Nürnberger Krankenhaus bloß ca. 4000 Mark pro Bett kosten.

Berücksichtigt man alles eben Gesagte, so kommt man zu dem Schluß: wenn das pathologische Institut im Westend-Krankenhaus 100,000 Rbl. gekostet hat, so müßte dasjenige im II. Stadtkrankenhaus ca. 75,000 Rbl. kosten.

Also 55,000 bis 75,000 Rbl. wären wohl erforderlich.

Da es hier nur auf eine ungefähre Schätzung ankommt, habe ich den Umstand außer acht gelaffeu, daß sich die Kosten in Riga für viele Artikel höher, für manche vielleicht niedriger stellen dürften als in Deutschland, und muß es den Bautechnikern überlassen, hier die nötige Korrektur anzubringen.

Gegenüber den Kosten für den Neubau im II. Krankenhaus kommen die Kosten für eine Erweiterung des Leichenhauses im alten Krankenhause wohl nicht in Betracht; sie dürften nur einige tausend Rubel betragen.

(22)

— 23 —

stielen un6 viskullion.

A b e l e n .

1. Ein gut eingerichtetes pathologisches Institut gehört zu den unbedingten Erfordernissen eines jeden größeren Krankenhauses.

2. Von der Einrichtung eines zentralen pathologischen Instituts, unabhängig von einem Krankenhause, ist für Riga Abstand zu nehmen.

3. Dagegen könnte das im II. städtischen Krankenhause zu er­

richtende pathologische Institut iu gewissem Sinne zu einem „zentralen"

werden, indem hier diejenigen Einrichtungen geschaffen werdeu, welche nicht nur den Insassen des Krankenhauses, sondern der ganzen Be­

völkerung zugute kommen.

4. Als derartige Einrichtungen wären zunächst ins Auge zu fassen: ein Institut für präventive Impfungen gegen Hundswut uud ein Institut zur Ausführung bakteriologisch-diagnostischer Untersuchungen bei gemeingefährlichen Krankheiten. Diese Impfungen und Unter­

suchungen müßten nötigenfalls unentgeltliche sein.

5. Als leitende Ärzte an den pathologischen Instituten dürfen nicht praktische Ärzte angestellt werden, welche die pathologische Ana­

tomie und Bakteriologie nur als Nebenbeschäftigung betreiben, sondern es müssen spezialistisch ausgebildete und nur in ihrem Spezialfach tätige Kräfte dafür gewonnen werden.

v i 8 k u s s i o n.

An der Diskussion beteiligten sich, außer dem Präses, Herr Stadt­

haupt G. Armitstead, die Herreu VI);-, med. A. Berkholz, A. Bertels, R. Baron Engelhardt, Fr. Hach, Stadtrat R. Heerwagen, P . Klemm, G. v. Knorre, P . Praetorins und A. Schabert.

Z u d e n T h e s e n I b i s 3 . B e i m M e i n u n g s a u s t a u s c h ü b e r d i e s e Theseu stellte sich heraus, daß ein Institut der von den Vortragenden geschilderten Art von den Ärzten in Riga längst als dringendes Bedürfnis empfunden und seiue Errichtung herbeigewünscht worden.

Die Anträge der Redner wurden daher allseitig mit lebhaftester Zustimmung aufgenommen, nicht nur im Interesse der städtischen Krankenhäuser und der an ihnen tätigen Ärzte, sondern auch im Hinblick auf das Bedürfnis der Privatärzte, ein prompt arbeitendes Institut sür diagnostische Zwecke zur Verfügung zu haben. Tie

(23)

- 24 —

Angliedernng desselben an eines der städtischen Krankenhäuser wurde am zweckmäßigsten befunden. In bezng auf die Größe, den Charakter und Aufgabeukreis des Instituts trat

Di-,

v. Engelhardt dafür ein, nicht ausschließlich den Zusammenhang mit den Krankenhäusern und die Rücksicht auf deren Bettenzahl bestimmend sein zu lassen, dem Institut vielmehr einen möglichst selbständigen und wissenschaftlichen Charakter zu geben, weil beim heutigen Stande der Medizin der praktische Arzt zur Kontrolle seiner Tätigkeit, wie auch zu Fort- bilduugszwecken immer mehr auf komplizierte bakteriologische Unter­

suchungen, auch Tieruntersuchungen und biologische Forschungen ange­

wiesen sei (man denke z. B. an die moderne Krebsforschung), insbe­

sondere aber weil für die nächste Zukunft eiue erhöhte Bedeutung der Serologie für die therapeutische Arbeit des Arztes zu erwarten sei; in allen diesen Richtungen erwachsen immer wieder neue experi­

mentelle Ausgaben; es gelte daher, hierfür zeitig Vorsorge zu treffen, damit unsere hiesigen Ärzte in Zukunft nicht mehr lediglich auf aus­

ländische Literatur angewiesen und den neuen Forschungswegen gegen­

über eine bloß abwartende Stellung einzunehmen genötigt seien.

Käme es nun außerdem, nach dem sehr nachahmenswerten Beispiele Estlands, in Zukunft auch in Livland zur Zerlegung des flachen Landes in Sanitätsbezirke und damit zu einer geregelteren Sanitäts­

pflege, so würde ein auf größere Ausgaben eingerichtetes Institut auf dem Gebiet der sozialen Medizin, Seucheusrage ?c. um so schätz­

barere Dienste leisten. Hiergegen wird indessen geltend gemacht, daß

der Stadtverwaltung nicht die Aufgabe zufallen könne, Institute für

selbständige wissenschaftliche Forschungen ins Leben zu rufen, für die

man hier überdies auch nicht die erforderlichen Lehrkräfte finden

würde; die Errichtung solcher Institute, an sich gewiß auch für Riga

sehr wünschenswert, bleibt auf Spezialstiftnngen angewiesen. Solange

vollends die Befriedigung so mancher wichtiger praktischer Bedürfnisse

unserer städtischen Krankenhäuser immer noch am Kostenpunkte scheitert,

dürften die Mittel der Stadt nicht für weiter abliegende Zwecke

belastet werden. Sollte es sich aber zugleich um Bedürfnisse des

Landes handeln, so könnte hierbei, falls nicht aus Staatsmitteln das

Nötige gegeben wird, die Stadt allenfalls nur gemeinsam mit der

Landschaft vorgehen. Dagegen findet vi-, v. Engelhardts Idee insofern

Unterstützung, als dafür plädiert wird, dem neuen Institut eine

(24)

— 25 —

erweiterungsfähige Gestalt zu geben. Ebenso wird die Wichtigkeit ärztlicher/Fortbildung betont, dereu uugenügendem Staude es zuzu- schreiben sei, daß es bei uns an Kontakt zwischen den im Labora­

torium arbeitenden und den in der Privatpraxis tätigen Ärzten viel­

fach noch fehle und von den letzteren daher das Untersuchungsmaterial häufig in mangelhaftem Zustande iu das Krankenhans gelange. I m übrigen wird dankbar anerkannt, daß auch bisher schou im Rig.

Stadttrankenhause jungen Medizinern nach Möglichkeit Gelegenheit zur Fortbildung geboten worden. Daß das neu zu projektierende Institut auch auf Antrag von Privatärzten, jedoch gegen Entrichtung einer; Gebühr, Untersuchungen ausführe, wird als durchaus wüufcheus- Wert^ hingestellt, auch bediuge das keine sehr wesentliche Raumver­

größerung. Für Vorträge und Fortbildungskurse habe die Krankenhaus- Verwaltung-sich schon bereit erklärt, Räume im 1. Stadtkrankenhause zur Verfügung zu stellen. Was das gleichfalls zur Sprache kommende Fehlen eines chemischen Laboratoriums für feinere Untersuchungen am Rig. Krankenhause anlangt, so wird darauf hiugewiefeu, daß dergleichen Laboratorien, wo sie in Deutschland bestehen, meist nur schr wemg Benutzer finden.

i .Zur Frage, ob das zu errichtende Institut dem I. Stadtkraukeu­

hause ^Ritterstraße) oder dem neu zu eröffnenden Krankenhause iu der Mitauer Vorstadt zweckmäßiger anzugliedern sei, wird hervor­

gehoben, daß die günstigere Lage des alten Krankenhauses für eiueu Anschluß an dieses spreche. Voraussetzung dafür wäre allerdings die Hinzuziehung neuer Flächen zum Krankenhausareal. Andererseits bietet das auf der linken Dünaseite belegene neue Krankenhaus durch den LeickKch verfügbareu Flächenraum doch unverkennbare Vorzüge, so daß die Platzfrage sich einstweilen noch nicht entscheiden läßt.

- Zu These 4. Zu dieser im allgemeinen schon in der voran­

gegangenen Diskussion zustimmend erledigten These wird hinsichtlich d e r E r r i c h t u n g e i n e s I n s t i t u t s f ü r H u n d s w u t i m p f u n g e n i n .Riga!noch folgendes bemerkt. Wie die Verhältnisse in Westeuropa zeigen, -kau» die Hundswut unschwer ganz ausgerottet werdeu. I u England kommt sie z. B. überhaupt nicht mehr vor, in Deutschland nur noch vereinzelt uud auch nur im Osten, und ihre Ausbreitung wird daun durch sofortige Verhängung der Huudefperre verhindert, indem jeder ohne Maulkorb und Leine fich zeigende Hund getötet

(25)

— 26 —

wird. Daher bedarf man dort auch keiner Institute für Hundswut­

impfungen. Anders bei uns, wo man die Ausrottung der Hundswut unterläßt und dann nachher genötigt ist, die Gebissenen zu schützen, ungefähr so, als ob ein Chirurg die Sterilisierung des Verbandmaterials verabsäumt und dann Mengen von Karbolsäure anschafft. Allein, da wir nicht legislatorisch vorgehen können, haben wir mit dem Be­

stehen der Hundswut zu rechnen. Die Anlagekosten eines Pastenr- instituts würden, wenn dieses als Bestandteil eines allgemeinen bakteriologisch-serologischen Instituts angelegt wird, aus nicht mehr als ca. 5000 Rbl. zu veranschlagen sein. Vorzusehen ist dabei natürlich auch der erforderliche Stall. Tie Impfungen selbst könnten in der Krankenhausambulanz ausgeführt werden. Die Betriebskosten dürften, da das Personal ohnehin vorhanden sein wird, nicht hoch sein. Die Gründung eines solchen Instituts sür Huudswutimpfungen

wird daher für Riga empfohlen.

Z u T b e s e 5 . A u c h d i e s e r F o r d e r u n g w i r d a l l g e m e i n z u g e s t i m m t und ihre Erfüllung als unerläßliche Bedingung für erfolgreiche Wirk­

samkeit des Instituts bezeichnet, da nur die Spezialisierung ein Fort­

schreiten mit der Wissenschaft und zumal mit der ungeheuer an­

wachsenden bakteriologischen Literatur, ganz abgesehen von den viel Zeit fordernden eigenen Versuchen, ermöglicht. Aus diesem Grunde ist für jedes der beiden, an den zwei Stadtkrankenhäusern vorzu­

s e h e n d e n I n s t i t u t e d i e A n s t e l l u n g e i n e r b e s o n d e r e n s p e z i a l i s t i s c h e n A r b e i t s k r a f t , ohne Privatpraxis, in Aussicht zu nehmen. Von diesen Medizinern könnte der eine vorwiegend pathologischer Anatom, der andere vorwiegend Bakteriolog sein, wobei jeder für sein Krankenhaus die lausenden Angelegenheiten der einen wie der anderen Branche zu erledigen hätte und jeder den anderen nach Bedarf zu Rate ziehen könnte. Weuu dieses der Ausaugsetat, so würde iu vielleicht schon baldiger Zukunft eine Teilung der beiden Arbeitszweige sich doch wohl als notwendig erweisen und den Instituten wesentlich zugute kommen, dergestalt also, daß für jedes derselben ein Anatom und eiu Bakteriolog angestellt würde, besonders auch deshalb, weil uuter unseren Ver­

hältnissen, wo es hierin auf der Universität Dorpat ganz ungenügend bestellt ift, auf die Beschaffung geeigneter Assistenten nicht gerechnet werden kann.

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