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Konzeptionalisierung und Messung formalen Institutionenwandels : Das Beispiel parlamentarische Regeln

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Zusammenfassung Die Beschreibung und Erklärung von Institutionenwandel ist eine zentrale Herausforderung des neoinstitutionalistischen Forschungsprogramms.

Dieser Aufsatz diskutiert zentrale konzeptionelle, methodische und forschungs- praktische Probleme bei der Analyse des Wandels formaler Institutionen. Konzep- tionell werden vier Analyseansätze diskutiert, die sich hinsichtlich des Trade-Offs zwischen Breite und analytischer Tiefe unterscheiden. Methodisch entwickeln wir :HUN]HXJH GXUFK GLH VLFK GLH ,GHQWL¿NDWLRQ YRQ bQGHUXQJHQ LQ IRUPDOHQ 5HJHOQ

Konzeptionalisierung und Messung

formalen Institutionenwandels – Das Beispiel parlamentarische Regeln

Ulrich Sieberer · Peter Meißner · Julia F. Keh · Wolfgang C. Müller

Elektronisches zusätzliches Material: Die Online-Version dieses Artikels (doi: 10.1007/s12286- 014-0216-7) enthält zusätzliches Material, welches für autorisierte Benützer zugänglich ist.

Eine frühere Version dieses Artikels wurde auf der Jahrestagung 2013 der DVPW-Sektion Methoden in Konstanz vorgestellt. Wir danken den Teilnehmern der Tagung sowie zwei anonymen Gutachtern der ZfVP für wertvolle Hinweise. Unser besonderer Dank gilt unserem großen Team studentischer Hilfskräfte in Konstanz und Mannheim, ohne die die jahrelange Erhebung, Aufbereitung und Kodierung derart umfangreicher Primärdaten nicht möglich gewesen wäre. Die Forschung zu diesem Beitrag wurde oder wird gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Projekt SI 1470/2 í1), dem Zukunftskolleg der Universität Konstanz und dem Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) an der Universität Mannheim.

PD Dr. U. Sieberer () · P. Meißner, MA · J. F. Keh, MA

Fachbereich Politik- und Verwaltungswissenschaft und Zukunftskolleg, Universität Konstanz, 78457 Konstanz, Deutschland

E-Mail: ulrich.sieberer@uni-konstanz.de P. Meißner, MA

E-Mail: peter.meissner@uni-konstanz.de J. F. Keh, MA

E-Mail: julia.keh@uni-konstanz.de Prof. Dr. W. C. Müller

Institut für Staatswissenschaft, Universität Wien, 5RRVHYHOWSODW]

1010 Wien, Österreich

E-Mail: wolfgang.mueller@univie.ac.at

Konstanzer Online-Publikations-System (KOPS) URL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-0-279851

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weitgehend automatisieren und valide quantitative Indikatoren des Umfangs von Textänderungen erheben lassen. Wir demonstrieren die praktische Anwendung der

$QDO\VHDQVlW]HXQG:HUN]HXJHDQ'DWHQ]XP:DQGHOSDUODPHQWDULVFKHU5HJHOQLQ europäischen Demokratien und diskutieren weitere Anwendungsfelder.

Schlüsselwörter Automatisierter Textvergleich · Institutionenwandel · Messung · 3DUODPHQWDULVFKH5HJHOQ

Conceptualizing and measuring change in formal institutions: The case of parliamentary rules

Abstract Describing and explaining institutional change constitutes a major chal- lenge for the new institutionalist research program. This article discusses key con- ceptual, methodological, and practical issues in analyzing change in formal institu- tions. Conceptually, it suggests four analytical approaches that differ with regard to the trade-off between breadth of coverage and analytical depth. Methodologically, ZH GHYHORS QHZ VRIWZDUH WRROV WKDW DOORZ D ODUJHO\ DXWRPDWHG LGHQWL¿FDWLRQ RI changes in formal rules and that permit a valid, quantitative measurement of the amount of changes in a text. We demonstrate the application of the four approaches and the new tools using data on changes in parliamentary rules in European democ- UDFLHVDQGGLVFXVVIXUWKHU¿HOGVRIDSSOLFDWLRQ

Keywords Automated text Comparison · Institutional change · Measurement · Parliamentary rules

1 Einleitung

Institutionen sind spätestens seit den 1990er Jahren wieder ins Zentrum politikwis- senschaftlicher Analysen gerückt. Der Schwerpunkt lag dabei lange auf den Folgen von Institutionen für Verhalten und Outputs und basierte auf der Annahme, dass Ins- titutionen als exogen und stabil angesehen werden können. Diese Annahme wird in jüngerer Zeit zunehmend in Frage gestellt, so dass Fragen von Institutionengenese, Institutionendesign und Institutionenwandel zu einer zentralen Forschungsfront des neoinstitutionalitischen Forschungsprogramms (sowohl in der rational choice als auch in der historischen Variante) geworden sind. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei HQJYHUNQSIWH)UDJHQ:DUXPYDULLHUHQLQVWLWXWLRQHOOH5HJHOQEHU/lQGHUKLQZHJ"

8QGLQZHOFKHP$XVPD‰XQGZDUXPZHUGHQLQVWLWXWLRQHOOH5HJHOQEHU=HLWYHUlQ- GHUW"'LHVH)UDJHQZHUGHQVRZRKOWKHRUHWLVFKLQWHQVLYGLVNXWLHUW]%2VWURP2005;

Pierson 2004) als auch hinsichtlich zentraler Institutionen moderner Demokratien wie Wahlsysteme, territoriale Gewaltenteilung oder grundlegende Verfassungsord- nungen empirisch untersucht (z. B. Benoit 2007; Harfst 20135HQZLFN2011; Benz und Behnke 2009; Kaiser 2002).

'LH HPSLULVFKH $QDO\VH LQVWLWXWLRQHOOHQ :DQGHOV ZLUIW LQGHV HLQH 5HLKH YRQ NRQ]HSWLRQHOOHQ XQG PHWKRGLVFKHQ )UDJHQ DXI GLH LQ GHU /LWHUDWXU ELVODQJ NDXP

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systematisch diskutiert wurden. Konzeptionell erfordert die Erklärung von Institutio- QHQZDQGHO]XQlFKVWGLH8QWHUVFKHLGXQJYHUVFKLHGHQHU7\SHQLQVWLWXWLRQHOOHU5HIRU- men. Daneben ist zu klären, auf welcher Ebene und mit welcher Art von Indikatoren sich Institutionenwandel messen lässt sowie welche charakteristischen Stärken und Schwächen diese Analyseansätze jeweils aufweisen. Methodisch stellt sich zunächst GLH)UDJHZLHVLFKLQVWLWXWLRQHOOHbQGHUXQJHQV\VWHPDWLVFKXQGHI¿]LHQWLGHQWL¿]LH- UHQODVVHQLQVEHVRQGHUHZHQQHLQH9LHO]DKODQ5HJHOQEHLVSLHOVZHLVHGHUJHVDPWH 9HUIDVVXQJVLQKDOWEHUHLQHQOlQJHUHQ=HLWUDXPXQGPHKUHUH/lQGHUKLQZHJDQD- lysiert werden soll. Darauf aufbauend müssen valide Maße für institutionelle Ver- änderungen entwickelt werden.

Dieser Aufsatz diskutiert diese Probleme und schlägt erste Schritte zu ihrer /|VXQJYRU8QVHUH$UJXPHQWDWLRQEHVFKUlQNWVLFKDXIIRUPDOH,QVWLWXWLRQHQGK UHFKWOLFKYHUELQGOLFKHXQGGXUFKVHW]EDUH5HJHOQXQGEOHQGHWGDPLWLQIRUPHOOHQ,QV- titutionenwandel, d. h. Veränderungen von Konventionen, Interpretationen und nicht NRGL¿]LHUWHQ9HUKDOWHQVUHJHOQDXV 'LH)RUVFKXQJ ]XP:DQGHOSROLWLVFKHU,QVWLWX- tionen teilt größtenteils diesen Fokus, auch wenn informelle Institutionen wichtige )ROJHQIUSROLWLVFKHV9HUKDOWHQKDEHQN|QQHQ]%+HOPNHXQG/HYLWVN\2004).

)U GLH .RQ]HQWUDWLRQ DXI IRUPDOH 5HJHOQ VSUHFKHQ YRU DOOHP GHUHQ 9HUELQGOLFK- NHLWDXFKLQ.RQÀLNWIlOOHQVRZLHGLH6FKZLHULJNHLWLQIRUPHOOH,QVWLWXWLRQHQXQGLKUH 9HUlQGHUXQJUHOLDEHO]XPHVVHQ=XGHPZHUGHQZLFKWLJHLQIRUPHOOH5HJHOQKlX¿J formalisiert, insbesondere wenn ihre Interpretation umstritten war. Daher sollten for- male Institutionen zumindest in stark institutionalisierten Demokratien die wichtigs- WHQXQGNRQWURYHUVHVWHQSROLWLVFKHQ5HJHOQEHLQKDOWHQ0OOHUXQG6LHEHUHU2014;

s. auch Marschall 2004).

Die in diesem Aufsatz entwickelten konzeptionellen Unterscheidungen, methodi- schen Werkzeuge und empirischen Indikatoren sind grundsätzlich auf alle formalen ,QVWLWXWLRQHQDQZHQGEDUXQGOLH‰HQVLFKGDKHUDQYHUVFKLHGHQVWHQ5HJHOQZLH9HU- fassungen, Wahlgesetzen oder Parteistatuten veranschaulichen. Wir verwenden zur ,OOXVWUDWLRQ5HIRUPHQSDUODPHQWDULVFKHU*HVFKlIWVRUGQXQJHQGLHDXVYLHU*UQGHQ EHVRQGHUV JHHLJQHWHV $QVFKDXXQJVPDWHULDO ELHWHQ (UVWHQV VLQG GLHVH 5HJHOQ LP Gegensatz zu beispielsweise Verfassungen, meist sehr präzise formuliert, so dass sich

%HGHXWXQJXQG)ROJHQYRQbQGHUXQJHQUHODWLYJXWSURJQRVWL]LHUHQODVVHQ=ZHLWHQV regulieren parlamentarische Geschäftsordnungen sehr direkt alltägliche politische Auseinandersetzungen, was politischen Akteuren große Anreize für eine strategi- VFKH9HUlQGHUXQJGLHVHU5HJHOQJLEW'ULWWHQVVLQGVLHLQGHQPHLVWHQ/lQGHUQOHLFKW änderbar (Müller 2002ZDVZLHGHUXPHPSLULVFK]XKlX¿JHQXQGWHLOVXPIDVVHQGHQ 5HIRUPHQIKUW'DGXUFKHQWVWHKHQYLHUWHQVEHLHLQHU$QDO\VHEHU=HLWJUR‰H'DWHQ- PHQJHQZDVHLQHUVHLWVHI¿]LHQWHXQGZHLWJHKHQGDXWRPDWLVLHUWH$QDO\VHZHUN]HXJH besonders dringlich macht und andererseits ausreichend Material für die Illustration verschiedener Analyseansätze samt ihrer jeweiligen Stärken und Schwächen sowie der Komplementarität der Ansätze hervorbringt.

Unsere weitere Argumentation erfolgt in drei Schritten. In Abschnitt 2 bespre- chen wir zentrale konzeptionelle Unterscheidungen hinsichtlich verschiedener Typen von Institutionenwandel und stellen vier idealtypische Analyseansätze vor, die unter- schiedliche Schwerpunkte bezüglich des inhärenten Forschungsdesign-Trade-Offs zwischen Breite und analytischer Tiefe setzen. In Abschnitt 3 stellen wir Verfahren

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XQG:HUN]HXJHYRUGLHGHQ]HLWDXIZlQGLJHQ3UR]HVVGHU,GHQWL¿NDWLRQYRQbQGH- UXQJHQLQIRUPDOHQ5HJHOQZHLWJHKHQGDXWRPDWLVLHUHQXQGGDGXUFKPDVVLYYHUHLQ- fachen. Wir präsentieren zunächst vollautomatische und teilautomatische Verfahren zur Verknüpfung zusammengehöriger Textelemente über verschiedene Versionen HLQHV7H[WNRUSXV]%HLQHU5HFKWVQRUPKLQZHJGLHLQGHU3URJUDPPLHUVSUDFKH5 implementiert sind. Diese neuen Algorithmen können zum systematischen Vergleich jeder Art von Texten genutzt werden und sind damit weit über die Analyse formaler Institutionen hinaus anwendbar. Anschließend entwickeln wir ein neues quantita- WLYHV 0D‰ IU GHQ 8PIDQJ LQVWLWXWLRQHOOHU bQGHUXQJHQ DXI *UXQGODJH YHUlQGHUWHU :RUW]DKOHQ:LU]HLJHQGDVVGLHVH9HUIDKUHQ]XPDVVLYHQ(I¿]LHQ]JHZLQQHQIKUHQ und gleichzeitig valide Maße hervorbringen. In Abschnitt 4 illustrieren wir die vier Analyseansätze und unsere methodischen Werkzeuge an Daten zu parlamentarischen 5HJHOlQGHUXQJHQLQ:HVWHXURSDVHLW,P6FKOXVVDEVFKQLWWGLVNXWLHUHQZLUGLH Anwendbarkeit unseres Ansatzes in anderen Kontexten.

2 Konzeptioneller Rahmen: Ansätze zur Analyse von Institutionenwandel 2.1 Konzeptionelle Unterscheidungen

Unter den Begriff Institutionenwandel fallen sehr vielfältige Phänomene. Daher sind konzeptionelle Unterscheidungen unerlässlich, mit deren Hilfe sich diese Vielfalt in intern homogene Untergruppen unterteilen lässt, die denselben kausalen Mechanis- men unterliegen („causal homogeneity“). Der Nutzen der hier diskutierten Diffe- renzierungen wird bei der illustrativen Anwendung unserer vier Analyseansätze in Abschnitt 4 deutlich.

(UVWHQV ODVVHQ VLFK GUHL IRUPDOH bQGHUXQJVW\SHQ JHVFKULHEHQHU 5HJHOQ XQWHU- VFKHLGHQQlPOLFK+LQ]XIJXQJHQLP5HJHOXQJVWH[W/|VFKXQJHQXQG0RGL¿NDWLR- QHQ'LHVHGUHL7\SHQGHFNHQ]XVDPPHQVlPWOLFKHORJLVFKP|JOLFKHQbQGHUXQJHQ DE6LHVLQGMHZHLOVGH¿QLHUWDXI(EHQHGHUJUXQGOHJHQGHQ$QDO\VHHLQKHLWLQQHUKDOE des analysierten Textkorpus. Diese Analyseeinheit kann beispielsweise aus Kapiteln, 3DUDJUDSKHQRGHU$EVlW]HQHLQHU5HFKWVQRUPEHVWHKHQ+LQ]XIJXQJHQVLQGGHP- QDFKLQHLQHU5HIRUPHLQJHIJWH(LQKHLWHQGLHLQGHUlOWHUHQ)DVVXQJGHV7H[WVNHLQH (QWVSUHFKXQJKDEHQ/|VFKXQJHQVLQG(LQKHLWHQGLHQXULQGHUlOWHUHQ9HUVLRQYRU- NRPPHQXQG0RGL¿NDWLRQHQEH]HLFKQHQ(LQKHLWHQGLHPLWXQWHUVFKLHGOLFKHP:RUW- ODXWLQEHLGHQ9HUVLRQHQ]X¿QGHQVLQG'LH'LIIHUHQ]LHUXQJGLHVHUbQGHUXQJVW\SHQ LVWIUHLQHYDOLGH0HVVXQJGHV8PIDQJVLQVWLWXWLRQHOOHU5HIRUPHQHUIRUGHUOLFKV Abschnitt 3.2).

=ZHLWHQVODVVHQVLFKLQVWLWXWLRQHOOH5HIRUPHQDQKDQGLKUHU)ROJHQIUSROLWLVFKH 3UR]HVVHXQG(UJHEQLVVHNODVVL¿]LHUHQLQVEHVRQGHUHKLQVLFKWOLFKGHU)UDJHZHUYRQ HLQHU 5HIRUP SUR¿WLHUW =HQWUDO LVW KLHUEHL GLH YRQ *HRUJH7VHEHOLV 1990, Kap. 4) JHSUlJWH8QWHUVFKHLGXQJYRQ3DUHWRHI¿]LHQWHQXQGUHGLVWULEXWLYHQ5HIRUPHQ3DUH- WRHI¿]LHQWH5HIRUPHQQW]HQDOOHQRGHUEHLHWZDVOD[HUHU9HUZHQGXQJGHV.RQ]HSWV QDKH]XDOOHQDQGHU5HIRUPHQWVFKHLGXQJEHWHLOLJWHQ$NWHXUHQXQDEKlQJLJYRQLKUHU Position im politischen Wettbewerb (beispielsweise ihrer aktuellen und künftigen 5HJLHUXQJVEHWHLOLJXQJ6ROFKH5HIRUPHQHQWVWHKHQRIWDOV5HDNWLRQDXIbQGHUXQJHQ

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im externen Umfeld oder als koordinierter Versuch von Entscheidungsträgern, Kos- ten im Sinne einer Kartelllogik zu externalisieren. Beispiele umfassen die Stärkung SDUODPHQWDULVFKHU,QVWUXPHQWH]XU%HHLQÀXVVXQJYRQ(8(QWVFKHLGXQJHQRGHU5HJH- OXQJHQ]XU3DUWHLHQXQG:DKONDPSI¿QDQ]LHUXQJGLHDOOHQLP3DUODPHQWYHUWUHWHQHQ Parteien nutzen (wenn auch auf Kosten der Steuerzahler und möglicherweise im Par- ODPHQWQLFKWYHUWUHWHQHU3DUWHLHQ5HGLVWULEXWLYH5HIRUPHQKLQJHJHQYHUlQGHUQGLH 9HUWHLOXQJYRQLQVWLWXWLRQHOOHU0DFKW*HOGRGHUDQGHUHQ5HVVRXUFHQ]ZLVFKHQGHQDP 5HIRUPSUR]HVVEHWHLOLJWHQ$NWHXUHQXQGVWHOOHQEHVWLPPWH$NWHXUHDXI.RVWHQDQGH- UHUEHVVHU'LHVHP5HIRUPW\SVLQGEHLVSLHOVZHLVH:DKOV\VWHPZHFKVHOPLW(LQÀXVV auf die Chancen kleinerer Parteien, die Dezentralisierung von Entscheidungsbefug- nissen oder die Stärkung bzw. Schwächung von Minderheitsrechten in Parlamenten ]X]XRUGQHQ'LH8QWHUVFKHLGXQJYRQHI¿]LHQWHQXQGGLVWULEXWLYHQ5HIRUPHQLVWLQV- EHVRQGHUHIUGLH(UNOlUXQJYRQ,QVWLWXWLRQHQZDQGHOZLFKWLJGDGLHVH5HIRUPW\SHQ aufgrund der unterschiedlichen Verteilung von Gewinnen verschiedenen Dynamiken folgen dürften (Sieberer und Müller 2014; Sieberer et al. 2011).

2.2 Vier Analyseansätze

Ein komplexes Phänomen wie Institutionenwandel lässt sich auf verschiedene Arten XQWHUVXFKHQ:LUXQWHUVFKHLGHQYLHULGHDOW\SLVFKH$QDO\VHDQVlW]HIU5HIRUPHQIRU- PDOHU5HJHOQ'LHVH$QVlW]HYDULLHUHQLQLKUHU3RVLWLRQ]XGHUMHGHP)RUVFKXQJVGH- VLJQLQKlUHQWHQ$EZlJXQJ]ZLVFKHQHLQHUÄ/RJLNGHU%UHLWH³XQGHLQHUÄ/RJLNGHU Tiefe“ (Gschwend und Schimmelfennig 2007). Aufgrund ihrer jeweiligen Schwer- punkte eignen sich die vier Ansätze zur Beantwortung unterschiedlicher Fragen. In der Zusammenschau ergeben sie zudem ein umfassendes Bild des Wandels formaler Institutionen. Tabelle 1 fasst die Analyseansätze hinsichtlich ihrer Ziele, der verwen- GHWHQ'DWHQEDVLVP|JOLFKHQ,QGLNDWRUHQXQGLKUHQVSH]L¿VFKHQ6WlUNHQVRZLHGHQ damit einhergehenden Grenzen zusammen.

'HUHUVWH$QVDW]PDFKW$XVVDJHQEHULQVWLWXWLRQHOOH5HIRUPHQDXIGHU0DNUR- ebene. Diese Aussagen können entweder qualitativ als Einschätzung der Gesamt- reform erfolgen (z. B. als „umfassend“, „weitreichend“, oder „marginal“) oder mit quantitativen Indikatoren gemessen werden, beispielsweise als Anzahl geänderter Worte gegenüber der vorherigen Fassung. Beispiele dieses Ansatzes sind die Kar- tierung von Wahlsystemreformen in westeuropäischen Demokratien (Katz 2005), 'DWHQ ]XU bQGHUXQJVKlX¿JNHLW YRQ 9HUIDVVXQJHQ /XW]1994) sowie quantitative Beschreibungen der Veränderung parlamentarischer Geschäftsordnungen (Sieb- erer et al. 2011; s. u. Abschnitt 4.1). Die zentralen Ziele dieses Ansatzes sind die Beschreibung grundlegender Muster von institutioneller Stabilität und Veränderung VRZLHGLH,GHQWL¿NDWLRQJUR‰HU5HIRUPHQGLHHLQHJHQDXHUH$QDO\VHUHFKWIHUWLJHQ Seine Stärke liegt im umfassenden Zugriff auf sämtliche Veränderungen institutio- QHOOHU5HJHOXQJHQZRGXUFKYHU]HUUWH$XVVDJHQDXI*UXQGODJHHLQHUQLFKW]XIlOOLJHQ Auswahl für Fallstudien verhindert werden. Der Ansatz ist besonders nützlich für die

$QDO\VHXPIDQJUHLFKHU5HJHOQGLHKlX¿JHQbQGHUXQJHQXQWHUOLHJHQ'HU0DNUR- ansatz stößt aber an zwei wichtige Grenzen. Erstens erlaubt er, insbesondere in seiner quantitativen Ausprägung, keine direkten Aussagen über die substanzielle Bedeutung YRQ5HIRUPHQGDbQGHUXQJHQVRZRKO]HQWUDOHDOVDXFKUHODWLYXQZLFKWLJHWHFKQL-

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Tab. 1 Vier Ansätze zur Analyse von formalem Institutionenwandel AnalyseansatzDatenbasisZieleBeispielindikatorenStärkenGrenzen Makro6lPWOLFKHUHOHYDQWHQ5HJHOQ (z. B. sämtliche Wahlsystemre- geln; sämtliche parlamentarische 5HJHOQVlPWOLFKH5HJHOQ]XP Wohlfahrtsstaat) Beschreibung umfassender Muster von Stabilität und Wandel ,GHQWL¿NDWLRQJUR‰HU5HIRUPHQ für Detailanalysen Anzahl geänderter Worte im gesamten Textkorpus, z. B. in gesamter Geschäftsordnung Qualitative Bewertung der Gesamtreform (z. B. „um- IDVVHQGH5HIRUP³ 'HFNWJHVDPWHQ5HJHONRU- pus ab=> keine Verzerrung durch a priori Auswahl

Keine Informatio- nen zu Effekten und Wichtigkeit GHU5HIRUP Kaum direkte Kausalanalyse Meso I7HLOHGHUUHOHYDQWHQ5HJHOQ$XV- ZDKOEDVLHUHQGDXI5HJHOXQJVLQKDOW ]%DOOH5HJHOXQJHQ]XU.DQ- GLGDWHQQRPLQLHUXQJDOOH5HJHOQ zu Parlamentsausschüssen; alle 5HJHOQ]X.UDQNHQYHUVLFKHUXQJ

Beschreibung detaillierterer Muster von Stabilität und Wandel ,GHQWL¿NDWLRQYRQ5HJHOXQJV- inhalten mit mehr oder weniger Wandel Anzahl geänderter Worte PLWVSH]L¿VFKHP5HJH- lungsinhalt, z. B. in allen Geschäftsordnungsregeln zu Ausschüssen Deckt in mehreren Teilen JHVDPWHQ5HJHONRUSXVDE /HLFKWH,GHQWL¿NDWLRQYRQ UHOHYDQWHQ5HJHOQIUVSH- ]L¿VFKH8QWHUVXFKXQJ

Wie oben (je nach Kodierschema abgeschwächt) Hohe Anforderun- gen an Kodierer Zeitaufwändig Meso II7HLOHGHUUHOHYDQWHQ5HJHOQ$XV- wahl basierend auf erwarteten )ROJHQGHUbQGHUXQJ]%DOOH Wahlsystemreformen, die die Dis- SURSRUWLRQDOLWlWEHHLQÀXVVHQMHGH 6WlUNXQJGHU5HFKWHSDUODPHQ- tarischer Minderheiten; Wechsel YRQEHLWUDJV]XVWHXHU¿QDQ]LHUWHQ Sozialleistungen)

5FNVFKOVVHDXI]XHUZDUWHQ- GH*HVDPWIROJHQYRQ5HIRUP (UNOlUXQJYRQ5HIRUPHQDXI *UXQGODJHVSH]L¿VFKHUWKHRUHWL- scher Modelle Dummyvariable zum Vor- liegen einer Stärkung von Minderheitsrechten Anzahl geänderter Ab- sätze mit Stärkung von Minderheitsrechten ,GHQWL¿NDWLRQKRPRJHQHU Gruppen für Erklärung Fokus auf substanziell ZLFKWLJH5HIRUPHQ möglich

Beschränkung auf 7HLOGHU5HJHOQ Hohe Anforderun- gen an Kodierer Zeitaufwändig Mikro6SH]L¿VFKHWKHRUHWLVFKUHOHYDQWH 9DULDEOHQ]XHLQ]HOQHQ5HJHOQ (z. B. Wahlkreisgröße; Agenda- setzungsregeln im Parlament; Kreis GHU6R]LDOYHUVLFKHUXQJVSÀLFKWLJHQ

5FNVFKOVVHDXI]XHUZDUWHQGH )ROJHQHLQ]HOQHUbQGHUXQJHQ (UNOlUXQJYRQ5HIRUPHQPLW VSH]L¿VFKHPWKHRUHWLVFKHQ Modell =HLWVSH]L¿VFKH0HV- sung von Institutionen als Erklärungsvariablen 5HIRUPGHUQRPLQDOHQ Variable: Wer kann Gesetze LQLWLLHUHQ" 5HIRUPGHURUGLQDOHP Variable: Wie umfassend sind Agendasetzungsrechte des .DELQHWWVLP3OHQXP" 5HIRUPGHUPHWULVFKHQ Variable: Mehrheitserforder- nis zur Verabschiedung von Gesetzen Fokus auf theoretisch wich- tige Variablen 5HODWLYJHQDXHV9RUZLVVHQ EHU5HIRUPIROJHQ

Beschränkung auf kleinen Teil der 5HJHOQ Beschränkung auf intensiv unter- suchte Bereiche

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VFKH5HJHOXQJHQEHWUHIIHQN|QQHQ'LHVXEVWDQ]LHOOH:LFKWLJNHLWYRQ5HIRUPHQOlVVW VLFKQXUGXUFKGLH(LQEH]LHKXQJGHV5HJHOXQJVLQKDOWVEHXUWHLOHQVGD]XGHQ0HVR II-Ansatz unten). Zweitens ignoriert er Unterschiede hinsichtlich der zu erwartenden 5HIRUPIROJHQGLIIHUHQ]LHUWEHLVSLHOVZHLVHQLFKW]ZLVFKHQHI¿]LHQWHQXQGUHGLVWULEX- WLYHQ5HIRUPHQ6FKOLH‰OLFKHLJQHQVLFK0DNURGDWHQQXUGDQQDOVDEKlQJLJH9DULDEOH ]XU hEHUSUIXQJ YRQ (UNOlUXQJVPRGHOOH ZHQQ IU VlPWOLFKH 5HIRUPHQ GHUVHOEH Kausalmechanismus angenommen werden kann, was beispielswiese bei parlamenta- ULVFKHQ5HJHOlQGHUXQJHQGLHHI¿]LHQWHXQGUHGLVWULEXWLYH5HIRUPHQHQWKDOWHQQLFKW der Fall ist.

Der zweite und dritte Ansatz sind auf der Mesoebene angesiedelt und führen auf XQWHUVFKLHGOLFKH :HLVHQ 'LIIHUHQ]LHUXQJHQ LQQHUKDOE GHU XQWHUVXFKWHQ 5HJHOXQJHQ ein. Auch der als „Meso I“ bezeichnete Ansatz untersucht den gesamten relevanten 7H[WNRUSXVGLIIHUHQ]LHUWGLHVHQDEHUQDFKGHP5HJHOXQJVLQKDOW%HLVSLHOVZHLVHNDQQ eine Studie zu Wahlsystemwandel Veränderungen in der Proportionalität der Man- datszuteilung von solchen hinsichtlich der Personalisierung des Wahlsystems trennen 5HQZLFN2011), eine Untersuchung zum Wandel des Wohlfahrtsstaats kann zwischen Subsystemen wie Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung differenzieren (Allan und Scruggs 2004RGHU$QDO\VHQSDUODPHQWDULVFKHU5HJHOlQGHUXQJHQN|QQHQ ]ZLVFKHQ5HJHOQ]X(QWVFKHLGXQJHQLP3OHQXP]XULQWHUQHQ2UJDQLVDWLRQXQG]XU .RQWUROOHGHU5HJLHUXQJXQWHUVFKHLGHQ6LHEHUHUHWDO2011; s. u. Abschnitt 4.2). Auf diese Untergruppen können dann die oben beschriebenen Indikatoren zu Existenz und 8PIDQJYRQ5HIRUPHQDQJHZHQGHWZHUGHQ'HU0HVR,$QVDW]WHLOWGLH6WlUNHQGHV Makroansatzes, erlaubt aber detailliertere Beschreibungen. Zudem ermöglicht eine .ODVVL¿]LHUXQJVlPWOLFKHU]XJUXQGHOLHJHQGHQ5HJHOQDQKDQGLKUHU,QKDOWHGLH,GHQWL-

¿NDWLRQYRQ%HUHLFKHQLQGHQHQ,QVWLWXWLRQHQZDQGHOPHKURGHUZHQLJHUKlX¿JDXI- WULWWXQGNDQQDOV*UXQGODJHIUGLHJH]LHOWH$XVZDKOYRQ5HJHOQEHVWLPPWHQ,QKDOWV dienen. Allerdings ist der Ansatz in der Kodierung ressourcenintensiv, insbesondere bei umfangreichen Textkorpora. Zudem treffen die Beschränkungen des Makroansat- zes auch auf diesen Analyseansatz zu, wenn auch in geringerem Ausmaß, wenn ein sehr detailliertes inhaltliches Kodierschema verwendet wird.

'HUGULWWH$QDO\VHDQVDW]±0HVR,,±NODVVL¿]LHUW5HJHOlQGHUXQJHQDQKDQGLKUHU HUZDUWHWHQ)ROJHQXQGNRQ]HQWULHUWVLFKDQVFKOLH‰HQGDXI5HIRUPHQPLWEHVWLPPWHQ (IIHNWHQ]%QXUGLVWULEXWLYH5HIRUPHQZLH:DKOV\VWHPlQGHUXQJHQGLHGLH'LV- proportionalität des Systems verändern (Harfst 2013), oder nur Parlamentsreformen, die Minderheitenrechte stärken oder schwächen (Binder 1996; Schickler 2000; s. u.

$EVFKQLWW'HU$QVDW]GLHQWYRUDOOHPGD]X7HLOPHQJHQYRQ5HIRUPHQ]XLGHQ- WL¿]LHUHQGLHGHQVHOEHQNDXVDOHQ'\QDPLNHQXQWHUOLHJHQXQGGDKHUPLWGHPVHOEHQ WKHRUHWLVFKHQ0RGHOOHUNOlUWZHUGHQN|QQHQ=XGHPNDQQLP5DKPHQGHUTXDOLWD- tiven Kodierung von Veränderungen prinzipiell auch deren substanzielle Wichtig- NHLWEHXUWHLOWZHUGHQVRGDVVHLQHEHJUQGHWH)RNXVVLHUXQJDXIZLFKWLJH5HIRUPHQ möglich wird. Im Vergleich zu den bisher diskutierten Ansätzen sind Daten nach dem Meso II-Ansatz allerdings mit größerer Unsicherheit behaftet, da die Wirkung LQVWLWXWLRQHOOHU5HIRUPHQLQVEHVRQGHUHEHL'HWDLOlQGHUXQJHQQXUVFKZHUDEVFKlW]- bar ist. Entsprechend aufwändig und sensitiv ist die Kodierung. Zudem blendet eine IRNXVVLHUWH$QDO\VHYRQbQGHUXQJHQPLWEHVWLPPWHQ(IIHNWHQ]ZDQJVOlX¿JDQGHUH

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5HIRUPHQDXVVRGDVVDXI*UXQGODJHGLHVHV$QVDW]HVDOOHLQNHLQHXPIDVVHQGHQ$XV- sagen über institutionelle Stabilität und Wandel möglich sind.

'HUYLHUWH$QVDW]DQDO\VLHUWbQGHUXQJHQVSH]L¿VFKHULQVWLWXWLRQHOOHU9DULDEOHQDXI GHU 0LNURHEHQH 'HU )RNXV OLHJW DXI GHU9HUlQGHUXQJ YRQ9DULDEOHQ GHUHQ 5HOH- vanz in früheren theoretischen und/oder empirischen Arbeiten herausgestellt wurde, wie beispielsweise die Wahlkreisgröße (Taagepera und Shugart 1989), parlamenta- rische Agendasetzungsregeln (Döring 1995; s. u. Abschnitt 4.4) oder die von einem wohlfahrtsstaatlichen Programm betroffenen Personengruppen (Korpi und Palme 1998). Dieser Ansatz erlaubt größere analytische Tiefe, da die Folgen institutioneller 5HIRUPHQJXWDEVFKlW]EDUVLQG'LH%UHLWHHLQHUVROFKHQ$QDO\VHLVWKLQJHJHQQRW- ZHQGLJHUZHLVHDXIZHQLJH5HJHOQEHVFKUlQNW=XGHPOlXIWGHU$QVDW]*HIDKU5HJH- lungsbereiche zu vernachlässigen, die in der bisherigen Forschung wenig Beachtung gefunden haben. Das mag für intensiv erforschte Institutionen wie das Wahlsystem XQSUREOHPDWLVFKVHLQIKUWDEHU]X3UREOHPHQEHL5HJHOQEHUGHUHQWKHRUHWLVFKH und substanzielle Bedeutung aufgrund fehlender Forschung wenig systematisches :LVVHQH[LVWLHUWZLHEHLVSLHOVZHLVHSDUODPHQWDULVFKH5HJHOQ]X'HEDWWHQIRUPDWHQ XQG]XU9HUWHLOXQJYRQ5HGH]HLWHQ0OOHUXQG6LHEHUHU2014).

3 Werkzeuge und Messinstrumente zur empirischen Erfassung formalen Institutionenwandels

,QGLHVHP$EVFKQLWWVWHOOHQZLU]XQlFKVW:HUN]HXJHYRUPLWGHUHQ+LOIHVLFKbQGH- UXQJHQLQJUR‰HQ7H[WNRUSRUDV\VWHPDWLVFKXQGHI¿]LHQWLGHQWL¿]LHUHQODVVHQ'DU- auf aufbauend schlagen wir neue Messinstrumente zur quantitativen Erfassung des 8PIDQJVLQVWLWXWLRQHOOHUbQGHUXQJHQDXIGHU0DNURHEHQHYRU'LH/RJLNGHU:HUN- ]HXJHXQG,QGLNDWRUHQZLUGWHLOVDQ¿NWLYHQ%HLVSLHOHQWHLOVDQUHDOHQ'DWHQ]XSDU- ODPHQWDULVFKHQ5HJHOlQGHUXQJHQGHPRQVWULHUW(LQHDXVIKUOLFKHUH,OOXVWUDWLRQLKUHU empirischen Anwendung erfolgt in Abschnitt 4.

3.1 Die Verknüpfung zusammengehöriger Texteinheiten

Analysen formalen Institutionenwandels stehen zunächst vor der Herausforderung, bQGHUXQJHQ GHU UHOHYDQWHQ 7H[WEDVLV EHLVSLHOVZHLVH GHU JHVDPWHQ SDUODPHQWDUL- VFKHQ *HVFKlIWVRUGQXQJ V\VWHPDWLVFK ]X LGHQWL¿]LHUHQ1 Dieser Schritt ist bei der Analyse großer Textmengen sehr aufwändig und fehleranfällig. Daher stellen wir automatisierte Verfahren zur Verknüpfung zusammengehörender Texteinheiten über verschiedene Versionen von Dokumenten hinweg vor und diskutieren deren Nutzen für die oben unterschiedenen Analyseansätze.

18QVHU9HUIDKUHQVHW]WYRUDXVGDVVGLHUHOHYDQWHQ5HJHOQLQHLQHPNODUDEJUHQ]EDUHQXQGGHU)RUVFKXQJ zugänglichen Textkorpus enthalten sind. Diese Voraussetzung ist unproblematisch, wenn man Institutionen DOVIRUPDOH5HJHOQNRQ]HSWXDOLVLHUWNDQQDEHUSUREOHPDWLVFKVHLQZHQQDXFKXPIDVVHQGH3ROLF\UHJLPH wie der Wohlfahrtsstaat als Institution betrachtet werden, da sich für diese nur schwer ein geschlossener 7H[WNRUSXVDOOHUUHOHYDQWHQ5HJHOQLGHQWL¿]LHUHQOlVVW:LUGDQNHQHLQHPDQRQ\PHQ*XWDFKWHUIUGLHVHQ Hinweis.

(9)

9HUlQGHUXQJHQJHVFKULHEHQHU5HJHOQODVVHQVLFKIRUPDODOVHLQH$QVDPPOXQJYRQ +LQ]XIJXQJHQ/|VFKXQJHQXQG0RGL¿NDWLRQHQEHVFKUHLEHQ'LHVHGUHLIRUPDOHQ bQGHUXQJVW\SHQZHUGHQLGHQWL¿]LHUWLQGHP]ZHL9HUVLRQHQHLQHV5HJHOXQJVWH[WHV systematisch auf Ebene der relevanten Analyseeinheiten (Paragraphen, Absätze oder andere substanziell sinnvolle Einheiten) verglichen und zusammengehörige Einhei- ten einander zugeordnet werden. Diese Zuordnung – im Weiteren als „Verknüpfung“

bezeichnet – ist relevant für alle oben vorgestellten Analyseansätze: Das Verknüpfen ermöglicht es zunächst nachzuvollziehen, was mit jeder Untereinheit des Textkor- SXVLQHLQHU5HIRUPJHVFKLHKW,QHLQHP]ZHLWHQ6FKULWWN|QQHQZLUGDQQGHQ

*HVDPWXPIDQJYRQbQGHUXQJHQTXDQWLWDWLYPHVVHQZLFKWLJIUGHQ0DNUR$QVDW]

LQKDOWOLFKH.RGLHUXQJHQ]XP,QKDOWYRQ5HJHOQIUXQYHUlQGHUWH8QWHUHLQKHLWHQ RKQHHUQHXWH.RGLHUXQJEHUWUDJHQ0HVR,9HUlQGHUXQJHQLGHQWL¿]LHUHQGHUHQ Effekte und substanzielle Wichtigkeit qualitativ kodiert werden können (Meso II) XQGGLH(QWZLFNOXQJHLQ]HOQHU5HJHOXQJHQEHU=HLWYHUIROJHQ0LNUR

:LUYHUGHXWOLFKHQGHQ9RUJDQJGHV9HUNQSIHQVDQ]ZHL9HUVLRQHQHLQHV¿NWLYHQ Gesetzes mit Paragraphen als Analyseeinheit (Tab. 2). Zunächst werden Analyseein- KHLWHQLGHQWL¿]LHUWGLHEHUEHLGH9HUVLRQHQKLQZHJLGHQWLVFKVLQGLQGLHVHP)DOO das Paragraphenpaar 1–1. Alle anderen Paragraphen unterliegen Veränderungen. Die Paragraphen 3 und 5 der älteren Version 1 wurden gelöscht, während Paragraph 4 der MQJHUHQ9HUVLRQKLQ]XJHIJWZXUGH6FKOLH‰OLFK¿QGHQZLUPLWGHQ3DUDJUDSKHQ- SDDUHQ±XQGí]ZHL)lOOHLQGHQHQ$QDO\VHHLQKHLWHQLQEHLGHQ9HUVLRQHQPLW PRGL¿]LHUWHP:RUWODXWYRUNRPPHQ'LHVH=XRUGQXQJZLUGLQHLQHQ'DWHQVDW]EHU- führt, der beide Versionen des Gesetzes enthält (Tab. 3). Zusammengehörige Para- JUDSKHQSDDUHZHUGHQLQHLQHU=HLOHJHVSHLFKHUWEHL/|VFKXQJHQXQG+LQ]XIJXQJHQ bleibt jeweils das Feld derjenigen Version leer, in welcher der Text nicht enthalten ist.

Tab. 2 (LQ¿NWLYHV%HLVSLHOIUGHQ9HUJOHLFKYRQ]ZHL9HUVLRQHQHLQHV*HVHW]HV Beispielgesetz Version 1 Beispielgesetz Version 2

Pnr Text Pnr Text

1 § 1 Dingse und Dängse sind hiermit eingeführt

1 § 1 Dingse und Dängse sind hiermit eingeführt

2 § 2 Das Halten eines Dingses ist ab einem Alter von 25 Jahren erlaubt

2 § 2 Das Halten eines Dängses ist grundsätzlich ab einem Alter von 5 Jahre erlaubt bedarf aber der Zustim- mung der Eltern. Genaueres regelt das Jugendschutzgesetz

3 § 3 Ausnahmereglungen § 2 betreffend werden von Fall zu Fall vom zuständi- gem Amt geregelt

3 § 3 Das Halten eines Dingses ist ab einem Alter von 20 Jahren erlaubt.

Früher nur wenn bereits ein Dängs für mindestens 2 Jahre ohne Unterbre- chung gehalten wurde

4 § 4 Das Halten eines Dängses ist grundsätzlich ab einem Alter von 5 Jahre erlaubt bedarf aber der Zustim- mung der Eltern. Genaueres regelt das zuständige Amt auf Kreisebene

4 § 4 Dingse und Dämgse gelten als Sachen und sind bei Streitfragen als solche zu behandeln

5 § 5 Sowohl Dängse als auch Dingse VLQGPHOGHSÀLFKWLJ

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Tab. 3'LH9HUNQSIXQJ]XVDPPHQJHK|ULJHU$QDO\VHHLQKHLWHQIRUPDOHbQGHUXQJVW\SHQXQGTXDQWLWDWLYH0HVVXQJGHVbQGHUXQJVXPIDQJV¿NWLYHV%HLVSLHO PnrV1TextV1PnrV2TextV2TypV1V2 1§ 1 Dingse und Dängse sind hiermit eingeführt.1§ 1 Dingse und Dängse sind hiermit eingeführt.identisch00 2§ 2 Das Halten eines Dingses ist ab einem Alter von 25 Jahren erlaubt.3§ 3 Das Halten eines Dingses ist ab einem Alter von 20 Jahren erlaubt. Früher nur wenn bereits ein Dängs für mindestens 2 Jahre ohne Unterbrechung gehalten wurde.

PRGL¿]LHUW116 3§ 3 Ausnahmereglungen § 2 betreffend werden von Fall zu Fall vom zuständigem Amt geregelt.

gelöscht113 4§ 4 Das Halten eines Dängses ist grundsätz- lich ab einem Alter von 5 Jahren erlaubt, bedarf aber der Zustimmung der Eltern. Genaueres regelt das zuständige Amt auf Kreisebene.

2§ 2 Das Halten eines Dängses ist grundsätz- lich ab einem Alter von 5 Jahren erlaubt, bedarf aber der Zustimmung der Eltern. Genaueres regelt das Jugendschutzgesetz.

PRGL¿]LHUW17 5§ 5 Sowohl Dängse als auch Dingse sind PHOGHSÀLFKWLJgelöscht18 4§ 4 Dingse und Dämgse gelten als Sachen und sind bei Streitfragen als solche zu behandeln.

hinzugefügt115 Summe Wörter6873 Anteil Hinzufügungen am Gesamttext0,170,11 $QWHLO/|VFKXQJDP Gesamttext0,330,15 $QWHLO0RGL¿NDWLRQDP Gesamttext0,330,16 Anteil Veränderung am Gesamttext0,830,53

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Die Aufgabe des Verknüpfens lässt sich grundsätzlich auf drei Arten umsetzen:

Manuell, vollautomatisch und teilautomatisch. Ein manuelles Verknüpfen ist wie im vorigen Beispiel unter Verwendung herkömmlicher Tabellenkalkulationsprogramme möglich. Bei langen Texten und vielen Versionen ist dieses Verfahren allerdings ext- UHP]HLWDXIZlQGLJXQGIHKOHUDQIlOOLJLQVEHVRQGHUHZHQQ7H[WWHLOHLP5DKPHQJU|- ßerer Umstrukturierungen durch den Text wandern und wenn Analyseeinheiten geteilt oder zusammengeführt werden. Daher sind stärker automatisierte Verfahren attraktiv.

Eine automatisierte Verknüpfung setzt ein quantitatives Maß der Textähnlichkeit YRUDXV=XU0HVVXQJGHUbKQOLFKNHLWRGHU8QlKQOLFKNHLWYRQ=HLFKHQNHWWHQZXUGH HLQH9LHO]DKOYRQ'LVWDQ]PD‰HQHQWZLFNHOW9DQGHU/RRXQWHUVFKHLGHWGLHVHLQÄ(GL- tierdistanzen“, die die Anzahl von Operationen berechnen, mit denen eine Sequenz von Zeichen in eine andere überführt werden kann, „Q-gram-Distanzen“, welche die +lX¿JNHLWHQYRQ7HLO]HLFKHQNHWWHQHLQHUEHVWLPPWHQ/lQJHq miteinander verglei- FKHQXQGÄKHXULVWLVFKH'LVWDQ]HQ³DOVHLQH5HVLGXDONDWHJRULHNRPSOH[HUHUXQGZHQLJ JHQHUDOLVLHUEDUHU$QVlW]HVLHKHGLH%HLVSLHOHXQG5HIHUHQ]HQLQYDQGHU/RR2014).

Distanzmaße kommen in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zum Einsatz, EHLVSLHOVZHLVHIU6HTXHQ]DQDO\VHQLQ%LRORJLH6R]LDOZLVVHQVFKDIWHQXQG/LQJXLV- tik oder zur Verknüpfung von Untersuchungseinheiten („record linkage“) über ver- schiedene statistische Datensätzen hinweg (Blanchard et al. 2014; Christen 2012/LVW 2014). Distanzmaße bilden zudem in der Informatik die Basis für Suchalgorithmen, )HKOHUNRUUHNWXUHQ 5HFKWVFKUHLENRQWUROOHQ XQG 9HUVLRQVNRQWUROOV\VWHPH /HW]WHUH sind darauf ausgelegt, Texte (insbesondere Programmcode) zeilenweise zu verglei- FKHQXQGGHP1XW]HU(LQIJXQJHQ/|VFKXQJHQXQG9HUlQGHUXQJHQYRQ7H[W]HLOHQ und Abschnitten anzuzeigen und sind damit für unsere Zwecke besonders relevant.

Unser Vorgehen bei der Verknüpfung von Textpassagen greift auf die Grundlogik von Versionskontrollprogrammen zurück, weist aber drei wichtige Unterschiede in der konkreten Ausführung auf. Erstens basiert unser Distanzmaß auf Worten anstatt auf Zeichen, da Worte natürliche sprachliche Sinneinheiten darstellen. Zweitens GH¿QLHUHQZLUGLHbKQOLFKNHLW]ZHLHU7H[WSDVVDJHQDXI*UXQGODJHGHUJHPHLQVDP YRUNRPPHQGHQ:RUWHQLFKWDXIJUXQGLKUHU$EIROJH1DFKXQVHUHU/RJLNVLQG]ZHL Textpassagen umso ähnlicher, je größer der Anteil gemeinsamer Worte ist, unabhän- JLJGDYRQLQZHOFKHU5HLKHQIROJHGLHVH:RUWHLQGHQDQDO\VLHUWHQ7H[WHQYRUNRP- men. Der Vergleich von Wortverteilungen erweist sich in der Praxis als erfolgreicher EHLP$XI¿QGHQLQKDOWOLFK]XVDPPHQKlQJHQGHU7H[WSDVVDJHQZHLO6lW]HLQ5HFKWV- QRUPHQKlX¿JXPJHVWHOOWZHUGHQRKQHGDVVVLFKGLHGDEHLYHUZHQGHWHQ:RUWHVWDUN YHUlQGHUQ 'LH VXEVWDQ]LHOOH bKQOLFKNHLW VROFKHU 7H[WH ZLUG YRQ 0D‰HQ ZLH GHU KlX¿J YHUZHQGHWHQ /HYHQVKWHLQ'LVWDQ] /HYHQVKWHLQ1966), die auf der Abfolge von Zeichen beruhen, stark unterschätzt. Drittens implementieren wir den Prozess GHV7H[WYHUJOHLFKVDOVQHXH$OJRULWKPHQLQGHU3URJUDPPLHUVSUDFKH5DQVWDWWDXI fertige Textvergleichsprogramme wie Ultra Compare oder DiffDoc zurückzugrei- fen. Diese Entscheidung ermöglicht es uns, unsere Algorithmen genau auf die spezi-

¿VFKHQ %HGUIQLVVH XQVHUHV 3URMHNWV ]X]XVFKQHLGHQ =XGHP NDQQ VR GHU JHVDPWH Prozess der Datengenerierung, Datenanalyse und Ergebnispräsentation mit derselben

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Software durchgeführt werden, was die Fehleranfälligkeit reduziert und zu massiven (I¿]LHQ]JHZLQQHQIKUW2

Zur Verknüpfung zusammengehöriger Texteinheiten vergleicht unser Algorithmus zunächst sämtliche möglichen Kombinationen von Analyseeinheiten zwischen zwei 7H[WYHUVLRQHQXQGEHUHFKQHWGHUHQbKQOLFKNHLWEDVLHUHQGDXIGHUUHODWLYHQ6XPPH GHU$EZHLFKXQJHQ]ZLVFKHQGHQ:RUWKlX¿JNHLWHQLQGHQEHLGHQMHZHLOVYHUJOLFKH- nen Analyseeinheiten. Abbildung 1 demonstriert das Verfahren der Distanzmessung anhand des Paragraphenpaars 4í2 des Beispiels aus Tabelle 3. Das Programm ver- JOHLFKW ]XQlFKVW GLH +lX¿JNHLW VlPWOLFKHU YRUNRPPHQGHU :RUWH DX‰HU GHU 3DUD- graphennummerierung3) zwischen den beiden Versionen. In einem zweiten Schritt wird der Quotient aus der Anzahl der Wortunterschiede und der Summe aller Worte als Maß der Unähnlichkeit oder Distanz zwischen den beiden Analyseeinheiten für DOOHP|JOLFKHQ.RPELQDWLRQHQYRQ$QDO\VHHLQKHLWHQEHUHFKQHWLP)DOOGHV¿NWLYHQ

2'LH,PSOHPHQWDWLRQGHV$OJRULWKPXVLQ5LVWEHU*LW+XEYHUIJEDUhttps://github.com/petermeissner/

diffr'XUFKGHQRSHQVRXUFH&KDUDNWHUYRQ5VLQGVlPWOLFKH'HWDLOHQWVFKHLGXQJHQEHLGHU,PSOHPHQWDWLRQ unseres Algorithmus ersichtlich und können ggf. für andere Kontexte angepasst und verändert werden.

3 Der Algorithmus ignoriert nur Paragraphennummerierungen am Beginn eines Absatzes, nicht hingegen Verweise auf andere Paragraphen innerhalb eines Absatzes.

7H[WH

† 'DV +DOWHQ HLQHV 'lQJVHV LVW JUXQGVlW]OLFK DE HLQHP $OWHU YRQ -DKUHQ HUODXEW EHGDUI DEHU GHU =XVWLPPXQJ GHU (OWHUQ

*HQDXHUHV UHJHOW GDV ]XVWlQGLJH $PW DXI .UHLVHEHQH

† 'DV +DOWHQ HLQHV 'lQJVHV LVW JUXQGVlW]OLFK DE HLQHP $OWHU YRQ -DKUHQ HUODXEW EHGDUI DEHU GHU =XVWLPPXQJ GHU (OWHUQ

*HQDXHUHV UHJHOW GDV -XJHQGVFKXW]JHVHW]

9HUJOHLFK YRQ :RUWKlXILJNHLWHQ

:RUW † GDV +DOWHQ HLQHV GlQJVHV LVW JUXQGVlW]OLFK DE HLQHP DOWHU

8QWHUVFKLHGH

:RUW YRQ MDKUHQ HUODXEW EHGDUI DEHU GHU ]XVWLPPXQJ HOWHUQ

+lXILJNHLW LQ 7H[W

+lXILJNHLW LQ 7H[W +lXILJNHLW LQ 7H[W +lXILJNHLW LQ 7H[W

+lXILJNHLW LQ 7H[W +lXILJNHLW LQ 7H[W

8QWHUVFKLHGH

:RUW JHQDXHUHV UHJHOW ]XVWlQGLJH DPW DXI NUHLVHEHQH † MXJHQGVFKXW]J

8QWHUVFKLHGH

6XPPH XQG 'LVWDQ]PD‰

ͷ

Ͷͻ

Abb. 1 'LH0HVVXQJYRQ7H[WlKQOLFKNHLWEDVLHUHQGDXI:RUWKlX¿JNHLWHQ¿NWLYHV%HLVSLHO

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Gesetzes alle möglichen Kombinationen von jeweils einem Paragraph der älteren und jüngeren Version).

Auf Grundlage dieses Distanzmaßes kann die eigentliche Verknüpfung von Analyseeinheiten vollautomatisch oder teilautomatisch erfolgen. Beim vollauto- matischen Verfahren bildet das Programm selbständig Paare von Analyseeinheiten QDFK DEQHKPHQGHU bKQOLFKNHLW (LQPDO ]XJHRUGQHWH$QDO\VHHLQKHLWHQ ZHUGHQ DXV der Menge möglicher Pendants herausgenommen. Anschließend wird das Paar mit GHUQlFKVWJHULQJHUHQbKQOLFKNHLWJHELOGHWELVVlPWOLFKH3DDUHPLW:RUWEHUVFKQHL- dungen zugeordnet sind. Mit Hilfe dieses Verfahrens lassen sich große Textmengen relativ schnell verknüpfen.4 Ein Problem des vollautomatischen Vorgehens besteht allerdings darin, dass der Computer für nahezu jede Analyseeinheit ein scheinbar SDVVHQGHV3HQGDQW¿QGHWGDVPLQGHVWHQVHLQLGHQWLVFKHV:RUWHQWKlOW(LQLJHGLHVHU Verknüpfungen erweisen sich bei näherer Analyse als falsch, d. h. die beiden Einhei- WHQJHK|UHQLQKDOWOLFKQLFKW]XVDPPHQ,P(UJHEQLVZHUGHQ/|VFKXQJHQXQG+LQ]X- IJXQJHQV\VWHPDWLVFKXQWHUVFKlW]WXQG0RGL¿NDWLRQHQEHUVFKlW]W

Dieses Problems lässt sich mit unserem teilautomatischen Verknüpfungsverfahren lösen, das die Geschwindigkeit des vollautomatischen Verfahrens mit dem überlege- nen inhaltlichen Verständnis menschlicher Kodierer verbindet. Bei diesem Verfahren werden nur identische Analyseeinheiten direkt vom Computer verknüpft. Für Ein- KHLWHQRKQHJHQDXH(QWVSUHFKXQJVFKOlJWGHU&RPSXWHUDXI*UXQGODJHGHVbKQOLFK- keitsmaßes mögliche Pendants vor, unter denen menschliche Kodierer die passende Verknüpfung auswählen oder die Analyseeinheit als nicht verknüpft (Hinzufügung RGHU/|VFKXQJNRGLHUHQZHQQDXFKQDFKPHQVFKOLFKHP(UPHVVHQNHLQLQKDOWOLFK passendes Pendant existiert.

Die teilautomatische Verknüpfung ist zeitaufwändiger als die vollautomatische, JOHLFK]HLWLJDEHUXPHLQ9LHOIDFKHVHI¿]LHQWHUDOVHLQPDQXHOOHV9RUJHKHQ'LHVZLUG anhand einiger Zahlen deutlich: Alleine für die Analyse des Geschäftsordnungswan- dels in Belgien seit 1945 waren 59.467 Analyseeinheiten (Absätze) verteilt auf 45 Versionen zu bewältigen, von denen 33.209 tatsächlich verknüpft werden mussten GHU5HVWEHVWHKWDXVLQKDOWVOHHUHQ(LQKHLWHQZLHhEHUVFKULIWHQXQGIUXQVHUH=ZH- cke irrelevanten Anhängen). Nachdem der Computer alle eindeutigen Verknüpfungen vorgenommen hatte, waren nur noch 5.925 Absätze (18%) manuell zu bewältigen.

Insgesamt erforderte die teilautomatische Verknüpfung etwa 30 Arbeitsstunden, eine vollständige manuelle Verknüpfung hätte rechnerisch etwa sechsmal länger gedauert.5

Der Nutzen der verschiedenen Verknüpfungsverfahren hängt stark vom Untersu- chungsziel und dem Umfang der analysierten Textkorpora ab. Das vollautomatische 9RUJHKHQ LVW QW]OLFK ZHQQ PDQ VLFK QXU IU JOREDOH bQGHUXQJVPD‰H LQWHUHVVLHUW ohne die Verknüpfungen weiter verwenden zu wollen und bereit ist, zugunsten größe- rer Geschwindigkeit eine gewisse Fehlermarge in Kauf zu nehmen (zu deren Größe s. u. Abschnitt 3.3). Auch die Übertragung inhaltlicher Kodierungen auf unveränderte (LQKHLWHQLQVSlWHUHQ9HUVLRQHQOlVVWVLFKPLWGHQ5HVXOWDWHQGHVYROODXWRPDWLVFKHQ

4 Die benötigte Prozessorzeit für die vollautomatische Verknüpfung der in Abschnitt 4 vorgestellten 573 Versionen parlamentarischer Geschäftsordnungen liegt immer noch im Bereich von Tagen.

5 Diese Schätzung ist sehr konservativ, da die Anzahl möglicher Kombinationen bei mehr Texteinheiten nicht linear ansteigt.

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Verfahrens problemlos realisieren. Für die übrigen Bearbeitungsschritte wie die Iden- WL¿NDWLRQYRQ9HUlQGHUXQJHQ]XUTXDOLWDWLYHQ.RGLHUXQJRGHUGDV9HUIROJHQVSH]L¿- VFKHU5HJHOQEHU=HLWLVWGDVYROODXWRPDWLVFKH9HUNQSIHQKLQJHJHQQLFKWJHHLJQHW da es teilweise inhaltlich nicht korrespondierende Analyseeinheiten verknüpft. Das UHLQPDQXHOOH9HUIDKUHQHPS¿HKOWVLFKK|FKVWHQVIUVHKUNOHLQH7H[WPHQJHQXQG LVW VHOEVW GRUW IHKOHUDQIlOOLJ )U GLH PHLVWHQ$QDO\VHQ IRUPDOHU 5HJHOlQGHUXQJHQ auf Grundlage umfassender Textkorpora hingegen bietet sich unser teilautomatisches Verfahren mit seiner Verbindung von Geschwindigkeit und Genauigkeit an.

4XDQWLWDWLYH0HVVXQJGHVbQGHUXQJVXPIDQJVDXI0DNURHEHQH

Mit Hilfe der oben vorgestellten Verknüpfungen lässt sich nun ein valider Indikator für den quantitativen Umfang von Textänderungen zwischen zwei Versionen ent- ZLFNHOQ:LU YHUGHXWOLFKHQ XQVHU9RUJHKHQ DQ GHP ¿NWLYHQ *HVHW] DXV7DEHOOH3.

'LH*HVDPWYHUlQGHUXQJGHV7H[WVVHW]WVLFKDXV+LQ]XIJXQJHQ/|VFKXQJHQXQG 0RGL¿NDWLRQHQ]XVDPPHQ(LQVLPSOHV9HUlQGHUXQJVPD‰N|QQWHVFKOLFKWGLH+lX-

¿JNHLWGLHVHUbQGHUXQJVW\SHQDXI(EHQHGHU$QDO\VHHLQKHLWDXV]lKOHQ6SDOWH9 in Tab. 3$OOHUGLQJVLJQRULHUWGLHVH0HVVXQJGHQbQGHUXQJVXPIDQJLQQHUKDOEYRQ Analyseeinheiten, so dass die Veränderung eines Wortes mit einem vollständigen Umschreiben des gesamten Paragraphen gleichgesetzt wird. Um diese Unterschiede ]XEHUFNVLFKWLJHQYHUJOHLFKHQZLUPLWHLQHP]ZHLWHQLQ5LPSOHPHQWLHUWHQ$OJR- rithmus den Inhalt der Analyseeinheiten auf Wortebene. Der Algorithmus erstellt für GLH EHLGHQ HLQDQGHU ]XJHRUGQHWHQ$QDO\VHHLQKHLWHQ MH HLQH :RUWKlX¿JNHLWVWDEHOOH und summiert die Unterschiede zwischen den beiden Versionen auf. Die Anzahl der nicht in beiden Versionen enthaltenen Worte ergibt einen validen Indikator des Ver- änderungsumfangs (Spalte V2).

Der untere Teil von Tabelle 3 verdeutlicht zwei Vorteile dieses Maßes. Erstens ZLUGGHUbQGHUXQJVXPIDQJLQ%H]XJ]XU*HVDPWOlQJHGHV7H[WHVJHVHW]W(V]HLJW VLFKGDVV+LQ]XIJXQJHQXQG/|VFKXQJHQJHPHVVHQDQ:RUW]DKOHQGHXWOLFKZHQL- ger umfangreich sind als beim Blick auf den Anteil hinzugefügter und gelöschter 3DUDJUDSKHQ =ZHLWHQV HUIDVVW GDV 0D‰ EHL 0RGL¿NDWLRQHQ QXU WDWVlFKOLFK JHlQ- GHUWH7HLOHGHV3DUDJUDSKHQXQGNDQQVRSXQNWXHOOHbQGHUXQJHQYRQXPIDQJUHLFKHQ Umschreibungen unterscheiden. Schließlich demonstriert das Beispiel die Über- legenheit unseres Indikators gegenüber einem reinen Vergleich der Gesamtlängen der beiden Textversionen. Ein solcher Vergleich würde angesichts einer Differenz YRQQXUIQI:RUWHQYRQHLQHUUHODWLYNOHLQHQbQGHUXQJDXVJHKHQXQGGDPLWZHLW- reichende Umschreibungen innerhalb des Texts übersehen. Der Grund hierfür liegt darin, dass ein Textlängenvergleich nur Nettoveränderungen misst, nicht aber erfas- VHQNDQQGDVV+LQ]XIJXQJHQXQG/|VFKXQJHQVLFKJHJHQVHLWLJDXIKHEHQXQGGDVV GLHbQGHUXQJHLQHV:RUWHVVLFKQLFKWDXIGLH7H[WOlQJHDXVZLUNW'LHVHV3KlQRPHQ wird in Abschnitt 4.1 empirisch illustriert.

Der hier entwickelte Indikator ist demnach ein überlegenes quantitatives Maß zum Umfang von Veränderungen innerhalb des analysierten Textkorpus. Allerdings stellt sich die Frage, ob er auch als Maß für den Umfang substanziell relevanten Institutio- nenwandels dienen kann. Dies setzt voraus, dass die substanzielle Wichtigkeit von Worten innerhalb des analysierten Texts in etwa gleich ist, so dass ein größerer Anteil

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qualitativ zutreffenden Eindruck des Ausmaßes von Wandel in großen Textkorpora zu bekommen.7

Ein zweites Problem bei der quantitativen Messung von Veränderungen entsteht durch den Vergleich von Texten in verschiedenen Sprachen. Auf Wortzahlen basie- rende Veränderungsmaße müssen für die Neigung von Sprachen kontrollieren, mehr oder weniger Worte zum Ausdrücken desselben Inhalts zu verwenden (Huber und Shipan 2002). Dies kann mit Hilfe eines Sprachkorrekturfaktors geschehen, der die 7H[WOlQJHLQGHUMHZHLOLJHQ6SUDFKHLQV9HUKlOWQLV]XU/lQJHLQHLQHU5HIHUHQ]VSUD- che (in unserem Fall Englisch) setzt. Als Textgrundlage verwenden wir die in allen Amtssprachen der Europäischen Union verfügbare Charta der Grundrechte der Euro- päischen Union. Die oben entwickelten Veränderungsmaße werden standardisiert, indem man sie durch diese Korrekturfaktoren dividiert.8

3.4 Weitere Nutzung der Verknüpfungen

Die vorigen Abschnitte haben gezeigt, dass das Verknüpfen zusammengehöriger 7H[WHLQKHLWHQEHU9HUVLRQHQKLQZHJ]HQWUDOH%HGHXWXQJIUGLH,GHQWL¿NDWLRQLQV- WLWXWLRQHOOHU bQGHUXQJHQ VRZLH GLH TXDQWLWDWLYH 0HVVXQJ YRQ GHUHQ 8PIDQJ KDW 'DUEHUKLQDXVELHWHQGLH9HUNQSIXQJHQZHLWHUH9RUWHLOHIUGLHHI¿]LHQWH.RGLH- UXQJ XQG$QDO\VH LQVWLWXWLRQHOOHU 5HJHOQ XQG LKUHU9HUlQGHUXQJ (UVWHQV HUODXEHQ VLH GDV DXWRPDWLVFKH hEHUWUDJHQ YRQ .RGLHUXQJHQ ]XP 5HJHOXQJVLQKDOW 'LHV LVW besonders für den Analyseansatz Meso I bedeutsam, in dem der gesamte Textkorpus nach inhaltlichen Kriterien kodiert wird. Bei unveränderten Analyseeinheiten kann die bestehende Kodierung automatisch übertragen werden. Bei der Analyse parla- mentarischer Geschäftsordnungen erweist sich diese Strategie als sehr erfolgreich, da LP5HJHOIDOOJUR‰H7HLOHGHV7H[WHVXQYHUlQGHUWEOHLEHQ,P6FKQLWWZLUGGLH.RGLH- UXQJHLQHV$EVDW]HVMHQDFK/DQG]ZLVFKHQDFKWXQGVHFK]HKQ0DOZHLWHUJHJHEHQ so dass durch die automatische Übertragung rechnerisch zwischen 87% und 93% des ansonsten erforderlichen Kodieraufwands eingespart und zudem inkonsistente Kodierungen vermieden werden.

=ZHLWHQV HUOHLFKWHUW GLH 9HUNQSIXQJ YRQ 7H[WSDVVDJHQ GLH .RGLHUXQJ VSH]L¿- VFKHUbQGHUXQJHQLQGHQ$QVlW]HQ0HVR,,XQG0LNUR=XPHLQHQN|QQHQXQYHU- änderte Passagen automatisch aus den zur Kodierung verwendeten Datensätzen KHUDXVJH¿OWHUW ZHUGHQ =XP DQGHUHQ XQWHUVFKHLGHW VLFK GHU .RGLHUSUR]HVV ]ZL- VFKHQ0RGL¿NDWLRQHQHLQHUVHLWVXQG+LQ]XIJXQJHQXQG/|VFKXQJHQDQGHUHUVHLWV 0RGL¿NDWLRQHQ N|QQHQ QXU GXUFK HLQHQ H[SOL]LWHQ9HUJOHLFK ]ZLVFKHQ GHU lOWHUHQ XQGMQJHUHQ7H[WYHUVLRQNRGLHUWZHUGHQ'LHEHLGHQDQGHUHQbQGHUXQJVW\SHQKLQ- gegen lassen sich entweder aus sich selbst heraus verstehen oder entziehen sich einer Kodierung vollständig, weil ein aussagekräftiger Vergleichsmaßstab fehlt, an dem beispielsweise gemessen werden könnte, wie die Neuregelung institutionelle Macht zwischen Akteuren verschiebt.

7 Ohne weitere Anwendungen unseres Verfahrens auf andere Textkorpora bleibt die Frage offen, wie gene- ralisierbar die von uns gefundene hohe Übereinstimmung der Ergebnisse der beiden Verfahren ist.

8'LH:HUWHIUGLHYHUZHQGHWHQ6SUDFKHQVLQGLQ7DEHOOH$í 1 im Online-Anhang aufgeführt.

(17)

4 Ein Beispiel aus der Forschungspraxis: Die Analyse parlamentarischer Regeländerungen in Westeuropa

In diesem Abschnitt illustrieren wir die oben beschriebenen Analyseansätze und :HUN]HXJHDQKDQGYRQ'DWHQ]X5HIRUPHQSDUODPHQWDULVFKHU*HVFKlIWVRUGQXQJHQ in Westeuropa. Angesichts des konzeptionell-methodischen Fokus des Aufsatzes dient dieser Abschnitt alleine der Illustration der Analyseansätze und Werkzeuge, ZHVKDOEZLUDXIHLQHWKHRUHWLVFKH'LVNXVVLRQGHU8UVDFKHQSDUODPHQWDULVFKHU5HJHO- änderungen und eine substanzielle Interpretation der empirischen Befunde verzich- WHQ$XFKGLH$XVZDKOGHUDQDO\VLHUWHQ/lQGHURULHQWLHUWVLFKDP=LHOGHU,OOXVWUDWLRQ (für erste theoretische und substanzielle Ergebnisse unserer Analysen siehe Sieberer und Müller 2014; Sieberer et al. 2011, 2014a, b).

4.1 Der Makro-Ansatz: Quantitative Maße zur Veränderung parlamentarischer 5HJHOQ

$XIGHU0DNURHEHQHODVVHQVLFKGUHLTXDQWLWDWLYH,QGLNDWRUHQYRQ5HJHOlQGHUXQJHQ unterscheiden, die das Phänomen zunehmend genauer erfassen aber auch steigenden (UKHEXQJVDXIZDQG EHLQKDOWHQ 'LH 5HIRUPDQ]DKO GLH 9HUlQGHUXQJ GHU 7H[WOlQJH

EHU=HLWVRZLHGLH$Q]DKOGHUSUR5HIRUPYHUlQGHUWHQ:RUWH'LHVH0D‰HEH]LHKHQ VLFKMHZHLOVDXIGHQJHVDPWHQ5HJHOXQJVLQKDOW=XU,OOXVWUDWLRQEHWUDFKWHQZLUGLH Entwicklung des vollständigen Textkorpus parlamentarischer Geschäftsordnungen in 14 westeuropäischen Demokratien im Zeitraum von 1945 bzw. dem Beginn des DNWXHOOHQGHPRNUDWLVFKHQ5HJLPHVELV$QIDQJ9

Insgesamt haben in diesem Zeitraum 580 Veränderungen stattgefunden. Die meis- WHQ 5HIRUPHQ YHU]HLFKQHW 6FKZHGHQ PLW bQGHUXQJHQ GLH ZHQLJVWHQ 6SDQLHQ PLWOHGLJOLFK]HKQ)lOOHQ*HPHVVHQDP8QWHUVXFKXQJV]HLWUDXPVLQGbQGHUXQJHQLQ 6FKZHGHQDPKlX¿JVWHQbQGHUXQJHQSUR-DKUXQGLQgVWHUUHLFKDPVHOWHQVWHQ bQGHUXQJHQSUR-DKU

'LHUHLQH5HIRUPDQ]DKOLJQRULHUWDOOHUGLQJVGHQ8PIDQJYRQ5HIRUPHQ'LH(QW- ZLFNOXQJGHU7H[WOlQJHJLEWHUVWH$XIVFKOVVHEHUGHQ5HIRUPXPIDQJXQGGLH(QW- ZLFNOXQJGHVIRUPDOHQ5HJXOLHUXQJVJUDGVSDUODPHQWDULVFKHU3UR]HVVH$EELOGXQJ2 stellt die Textlängenentwicklung der Geschäftsordnungen in den 14 untersuchten /lQGHUQLQ(QJOLVFKlTXLYDOHQWHQ:RUWHQGDU6LH]HLJWGDVVGHU8PIDQJSDUODPHQ- tarischer Geschäftsordnungen deutlich angestiegen ist und dass sich das Ausmaß des

$QVWLHJV ]ZLVFKHQ /lQGHUQ XQWHUVFKHLGHW %HPHUNHQVZHUW LVW ZHLWHUKLQ GDVV GHU /lQJHQ]XZDFKVLQgVWHUUHLFKGHP/DQGPLWGHQZHQLJVWHQ5HIRUPHQGHXWOLFKEHU GHPLQ6FKZHGHQGHP/DQGPLWGHQPHLVWHQ5HIRUPHQOLHJW'LHVHU%HIXQGXQWHU- VWUHLFKWGDVV5HIRUPKlX¿JNHLWXQGXPIDQJQLFKWQRWZHQGLJ]XVDPPHQKlQJHQXQG GLHUHLQH5HIRUPDQ]DKOGDPLWHLQVHKUYHU]HUUWHV%LOGYRQ5HIRUPDNWLYLWlWOLHIHUQ kann.

Aber auch die Veränderung der Textlänge ist ein problematisches Maß, da sie den

*HVDPWXPIDQJ YRQ bQGHUXQJHQ V\VWHPDWLVFK XQWHUVFKlW]W $EELOGXQJ3 verdeut-

9'LHDQDO\VLHUWHQ/lQGHUVLQG%HOJLHQ'lQHPDUN'HXWVFKODQG)UDQNUHLFK,VODQG,WDOLHQ/X[HPERXUJ die Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, die Schweiz und Spanien.

(18)

OLFKWGLHVH[HPSODULVFKDQGHU$Q]DKOGHULQMHGHU5HIRUPLQgVWHUUHLFKJHlQGHUWHQ :RUWHIUGLHGUHLIRUPDOHQbQGHUXQJVW\SHQVRZLHGLH9HUlQGHUXQJGHUJHVDPWHQ 7H[WOlQJH 'HU $QVWLHJ GHU 7H[WOlQJH GDUJHVWHOOW GXUFK GLH VFKZDU]H /LQLH PLW .UHX]OLHJWIUGLHPHLVWHQ5HIRUPHQGHXWOLFKXQWHUGHU6XPPHYRQKLQ]XJHIJ- WHQJHO|VFKWHQXQGPRGL¿]LHUWHQ:RUWHQ'LH9HUlQGHUXQJGHU7H[WOlQJHXQGGLH 6XPPH GHU GUHL bQGHUXQJVW\SHQ EHUHFKQHW DXI *UXQGODJH GHU WHLODXWRPDWLVFKHQ Verknüpfungen) weisen in unserem Datensatz nur eine Kovarianz von 30% (r=0,55)

$EVROXWH$Q]DKOYRQ:RUWHQ

'(8 'b1 125 g67 %(/ ,6/ )5

$EVROXWH$Q]DKOYRQ:RUWHQ

&+ 3DUO* /8; 6:( 63 &+ *51 325 ,7 1'/

'DWHQ IU 6SDQLHQ XQG 3RUWXJDO VHLW GHU 'HPRNUDWLVLHUXQJ 'DWHQ IU )UDQNUHLFK VHLW %HJLQQ GHU 5HSXEOLN

,Q /X[HPEXUJ ILQGHW GLH HUVWH 5HIRUP QDFK HUVW VWDWW

,Q GHU 6FKZHL] VLQG *HVFKlIWRUGQXQJVUHJHOQ DXI GDV 3DUODPHQWVJHVHW] 3DUO* XQG GDV *HVFKlIWV UHJOHPHQW GHV 1DWLRQDOUDWV *51 YHUWHLOW

Abb. 2 Veränderungen der Textlänge parlamentarischer Geschäftsordnungen in 14 Westeuropäischen De- PRNUDWLHQLQ(QJOLVFKbTXLYDOHQWHQ4XHOOH(LJHQH'DWHQ

(19)
(20)

bQGHUXQJGHU*HVFKlIWVRUGQXQJGLHGDUDXIKLQGHXWHWGDVVGLHVHDOVÄ,QVWLWXWLRQHQ ]ZHLWHU2UGQXQJ³H[RJHQVLQGXQGGDKHULQVWLWXWLRQHOOH5HIRUPSUR]HVVHWDWVlFKOLFK strukturieren können (Diermeier und Krehbiel 2003).

Diese Befunde demonstrieren den Zusatznutzen aus der Verbindung quantitativer Indikatoren mit einer qualitativen inhaltsanalytischen Kodierung im Meso I-Ansatz.

6ROlVVWVLFKEHLVSLHOVZHLVHGHU9HUGDFKWZLGHUOHJHQGDVPDVVLYH/lQJHQZDFKVWXP der Geschäftsordnung des Bundestages sei allein auf politisch relativ unwichtige Ergänzungen wie die Geheimschutzordnung zurückzuführen. Darüber hinaus erleich- tert die inhaltliche Kodierung des gesamten Textkorpus Detailanalysen im Sinne des 0LNUR$QVDW]HV LQGHP VLH GDV$XI¿QGHQ YRQ 5HJHOQ ]X EHVWLPPWHQ LQKDOWOLFKHQ 0DWHULHQEHLVSLHOVZHLVH]XP$XVVFKXVVV\VWHP]X)UDJHUHFKWHQRGHU]XU5ROOHGHV Parlamentspräsidenten) massiv vereinfacht.

4.3 Der Meso II-Ansatz: Institutionelle Machtverschiebungen zwischen parlamentarischer Mehrheit und Minderheit

'HU 0HVR ,,$QVDW] GLIIHUHQ]LHUW ]ZLVFKHQ YHUVFKLHGHQHQ 5HIRUPHQ DQKDQG LKUHU HUZDUWHWHQ(IIHNWHXQGLGHQWL¿]LHUWVRNDXVDOKRPRJHQH*UXSSHQDQGHQHQWKHRUHWL- sche Erklärungsmodelle für Institutionenreformen adäquat überprüft werden können.

:LULOOXVWULHUHQGLHVHQ$QVDW]DQUHGLVWULEXWLYHQ5HIRUPHQZHOFKHGLHLQVWLWXWLRQHOOH Machtverteilung zwischen parlamentarischer Mehrheit und Minderheit verändern.

+LHU]XZXUGHQ]XQlFKVWVlPWOLFKHbQGHUXQJHQDXI$EVDW]HEHQHMHQDFKLKUHQ$XV- wirkungen auf diese Machtverteilung als mehrheitsstärkend, minderheitsstärkend

$Q]DKOYRQ:RUWHQ

(QWVFKHLGXQJVILQGXQJ LP 3OHQXP ,QWHUQH(LQKHLWHQ ([WHUQH %H]LHKXQJHQ XQG .RQWUROOH 6RQVWLJHV 5HJHOlQGHUXQJ

Abb. 4 Veränderungen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages nach Gegenstandsbereichen (in deutschen Worten)

(21)

oder neutral kodiert. In einem zweiten Schritt wurde auf dieser Grundlage der Cha- UDNWHUGHUJHVDPWHQ5HIRUPEHVWLPPW

Abbildung 5 zeigt exemplarisch für Deutschland, Frankreich, Österreich und Spa- QLHQGLH$Q]DKOYRQ$EVlW]HQGLHSUR5HIRUP]XJXQVWHQGHU0HKUKHLWLQGHU*UD-

¿NGLH/LQLHQQDFKREHQE]ZGHU0LQGHUKHLWQDFKXQWHQYHUlQGHUWZXUGHQ,P Untersuchungszeitraum sind in Deutschland 15, in Frankreich 14, in Österreich zehn XQGLQ6SDQLHQGUHLGHUDUWLJH5HIRUPHQ]XEHREDFKWHQ'HU5HIRUPXPIDQJYDULLHUW EHWUlFKWOLFK:lKUHQGYLHOH5HIRUPHQQXUZHQLJH$EVlW]H]XJXQVWHQGHU0HKUKHLW oder Minderheit ändern, wird die Machtverteilung in einigen Fällen umfassend ver- lQGHUW=XGHPNRPELQLHUHQYLHOH5HIRUPHQbQGHUXQJHQLQEHLGH5LFKWXQJHQZDV als Indiz für Kompromisse und Paketlösungen interpretiert werden kann. Dennoch OlVVW VLFK LQ GHQ PHLVWHQ )lOOHQ HLQH GRPLQDQWH 5HIRUPULFKWXQJ LGHQWL¿]LHUHQ LQ Abbildung 5 durch dicke Balken gekennzeichnet). Die mit unserem quantitativen ,QGLNDWRUHUIDVVWH5HIRUPULFKWXQJVRZLHGLHDOVEHVRQGHUVXPIDVVHQGLGHQWL¿]LHUWHQ 5HIRUPHQVWLPPHQPLWGHU(LQVFKlW]XQJGHUTXDOLWDWLYHQ/LWHUDWXU]X3DUODPHQWV- UHIRUPHQLQGLHVHQ/lQGHUQEHUHLQZDVGLH9DOLGLWlWGHV0D‰HVXQWHUVWUHLFKW]X Deutschland z. B. Marschall 1999; zu Österreich Fischer 1975, 2002; zu Frankreich Brouard 2011; zu Spanien Mellado Prado 1983). Diese Daten können als abhängige Variable zur Überprüfung eines theoretischen Erklärungsmodells für redistributiven Institutionenwandel in Parlamenten dienen (Sieberer und Müller 2014; Sieberer et al. 2014b).

$Q]DKOYHUlQGHUWHU$EVlW]H

'HXWVFKODQG

$Q]DKOYHUlQGHUWHU$EVlW]H

)UDQNUHLFK

$Q]DKOYHUlQGHUWHU$EVlW]H

2HVWHUUHLFK

$Q]DKOYHUlQGHUWHU$EVlW]H

6SDQLHQ

'LH .RGLHUXQJ GHU *HVDPWUHIRUP LVW GXUFK GLFNH %DONHQ JHNHQQ]HLFKQHW

3UR 0HKUKHLW 3UR 0LQGHUKHLW

Abb. 5 Veränderungen der institutionellen Machtverteilung zwischen parlamentarischer Mehrheit und Minderheit in vier westeuropäischen Demokratien

(22)

4.4 Der Mikro-Ansatz: Die Veränderung von Agendasetzungsregeln über Zeit 'HU0LNUR$QVDW]DQDO\VLHUW9HUlQGHUXQJHQHLQ]HOQHUDOVZLFKWLJHUDFKWHWHU5HJHOQ

EHU=HLW$QDO\VHQGHUDUWLJHU5HIRUPHQVLQGHLQHUVHLWVSHUVHLQWHUHVVDQWDQJHVLFKWV GHU 5HOHYDQ] GHU DQDO\VLHUWHQ 5HJHOQ IU SROLWLVFKHV 9HUKDOWHQ XQG (UJHEQLVVH

$QGHUHUVHLWVOLHIHUQVLH]HLWVSH]L¿VFKH0D‰HLQVWLWXWLRQHOOHU9DULDEOHQXQGHUP|J- lichen damit eine valide Schätzung institutioneller Effekte in Zeitreihenanalysen. Im .RQWH[WSDUODPHQWDULVFKHU5HJHOQLVWJHUDGHGHU]ZHLWH3XQNWQLFKW]XYHUQDFKOlV- sigen, da Studien parlamentarischen Verhaltens über Zeit fast ausnahmslos von der

$QQDKPH H[RJHQHU XQG VWDELOHU 5HJHOQ DXVJHKHQ ± HLQH$QQDKPH GLH GXUFK GLH REHQGHPRQVWULHUWH5HIRUPLQWHQVLWlW]XPLQGHVWLQ)UDJHJHVWHOOWZLUG

Durch die Verknüpfung zusammengehöriger Textpassagen über alle Versionen HLQHU5HFKWVQRUPKLQZHJVRZLHGLHLQKDOWOLFKH.RGLHUXQJGHV*HVDPWNRUSXVLVWGLH 0HVVXQJ VSH]L¿VFKHU9DULDEOHQ EHU =HLW PLW UHODWLY JHULQJHP$XIZDQG P|JOLFK

=XQlFKVW PVVHQ GLH IU HLQH9DULDEOH UHOHYDQWHQ7H[WDEVFKQLWWH LGHQWL¿]LHUW ZHU- den, wobei die Suche im Fall einer inhaltlichen Kodierung des Textkorpus nur einen kleinen Teil des Gesamttexts umfasst.111DFKGHU,GHQWL¿NDWLRQGHUUHOHYDQWHQ3DVVD- JHQ]HLJWGDVFRPSXWHUJHQHULHUWHbKQOLFKNHLWVPD‰GLUHNWDQREXQGZHQQMDZDQQ HV]XbQGHUXQJHQNDP(QWVSUHFKHQGPVVHQQXUZHQLJH7H[WYHUVLRQHQWDWVlFKOLFK kodiert werden, während die Kodierung bei unverändertem Wortlaut mit den oben vorgestellten Werkzeugen weitergegeben werden kann.

Wir illustrieren den Mikroansatz an Veränderungen von zwei Agendasetzungs- regeln im Deutschen Bundestag: Dem Zugang zur Tagesordnung im Plenum und der

%HHQGLJXQJYRQ'HEDWWHQ]XUGHUHQWKHRUHWLVFKHU5HOHYDQ]V'|ULQJ1995; Sieb- erer 2006). Der Zugang zur Plenaragenda verläuft grundsätzlich über eine konsensu- HOOH(QWVFKHLGXQJLPbOWHVWHQUDWRGHULP.RQÀLNWIDOOSHU0HKUKHLWVHQWVFKHLGXQJLP Plenum. Seit 1949 wurden Minderheitenrechte in diesem Prozess deutlich ausgebaut:

Seit 1980 konnte der Antragsteller die Behandlung seiner Vorlage sechs Wochen nach ihrer Verteilung verlangen. Diese Frist wurde 1995 auf drei Wochen reduziert, so dass auch Minderheitsakteure heute garantierten und zeitnahen Zugang zur parlamenta- rischen Tagesordnung haben. Da das Herauszögern von Abstimmungen durch End- losdebatten ein probates Obstruktionsmittel für parlamentarische Minderheiten sein NDQQNHQQHQIDVWDOOHPRGHUQHQ3DUODPHQWH5HJHOQ]XU%HHQGLJXQJYRQ'HEDWWHQ (Cox und McCubbins 2011). Auch Bundestagsdebatten können grundsätzlich durch den Beschluss einer einfachen Mehrheit beendet werden. Zwischen 1949 und 1980 bestand die einzige Bedingung darin, dass nach dem Antragsteller oder Berichterstat- ter ein weiterer Abgeordneter zu Wort gekommen war. Seit 1980 hingegen muss jede Fraktion mindestens einmal gesprochen haben. Zudem wurde eine entsprechende 5HJHODXFKIU$XVVFKXVVGHEDWWHQHLQJHIKUW$XFKEHLGHU%HHQGLJXQJGHU'HEDWWH ist also eine Stärkung der Position von Minderheiten zu verzeichnen.

118PVlPWOLFKHUHOHYDQWHQ7H[WVWHOOHQ]XLGHQWL¿]LHUHQHPS¿HKOWHVVLFKGLHlOWHVWHXQGGLHMQJVWHVRZLH JJI9HUVLRQHQPLWXPIDQJUHLFKHQbQGHUXQJHQ]XDQDO\VLHUHQYDZHQQHVP|JOLFKHUVFKHLQWGDVVGLH zugrundeliegende Materie nur während eines Teils des Untersuchungszeitraums reguliert war.

(23)

5 Zusammenfassung und Ausblick

Dieser Aufsatz hat zentrale konzeptionelle und methodische Herausforderungen bei GHU $QDO\VH IRUPDOHQ ,QVWLWXWLRQHQZDQGHOV GLVNXWLHUW XQG :HJH ]X LKUHU /|VXQJ vorgeschlagen. Konzeptionell wurden vier idealtypische Ansätze zur Analyse ins- WLWXWLRQHOOHU 5HIRUPHQ XQWHUVFKLHGHQ GLH LQ GHU =XVDPPHQVFKDXHLQ XPIDVVHQGHV Verständnis des Wandels formaler Institutionen erlauben. Zur Messung instituti- oneller Veränderungen wurden neue Verfahren vorgestellt, mit deren Hilfe zusam- PHQJHK|ULJH 7H[WHOHPHQWH LQ JUR‰HQ 7H[WNRUSRUD FRPSXWHUJHVWW]W LGHQWL¿]LHUW ZHUGHQN|QQHQ'LHVH9HUNQSIXQJHQHUODXEHQHLQHHI¿]LHQWH,GHQWL¿NDWLRQVlPW- OLFKHU5HJHOlQGHUXQJHQ]ZLVFKHQYHUVFKLHGHQHQ9HUVLRQHQYRQ7H[WHQVRZLHHLQH valide Messung des Umfangs von Textänderungen und führen zudem zu massiven (I¿]LHQ]JHZLQQHQEHLGHUDQVFKOLH‰HQGHQ.RGLHUXQJGLHVHU5HIRUPHQ'XUFKGLHVH Werkzeuge lassen sich umfassende Studien institutioneller Veränderungen über lange

=HLWUlXPHXQGHLQH9LHO]DKOYRQ/lQGHUQUHDOLVLHUHQGLHELVODQJVFKRQGXUFKGHQ LPPHQVHQ=HLWDXIZDQGEHLP$XI¿QGHQXQG.RGLHUHQYRQbQGHUXQJHQZHLWJHKHQG verhindert wurden.

Die Anwendung der verschiedenen Analyseansätze sowie unserer neuen Analy- sewerkzeuge und Maße wurde am Beispiel parlamentarischer Geschäftsordnungs- änderungen in europäischen Parlamenten illustriert. Angesichts des exemplarischen Charakters dieser Anwendung stellt sich die Frage, welche generelleren Schlüsse sich daraus über den Nutzen der verschiedenen Ansätze und Werkzeuge für die Ana- O\VHYRQ5HIRUPHQLQDQGHUHQLQVWLWXWLRQHOOHQ.RQWH[WHQ]LHKHQODVVHQ=XQlFKVWLVW zu betonen, dass die vier Analyseansätze Makro, Meso I, Meso II und Mikro wie in Abschnitt 2.2 dargestellt unterschiedliche Stärken und Schwächen haben und daher als komplementär, nicht als Substitute anzusehen sind.

:HQQGHUXQWHUVXFKWH5HJHOXQJVNRUSXVZLHLP)DOOSDUODPHQWDULVFKHU5HJHOQ XPIDQJUHLFK LVW XQG KlX¿JHQ bQGHUXQJHQ XQWHUOLHJW VLQG DOOH YLHU$QVlW]H IU ein umfassendes Verständnis institutionellen Wandels notwendig. Die quantitative 0HVVXQJ GHV 5HIRUPXPIDQJV VRZRKO JOREDO LP 6LQQH GHV 0DNUR$QVDW]HV DOV DXFKDXIJHWHLOWQDFK5HJHOXQJVLQKDOWLQ0HVR,LVWXQWHUGLHVHQ%HGLQJXQJHQQRW- ZHQGLJ IU HLQH YDOLGH %HVFKUHLEXQJ GHU 5HIRUPLQWHQVLWlW VRZLH ]XU ,GHQWL¿ND- WLRQYRQ5HIRUPHQGLHHLQHJHQDXHUH$QDO\VHHUIRUGHUQ'LH8QWHUVFKHLGXQJYRQ 5HIRUPW\SHQDQKDQGLKUHU)ROJHQIUSROLWLVFKH3UR]HVVHXQG(UJHEQLVVHLP6LQQH GHV0HVR,,$QVDW]HVLVWLPPHUGDQQHUIRUGHUOLFKZHQQ5HIRUPHQYHUVFKLHGHQHQ Kausalmechanismen unterliegen und daher verschiedene Erklärungsmodelle erfor- dern, z. B. weil sich die betroffenen Akteure und ihre Motive unterscheiden. Der starke Detailfokus des Mikroansatzes schließlich erlaubt eine direkte Validierung theoretisch unterstellter Kausalmechanismen und erfasst institutionelle Details, die IU GLH VXEVWDQ]LHOOHQ (IIHNWH LQVWLWXWLRQHOOHU 5HJHOQ KlX¿J YRQ HQWVFKHLGHQGHU Bedeutung sind.

Da allerdings nicht alle Studien institutionellen Wandel derart umfassend untersu- chen wollen, diskutieren wir abschließend zwei begrenztere Strategien für Analysen, die vorrangig Detailerklärungen bzw. allgemeine Erklärungen anstreben. Untersu- chungen, die eine möglichst detailgetreuen Beschreibung und Erklärung einzelner 5HIRUPHQ DQVWUHEHQ DOVR GHU Ä/RJLN GHU 7LHIH³ *VFKZHQG XQG 6FKLPPHOIHQQLJ

(24)

2007YHUSÀLFKWHWVLQGZHUGHQYRUUDQJLJGHQ0LNURDQVDW]YHUIROJHQ:HQQGLHLQ GLH$QDO\VHHLQEH]RJHQHQ5HJHOQHQJGH¿QLHUWVLQG]%QXU$JHQGDVHW]XQJVUHJHOQ im Plenum), kann auf eine quantitative Beschreibung von Veränderungen (Makro XQG0HVR,YHU]LFKWHWZHUGHQ6LQGGLHDQDO\VLHUWHQ5HJHOQ]XGHPVRKRPRJHQ GDVVWKHRUHWLVFKHLQHLQKHLWOLFKHU.DXVDOPHFKDQLVPXVKLQWHUDOOHQ5HIRUPHQDQJH- QRPPHQZHUGHQNDQQLVWDXFKGLH8QWHUVFKHLGXQJYRQ5HIRUPW\SHQLP6LQQHGHV Meso II-Ansatzes unnötig.

Die zweite Forschungsstrategie zielt auf allgemeine Erklärungen ab und ist LP 6LQQH GHU Ä/RJLN GHU %UHLWH³ *VFKZHQG XQG 6FKLPPHOIHQQLJ2007) bereit, zugunsten eines größeren Anwendungsbereichs der Erklärung Detailunterschiede zu ignorieren. In diesem Fall sollte hauptsächlich auf die beiden Ansätze der Meso- ebene zurückgegriffen werden, die relativ abstrakte Indikatoren zu Subgruppen YRQ5HJHOQ]XU9HUIJXQJVWHOOHQEHLVSLHOVZHLVHGLHREHQYRUJHVWHOOWHQ5HIRUPHQ YRQ0LQGHUKHLWVUHFKWHQLQ3DUODPHQWHQDOOH5HIRUPHQYRQ:DKOV\VWHPUHJHOQ]XU Mandatsverteilung oder alle Veränderungen in Subsystemen des Wohlfahrtsstaats ZLHGHU.UDQNHQYHUVLFKHUXQJ'HU0DNURDQVDW]LVWIU(UNOlUXQJHQLQGHU5HJHO nicht geeignet, weil Institutionen in ihrem Design und ihren Folgen zu komplex sind, als dass sich substanziell relevante Fragen allein mit Makroindikatoren über HLQHQ JUR‰HQ XQG LQWHUQ XQGLIIHUHQ]LHUWHQ 5HJHOXQJVNRUSXV EHDQWZRUWHQ OLH‰HQ 'HU0LNURDQVDW]ZLHGHUXPDQDO\VLHUW'HWDLOVGLHJHPl‰GHUÄ/RJLNGHU%UHLWH³ als zu kleinteilig betrachtet und daher nicht modelliert und empirisch untersucht werden. Im Verlauf des Forschungsprozesses kann natürlich immer ein Aufstei- JHQ LQ 5LFKWXQJ GHV 0DNUR$QVDW]HV ]XU .RQWH[WXDOLVLHUXQJ RGHUHLQ$EVWHLJHQ LQ 5LFKWXQJ GHV 0LNUR$QVDW]HV ]XU )XQGLHUXQJ WKHRUHWLVLHUWHU =XVDPPHQKlQJH geboten erscheinen.

Die in diesem Artikel vorgestellten und für interessierte Forscher frei zugäng- lichen Werkzeuge (s. Fußnote 2) sind unabhängig vom Gegenstandsbereich auf alle 5HIRUPHQIRUPDOHU,QVWLWXWLRQHQDQZHQGEDU12)RUPDOH5HJHOlQGHUXQJHQVFKODJHQ VLFKVWHWVDOVbQGHUXQJHQYRQ7H[WHQQLHGHUGLHPLW+LOIHXQVHUHU7H[WYHUJOHLFKV XQG 9HUNQSIXQJVYHUIDKUHQ LGHQWL¿]LHUW ZHUGHQ N|QQHQ 8QVHUH DXWRPDWLVLHUWHQ 9HUIDKUHQIKUHQ]XJUR‰HQ(I¿]LHQ]JHZLQQHQLP3UR]HVVGHU9HUNQSIXQJXQG sind weit weniger fehleranfällig als ein manuelles Vorgehen. Die Verknüpfungs- information erleichtert zudem die weitere Kodierung und Analyse von Textände- rungen. Gerade für große Textmengen, wie sie bei ländervergleichenden Analysen

EHUODQJH=HLWUlXPHKLQZHJXQGRGHUEHLGHU8QWHUVXFKXQJXPIDQJUHLFKHU5HJH- lungswerke entstehen, ist eine derartige (Teil-) Automatisierung des Forschungs- prozesses dringend erforderlich. Die hier vorgestellten Werkzeuge haben sich in der Forschungspraxis bewährt und können weit über unsere Anwendung auf parla- PHQWDULVFKH5HJHOQKLQDXVGLHV\VWHPDWLVFKH$QDO\VHYRQ5HIRUPHQJUR‰HU7H[W- korpora voranbringen.

12 Unsere Verfahren sind zudem nicht an einen bestimmten theoretischen Erklärungsansatz gebunden.

9LHOPHKUGLHQHQVLHGHU,GHQWL¿]LHUXQJYRQ5HIRUPHQDOVDEKlQJLJHU9DULDEOHGLHDQVFKOLH‰HQGMHQDFK Fragestellung und theoretischem Interesse beispielsweise mit verschiedenen Spielarten des Neoinstitutio- nalismus (rational choice; historisch; soziologisch) erklärt werden können.

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