8.4 Integrationsmethoden
8.4Die Integration von Funktionen erweist sich in praktischen F¨allen oftmals schwieriger als die Differenziation. W¨ahrend sich das Differenzieren durch Anwendung einfacher Regeln (Produkt-, Quotienten-, Kettenregel) erledigen l¨asst, ist das Integrieren mit gr¨oßeren Schwierigkeiten verbunden. Trotzdem kann in vielen F¨allen durch eine der folgenden Integrationsmethoden eine Stammfunktion gefunden werden.
8.4.1 Partielle Integration
Diepartielle Integrationist das Pendant zur Produktregel der Differenziation, welche besagt, dass
(u(x)·v(x))0=u0(x)v(x) +u(x)v0(x).
Wir l¨osen diese Gleichung nach u(x)v0(x)auf und integrieren anschließend u(x)v0(x) = (u(x)v(x))0−u0(x)v(x)
Rb
a u(x)v0(x)dx = Rb
a(u(x)v(x))0 dx−Rb
au0(x)v(x)dx.
Nach dem Fundamentalsatz der Differenzial- und Integralrechnung ist Z b
a
(u(x)v(x))0 dx= [u(x)·v(x)]ba,
so dass gilt
Partielle Integration:
Z b
a
u(x)v0(x)dx= [u(x)v(x)]ba− Z b
a
u0(x)v(x)dx.
Bemerkungen:
(1) Ob die Integration nach der Methode der partiellen Integration gelingt, h¨angt von der ”richtigen” (geeigneten) Wahl vonu(x)undv0(x)ab.
(2) In manchen F¨allen muss das Integrationsverfahren mehrmals angewendet werden, ehe man auf ein Grundintegral st¨oßt.
(3) Insbesondere bei der Integration von Funktionen, die als einen Faktor ei- ne trigonometrische Funktion enthalten, tritt nach ein- bzw. mehrmaliger partieller Integration der Fall auf, dass das zu berechnende Integral, mit einem Faktor versehen, auf der rechten Seite wieder auftritt. In diesem Fall l¨ost man die Gleichung nach dem gesuchten Integral auf.
(4) Die Formel der partiellen Integration gilt auch f¨ur unbestimmte Integrale Z
u(x)v0(x)dx=u(x)v(x)− Z
u0(x)v(x)dx.
Beispiele 8.13 (Partielle Integration):
1 Gesucht ist Z 2
1
x exdx.
Wir setzen
u(x) =x ⇒ u0(x) = 1 v0(x) =ex ⇒ v(x) =ex
und erhalten Z 2
1
x exdx= [x ex]21− Z 2
1
1·exdx= [x ex]21−[ex]21
= 2e2−e1−e2+e1=e2.
Ferner gilt Z
x exdx=ex(x−1) +C.
2 Gesucht ist Z
x2cosx dx.
Wir setzen
u(x) =x2 ⇒ u0(x) = 2x v0(x) = cosx ⇒ v(x) = sinx und erhalten
Z
x2cosx dx=x2sinx− Z
2xsinx dx.
Nochmalige partielle Integration vonR
2xsinx dxliefert mit u(x) = 2x ⇒ u0(x) = 2
v0(x) = sinx ⇒ v(x) =−cosx
Z
x2cosx dx =x2sinx−
2x(−cosx)− Z
2 (−cosx)dx
=x2sinx+ 2xcosx−2 sinx+C.
Tipp:In der Regel setzt manu(x)gleich dem Potenzfaktor, um so durch mehrmalige partielle Integration diesen Term zu reduzieren. In manchen F¨allen f¨uhrt aber v0(x) = 1⇒v(x) =xzum Ziel. In anderen wiederum taucht das zu berechnende Integral auf der rechten Seite der Gleichung wieder auf. Dann l¨ost man die Gleichung nach dem Integral auf:
3 Gesucht ist Z
lnx dx.
Mit
u(x) = lnx ⇒ u0(x) = 1 x v0(x) = 1 ⇒ v(x) =x
folgt
Z
lnx dx=xlnx− Z 1
x·x dx=xlnx−x+C
=x(lnx−1) +C.
4 Gesucht ist Z
cos2x dx= Z
cosx·cosx dx.
Mit
u(x) = cosx ⇒ u0(x) =−sinx v0(x) = cosx ⇒ v(x) = sinx ist
Z
cos2x dx= cosxsinx− Z
−sinxsinx dx= cosxsinx+ Z
sin2x dx.
Wir ersetzensin2x= 1−cos2x.
⇒ Z
cos2x dx= cosxsinx+x− Z
cos2x dx.
Addieren wir R
cos2x dx auf beiden Seiten und dividieren anschließend durch den Faktor 2, folgt
Z
cos2x dx= 12 (sinxcosx+x) +C.
8.4.2 Integration durch Substitution
Ahnlich wie die partielle Integration auf der Produktregel basiert, l¨¨ asst sich aus der Kettenregel dieIntegralsubstitutions-Methodeherleiten. Mity=f(x) folgt f¨ur die Ableitung der Funktiong(y) =g(f(x))nach x:
d
dxg(f(x)) =g0 (f(x))·f0(x). Hieraus ergibt sich dann durch Integration:
Substitutionsregel f¨ur unbestimmte Integrale:
Z
g (f(x))f0(x)dx=G(f(x)) +C, wennGeine Stammfunktion vong ist.
In der folgenden Tabelle sind einfache Spezialf¨alle dieser allgemeinen Substi- tutionsregel angegeben. Sie lassen sich in konkreten Beispielen einfacher an- wenden. Man beachte, dass die F¨alle (A),(B)und(C)als Spezialf¨alle in(D) enthalten sind.
Integraltyp Substitution L¨osung (A)
Z
g (a x+b)dx y=a x+b 1aG(a x+b) +C
(B) Z
f(x)f0(x)dx y=f(x) 12f2(x) +C
(C)
Z f0(x)
f(x) dx y=f(x) ln|f(x)|+C
(D) Z
g (f(x))f0(x)dx y=f(x) G(f(x)) +C
Tabelle 8.4: Einfache Integralsubstitutionen
Beispiele 8.14 (Integralsubstitutionen nach Tabelle 8.4):
(A1) Z 3
2
(2x−3)4 dx=?
Wir bestimmen zuerst eine Stammfunktion und setzen dann zur Berech- nung des bestimmten Integrals die obere und untere Integrationsgrenze ein.
Dazu substituiert man y= 2x−3 und ersetzt jeden Term des Integrals, der die Integrationsvariable x enth¨alt, durch einen entsprechenden Term mit y. Insbesondere muss auch das Differenzial dx durch einen entspre- chenden Term mitdy ersetzt werden.
Ausy= 2x−3 ,→y0=dxdy = 2 ,→dx=12dy. Somit ist Z
(2x−3)4dx= Z
y4 12dy=12 Z
y4dy= 12 15y5+C.
Nach Berechnung des Integrals wird durch R¨ucksubstitutionywieder durch 2x−3 ersetzt:
Z
(2x−3)4dx= 101 (2x−3)5+C.
Das bestimmte Integral ist daher Z 3
2
(2x−3)4 dx=h
1
10 (2x−3)5i3 2
=101 [243−1] = 24.2.
(A1’) F¨uhrt man alternativ die Substitutionsmethode direkt beim bestimmten Integral
Z 3 2
(2x−3)4dx
durch, m¨ussen auch die Integrationsgrenzen ersetzt werden! Es erfolgt dann nach der Berechnung des substituierten Integrals keine R¨ucksubstitution mehr. Ausy = 2x−3 folgt f¨ur die untere Grenzexu = 2,→yu = 1 und f¨ur die obere Grenzexo= 3,→yo= 3:
Z 3 2
(2x−3)4dx= Z 3
1
y41
2dy=1
10y53
1= 101 [243−1] = 24.2.
(A2) Z 1
0
1
1 + 4xdx=?
Man substituiere y= 1 + 4x ,→y0 = dy
dx = 4 ,→dx= 14dy.
,→ Z 1
1 + 4xdx= Z 1
y ·1 4dy= 1
4 Z 1
ydy=1
4 ln|y|+C.
Durch R¨ucksubstitution y= 1 + 4xfolgt Z 1
1 + 4xdx=1
4 ln|1 + 4x|+C.
F¨ur das bestimmte Integral gilt Z 1
0
1
1 + 4xdx= 1
4 ln|1 + 4x|
1
0
=1
4 ln 5−1
4 ln 1 = 1 4 ln 5.
(B1) Z
sinxcosx dx=?
Man substituiere y= sinx ,→y0= dy
dx = cosx ,→dx= 1 cosxdy.
,→ Z
sinxcosx dx= Z
y cosx 1 cosxdy=
Z
y dy= 1
2y2+C.
Durch R¨ucksubstitution y= sinxfolgt Z
sinxcosx dx= 1
2 sin2x+C.