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Die sieben Purorucas.
Von
I. Scheftelowitz (Cöln;.
Die sieben Verse des mit „väyür agregd' beginnenden Sükta,
das sich in meiner Ausgabe, Apokryphen des ^.V. p. 141 findet,
werden in den Brähmanas und im Srauta-Ritual ebenso wie die
zwölf Padäni der ersten Nivid als Purorucas bezeichnet (Kaus. Br.
, 14, 4—5; Sat. Br. IV, 1, 3,15; Ääval. ir. 5,10, 4; Sänkh. &r. 7,10, 3).
Nach der Khila Anukramani werden diese sieben Verse im Praüga-
äastra angewendet, was auch richtig ist. Das Praüga ist die Be¬
zeichnung des zweiten Sastra bei der Frühlibation_ (^rS^afeatiawe),
das unmittelbar nach dem Ajyasastra folgt (vgl. Aäv. är. 5, 10, 6
10 nebst Komm.). Das Praüga-Sükta, in welcbes diese einzelnen Puro¬
rucas eingestreut werden, besteht aus den beiden 5,k-Hymnen I, 2—3,
die in sieben Tfcas zerfallen. Die Art und Weise der Verwendung
der sieben Purorucas behandeln Säükh. är. 7, 10 und Aäv. är. 5,
10, 4 ff. Die Säükbäyana-Stelle 7, 10, 3—8 lautet: Praüge 'ntarena
16 mädhucchandadäms tfcän fco vyavayanti tah puroruca ity äca¬
ksate (3). täsärn purastäd ähävah (4). pariähäniyäyai ca (5).
^afpada vaiävadevi (6). tasyäm dväbhyäm dväbhyäm avasäya
dväbhyäm prarianti (7). särasvatyäm vikalpah , Gamsen na vä,
nityas tv ähävah (8). ,Beim Praügaäastra treten zwischen die
M einzelnen Mädhucchandas-Trcäs [= ?,V. 1,2, 1—3; 4—6; 7—9;
I, 3, 1—3; 4—6; 7—9; 10—12] diese soj?enannten Puroruc-Verse.
Ihnen (den Purorucas) voran geht der Ahäva. Auch nach dem
letzten Vers (^V. I, 3, 12) tritt der Ähäva an. Aus sechs Stollen
besteht die Vaisvadevi-Puroruc [d.-i. der secffite Vers]; nach je
16 zwei Stollen dieses Verses setzt man ab und fügt dann die Silbe
Orn zu. Die Sarasvati-Puroruc braucht man nicht zu rezitieren;
wenn man will, rezitiere raan sie; jedoch obligatorisch ist der Ähäva".
Sodann werden in Sänkh. 7, 10, 9—15 die Purorucas nebst den
ihnen zugehörigen Tfcäs einzeln angeführt. Unmittelbar nach der
M Rezitation eines Puroruc-Verses wird der zugehörige Trca rezitiert.
Der erste Vers von dem ersten Trca wird dreimal aufgesagt (Säükh.
7, 10, 9). Die sieben Purorucas stehen in enger Verwandtschaft
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Scheftelowitz, Die »ieben Purorucas. 205
mit den sieben Tjcäs, in welche die beiden ^k-Lieder I, 2—8 zer¬
fallen. Aucb nach Kätyäyanas Sarvänukramani bilden diese beiden
Hymnen des Mädhucchandas das Praüga-Sükta. Sie lassen sich in
sieben Tfcäs zerlegen , von denen jeder einzelne einer besonderen
Gottheit geweiht ist. Der erste Tfca ist an Väyu, der zweite an t
Indra-Väyu, der dritte an Miträvaruiiä , der vierte an die Aävinä.
der fünfte an Indra, der sechste an die Viivedeväs, der siebente
an SarasvatI gerichtet. Die Sarvänukramani-Stelle lautet: VäifO
Väyavi/aindraväyavamaitravarunäs trcäfi, aävinä dvädaääSvinain-
dravaiävadevaaärasvatäs trcäh, saptaitäh praüyadevatäh. Diese lo
Angaben stimmen mit Ait. Br. -3, 1 und Kaus. Br. 14, 4 überein.
Es werden dort dieselben Gottheiten in derselben Reihenfolge für
das Praügaäastra vorgeschrieben; und RV. I, 2—3 ist nach den
Brähmanas das Pratigasükta (Ait. Br. 4,29,6; Kau;. Br. 14,5).
Die in diesem Praügasükta erwähnten sieben Gottheiten werden in 16
der gleichen Beihenfolge auch in den sieben Purorucas angerufen,
so daß also jede einzelne Puroruc dieselbe Gottheit preist, wie der
ihr zugehörige Tyca. Die gleicben Angaben wie Säükh. sr. 7, 10
macht auch Kaus. Br. 14, 4—5 über die Anwendung der Purorucas.
Auch nach Kaus. Br. geht jeder Puroruc der Ahäva voran. Es m
gibt drei Ahäva-Formeln, eine für die Frühlibation (prätahsavane),
eine zweite für die Mittagslibation (madhyarndine savane) und eine
besondere für die Abendlibation (trtiyasavane). Die erste Ahäva-
Pormel lautet: äomsävomS (Ait. Br. 3, 12, 1; Kaus. Br. 14, 3,
Säükh. är. VII, 9, 1; 19,6), die zweite: adhvaryo äornsävornS »
(Ait. Br. 3, 12, 3; Kaus. Br. 14, 3), die dritte: adhvaryo äoäomsä-
vom3 (Ait. Br. 3, 12, 4; Kaus Br. 14, 3; Säükh. är. 8, 3, 5). Da
nun das Praüga beim Prätahsavane stattfindet, so kommt also nur
die erste Ähäva-Formel zur Anwendung. Ebenso wie Säükh. är.
gibt auch Kaus. Br. 14, 5 an, daß die sechste, an die Viävadeväs so
gerichtete Pnronic aus sechs Padäni (= 6X8 Silben) besteht und
man bei der Rezitation naoh je zwei Stollen eine kleine Pause
macht (atha vaiävadevim purorucarn äainsati sä satpadä bhavati
. . . dve dve pade avagräham äarnsati). Also nach Kau.s. Br. war
der sechste Vers eine Mahäpaükti, wie sie auch in Säükh. 7, 10, 14 »6
überliefert ist. Im Käämir !9V.-Ms. ist jedoch dieser sechste Vers
eine Säkvarl [= 7X8 Silben], indem er einen sekundären Zusatz,
nämlich „juwänä adhmre sado' enthält. Diesen Zusatz scheint Aäv.
är. 5, 10, 7 noch nicht zu kennen, dagegen lag dem Komm, des
Ääval. bereits die Säkvarl vor. «
Da das Praüga-Ritual bei Aäval. ein wenig von Säükh. ab¬
weicht, so gebe ich hier die ganze Aäval.-Stelle an (5, 10, 4—9):
Väyur agregä yajflaprir iti saptänäm purorucäm tasyäs tasyä
uparisfät trcarn troarn äarnset (4). väyav äyähi daräateti sapta
trcäh (5). dvitiyärn praüge trih (6). purorugbhya ähvayita sastli- «
yäm trir avaayed ardharce 'rdharce (7). uttamäm na äarnsec
charnsanty eke trca ähvänam aäatnsane (8). .Mit „Väyur agregä
206 Scheftelowitz, Die sieben Purorucas.
yajflaprir* beginnen die Purorucas, unmittelbar nach jeder einzelnen
der sieben Purorucas rezitiere man je einen Tfca; die Hymne BV.
I, 2—3 bilden die sieben Tfcäs. Den zweiten" Vers möge man im
Praügasastra dreimal aufsagen. Vor den Purorucas wird der Ahäva
5 gemacht; im sechsten Vers setze man dreimal ab und zwar nach
jedem Halbvers. Den letzten Pnroruc-Vers braucbt man nicht zu
rezitieren; manche rezitieren nach dem letzten Tyca den Abäva,
ohne jedoch die zugehörige Puroruc zu rezitieren.'
Ebenso wie .Säükh. schreibt also aucb Aävaläyana vor, daß die
10 sechste Puroruc bei der Rezitation in drei Teile zerfällt, nur daß
bei Aäval. für den Ausdruck dve pade des Säükh. das ihm voll¬
ständig entsprechende Wort ardharca steht. Nach dem Komm, zu
dieser Stelle (5, 10, 7) soll dieser Vers allerdings sieben Stollen
haben : viävän devän ity esä sasthl, sä saptabhih padair ekä na
16 taih saptabhih padair dve anustub gäyatryäv iti saptänäm puro-
•rucäm ity atra saptagrahanenoktam. »Dieser sechste Vers beginnt
mit „viävän devän*. Dieser eine einzige Vers besteht aus sieben
Stollen ; nicht soll man aus diesen sieben Stollen zwei Verse machen'
nämlich eine Anustubh [= 4X8 Silben] und eine Gäyatri [=
20 3 X 8 Silben], denn hier ist im ganzen nur von sieben Purorucas
die Rede.' Aber da nach Ääval. der sechste Vers aus drei Halb¬
versen besteht, so können dem Ääval. nur sechs Viertelverse (pada)
vorgelegen haben.
Das Praügaäastra gehört bereits dem RV.-Zeitalter an, denn
ae der Tenninus Praüga kommt bereits in RV. X, 130, 3 vor, und
außerdem scheinen die beiden Süktäni RV. I, 2—3, die inhaltlich eine Einheit bilden, und ferner RV. II, 41 von vornherein für das Praüga-
Ritual verfaßt zu sein (vgl. A. Hillebrandt, Ved. Mythol. 1,259).
Unsere Purorucas gehören noch der Rk-Periode an , worauf die
so vielen alten Porraen , die darin vorkommen , hinweisen , von denen
ich folgende anf«hre: gan (1"), die Instrumentale kratvä (S"), madhvä
(4), ukthebhii (5), Nom. pl. deväsah (6); ferner lauten alle Duale
auf -a aus: narä devä, sumakhä (2), kävyä räjänä, riäädasä (3),
daivyä (4). Außerdem hat der Yajurveda raehrere Verse daraus
36 entlehnt, so Vers 1 = VS. 27, 31; Vers 3—4 = VS. 33, 72—73 ;
Vers 5 = VS. 1, 226, wo aber für bhandistho die Var. mandistho
steht. Die siebente Puroruc, die an Sarasvati väc gerichtet ist, wird
in Taitt. S. 7, 2, 7, 4 erwähnt. Kaus. Br. 14, 4-^5 setzt die ge¬
naueste Kenntnis aller sieben Purorucas voraus. In Sat. Br. 4, 1,
40 3, 15 ist von zwei Purorucas die Rede, von denen die erste an
Väyu, die zweite an Indra-Väyü gerichtet ist. Das sind also die
ersten zwei Purorucas. Der erste Pada von der zweiten Puroruc findet
sich in VS. 20, 74, MS. 3, 11, 4. Den Versuch, das Wort etyrao¬
logisch zu erklären, raachen Ait. Br. 3, 9, 1—2, Sat. Br. III, 9, 3, 28.
46 Nach Säyana (zu Ait. Br. 3, 9, 2) heißen diese sieben Verse deshalb die saptapurorucah, weil sie den sieben Praüga-Tfcas voranleuchten (praügatfcänärn saptänäm prarocanahetutvät).
Scheftelowitz, LH« sieben Purorucas. 207
Übersetzung der Purorucas:
1. Mag Väyu, der Opferfreund, welcher voranschreitet, er, der freund¬
liche, mit bereitwilligem Sinne zugleich mit seinem freundlichen Gespann kommen.
2. Die beiden, auf goldenen Pfaden wandelnden, göttlichen Männer, 6
Väyu und Indra, die hehren, sie mögen zu Hilfe kommen.
3. Die beiden Kävyä [Mitra und Varuna] sind infolge der Macbt
ihrer Weisheit zu Hause die beiden Könige, im Kriege die Ver¬
nichter der Feinde.
4. Die beiden göttlichen Adhvaryü [Asvinä] mögen mit ihrem lo
Wagen , der von der Sonne bedeokt wird , kommen , sie beide
mögen das Opfer mit Madhu schmücken.
6. Indra ist am meisten durch Ukthas gefeiert, er gebietet über
den Wohlstand, ei-, dessen Rosse falb sind, ist der Freund des
gepreßten Soma.
6. Wir mfen alle Götter zu diesem Opfer herbei, sie, die schön¬
geschmückten Götter, mögen zu diesem Opfer kommen mit ihrer
göttlichen Weisheit. Sie alle mögen bei der Opferhandlung zu¬
gegen sein , sie , welche an ihrem Opfersitz Gefallen finden nnd
dem Opfer eine Gestalt verleihen ; sie mögen zum Somatmnk m
anwesend sein.
7. Die durch ihre Sprache hervorragende Göttin, die schöngeschmückte
Väc, nämlich die SarasvatI, rufen wir zu diesem Opfer herbei.
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Gedankenlose Negationen und Fragewörter
im Semitischen.
Von U. Baner.
Man sagt dem Hamburger nach, daß er jeden Satz mit .nicht'
(bzw. ,nich, nöch' oder einer anderen Abart) schließe. Das wird
wohl überti'ieben sein. Gewiß ist aber, daß es, so weit die deutscbe
Zunge klingt, sehr viele Männer und noch mebr Frauen gibt, die
6 die Gewohnheit haben , alle Augenblicke ein .nicht ?' oder .nicht
wahr' in der Rede anbringen, auch in fortlaufender Erzählung, wo
sie vom Hörer gar keine Bestätigung erwarten oder den Umständen
nach gar nicht erwarten können. Es ist schon viel gegen diese
.Nich-sucht' gepredigt worden, aber sie scheint unausrottbar zu sein.
10 Auch das Fragewort .was ?' ist in gewissen Kreisen nnd in besonderen
Zusammenhängen beliebt: .Famos, was? — Hübsch gesagt, was?*
Am Anfang der Rede findet sich häufig ein überflüssiges .nein',
das ofienbar einen vorschwebenden negativen Satz vertreten soll:
.Nein, wie großartig! — Nein, diese Töne! — Nein, ich sage dir!'
15 Da nun gewisse sprachliche Unarten Gemeingut der Menschheit zu
sein scheinen und nicht selten zur Regel und Norm werden , so
lohnt es sich vielleicht, die oben aufgeführten einmal vom ver¬
gleichenden Standpunkt als .heuristisches Prinzip' zu verwenden und
zuzusehen, ob nicht einige semitische Spracherscheinungen von
üO ihnen aus beleuchtet und erklärt werden können.
Zunächst wfire hier das in der arabischen Poesie so häufige
zu nennen*). Da es jedoch für die Dichter das bequemste Mittel
ist, einen fehlenden Jambus am Versanfang zu bekommen, so wird
es vielleicht seine Häufigkeit eben diesem metrischen Zwang ver¬
ts danken und wir, wollen nicht weiter darauf eingehen.
- Dagegen berichtet Ibn Battüta ein ganz an die im Eingang
erwähnte .Nich-sucht' erinnerndes Beispiel des gedankenlosen Ge¬
brauches von und zwar aus Qalhät"), einer dem Beherrscher von
1) Im Koran kommt 54 mal, ^| 45 mal vor.
2) Nacb YSqüt IV, 168 eine ziemlicb junge Gründung und ausscbliefilieh von ^iri^iten (IbSditen) bewohnt.
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