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Indra und Vrtra.*)
Von Alfred UUlebrandt.
Als grösste That Indras gilt der vedischen Mythologie die
Tödtung Vftra's und Befreiung der Ströme aus seiner Macht. Nur
vereinzelt tritt er, wie zuerst Bergaigne bemerkt hat, als Gott des
Regens auf ' Ihren niedrigsten Wasserstand haben die Ströme nicht
in der heissen Zeit. Im ersten Prühling fangen sie.an zu schwellen
und nehmen zu bis zum Ende der Regenzeit ; x^ifiwvog Sk iftnaXiv
ia^ovaiv, dXiyoi rs-yiyvovrai xal xa&aQol Ideiv xai ianv onov
nsgdotfioi. . . ., sagt Arrian, Anab. 5, 9, 4; ebenso Hunter, In¬
troduction zu Johnston's „Atlas of India' p. 7 (zu den Karten vom
Punjab, Kasmir, the NW. Frontier und British Baluchistan): „in
the winter the streams dwindly away. But as the mountain snows
melt on the approach of the Indian summer followed by the rainy
season, the waters rise and overflow the surrounding country'...;
Balfour, The Cycl. of Ind. s. v. Indus spricht vom Indus als
„ falling to its minimum in December', während sein Maximum im
Juli, August erreicht wird. Die Befreiung der Ströme erfolgt also
mit der ansteigenden Bahn des Sonnengottes; und wenn es-heisst,
dass Indra die eingesperrten oder gefesselten Ströme, Wasser be¬
freit , so ist es die Macht des Winter riesen Vftra, „ der auf den
Bergen liegt', die er als Sonnengott bricht. Dazu stimmt, dass
Indra die Kühe der Morgenröthe aus dem Stall (des Winters) führt,
die Sonne gewinnt , die nach dem AV. aus Vftra geboren wird,
dass Ekästakä, die Neujahrsnacht, Indra's Mutter ist. Nach Vrtra's Besiegung floh Indra, wie es in einer Sage' heisst, paramäm parä-
vatam. Die Brähmana's identificiren gelegentlich Vftra mit dem
Mond. An sich ist das falsch ; aber es zeigt sich auch hier wieder,
dass ein femer Sinn auch in scheinbar absurden Aeusserungen der
Brähmana's liegt: der Vollmond hat seinen höchsten Stand im
Winter, etwa dort, wo 6 Monat später die Sonne steht; daher ist er
scheinbar Hen- des Winters und daher die gelegentliche Gleich-
1) Vorläufige Mittheilung.
666 Hülebrandt, Indra und Vrtra.
Setzung mit dem Winter selbst. Sat. Br. 2, 6, 1, 1. 2 siegen Va¬
santa, Grisma, Varsäh über Vrtra. In den vom Indus westlich
und nördlich gelegenen Ländern hat der Kampf zwischen dem
Dämon des Winters und der Sonne noch grössere Bedeutung. Das
Wort vrtra stammt dorther und ist mit dem Begriff aus der vor-
indischen Zeit herübergekommen. Aber weiter im Osten, im eigent¬
lichen Indien, verblasst unter anderen Verhältnissen Ausgangspunkt
und Bedeutung der Sage. Aus dem die Wasser befreienden Gott,
der mit dem Donnerkeil kämpft und im Sommer kulminirt, wird
der regenspendende Gott der späteren Zeit, als Kämpfer das Vor¬
bild der Könige. Der Donnerkeil an sich ist kein Zeichen eines
specifiscben Gewittergottes. Das zeigt ausser Ztvq der iranische
Mithra, der den vaisra führt.
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Zur Frage nach dem Ursprung des Alphabets.
Von H. Zimmern.
Es ist keineswegs meine Absicht, mich hier ausführlich über
diese viel erörterte Frage zu verbreiten. Vielmehr möchte ich nur
kurz eine von mir gemachte Beobachtung mittheilen, die uns, wie
ich glaube , der Lösung dieses schwierigen Problems um einen
Schritt näher bringen kann.
Diese Beobachtung hat nichts zu thun mit der Form der
einzelnen Buchstaben , von der man ja in der Regel bei der Her¬
leitung des sog. phönicischen Alphabets etwa aus dem Aegyptischen
oder Babylonischen ausgeht. Zu welchen Verirrungen die Ver¬
gleichung gerade der Formen des phönicischen Alphabets mit
ägyptischen, babylonischen u. s. w. Zeichen schon geführt hat, ist
ja genugsam bekannt. Bei dem jüngsten derartigen Versuch von
Delitzsch, Entstehung des ältesten Schriftsystems S. 229 f.,
wo für einige Zeicben des phönicischen Alphabets babylonische
Vorbilder angenommen werden, erscheint mir noch am ehesten ein¬
leuchtend die Vergleichung von phön. (Aleph) mit bab.
{alpu Ochs, eigentlich wohl Bild des Ochsenkopfes mit Hörnem),
eine Zusammenstellung, die übrigens auch bereits Hommel, Ge¬
schichte Babyloniens und AssjTiens S. 54, bietet. Indessen werden
wir mit der Zeichenvergleichung allein nie sehr weit kommen und
stets der Gefahr starker MissgrifFe ausgesetzt sein.
Ferner kann ich auch nicht so hohen Werth, wie Delitzsch
a. a. 0. S. 226 f., auf die Thatsache legen, ,dass von den 22 phö¬
nicischen Schriftzeichen nicht weniger denn 15 Gegenstände oder
Begriffe zur Darstellung bringen, welche auch in der babylonischen
Schrift durch Urzeichen ersten oder zweiten Grades [wie solche
Delitzsth in seinem Buche mit Recht nachgewiesen hat] Aus¬
druck gefunden haben '. Denn abgesehen davon , dass die von
Delitzsch aufgestellte Vergleichungsliste dieser 15 Zeichen weder
für das Phönicisehe noch für das Babylonische ganz einwandsfrei ist'), 1) So ist z. B. die Bedeutung „Umfassung" fiir Cliet docli äusserst un¬
sicher, ebenso wie die Zusammenstellung des Zeicbennamens H^n mit dem