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Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private

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Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private

1. Bericht von Professor Dr. Fritz Ossenbähl, Bonn*)

I. Themenabgrenzung 138 II. Erfüllungsmodalitäten 145

1. Der Staat im Gewand des Privatrechtssubjekts . . . . 145 2. Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf Private . . 147 3. Abbürdung von Verwaltungsaufgaben auf Private durch

Statuierung von öffentlichrechtlichen Bürgerpflichten

(Verwaltungsobliegenheiten) 149 4. Staatsentlastendes Privathandeln unter staatlicher

Aufsicht 149 5. Staatlich stimuliertes und gefördertes Privathandeln . . 149

6. Staatlich-privates Kondominium (Kooperation) . . . . 149

III. Staatlicher und privater Kompetenzbereich 150 IV. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit und Grenzen der

Verwaltungshilfe Privater 159 Verhältnis: Staat — Privater 159 1. Verfassungsstrukturelle und verfassungsorganisatorische

Grenzen 159 a) Demokratiegebot 159

b) Der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG . . . _1_61

c) Die Kompetenzregelung der Art. 83 ff. GG 162 d) Organisationsrechtliche Sperrwirkungen des Rechts-

staatsprinzips und der Grundrechtsgarantien . . . . 164

e) Das bundesstaatliche Kompetenzproblem 165

2. Formelle Schränken 168 3. Private Verwaltungshilfe im Spiegel der Grundrechte .

a) Abwehr lästiger Verwaltungshilfe 175

*) Die in Klammern [ ] gesetzten Teile der Ausführungen konn- ten aus Zeitgründen nicht vorgetragen werden und sind auch nicht in die Thesen einbezogen.

(2)

b) Ansprüche auf Übertragung von Verwaltungs-

funktionen 185 c) Schutz gegen Entziehung von Verwaltungsfunktionen

und Anspruch auf Entschädigung 189 V. Die Ausgestaltung der Drittbeziehungen 192

Verhältnis: Staat/Privater —Drittbetroffener 192

1. Grundrechtsbindungen 192

2. Rechtsschutz 193 a) Prozessuale Fragen 193

b) Sicherung des Zugangs zu mediatisierten Staats-

leistungen 195 3. Haftung 196 VI. Abschließende Bemerkungen 201

I. Themenabgrenzung

1. Wer über die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private nachdenkt, dem wird sogleich der Gedanke an den sog.

beliehenen Unternehmer in den Sinn kommen. Die gestellte Problematik würde jedoch ungebührlich verkürzt und falsch akzentuiert, wollte ich mich in den folgenden Ausführungen auf einige Variationen zu dem alten Thema der Beleihung1) be-

') Vgl. aus der älteren Literatur namentlich: Otto Mayer, Deut- sches Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1917, Zweiter Band, S. 180 ff., 431 ff.; 3. Aufl. 1924, Zweiter Band, S. 95 ff., 243 ff.; Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1919, S. 245;

Walter Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931, Nachdruck 1966, S. 526; Friedrich List, Verwaltungsrecht technischer Betriebe, 1955, S. 68 ff.; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl. 1928, Nachdruck 1960, S. 341 ff. — Aus dem neueren Schrift- tum: Klaus Vogel, öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand,

1959; Jürgen Terrahe, Die Beleihung als Rechtsinstitut der Staats- organisation, Diss. Münster 1961; Hermann Ganse, Die öffentliche Indienststellung Privater als Rechtsinstitut der Staatsorganisation, Diss. Kiel 1967; Hubert Mennacher, Begriffsmerkmale und Rechts- stellung der mit öffentlicher Gewalt beliehenen Hoheitsträger des Privatrechts (Beliehene Private), Diss. München 1963; Peter Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963; Hans Peter Ipsen, Gesetzliche In- dienstnahme Privater für Verwaltungsaufgaben, in: Um Recht und Gerechtigkeit, Festgabe für Erich Kaufmann, 1950, S. 141 ff.; der- selbe, Die gesetzliche Bevorratungspflicht Privater, AöR 90 (1965) S. 393 ff.; Wolf gang Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967; Wolf gang Siebert, Rechtsstellung und Haftung der Technischen Überwachungsvereine im Kraftfahrzeug- prüfungswesen, 1957; Ernst-Rudolf Huber, Wirtschaftsverwaltungs- recht I, 2. Aufl. 1953, §§ 46 ff.; derselbe, Beliehene Verbände, DVB1.

1952, 456 ff.; Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964, S. 317 ff.;

Gerth, Die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch juristische Personen des Privatrechts, DÖD 1955, 2 ff.; Hans J. Wolff, Verwal-

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tungsrecht II, 3. Aufl. 1970, § 104; Hans Heinrich Rupp, Privateigen- tum an Staatsfunktionen? 1963; Hans Peters, öffentliche und staat- liche Aufgaben, in: Festschrift für H. C. Nipperdey II, 1965, 877 ff.;

Herbert Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort der „staatlich gebundenen", Berufe, Diss, Köln 1968, S. 79 ff.; Karl-Heinz Arendt, Übertragung nicht-hoheitlicher Aufgaben, DV1949,147 ff.; Prodromos Dagtoglou, Der Private in der Verwaltung als Fachmann und In- teressenvertreter, 1964; derselbe, Die Beteiligung Privater an Ver- waltungsaufgaben, DÖV 1970, 532 ff.; Wilhelm Herschel, Staatsent- lastende Tätigkeit im Arbeitsschutz, in: Festschrift für H. C. Nipper- dey, Bd. II, 1965, S. 221 ff.; Roman Herzog, Artikel „Beliehener Un- ternehmer", in: Ev. Staatslexikon, 1966, Sp. 145 f.; Hugo Vogel, Die Indienstnahme privater Unternehmen f ü r Zwecke der Arbeitsver- mittlung, BB 1962, 681 ff.; Udo Steiner, Der „beliehene Unterneh- mer", JuS 1969, 69—75; derselbe, öffentliche Verwaltung durch Private, DÖV 1970, 526 ff.; Jürgen Brand, Die Rechtsstellung des Beliehenen, Diss. Münster 1953; Hans Peters/Fritz Ossenbühl, Die Übertragung von öffentlichrechtlichen Befugnissen auf die Sozial- partner unter besonderer Berücksichtigung des Arbeitszeitschutzes, 1967, S. 38 ff.; Fritz Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grund- gesetz, 1968, S. 427 ff.; Wilhelm Reuß, Die Organisation der Wirt- schaft, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte III/l S. 91 (130 ff.); Winfried Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwal- tung, 1969, passim, bes. S. 202—224; Klaus Stern, Zur Problematik des energiewirtschaftlichen Konzessionsvertrages AöR 84, 153 ff.;

Gress, Hoheitliche Verwaltung durch juristische Personen des Pri- vatrechts, SKV 1967, 122 ff.; Foerster, Können Hoheitsträger ihre Aufgaben auf Privatpersonen übertragen? SKV 1967, 198 ff.; Arnold Köttgen, Der Einfluß des Bundes auf die deutsche Verwaltung, JöR NF 3, 114; 11, 290 ff.; Theodor Maunz, Über die Rechtsnatur der Technischen Überwachungsvereine, ungedr. Rechtsgutachten, 1953;

Krohn, Zulässigkeit und Grenzen der Überwälzung von Steuerab- führungspflichten auf private Unternehmer, BB 1969, 1233; Hons Peters, Dienste für den Staat, in: Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 2 (1930), S. 290 ff.; Werner Weber, Die Dienst- und Leistungspflichten der Deutschen, 1943;

Walter Cantner, Die Ausübung öffentlicher Gewalt durch private Unternehmer, Tübinger Dissertation 1932; Wolf gang Schweikert, Das beliehene öffentliche Unternehmen, insbes. in seinem Verhält- nis zum Staat und dessen Aufsichtsbefugnisse, Diss. Tübingen 1959;

Konrad Wiegand, Die Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Pri- vatrechtssubjekte, Diss. Mainz 1954; Walter Leisner, öffentliches Amt und Berufsfreiheit, AöR 93 (1968), 162 ff., 192 ff.; Wolf gang Martens, Übertragung von Hoheitsgewalt auf Schüler, NJW 1970, 1029; Hans Wingbermühle, Die Wahrnehmung staatlicher Zuständig- keiten durch Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Diss.

Münster 1957; Hubert Sauer, Rechtsnatur der Entscheidung des amt- lich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers beim Technischen Überwachungsverein über Bestehen oder Nichtbestehen der Fahr- prüfung, DVB1. 1970, 486 ff.; Heinrich Boge, Der Verwaltungshelfer im Polizeirecht, Diss. Göttingen 1964; Manfred Zuleeg, Beleihung mit Hoheitsgewalt, Verwaltungshilfe und privatrechtliches Handeln bei Schülern, DÖV 1970, 627 ff.; Ferdinand Kopp, Der beliehene Unternehmer, DVB1. 1970, 724 ff.; ΒülcklHämmerleinlJechtlPerridon, Verwaltung mit Unternehmen, 1968; Rüdiger Michaelis, Der Belie- hene, Diss. Münster 1969.

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schränken. Das Institut der Beleihung hat in der deutschen Verwaltungsrechtslehre bis heute keine scharfen Konturen er- halten2). Auch waren die Lehrbuchautoren bislang in einiger

!) Vgl. den instruktiven Überblick bei Michaelis aaO. S. 6 ff.; fer- ner namentlich Steiner DÖV 1970, 526 ff.; Dagtoglou DÖV 1970, 532 ff. — Die Beleihung wurde und wird im wesentlichen begriffen als ein Institut, durch welches dem Bürger „staatliche", d. h. von Natur aus „bürgerfremde" Aufgaben und Befugnisse verliehen werden.

Der Bürger erhält — um es weit zu fassen — eine Portion „hoheit- licher Substanz", die ihn erst instandsetzt und legitimiert, bestimm- te Handlungen vorzunehmen.

Die Aufgdbentheorie will diese „hoheitliche Substanz" vom Inhalt der Agenden her bestimmen. Demgegenüber macht die sog. Befug- nistheorie (Rechtsstellungstheorie) geltend, daß es „materiell staat- liche Tätigkeiten" (Mennacher aaO. S. 22), „spezifisch staatliches Handeln . . . unter den reinen Tathandlungen" (Vogel aaO. S. 78) nicht gebe. Der Staat habe kein Monopol, gemeinnützige Ziele wahrzunehmen, sondern nur andere Möglichkeiten, sie zu errei- chen (Vogel aaO. S. 63). Deshalb wird das essentiale der durch Be- leihung auf Private zu übertragenden „hoheitlichen Substanz" nicht im Tätigkeitsinholi, sondern in der Erfüllungsform erblickt. „Nur dort, wo hoheitliche Befugnisse verliehen sind, können wir fortan noch von einem „beliehenen Unternehmen" sprechen" (Vogel aaO.

S. 81). Gegenstand der Beleihung kann danach nur die Wahrneh- mung von Befugnissen obrigkeitlicher Zwangs- und Befehlsgewalt sein. —

Man mag dieser Deduktion und Begriffseinschnürung zustimmen oder nicht, sicher ist eines: jener enge Begriff der Beleihung um- faßt jedenfalls nicht alle Fälle der „Erfüllung von Verwaltungsauf- gaben durch Private". —

Das zeigt sich im Raum der sog. schlichten Hoheitsverwaltung (vgl, Bethge aaO. S. 131; Mennacher aaO. S. 19 ff., 49 ff.; Michaelis aaO.

S. 66 f.). Nach den Worten von Walter Jellinek (Verwaltungsrecht, S. 21) umfaßt die „schlichte Hoheitsverwaltung" als „nichtobrigkeit- liche öffentliche Verwaltung" jene Fälle, in denen der Staat „von seiner Höhe herabsteigt, ohne darum Fiskus zu werden (vgl. auch schon Georg Jellinek, Allgem. Staatslehre, 1914, S. 622 ff.), ohne die ihm eigentümliche Gewalt einzusetzen". — Dazu gehören einmal die „reinen Tätigkeitshandlungen" (Realakte; Straßenbau, Anlegen von Grünflächen, Errichten von Schulen). Solche Realakte zählen — entgegen Vogel (öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, S. 54 und passim) „materiell zum öffentlichen Recht". Das Argu- ment, man könne nicht das eine Mal privatrechtlich, ein andermal öffentlichrechtlich einen Wald roden, einen Sumpf austrocknen, eine Straße bauen usw., ist vordergründig. Freilich bleibt der öf- fentlich-rechtliche Charakter des Realaktes, solange keine Konflikte eintreten, latent. Wie er rechtlich einzuordnen ist, wird aber sofort offenkundig, wenn es zur Haftung aus nicht ordnungsgemäßer Durchführung (Amtshaftung!) oder zu sonstigen Schadensfällen (z.B. Immissionen durch Staubentwicklung, Lärmbelästigung usw.;

aus dem Schrifttum: Martens, öffentlichrechtliche Probleme des negatorischen Rechtsschutzes gegen Immissionen, in: Festschrift für Schack, 1966. 85 ff.; Michael Hoff mann, Der Abwehranspruch gegen

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Verlegenheit, wenn sie anschauliche Beispiele für den Belie- henen beibringen sollten. Um nicht mit leeren Händen dazu- stehen, verlieh Walter Jellinek3) sogar den Privatdozenten die

„Züge des beliehenen öffentlichen Unternehmers" und ver- mehrte seine — wie er selbst gesteht — „recht spärlichen Bei- spiele" durch Hinweise auf den Betrieb des Fischmarktes in Cuxhaven sowie der Gas- und Wasserwerke in Hamburg. — Und über dreißig Jahre später schrieb 1963 ein angesehener Autor: „Die Rechtsfigur des beliehenen Unternehmers stammt aus absolutistischer Zeit, hat sich aber — sonderbarerweise — bis heute erhalten. Es bestehen auch jetzt noch einige Exempla- Realakte, 1969; Schack, Zur „Schlichten Hoheitsverwaltung", DÖV 1970, 40 ff.) kommt. Freilich ist die Rechtsprechung geneigt, auch durch schlichthoheitliches Handeln verursachte Immission nach Zi- vilrecht zu beurteilen (vgl. Β GHZ 41, 264 = DVB1. 1964, 581 = JZ 1965, 313 — Kirmes; BGHZ 49, 148/150 — Straßenlärm; BGH DVB1.

1968, 148 — „Fontänenanlage"; BGH JZ 1969, 635 — Freilichtbühne).

Doch hat diese Entwicklung ihren Grund in dem ursprünglich stark kupierten Verwaltungsrechtsschutz (vgl. Martens aaO.). —

Ebenso gehören zur schlichten Hoheitsverwaltung jene Möglich- keiten, wie Versprechungen, Anreize, Drohungen, Unterstützungen, Warnungen, Werbungen, die der Staat ausnutzt, um seine admini- strativen Ziele ohne Einsatz von Gebot und Verbot, ohne Befehls- und Zwangsgewalt zu erreichen. — Von der sog. fiskalischen Ver- waltung ist die „schlichte Hoheitsverwaltung" dadurch abgehoben, daß erstere nach Zivilrecht, letztere nach öffentlichem Recht lebt und beurteilt wird. Freilich sind die Unterschiede durch die ver- waltungsprivatrechtlichen Bindungen der Hoheitsgewalt stark ein- geebnet. Das berechtigt aber m. E. nicht dazu, fiskalische und schlicht-hoheitliche Verwaltung zu egalisieren (so aber Herbert Bethge aaO. S. 132). Im Hinblick auf die Haftung und den Rechts- weg bleiben relevante Unterschiede. Der Hoheitsträger hat in einem gewissen Rahmen zwischen beiden Verwaltungsformen die Wahl. — So kann also der Bürger ebenso wie der Staat das Gemeinwohl fördern, indem er Straßen baut, Grünflächen anlegt, Kunst und Theater subventioniert usw. Aber: wenn zwei (faktisch) dasselbe tun, braucht es (rechtlich) nicht dasselbe zu sein. Der Staat kann fiskalisch und/oder hoheitlich handeln. Sofern er nun Private in den Rahmen schlicht-hoheitlicher Verwaltung einbezieht, wie etwa bei der Gefahrenaufklärung oder Leistungsvermittlung, liegt eben- falls eine Variante „hoheitlicher Verwaltungshilfe Privater" vor (vgl. auch Hubert Sauer DVB1. 1970, 487; Steiner JuS 69, 71; Brohm, aaO. S. 206, 210). Freilich sind gerade hier die Grenzen zur „staats- entlastenden Privatinitiative" praktisch oft schwer zu ziehen. Wer wie die Hebamme „öffentliche Gesundheitspflege" betreibt, ist des- halb noch nicht „hoheitlicher Verwaltungshelfer" (so richtig Bethge aaO. S. 133). Entscheidend ist, ob der Staat eine Aufgabe in eigene Regie nimmt und in der Form schlicht-hoheitlichen Handelns durch Private erfüllen lassen will.

') Verwaltungsrecht, S. 528.

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re dieser Art, die aus der Zeit vor dem Grundgesetz stam- men"4). —

Trotz dieser Prognose führt der beliehene Unternehmer bis in die Gegenwart ein zähes Leben. Das vielfach in Zweifel ge- stellte®) Institut der Beleihung erwies sich auch für die Ver- waltungsrechtslehre als hilfreich, wenn nicht unentbehrlich9), weil es einmal als manipulative Drehscheibe fungierte, mit de- ren Hilfe sich bestimmte erwünschte Rechtsfolgen einstellen ließen, und zum anderen weil es als bequemes Sammelbecken für all jene Phänomene diente, bei denen in irgendeiner Weise private Personen oder Institutionen über den bislang als Pri- vatsphäre verstandenen Raum hinaus in den öffentlichrechtlichen oder auch nur öffentlichen Bereich hineinwirkten. Nur dieser zügellose Gebrauch des Instituts der Beleihung konnte dazu führen Notare8), Privatschulen"), Parteien10), Tarifpartner11), Arbeitgeber12), Fleischbeschauer13), Jagdaufseher14), minderjäh-

4) Wilhelm Reuß, in: Staatsbürger und Staatsgewalt II, S. 284 f.;

vgl. auch Wiegand aaO. (Anm. 1), der feststellt, daß das Rechtsin- stitut des beliehenen Unternehmers im überlieferten Sinne im mo- dernen deutseihen Verwaltungsrecht ein bescheidenes Dasein fristet.

s) Vgl. die Nachweise bei Mennacher aaO. (Anm. 1) S. 1.

·) So ausdrücklich Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963, S. 252.

7) Auf diese „spezifische Anfälligkeit" der Beleihung, zum Institut der Manipulation zu entarten, weist treffend Steiner, DÖV 1970, 528 hin („Instrumentalisierung der Beleihung zugunsten bestimmter er- wünschter Rechtsfolgen").

8) Vgl. Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht II, 3. Aufl., § 104 I b ; Brand aaO. S. 13; Frantzen (Anm. 1) S. 27. — Kritisch: Michaelis aaO. (Anm. 1) S. 116 ff.

") Vgl. Perschel, Die öffentlichen Aufgaben anerkannter Ersatz- schulen und der Verwaltungsrechtsweg, RWS 1964, 321 ff. (325 ff.);

BVerfG NJW 1970, 275 = DÖV 1970, 92 ff.; BVerwGE 17, 41 (42); da- zu Bachof, Rechtsprechung des BVerwG II, Nr. 299.

10) Vgl. Menger, Zur verfassungsrechtlichen Stellung der deut- schen politischen Parteien, AöR 78 (1952/53), 149; von der Heydte, in:

Die Grundrechte II S. 469 FN 49; Seifert DÖV 1956, S. 2 f. — Kri- tisch dazu Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 152 ff.

u) Zuletzt eingehend: Wiedemann, Die deutschen Gewerkschaften

— Mitgliederverband oder Berufsorgan? RdA 1969, 321 ff. (329 ff.);

weitere Nachweise bei Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 162 mit FN 503.

12) Ipsen, Gesetzliche Indienstnahme Privater für Verwaltungsauf- gaben, aaO. (Anm. 1) S. 145 ff.; Zacher DÖV 1970, 12 FN 109; Jo- hannes Riepen, Die Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuer- abzugsverfahren, 1967, S. 41 ff.; zur Stellung des Arbeitgebers im Sozialversicherungsrecht vgl. Wannagat, Lehrbuch des Sozialver- sicherungsrechts, 1965, S. 194, 299 ff., 308 ff.

13) Vgl. Michaelis aaO. (Anm. 1) S. 90 ff.

") RGZ 155, 338 (339).

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rige Schülerlotsen15) und viele andere mehr in eine Reihe zu stellen. Als Notbegriff mißbraucht, mußte die Beleihung auf diese Weise zwangsläufig ihre Prägekraft verlieren. Hinzu kommt, daß die Fronten in der dogmatischen Auseinanderset- zung um den Inhalt der Beleihung verhärtet sind und unbe- weglich erscheinen. Bei solcher Lage dürfte es ratsam sein, sich aus den gewohnten Denkbahnen der Diskussion um die Belei- hung zu befreien und unbefangen die Frage zu stellen, an welcher Stelle und auf welche Weise Private in die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben eingespannt sind, ob dies zulässig ist und welche Kautelen gegebenenfalls eingehalten werden müssen.

2. Wenn man so vorgeht, treten sogleich zwei Umstände ins Bewußtsein, die weit über den bisherigen Diskussionsraum der Beleihung hinausführen.

Erstens hat der Staat andere Möglichkeiten, Private in die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben einzuspannen, als durch die Übertragung von „rechtlicher Macht über ein Stück öffent- licher Verwaltung"1"). Er kann nämlich bestimmte Verwaltungs- aufgaben u . U . ganz auf Private abbürden, indem er die Er- füllung solcher Aufgaben normativ als öffentlichrechtliche Bürgerpflichten ausprägt, wie dies etwa bei der polizeimäßi- gen Wegereinigung durch die Anlieger17) oder bei der Statu- ierung von Bevorratungspflichten18) der Fall ist.

Zweitens ist der Verwaltungsaufgaben erfüllende Private ein — was bisher meist übersehen wurde — gerade in der Leistungs-, namentlich der Subventionsverwaltung wuchern- des Phänomen, auf das schon Zacher") 1966 in seinem Referat vor dieser Vereinigung hingewiesen hat [und welches nur des- halb im Verborgenen blüht, weil es nicht auf dem herkömm- lichen Rechtsboden gewachsen ist und darum juristischem Blick- feld weitgehend entrückt bleibt. Auf beide Fragen wird noch zurückzukommen sein.]

3. Einige Bemerkungen zur Themenstellung seien endlich den „Verwaltungsaufgaben" und den „Privaten", die das The- ma anführt, gewidmet.

1S) OLG Köln NJW 1968, 655 = JuS 1968, 239 Nr. 3.

le) Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 3. Aufl. 1924, S. 243.

17) Dazu ausführlich Ganse aaO. (Anm. 1) S. 78 ff.

18) Dazu namentlich Ipsen, Gesetzliche Bevorratungsverpflichtung Privater, AöR 90 (1965), 393 ff.

le) WDStRL 25, 308 ff.

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a) Den Begriff „Privater" kann man in einem materiellen Sinne zunächst einengend verstehen als nicht-staatliches Sub- jekt. Von diesem Blickpunkt her wäre die Verwaltungshilfe Privater in den größeren Zusammenhang des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft gestellt. Verwaltungshilfe „Privater" ist dann nur dort denkbar, wo Staat und Gesellschaft nicht ko- inzidieren, sondern — wenn audi in vielfältiger Osmose zuein- ander stehend — unterscheidbar vorhanden sind. „Private"

in diesem Sinne gibt es nur, wo Grundrechtsverbürgungen staatsfreie Intimsphären und Individualpositionen gewährlei- sten, die eine Selbstbestimmung des einzelnen Bürgers ermög- lichen und ihm seine Individualität gegen ein Aufsaugen durch den Staat bewahren. Gerade aus diesem Dualismus nährt sich der größte Teil der Problematik der Einbeziehung Privater in die Erfüllung staatlicher Aufgaben10). — In diesem Sinne wäre als „Privater" zu begreifen negativ, wer nicht Beamter oder sonstiger professioneller Funktionär des Staates ist"); im po- sitiven Sinne ist gemeint der dem Staat gegenüberstehende, grundrechtsgeschützte Bürger außerhalb des institutionalisier- ten staatlichen Verwaltungsapparates, eben der Privatmann, u. zw. auch soweit er sich in privatrechtlichen Institutionen organisiert.

In einem rechtstechnisch-formalen Sinne läßt sich der Be- griff „Privater" auch als Privatrechtssubjekt verstehen. Dann sind thematisch alle Fälle einbezogen, in denen der Staat oder ein anderer Hoheitsträger in Privatrechtsformen unmittelbar Verwaltungsaufgaben erfüllt. Auch dieses Falles wird zu ge- denken sein, wenngleich ich den Schwerpunkt auf den Priva- ten als Bürger legen möchte.

b) Wenn im Thema schließlich von „Verwaltungsaufgaben"

die Rede ist, dann sind damit nur die staatlichen Verwaltungs- aufgaben gemeint, wobei ich bei dieser Kennzeichnung an die von Hans Peters**) getroffene Unterteilung in öffentliche und staatliche Aufgaben anknüpfe. Dabei bin ich mir darüber im klaren, daß gerade diese Unterscheidung schon bisher den neu- ralgischen Punkt der Kontroverse um die Beleihung etwa der technischen Überwachungsvereine gebildet hat*®) und daß man

20) Vgl. Steiner DÖV 1970, 531, der die dogmatische Grundproble- matik der „öffentlichen Verwaltung durch Private" in der „Diver- genz von staatlicher Funktion und privatem Status" sieht.

") Vgl. Dagtoglou, Der Private in der Verwaltung als Fachmann und Interessenvertreter, 1964, S. 25; derselbe DÖV 1970, 533.

î2) öffentliche und staatliche Aufgaben, in: Festschrift für H. C.

Nipperdey, II, 1965, S. 877 ff.

") Vgl. Peters aaO. und Rupp, Privateigentum an Staatsfunktio- nen? 1963.

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mit diesem Begriffspaar nur arbeiten kann, wenn die Grenze zwischen beiden Aufgabengattungen gezogen ist. Ich werde versuchen, dies an späterer Stelle nachzuholen. Die folgenden Typisierungen werden diese Grenzziehung noch vernachlässi- gen.

II. Erfüllungsmodalitäten

Faßt man das breite Spektrum verschiedener Modifikationen der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private im wei- teren Sinne ins Auge, so lassen sich zumindest folgende Orga- nisationsstrukturen oder Erfüllungsmodalitäten voneinander abheben.

Erstens: Der Staat oder ein oder mehrere sonstige Hoheits- träger bedienen sich zur Aufgabenerfüllung nicht der über- kommenen und bereitstehenden öffentlichrechtlichen Organi- sationsformen, sondern schlüpfen in das Gewand eines Privat- rechtssubjekts, um als Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit be- schränkter Haftung, eingetragener Verein usw. unmittelbar staatliche Verwaltungsaufgaben zu vollziehen. Dieser Agen- denbereich ist durch den Begriff des Verwaltungsprivatrechts24) grob markiert. Die Beispiele für solches Handeln in Privat- rechtsformen sind Legion. Wohl am weitesten verbreitet ist die Rechtsform der GmbH. Seltener trifft man die Aktienge- sellschaft88), den eingetragenen Verein8') oder die Genossen- schaft") an.

M) Dazu Haas, Das Verwaltungsprivatrecht im System der Ver- waltungshandlungen und der fiskalische Bereich, DVB1. 1960, 303 ff.;

Mallmann/Zeidler, Schranken nichthoheitlicher Verwaltung, W D S t - RL 19 (1961), 165 ff.; Wertenbruch/Schaumann, Grundrechtsanwen- dung im Verwaltungsprivatrecht, JuS 1961, 105 ff.; Brohm, Struk- turen der Wirtschaftsverwaltung 1969, S. 181 ff.; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967, S. 348 ff.;

Emmerich, Die Fiskalgeltung der Grundrechte, namentlich bei er- werbswirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand, JuS 1970, 332 ff.

25) Sie ist namentlich bei den öffentlichen Wirtschaftsbetrieben und Banken verbreitet; vgl. Christoph Scholz, Kreditinstitute des Bundes, 1960; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967, S. 165 ff., 253 ff.; zu einer geplanten Presse- fondsAG vgl. Michael Kirn, ZRP 1970, 102 ff. (104).

2e) Er ist jene Form, in der ζ. B. von mehreren Verwaltungsträgern Verwaltungsschulen zur Ausbildung öffentlicher Bediensteter be- trieben werden; vgl. die Übersicht in: Verwaltungs- und Sparkas- senschule 1967, 6 ff.; ferner sind die Studentenwerke häufig als ein- getragene Vereine organisiert (vgl. Gerber, Das Recht der wissen- schaftlichen Hochschulen, I 1965, S. 154 ff.).

") Dazu Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 1969, S.

53 ff.

10 Veröffentl. Dt. Staatsrechtslehrer, H e f t 2»

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Bemerkenswert an der neueren Entwicklung ist die Beob- achtung, daß der Staat sich der Privatrechtsformen nicht mehr wie bislang fast ausschließlich im erwerbswirtschaftlichen oder Wirtschaftslenkenden Bereich bedient28), sondern auch zur Er- füllung solcher staatlichen Aufgaben einsetzt, die herkömm- licherweise durch den staatlichen Verwaltungsapparat selbst erledigt worden sind. Beispielhaft erscheinen insoweit die in den letzten Jahren in Nordrhein-Westfalen2') und Niedersach- sen30) errichteten Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaf- ten mit beschränkter Haftung, die den bisher von den Ministe- rien selbst wahrgenommenen Ausbau bestimmter Hochschulen übernommen haben.

Geht man den Motiven nach, die diesen organisatorischen Trend hervorgerufen und begünstigt haben, so bietet sich ein buntes Bild®1). Ein erster Grund ist jener, der auch zu den sog.

Kriegsgesellschaften nach 1914 geführt hat32), daß der normale Verwaltungsapparat zur Aufgabenerfüllung ungeeignet er- scheint. Zum Beweise hierfür werden nicht nur die Beamten- mentalität und der Mangel an Sachkunde angeführt, sondern auch die durch bürokratische und hierarchische Strukturen der

28) Dazu sei pauschal verwiesen auf die einschlägigen Monogra- phien der letzten Jahre von Rüfner, Formen öffentlicher Verwal- tung im Bereich der Wirtschaft, 1967, bes. S. 253 ff.; Hans H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968;

Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 1969; Günter Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 1969; Volker Emmerich, Das Wirt- schaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, 1969; Wenger, Die öffent- liche Unternehmung, 1969.

8e) Gesetz über den Ausbau der Universitäten Bielefeld und Düs- seldorf sowie die Erstellung klinischer Einrichtungen an der Rhei- nisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, an dem Klini- kum Essen der Ruhruniversität Bochum und an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (Hochschulbaugesetz) vom 30. Sep- tember 1969 (GVB1. 1969, 703); ebendort als Anlage: der Vertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Nordrhein-West- fälischen Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft m.b.H.

30) Gesetz über den Ausbau der Universität Göttingen und der Technischen Hochschulen Braunschweig und Hannover vom 20. März 1967 nebst Vertrag zwischen dem Land Niedersachsen und der Nie- dersächsischen Hochschulbaugesellschaft m.b.H. vom 24. April 1967.

31) Vgl. auch Steiner JuS 1969, 72; Wiegand, Die Übertragung ho- heitlicher Befugnisse auf Privatrechtssubjekte, aaO. (Anm. 1), S. 11, 27; E. R. Huber, Beliehene Verbände, DVB1. 1952, 457.

S2) Vgl. Lorenz Schomerus, Die organisatorische Eingliederung der Interessenverbände in die Bundesverwaltung, Diss. Heidelberg 1959, S. 6 ff.; E. W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 43; Ernst Heymann, Die Rechtsformen der mili-

tärischen Kriegswirtschaft als Grundlage des neuen Industrie- rechts, Marburg 1921.

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öffentlichen Verwaltung verlangsamten und gehemmten Ent- scheidungsprozesse sowie die als störend empfundenen haus- halts-, finanz- und personalrechtlichen Bindungen®3). — Zum Teil wird die privatrechtliche Separation damit begründet, daß

— wie etwa bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Nord- rhein-Westfalen34) — der betreffende Agendenbereich einer- seits — etwa im Rahmen der Wirtschaftswerbung — unkon- ventionelle Maßnahmen erfordere, andererseits sich noch in einem gewissen Experimentierstadium befinde, welches eine auf Dauer gerichtete Eskalation des Verwaltungsapparates nicht gestatte35). — Die privatrechtliche Gesellschaft wird über- dies als ideale Kooperations- und Integrationsform zwischen mehreren Verwaltungsträgern betrachtet und auch als Instru- ment eines kooperativen Föderalismus eingesetzt, um im Ver- hältnis zwischen Bund und Ländern, die im Prinzip scharf ab- gegrenzten Verwaltungsräume zu überbrücken und gelegentlich freilich auch die grundgesetzliche Kompetenzordnung zu unter- laufen36).

Zweitens: Der Staat kann ferner staatliche Verwaltungsauf- gaben auf Privatpersonen oder Privatorganisationen im mate- riellen Sinne zur Ausübung übertragen. Solche Fälle sind der deutschen Verwaltungsrechtslehre namentlich im Bereich der Gefahrenabwehr [(Luftfahrzeugkommandant37), Schiffskapi- tän38), Eisenbahnpolizei3'), Jagdaufseher40), usw.41))] und im Be-

33) Weitere Gründe — auch zur Auswahl der einzelnen Privat- rechtsformen — nennt Rüfner aaO. (Anm. 1), S. 253 ff.

34) Diese Gesellschaft ist als GmbH gegründet und ressortiert beim Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr.

35) Die Angabe weiterer Motive setzt eine umfangreiche Rechts- tatsachenforschung voraus, die bei der Vorbereitung des Referats nicht geleistet werden konnte.

aa) Vgl. etwa für die Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundes- autobahnen m.b.H.; Bartlsperger, in: Bonner Kommentar, Art. 90 S. 70. — Zur Koordinierungsfunktion der Verwaltungsgesellschaften Hämmerlein bei Bülck/Hämmerlein/Jecht/Perridon aaO. (Anm. 1) S. 49.

37) § 29 Abs. 3 Luftverkehrsgesetz; dazu Werner Westerburg, Die Polizeigewalt des Luftfahrzeugkommandanten, 1961, S. 50 ff.; Edgar Ruhwedel, Die Rechtsstellung des Flugzeugkommandanten im zivi- len Luftverkehr, 1964, S. 150 ff.

38) § 106 Seemannsgesetz vom 26. Juli 1957 (RGBl. II 713 ff.); dazu Westerburg, aaO. (Anm. 37) S. 82 ff.

39) §§ 55 ff. Eisenbahn- und Eisenbahnbau- und betriebsordnung vom 8. Mai 1967 (EBO) (BGBl. II 1563) i. d. F. der Verordnung vom

10. Juni 1969 (BGBl. II 1141).

40) § 25 BJagdG; § 23 LJagdG NW.

41) Weiter sind etwa zu nennen: Feld- und Forsthüter, Fischerei- aufseher, Tierärzte, Weinkontrolleure, Prüfungsingenieure, Feuer-

10·

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reich des Abgabenrechts [(Arbeitgeber41), Versicherer49), Bank- institute44), Unternehmer45), usw.4*))] seit langem bekannt und in jüngerer Zeit auch für die Subventionsverwaltung geradezu typisch47). — Die Ubertragungsmotive sind hier ebenfalls offen- kundig. Der Gedanke der Integration und die Selbstverwal- tungsidee scheiden aus; gesellschaftspolitische Zwecke werden nicht verfolgt48). Es geht schlicht um die Aktivierung und Aus- nutzung privaten Sachverstandes, privaten Verwaltungspoten- tials, dem kein vergleichbares des Staates gegenübersteht4'), und um die Inanspruchnahme privater Situationsbeherr- schung®0) im Einzelfall. Weder der liberale Gedanke der „Frei- heitsverbürgung" noch die demokratische Idee der „Teilhabe an der Staatsgewalt" sind hier im Spiel51); motivierend sind allein die Rationalisierung und Ökonomie der Aufgabenerfül- lung; was freilich nicht ausschließt, daß dem in Dienst genom- menen Privaten spezifische Hoheitsmacht zuwächst.

bestattungsvereine; vgl. die Nachweise bei Boge, Der Verwaltungs- helfer im Polizeirecht, Diss. Göttingen 1964. — Nicht dagegen der Bauunternehmer hinsichtlich der Verkehrssicherungsmaßnahmen;

dazu zuletzt BVerwG vom 26. 6. 1970 = DVB1. 1970, 736; ferner Richard Groh, Verkehrszeichen unzuständiger Behörden und unbe- fugter Privater, Diss. Heidelberg 1968, S. 72 ff.

«) § 38 EStG 1969.

4S) § 7 VersStG.

") § 43 EStG 1969.

«) Dazu Friauf, Verfassungsrechtliche Probleme der Mehrwert- steuer, in: Steuerkongreß-Report 1968, S. 152 ff.

") Weiter wäre zu nennen die Abführung der Sozialversiche- rungsbeiträge durch die Arbeitgeber, die Einziehung der Hypothe- kengewinnabgabe durch Kreditinstitute und die neuerdings umstrit- tene Erhebung der Kirchensteuer durch die Arbeitgeber (dazu:

Sälzer NJW 1970, 169 ff.; VG Frankfurt v. 7. 11. 1969 = DB 1969, 2318; BB 1969, 1521; Heinze, ZRP 1970, 34; Scheven JZ 1968, 181).

47) Zacher WDStRL 25 (1967), 370 ff.; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, 1967, S. 200 ff.; Franz Josef Spahn, Die Einschaltung der Kreditinstitute bei Eingliederungsdar- lehen nach dem LAG, 1958; Hans Menzel, Die Mitwirkung der Haus- banken bei der Vergebung und Verwaltung öffentlicher Kredite, 1960; Zuleeg, Die Rechtsform der Subventionen, 1965, S. 89 ff.

48) Vgl. auch Steiner JuS 1970, 72.

4·) So deutlich bei der Quellenbesteuerung durch die Arbeitgeber, Banken und Versicherer.

50) So deutlich beim Luftfahrzeugkommandanten (Westerburg, aaO. (Anm. 37) S. 50: „ein Polizist fliegt nicht mit"); ebenso beim Schiffskapitän, der Eisenbahnpolizei, dem Jagdaufseher usw.

51) Solche Motive liegen im allgemeinen der Heranziehung Priva- ter zugrunde, die als Fachmann oder Interessenvertreter in den Verwaltungsorganismus integriert sind; dazu Dagtoglou, Der Private in der Verwaltung als Fachmann und Interessenvertreter, 1964, S.

121 ff.

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Drittens: Der Staat kann auch so verfahren, daß er bestimm- te, die staatliche Gemeinschaft angehende Aufgaben gar nicht erst an sich zieht, um sie dann Privaten zu übertragen, sondern die Erfüllung solcher Aufgaben als öffentlich-rechtliche Bür- gerpflichten unmittelbar den Privatpersonen als eigene Ange- legenheiten auferlegt, wofür etwa die Wegereinigungspflicht ein Beispiel darstellt58).

Viertens: Wo die ordnungsgemäße Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Privatinitiative gesichert und gewährleistet ist, kann sich der Staat auf eine Beobachterrolle mit Korrektur- funktionen zurückziehen. Ein solches staatsentlastendes Privat- handeln unter staatlicher Aufsicht findet man etwa im Bereich der staatlich gebundenen Berufe und teilweise auch bei den sog. „öffentlichen Wirtschaftseinheiten in privater Hand"53) wie überhaupt im wirtschaftlichen Raum54), aber auch in ande- ren Verwaltungssektoren; erinnert sei etwa an die Aufsicht über private Kindergärten und Spielkreise Minderjähriger nach den §§ 78, 79 JWG55).

Fünftens: Über die Aufsichtsfunktion hinaus kann der Staat aber auch Privathandeln anregen und fördern. Und um hierfür Beispiele anzuführen, braucht man nicht auf die Prämien bei Kartoffelkäfersuchaktionen56) oder Natternbekämpfungen57) zu- rückzugreifen, sondern uns steht mit der modernen Subven- tionsverwaltung hier ein unerschöpflicher Schatz an Fallmate- rial zur Verfügung58).

Sechstens: Schließlich — und das wäre wiederum eine Stei- gerung zur staatlichen Stimulation von Privathandeln — kann der Staat auch mit Privaten kooperieren, d. h. gemeinsam, ver- antwortungs- und entscheidungsteilend verwalten. Jenes merk- würdige staatlich-private Kondominium ist eine jener Früchte, die der Organisationswirrwarr im Subventionswesen her-

52) Dazu eingehend Ganse aaO. (Anm. 1) S. 78 ff.

5S) Dazu die gleichnamige Schrift von Klaus Vogel. — Zur Ein- ordnung in die obige Rubrik: Steiner DÖV 1970, 530 f.; Dagtoglou DÖV 1970, 535.

54) Vgl. Martin Bullinger, Staatsaufsicht in der Wirtschaft, W D - StRL 22 (1965), 264 ff.; Ekkehart Stein, Die Wirtschaftsaufsicht, 1967.

ss) Vgl. dazu BVerwG DÖV 1970, 282.

5e) So Wiegand aaO. S. 5; zur haftungsrechtlichen Seite: RGZ 169, 313.

") So der Sachverhalt des Arrêt Terrier vom 6. 2. 1903 des Conseil d'Etat; mitgeteilt bei Rüfner aaO. (Anm. 1) S. 268.

se) Außer der einschlägigen Literatur (Etwa Zacher WDStRL 25, 308 ff.; Volkmar Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966) ge- ben die öffentlichen Haushaltspläne Auskunft; vgl. ferner für das Polizeirecht die Ubersicht bei Drews-Wacke, Allgemeines Polizei- recht, 7. Aufl. 1961, S. 490 ff.

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vorgebracht hat und beispielsweise bei der Kreditvergabe im Lastenausgleichsrecht vorkommt5'). Daneben ist die Verwal- tung allerdings auch namentlich im Bereich der Wirtschafts- planung und Wirtschaftslenkung auf Kooperation mit Privaten angewiesen'0).

III. Staatlicher und privater Kompetenzbereich

1. Die bisherigen Darlegungen dürften gezeigt haben, daß staatliche und private Agenden und Aktivitäten einander über- lagern und sich in mannigfacher Weise miteinander vermischen.

Diese Gemengelage ist nur Konsequenz oder Spiegelbild der osmotischen Verbindung von Staat und Gesellschaft. Mögen einige den Gegensatz von Staat und Gesellschaft betonen, an- dere ihn für unzeitgemäß und überwunden halten"), so ist jedenfalls unleugbar, daß die staatlich institutionalisierte und die gesellschaftliche Sphäre auf breitester Front miteinander verquickt sind, zum Teil nahtlos ineinander übergehen, wobei sich wechselnd der Staat in die Gesellschaft vorschiebt"2) und gesellschaftlichen Gruppen institutionalisierte Staatlichkeit in- filtrieren"). —

M) Vgl. Rüfner aaO. (Anm. 1) S. 203.

eo) Hierauf weist zu Recht Dagtoglou (DÖV 1970, 533) hin. — Über die Kooperationsformen der französischen planification unter- richtet Toechemittler, Das Verbandskartell als Instrument der Wirt- schaftsplanung, 1969; vgl. ferner zu einem interessanten Koopera- tionsmodell Hans-Gerd von Dücker, Die Aktionsgemeinschaft Deut- sche Steinkohlenreviere GmbH — Grundzüge einer kooperativen Planung durch Staat und Wirtschaft, 1969. — Thiele (Neue Anfor- derungen an die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, in: Funk- tionsgerechte Verwaltung im Wandel der Industriegesellschaft, 1969, S. 95) sieht in der sog. konzertierten Aktion den Keim einer „Ver- gesellschaftung staatlichen Handelns".

") Zur Problematik: Horst Ehmke, „Staat" und „Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem, Festgabe für Smend, 1962, S. 23 ff.; Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 526 ff.; Josef Isen- see, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 1968, S. 149 ff.;

Lothar Roos, Demokratie als Lebensform, 1969, S. 84 ff. (Ausein- andersetzung mit Herbert Krüger); Ernst Forsthoff, Der Staat,.<ler Industriegesellschaft, 1971, S. 21 ff.

e!) Vgl. etwa für den Bereich der Berufsfreiheit: Walter Leisner, öffentliches Amt und Berufsfreiheit, AöR 93 (1968), S. 162 ff.; ferner sei etwa erinnert an die Bedrohung oder Zurückdrängung gesell- schaftlicher Initiativen und Institutionen im Schulwesen.

s) Stichwort: Verbändeproblem. Dazu etwa die Bestandsaufnahme von Lorenz Schomerus, Die organisatorische Eingliederung der In- teressenverbände in die Bundesverwaltung, Diss. Heidelberg 1959;

Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, 1969, S. 119 ff.; Ernst Wolf gang Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Re- gierung, 1964, S. 250 ff.; Hans-Ulrich Evers, Verbände, Verwaltung, Verfassung, in: Der Staat 1964, 41 ff.; Scheuner, Politische Reprä-

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All dies gilt auch für den Bereich staatlicher und gesell- schaftlicher, sprich: privater Agenden. Dieser Befund könnte nicht schrecken, wenn die Trennung zwischen staatlichen und privaten Agenden für unsere Überlegungen irrelevant wäre.

Indessen bezeugt die Diskussion um die hier gestellte Proble- matik das Gegenteil'4). Es liegt auch auf der Hand, daß die Trennung zwischen staatlichen und privaten Agenden funda- mentale Bedeutung haben muß, namentlich für die rechtlichen Bindungen bei der Aufgabenerfüllung, den Rechtsschutz, die Haftungsfrage und die Effizienz der Grundrechtsgarantien65).

Dieses Trennungsproblem macht geradezu die innere Span- nungslage unseres Themas „Erfüllung staatlicher Verwaltungs- aufgaben durch Private" aus").

2. Die Erörterungen im Schrifttum drehen sich in erster Linie um die Frage der Abschichtung von staatlichen und öffentlichen Aufgaben87). Hier werden vielfach die entscheidenden Weichen sentation und Interessenvertretung, DÖV 1965, 577 ff.; Wertenbruch, Die rechtliche Einordnung wirtschaftlicher Verbände in den Staat, in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, 1967, S. 614 ff.

®4) Vgl. etwa die Kontroverse um die Rechtsstellung der Techni- schen Überwachungsvereine zwischen Rupp (Privateigentum an Staatsfunktionen? 1963) und Hans Peters (öffentliche und staatliche Aufgaben, in: Festschrift für H. C. Nipperdey, 1965, S. 877); ferner die Nachweise in den folgenden Fußnoten.

β5) So hat das BVerfG namentlich für Art. 12 GG — in allerdings anfechtbarer Weise — an den Rechtscharakter der Aufgaben ange- knüpft (Stichwort: „staatlich gebundener Beruf"); dazu Bethge aaO.

(Anm. 1) S. 112; Hans H. Klein DÖV 1965, 756 ff.; Leisner AöR 93 (1968), 162 ff. (184 ff.); derselbe, Werbefernsehen und öffentliches Recht, S. 16, 24; vgl. noch Haberle, „Gemeinwohljudikatur" und Bun- desverfassungsgericht, AÖR 95 (1970), S. 86 ff. (104 ff. mit FN 54, 59), der das BVerfG so interpretiert, daß der Begriff „öffentliche Auf- gabe" synonym mit dem gemeinen Wohl, Interessen der Allgemein- heit gebraucht werde.

βθ) Mit Recht sieht Steiner (DÖV 1970, 531) die dogmatische Grund- problematik der „öffentlichen Verwaltung durch Private" in der

„Divergenz von staatlicher Funktion und privatem Status", womit das durchgehende Motiv aller folgenden Rechtsprobleme anklingt.

") Hans Peters, öffentliche und staatliche Aufgaben, in: Fest- schrift für H. C. Nipperdey, 1965, S. 877; Hans H. Klein, Zum Be- griff der öffentlichen Aufgabe, DÖV 1965, 755 ff.; Brohm, Struktu- ren der Wirtschaftsverwaltung, 1969, S. 155 ff.; Herbert Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort der „staatlich gebundenen" Be- rufe, Diss. Köln, 1968, S. 109 ff.; Ellwein, Einführung in die Regie- rungs- und Verwaltungslehre, 1966, S. 13 ff.; Klaus Vogel, öffent- liche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, 1959, S. 61 ff.; Scheuner, Voraussetzungen und Form der Errichtung öffentlicher Körperschaf- ten, in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, 1967, S. 797 ff. (811 ff.);

Böckstiegel, Der Staat als Vertragspartner ausländischer Privatun- ternehmen, Kölner Habilitationsschrift 1969, S. 1 ff.; Walter Leisner,

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für die Lösung der juristischen Detailfragen gestellt. Doch ge- rade an diesem Punkte verläßt die Diskussion häufig das Feld juristischen Argumentierens und gleitet ab in weltanschauli- ches Räsonnement. Überblickt man die unterschiedlichen Stel- lungnahmen, so sticht als erstes diese Änderung im Tonfall ins Auge. Neben dem Vorwurf „etatistischen Denkens""8) steht das Wort von der „Hybris subsidiaristischer Mißverständnisse""®) ; zu ihnen gesellen sich düstere Visionen einer „Veramtung von Freiheitsbereichen"70) auf der einen und einer Selbstaufgabe des Staates durch Privatisierimg von Staatsfunktionen71) auf der anderen Seite. Die auf solche Stilmittel verzichtende Rechtspre- chung argumentiert phraseologisch oder apodiktisch; das Be- rechtigungswesen wird kurz und bündig als „natürliche Auf- gabe" des Staates72), die Arbeitsvermittlung etwa als „wesens- mäßig staatliche Daseinsvorsorge" apostrophiert73). Die Attri- bute „natürlich" und „wesensmäßig", sowie die emotional und weltanschaulich aufgeladene, engagiert geführte Diskussion indizieren deutlich eine Entfernung aus dem juristisch verifi- zierbaren Bereich. Die Ergebnisse sind ersichtlich durch das be- wußt oder unbewußt eingebrachte Staats(vor)verständnis des jeweiligen Betrachters diktiert.

Werbefernsehen und öffentliches Recht, 1967, S. 14 ff.; derselbe, öffentliches Amt und Berufsfreiheit, AöR 93 (1968), S. 162 ff. (184 ff.);

Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 759 ff.;

Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S, 123 ff.; Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963, S. 313 ff.; 333 ff.; Mennacher aaO.

S. 22 ff.; Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen? 1963, S. 17 ff.;

Herschel, Staatsentlastende Tätigkeit im Arbeitsschutz, in: Fest- schrift f ü r H. C. Nipperdey, Bd. II, 1965, 221 ff. (230 ff.); Josef Isen- see, Subsidiaritätsprinzip und Verfassung, 1968, S. 158 ff.; Steiner DÖV 1970, 528. — Aus der Rechtsprechung zuletzt BVerwG v. 14. 3.

1969 = DVB1. 1970, 735 (betr. Aufsuchen von Bodenschätzen in Bayern).

8) So Hans Peters, öffentliche und staatliche Aufgaben, aaö., S. 884 an die Adresse von Rupp.

M) Zacher DÖV 1964, 683 (Rezension von Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen? 1963).

70) Diese Gefahr ist eindringlich ausgemalt bei Walter Leisner, öffentliches Amt und Berufsfreiheit, AöR 93 (1968), S. 162 ff. bes.

S. 199.

71) In diesem Sinne Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen?

1963, der den Einsturz wesentlicher Elemente der Verfassungsord- nung voraussieht (S. 33).

™) BVerfG NJW 1970, 275 = DÖV 1970, 92 ff.

M) BGHSt 17, 137 (142) = NJW 1962, 1115; vgl. ferner BSGE 20, 169 (172); BVerfGE, 21, 245 ff.; kritisch dazu: Nipperdey, Grenzen des Arbeitsvermittlungsmonopols, in: Redit im Wandel, S. 241 ff.

(244); Badura, Das Verwaltungsmonopol, S. 142; Bull, JZ 1967, 564;

Döser, BB 1967, 590; vgl. dagegen Dietrich Bethge NJW 1964, 90 ff.;

Vogel BB 1962, 681 ff.

(17)

Will man dem Abgleiten in staatsphilosophische Spekula- tionen entgehen und festen Boden unter den Füßen gewinnen, so scheinen mir zwei Thesen wichtig, die inzwischen weitest- gehende Anerkennung gefunden haben.

Erstens: Der „Nachweis einer spezifischen Staatsfunktion"

läßt sich „nur aus einer konkreten raumzeitlichen Staatsord- nung" erbringen74).

Zweitens: Der Aufgabenbereich des Staates ist notwendig offen75). Staatliche Aufgaben sind solche, die der Staat nach der jeweils geltenden Verfassungsordnung zulässigerweise für sich in Anspruch nimmt76). Im Rahmen der Verfassung und der poli-

74) Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen?, 1963, S. 16 FN 27;

Leisner, Werbefernsehen und öffentliches Recht, S. 16; ferner die Nachweise in den folgenden Fußnoten.

75) Hans H. Klein DÖV 1965, 755 ff. (758); Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 131; Arendt DV 1949, 147 ff. (148); Scheuner, Gedächtnisschrift für Hans Peters, S. 811 ff.

™) So deutlich Hans Peters, öffentliche und staatliche Aufgaben, S. 880; Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 759 ff.; Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, 1931, S. 17 ff.; Heinze, Autonome und heteronome Verteilung, 1970, S. 100; Burckhardt, Die Organisation der Rechtsgemeinschaft, 2. Aufl. 1944, S. 37; Ellwein, Einführung in die Regierungs- und Verwaltungslehre, 1966, S. 35, 80; Badura, Das Verwaltungsmonopol, S. 313 ff. (bes. S. 315, 329, 338); derselbe JZ 1965, 623 (624); Arendt DV 1949, 147 (148); Martens, öffentlich als Rechtsbegriff, S. 131; Scheuner, wie vorige Anm.;

Hans H. Klein DÖV 1965, 755 ff. (758); Zeidler WDStRL 19 (1961), S. 218 mit FN 37; Leisner, Werbefernsehen und öffentliches Recht, S. 22 ff.; Herschel, Staatsentlastende Tätigkeit im Arbeitsschutz, aaö. S. 231 f.; Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 157 und 161 mit weiteren Nachweisen in FN 120; Herzog, Ev. Staats- lexikon 1966, Sp. 159; Hubert Sauer DVB1. 1970, 486 ff. (488); Steiner JuS 1969, 70 f.; Dagtoglou DÖV 1970, 534. — Anders: Isensee, Sub- sidiaritätsprinzip und Verfassung, 1968, S. 167; Wingbermühle, Die Wahrnehmung staatlicher Zuständigkeiten durch Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Diss. Münster 1957, S. 6 f.; — Rupp, aaö. S. 16 FN 27 geht offenbar davon aus, daß sich die Staatsauf- gaben an Hand materieller Kriterien ermitteln lassen. Man kann ge- wiß darüber streiten, ob es originäre, präsumtive staatliche Aufga- ben, m. a. W. ob es einen gewissen Kernbestand von Wesensaufga- ben des Staates gibt (vgl. Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort der „staatlich gebundenen" Berufe, Diss. Köln 1968, S. 135 ff.;

Leisner, Werbefernsehen und öffentliches Recht, 1967, S. 14 ff.;

Herschel, Staatsentlastende Tätigkeit im Arbeitsschutz, aaO. S. 231;

Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassung, S. 168; Klaus Vogel, öffentliche Wirtschaftseinheiten in privater Hand, 1969, S. 61 ff., der einen solchen Bestand von Wesensaufgaben bestreitet und al- lein auf den modus der Aufgabenerfüllung (Einsatz von Hoheits- gewalt!) abhebt, worin letztlich auch die vorgenannten Autoren mit ihm übereinstimmen; danach soll die Ausübung von obrigkeitlicher Befehls- und Zwangsgewalt die „originäre Staatsaufgabe" kenn- zeichnen (s. Bethge, Leisner aaö.; Hans H. Klein, DÖV 1965, 758);

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tischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers hängt der Aufga- benbestand des Staates von den jeweiligen politischen Vorstel- lungen ab, die sich in den staatlichen Entscheidungsinstanzen institutionalisieren und durchsetzen.

3. Mit dieser Ausgangsposition ist die Abschichtung von staatlichen und öffentlichen Aufgaben auf ein Problem der Verfassungsauslegung zurückgeführt. Die innere Souveränität des Staates"), sich selbst Aufgaben zu stellen und diese zu er- füllen, wird zumindest durch die Grundrechte gezügelt und modifiziert, so daß sich in der „Verknüpfung von Freiheit und Souveränität"78) eine Kompetenzordnung konstituiert, die nach Verfassungsrecht gebildet und gegen einen Totalitätsverdacht selbst wenn man dem zustimmt, bleibt ein weiter Bereich von Auf- gaben, die nur deshalb „staatliche" sind, weil der Staat sie sich vorbehalten hat. Als Beispiele solcher gewillkürter, vorbehaltener, monopolisierter Aufgaben, kurz: Vorbehaltsauf gaben des Staates wird man die Arbeitsvermittlung (dazu BVerfGE 21, 245 ff.), Post, Eisenbahn und das Berechtigungswesen (anders BVerfG NJW 1970, 275 = DÖV 1970, 72: „natürliche Aufgabe" des Staates) nennen können. Wesensaufgaben könnten Private nur kraft staatlicher Dele- gation, Vorbehaltsaufgaben nur kraft Zulassung oder Überlassung erfüllen. — Daneben besteht dann aber außerdem noch die Mög- lichkeit und Wirklichkeit der Aufgabenkonkurrenz zwischen Staat und Privaten. So werden beispielsweise Gefahrenbekämpfung, Woh- nungsbau, Gesundheitsfürsorge usw. vom Staat und von Privaten in Unabhängigkeit, Kooperation und/oder entscheidungs- und verant- wortungsteilender Initiative betrieben. (Umstrittenes aktuelles Bei- spiel: das im Saarland bereits verwirklichte gemischt privatrechtlich- öffentlichrechtliche Rundfunksystem", dazu Grund DVB1. 1969, 481 ff.; Schmitz DÖV 1968, 683 ff.; Fuhr/Konrad UFITA 1967 (Bd. 50), 562 ff.; Peter Lerche, Rundfunkmonopol, 1970). — Facit: Jedenfalls außerhalb des umstrittenen Kernbestandes von Wesensaufgaben des Staates werden öffentliche Aufgaben zu staatlichen Aufgaben, wenn der Staat sie an sich zieht oder sich mit ihnen in irgendeiner Form befaßt (so die Formulierung im Fernsehurteil BVerfGE 12, 246).

Auch darin liegt letztlich nichts anderes als eine konkludente Prädi- katisierung von Aufgaben als „staatliche". Außerhalb der umstrit- tenen Wesensaufgaben scheidet somit schon logisch ein materielles Kriterium für die Identifizierung von staatlichen Aufgaben aus. Ent- scheidend ist der irgendwie zum Ausdruck kommende staatliche Kreationsakt. — Uber das Versagen einiger materiellrechtlicher Kriterien („Gemeinwohlorientiertheit", „Interesse", „Gewinnstre- ben") vgl. Klaus Vogel aaO. S. 61 ff. Daß das „öffentliche Interesse"

als Grenzformel ungeeignet ist, zeigen die Ausführungen von Walter Leisner, Privatinteressen als öffentliches Interesse, DÖV 1970, 217 ff.

") Auf sie rekurriert namentlich Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 759 ff.; ebenso Herschel, Staatsentlastende Tätigkeit im Arbeitsschutz, aaO. S. 231.

78) Haberle, Zur gegenwärtigen Diskussion um das Problem der Souveränität, AöR 92 (1967), 285.

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abgeschirmt ist79). — Die rechtlichen Probleme sind damit nicht verringert, aber richtiger lokalisiert oder allererst bezeichnet.

Ob eine Agende vom Staat in zulässiger Weise in Anspruch genommen worden ist, ist eine Frage des Einzelfalles und der Grundrechtsauslegung80).

Zu den insoweit bestehenden beträchtlichen Schwierigkeiten tritt eine weitere hinzu: die Frage danach, wie man erkennen kann, ob der Staat eine Agende als die seinige prädiziert oder aus dem gesellschaftlichen Raum evoziert hat. Hier fehlt es häufig an klaren Bezeichnungen81). Nur unter diesem Aspekt läßt sich der ausgedehnte Streit um die Technischen Uberwa- chungsvereine verstehen82). — Prekärer noch wird die Situa- tion, wenn der Staat bestimmte Aufgaben auf Private abbür- det, ohne über die Qualität der Aufgaben eine Aussage zu treffen, wie beispielsweise bei der Bevorratung von Erdöl, der Wegereinigung oder der Einbehaltung von Steuern durch Ar- beitgeber, Banken, Versicherer usw. Solche an den Bürger adressierten, gesetzlich statuierten Pflichten zur Erbringung von Sach- oder Dienstleistungen (ζ. B. Auskunft, Ermittlungen, Bevorratungen, Lohnsteuerabzug) können — in der Terminolo- gie von Forsthoffm) — eine zweifache Bedeutung haben. Er- stens: können sie sich als Verwaltungspflichten84) erweisen, de-

7e) Darauf hinzuweisen besteht Anlaß angesichts der verschiedent- lich geäußerten Befürchtungen, daß kaum eine Sicherung bestehe, wenn man die Prädizierung der staatlichen Aufgaben dem legisla- tiven Ermessen anheimgebe. Hiergegen ist zu bemerken, daß der Schutz gegen Totalisierung nur von den Grundrechten selbst aus- gehen kann. Vgl. auch die abwägenden Ausführungen von Scheuner, in: Gedächtnisschrift für Hans Peters, S. 811 ff.

80) Ob dabei eine „Funktionsvermutung zugunsten staatsfreier Tätigkeit" spricht (so Steiner DÖV 1970, 529) erscheint zweifelhaft, weil in ihr nichts anderes wiederkehrt als der umstrittene Satz: „in dubio pro libertate".

91) Klare Fälle sind die, in denen der Staat eine Aufgabe aus- drücklich als „staatliche" deklariert oder sie einer öffentlichrechtli- chen Organisation zuweist; zum Problem: vgl. Brohm, Strukturen der Wirtschaftsverwaltung, S. 154: Schluß von der Institution auf die Funktion, der gerade bei der Einschaltung von Privaten versagt.

82) Dazu namentlich die Kontroverse zwischen Rupp, Privateigen- tum an Staatsfunktionen, 1963 und Hans Peters, öffentliche und staatliche Aufgaben, aaO. sowie Herschel, Staatsentlastende Tätig- keit im Arbeitsschutz, aaO. S. 242 ff.

M) Lehrbuch, 9. Aufl. 1966, S. 172. Vgl. auch Bachof, Freiheit des Berufs, in: Die Grundrechte III/l S. 258 f., der die Auferlegung von Verwaltungspflichten der „rechtssatzmäßigen Überbürdung" von z.B. Wegereinigungspflichten gegenüberstellt.

84) Z.B. Meldepflichten, Buchführungspflichten, Auskunftspflich- ten usw. Sie sind nach Bachof (wie vorige Anm.) dem Bürger auf- erlegt, „um der Verwaltung die Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermög- lichen".

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ren Erfüllung eine eigene Angelegenheit des Betroffenen dar- stellt, der mit dieser Pflichterfüllung nur den von ihm erwarte- ten und geforderten Beitrag zur Staatsverwirklichung leistet.

Zweitens können sich solche Bürgerpflichten aber auch als Verwaltungsobliegenheiten entpuppen, deren Wahrnehmung Verwaltungsgeschäfte darstellen, die an sich vom staatlichen Behördenapparat selbst erfüllt werden müßten.

Aber wo liegt die Grenze? Woran erkennt man die überbür- dete Verwaltungsobliegenheit85)?

Diese Fragen lassen sich nicht anders als durch Auslegung des die Bürgerpflichten statuierenden Gesetzes abklären"').

Einige allgemeine Gesichtspunkte kommen dabei zu Hilfe. So kann man die Verwaltungspflichten häufig daran erkennen, daß sie höchstpersönlichen Charakter tragen87) und zum Teil

M) Diese Fragestellung läßt sich nicht damit umgehen, daß man abermals ihre rechtliche Relevanz in Zweifel zieht. Denn diese Re- levanz läßt sich nicht leugnen. — Zunächst einmal wird man davon ausgehen müssen, daß durch die Abbürdung staatlicher Aufgaben auf Private kein Qualitätsverlust eintritt; die Aufgaben bleiben

„staatlich" (vgl. Ipsen AöR 90 (1965), 418; größte Zweifel dagegen äußert Hans H. Klein DÖV 1965, 756). Wenn der staatliche Charak- ter der Aufgaben aber bestimmte rechtliche Konsequenzen im Ge- folge hat: für den Rechtsschutz, die Haftung, die Grundrechtsgel- tung, die Risikotragung usw., dann müssen diese Konsequenzen nach der Abbürdung fortbestehen. Indessen kann der Gesetzgeber

— freilich nur im Rahmen der Verfassung — die Erfüllung staat- licher Aufgaben durch Private einem anderen Zurechnungsrechts- kreis zuweisen, eben dem Privatrecht, und auf diese Weise die an- geführten Konsequenzen abändern. Letztlich wird aber der Durch- griff auf die Aufgabenqualität wieder höchst aktuell beim Aufga- benentzug, der sich entweder als Verstaatlichung von Privatagenden oder als Evokation von Staatsfunktionen darstellen kann und in dieser Alternative ganz unterschiedlichen grundrechtlichen Barrie- ren begegnet.

M) Vgl. insoweit BVerwG vom 26. 6. 1970 = DVB1. 1970, 736 betr.

Verkehrssicherungsmaßnahmen durch Bauunternehmer.

87) Vgl. Forsthoff, Lehrbuch, 9. Aufl. 1966, S. 172; Werner Weber, Die Dienst- und Leistungspflichten der Deutschen, 1943, S. 73, 79. — Allerdings sollte man sich davor hüten, öffentlichrechtliche Verhal- tenspflichten unbesehen als höchstpersönliche Pflichten zu qualifi- zieren, wie dies namentlich im Polizeirecht kritiklos geschieht; dazu Ossenbühl, Die Rechtsnachfolge des Erben in die Polizei- und Ord- nungspflicht, NJW 1968, 1992; zustimmend Hess VGH v. 13. 12. 1968

= BRS 20 Nr. 188. — Im übrigen ist die Erfüllung von Polizei- pflichten unzweifelhaft eine eigene Angelegenheit des „Störers". Er ist aufgrund der Rechtsordnung verpflichtet, Gefahren zu vermei- den oder von ihm verursachte oder ihm zurechenbare Gefahren und Störungen auch ohne Eingreifen der Polizei zu beseitigen. Diese von Privaten durchgeführte Gefahrenbekämpfung ist keine staatliche Aufgabe; sie wird es erst, wenn die Polizei aktiv wird. — Das gilt in gleicher Weise für die Pflicht der Besitzer von Kraftfahrzeugen

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sogar auf unvertretbare Handlungen gerichtet sind88). Eine Ak- tivität aber, die nur bestimmte Bürger entfalten können, ist für den staatlichen Behördenapparat schlechterdings unerfüll- bar, so daß der Bürger hier auch nicht an Stelle des Staates handelt oder handeln kann. Ferner: Ist die Erfüllung der Bür-

gerpflichten .mit drittgerichteten Eingriffen verbunden, die außerdem durch die „Reserve" der Staatsgewalt abgesichert werden, wird ebenfalls die Überbürdung einer Verwaltungsob- liegenheit indiziert89).

Im übrigen kommt es auf die Ausgestaltung der gesetzlichen Regelung hinsichtlich Haftung, Verantwortlichkeit, Rechts- schutz, Aufsicht, Weisungsbindung an, aus denen rückschlie- ßend Anhaltspunkte für die Zurechnung der Aufgabenerfül- lung entnommen werden müssen90). Weitere Indizien können und Überwachungspflichtigen Anlagen, die aber mangels eigenen Sachverstandes sich für diese Pflichterfüllung sachverständiger Drit- ter bedienen müssen. Aber dadurch wird diese Pflichterfüllung durch Dritte mitnichten ohne weiteres zur Erfüllung staatlicher Aufgaben (vgl. dazu richtig Peters, öffentliche und staatliche Auf- gaben, aaO. S. 887 gegen Rupp, Privateigentum an Staatsfunktionen, S. 19; zuletzt richtig differenzierend Hubert Sauer DVB1. 1970, 486 ff. (488).

M) Z.B. Auskunftspflicht, Zeugen- und Sachverständigenpflicht, Hand- und Spanndienste (vgl. Dagtoglou DÖV 1970, 536).

8e) Vgl. BVerfGE 10, 302 ff. (324 ff., 327) betr. zwangsweise Unter- bringung eines Mündels in einer geschlossenen Anstalt durch den Vormund. Dort heißt es: „Aber auch wenn es im Einzelfall des faktischen Einsatzes staatlicher Machtmittel nicht bedarf, wird die zwangsweise Unterbringung rechtlich dadurch gekennzeichnet, daß öffentliche Gewalt als „Reserve" bereitsteht und auf Anforderung des Vormundes jederzeit eingesetzt werden kann . . . Es verbietet sich hiernach, die Unterbringung volljähriger Geisteskranker durch den Vormund rechtlich so zu würdigen, als ob die Freiheitsentzie- hung sich im Rahmen privatrechtlicher Beziehungen zwischen Staatsbürgern abspielte. Der Staat kann sich von der Grundrechts- bindung nicht dadurch befreien, daß er einen Privatmann zur Wah- rung einer öffentlichen Aufgabe bestellt und ihm die Entscheidung über den Einsatz staatlicher Machtmittel überläßt". — Ebenso die außengerichtete Bürgerpflicht (des Arbeitgebers) beim Lohnsteuer- abzug (vgl. Johannes Riepen, Die Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren, 1967). Hier bleibt die Staatsgewalt noch verdeckter, weil der Staat sich an den haftenden Arbeitgeber hält, dessen Regress auf den Arbeitnehmer aber ungeregelt läßt (vgl. Riepen aaO. S. 44 ff). — Vgl. zum Ganzen auch Brohm, Struk- turen der Wirtschaftsverwaltung, S. 215 FN 70, der das Vorhanden- sein gesetzlicher Herrschaftsbefugnisse als Indiz heranzieht (An- klang an die sog. Rechtsstellungstheorie im Rahmen der Beleihung).

,0) Allerdings droht hier die Gefahr eines Zirkelschlusses, wenn einerseits die im Text genannten juristischen Konsequenzen und Details den Aufgabencharakter indizieren sollen, andererseits dort, wo diese Detailregelungen fehlen, von der Aufgabenqualität auf die

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aus dem Aufgabenzusammenhang81) geschöpft werden. So las- sen sich beispielsweise Agenden, die in untrennbarem Konnex mit unstreitig staatlichen Aufgaben stehen oder sich als Teil- akte einer umfassenderen Kompetenz erweisen, die im Schwer- punkt von staatlichen Behörden ausgeübt werden, aufgrund dieser Konnexität oder Annexität als staatliche Aufgaben iden- tifizieren92). — Freilich wird die Grenze zwischen der staatlich überwachten und beaufsichtigten Privatinitiative bei der Erle- digung öffentlicher Aufgaben und der dirigierten Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Private zuweilen schwer zu ziehen sein93). Solche Schwierigkeiten lassen sich allenfalls in einem längeren Abklärungsprozeß beheben oder mildern. Denn sie rechtlichen Konsequenzen geschlossen werden soll. — Außerdem sind die angeführten Kriterien nicht stets beweiskräftig. So kann von der staatlichen Überwachung und Aufsicht nicht ohne weiteres auf den staatlichen Charakter der Agende geschlossen werden. Das zeigt schon die Staatsaufsicht über die Privatschulen (vgl. Hans Peters, öffentliche und staatliche Aufgaben, S. 888 f.); zu einem anderen Fall: Her schei, Staatsentlastende Tätigkeit im Arbeitsschutz, in: Festschrift für Nipperdey, Bd. II 1965, 226. — Der Grund für die mangelnde Unterscheidungskraft der „Staatsaufsicht" liegt letztlich darin, daß sie auf zwei unterschiedlichen Motiven beruhen kann.

Einmal kann sie aus dem Gedanken des Demokratiegebotes und der Ministerverantwortlichkeit geboten sein (dazu sub IV 1 a) ; dann liegt ein Fall der Verwaltungshilfe Privater bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben vor. Zum anderen kann die „Staatsaufsicht" aber auch der Überwachung privater Tätigkeit dienen (dazu Bullinger, Staats- aufsicht in der Wirtschaft, WDStRL 22, 264 ff.); dann geht es (al- lenfalls) um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben.

") Dieser „Aufgabenzusammenhang" ist nicht identisch mit dem

„inneren Funktionszusammenhang", den Rupp (Privateigentum an Staatsfunktionen, S. 18) erwähnt (gegen ihn: Steiner DÖV 1970, 529).

Rupp kommt es an dieser Stelle seiner Erwägungen offensichtlich nur darauf an, die Staatsfunktion aus dem Bannkreis der Zweitei- lung „öffentliches Recht — Privatrecht" zu befreien, also klar fest- zustellen, daß die Qualität der Staatsfunktion unabhängig ist vom rechtlichen modus der Erfüllung.

92) Vgl. Hubert Sauer DVB1. 1970, 486 ff. (487); Steiner DÖV 1970, 528 (Aufteilung eines einheitlichen Arbeitsvorgangs zwischen öffent- licher Verwaltung und Privaten rechtfertigt keine unterschiedliche Bewertung der einzelnen Teilakte).

*3) Davon legt Zeugnis ab z.B. die Kontroverse um die Qualifi- kation der Gutachtertätigkeit von Sachverständigen oder Prüfer beim Technischen Überwachungsverein (vgl. dazu einerseits Her- schel, in: Festschrift für Nipperdey II, 1965, S. 221 (242 ff.); derselbe NJW 1969, 817 ff.; andererseits Hubert Sauer DVB1. 1970, 486 (487 f.).

— Zur Problematik neuerdings audi die eindringliche Darstellung von Böckstiegel aaO. (Anm. 67), der durch eine bedeutsame funk- tionale auf den individuell-konkreten Streitfall bezogene Betrach- tungsweise dem Abschichtungsproblem beizukommen sucht.

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