Das Modell-Projekt „Forschen (lernen) für die Praxis!“, durchgeführt an der Universität Duis- burg-Essen, beschäftigt sich in doppeltem Sin- ne mit Forschung. Als Projektseminar, das mit dem Konzept des Forschenden Lernens arbei- tet, nimmt es Forschung als Methode. Als Lehr- veranstaltung im Inhaltsbereich der Methoden empirischer Sozialforschung hat es Forschung gleichzeitig zum Gegenstand.
Ausgangspunkt und Zielsetzung
Ansätze Forschenden Lernens stoßen bei der Umsetzung in den verschiedenen Disziplinen häufig auf nicht ausreichende Forschungskom- petenz bei den Lernenden. Dies liegt oft in nur rudimentärer curricularer Verankerung oder vom disziplinären Kontext weitgehend isolier- ter Vermittlung von Forschungsmethoden be- gründet. Das Modell-Projekt „Forschen (lernen) für die Praxis!“ greift dieses Desiderat auf: Es schlägt eine forschungspropädeutische Brücke zum Forschenden Lernen, erschließt dieses am eigenen Gegenstand „Forschungsmethoden“
und legt eine methodische Basis für weitere Vorhaben Forschenden Lernens im Studienver- lauf. Dabei werden Studieninhalte der je eige- nen Disziplin mit Forschungsfragestellungen verknüpft, die von Kooperationspartner_innen aus einschlägigen Praxisfeldern stammen.
Die Studierenden kommen bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit ihren Auftraggeber_
innen aus Einrichtungen ihrer Fachrichtung und deren Fragestellungen in Kontakt, präzi- sieren die Aufgabenstellung, machen Zeitpläne und beginnen die empirische Bearbeitung zu- nächst zu konzipieren, dann umzusetzen, aus- zuwerten und schließlich die Ergebnisse darzu- stellen. Das begleitende Projektseminar steht dabei vor mehrfachen Herausforderungen: Es muss die Aneignung von Fachinhalten unter- stützen, entsprechend der jeweiligen Prozess-
abschnitte proaktiv und „on demand“ ausrei- chendes Basiswissen über Forschungsmethoden vermitteln und die Projektförmigkeit der ver- schiedenen Vorhaben begleiten. Die größte Herausforderung besteht darin, die systema- tisch erzeugten „time lags“ zwischen Wissen benötigen bzw. etwas können müssen und Wissen haben bzw. handeln können konstruk- tiv durch die Initiierung und Begleitung von Selbstlernprozessen zu schließen und notwen- dig auftretende Unsicherheiten in zielgerichte- tes Vorgehen überzuleiten.
Methodisch-didaktisches Szenario
Die einzelnen Sitzungen des Projektseminars werden je nach Bedarf für Inputphasen, Arbeit in den Projektgruppen, Beratung der Gruppen etc. genutzt. Folgende didaktische Elemente sind zentral: (1) die Arbeitsformen im Seminar, (2) die Gewinnung tragfähiger Projektgruppen, (3) die bedarfsgeleitete Wissensvermittlung, (4) die prozessbegleitende Kommunikation.
Zu (1): Im Projektseminar kommen folgende Arbeitsformen zum Einsatz:
Plenum: Erarbeitung von methodischen und methodologischen Grundlagen, Diskussion methodischer Fragestellungen Selbstgesteuerte Eigenarbeit in der Projektgruppe: Erarbeitung inhaltlicher Grundlagen für die spezifischen Projekte, Entwicklung eines Erhebungsinstruments, Durchführung einer empirischen Studie in der ausgewählten Einrichtung, Auswer- tung und Präsentation der Ergebnisse, Verfassen eines Projektberichts Beratung und Feedback für Projekt- gruppen
Ergebnispräsentation: Abschlusstagung mit allen Projektgruppen und Vertretern der Einrichtungen
Zu (2): Das Seminar beginnt im Plenum mit ei- nem Einstieg ins Thema und ins Projektarbeiten.
In der großen Runde stellen sich beteiligte Ko- operationseinrichtungen vor und präsentieren ihre Untersuchungsanliegen bzw. Projektideen.
Danach erarbeiten Lehrende und Studierende gemeinsam, wie man methodisch an die ein- zelnen Vorhaben herangehen kann, und er- schließen dabei erste forschungsmethodische Grundkenntnisse (z. B. Gütekriterien, Untersu- chungstypen, Forschungsdesigns, forschungs- logische Abläufe/Untersuchungsphasen). Es ist didaktisch bedeutsam, dass die Studierenden erst dann die Zusammenarbeit in Projektgrup- pen beginnen, wenn für alle durchzuführenden Projekte grundlegende Fragen geklärt und alle Projektideen konkretisiert wurden: Zum einen, damit Ideen und Erfahrung aller in die wichtige Konzeptionsphase einfließen, zum anderen da- mit der „Forscherblick“ an mehreren Vorhaben erweitert und geschärft wird.
Zu (3): In herkömmlichen Veranstaltungen im Bereich Forschungsmethoden empfinden Stu- dierende den Stoff häufig auch deshalb als schwierig, weil ihnen zum einen die Relevanz des Themas nicht bewusst wird und ihnen zum anderen die Anwendbarkeit in ihren Zielberu- fen nicht gegeben scheint. Um diesen Umstand vorab auszuhebeln, werden die Studierenden im Projekt zunächst durch die Vorstellung der Einrichtungen, Ausgangslagen und Projektide- en mit der Gewissheit versorgt, dass das ge- meinsame Vorhaben relevant und real sein wird. Erst danach beginnen die Arbeitsgruppen mit der Arbeit an ihren konkreten Forschungs- vorhaben. Darüber hinaus wird der gemeinsa- me Lernweg durch Aufgaben strukturiert, die für die Studierenden herausfordernd aber machbar sind, wie „Formulieren Sie eine For- schungsfrage!“, „Entwerfen Sie ein erstes Erhe- bungsinstrument!“ etc. Die Studierenden kom- men so rasch an einen Punkt, an dem sie
Ein forschungspropädeutischer
Brückenschlag als Beitrag zum Erfolg Forschenden Lernens. Das Modell-Projekt
Forschen (lernen) für die Praxis!
Universität Duisburg-Essen
Informationen benötigen (denn sie stehen bei
„ihren“ Einrichtungen im Wort), um weiterar- beiten zu können. Auf diese Weise wird Erfah- rungslernen mit Input verbunden, wenn ein Bedarf besteht.
Zu (4): Als zentrale Kooperationsplattform wird das Content Management System „Moodle“
eingesetzt, welche als zentraler Speicher für alle Projektdokumente dient. Von Beginn des Seminars an läuft jede schriftliche Kommunika- tion mit und zwischen den Seminarteilnehmen- den über die „Moodle“-Plattform. Auf diese Weise bleiben alle ausgetauschten Informati- onen auf der Plattform sichtbar und können konstant eingesehen werden. Die so erzeug- te Prozesstransparenz und Verfügbarkeit von Informationen und Material begünstigt die Raum-Zeit-unabhängige Kooperation unter di- versen Studien- und Lebensbedingungen.
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