Medizingeschichte
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Nach Johannes (1526) und Martin (1531) wurde der 3. Sohn von Katharina und Dr. Mar- tin Luther am 28. Januar 1533 in Wittenberg geboren. Er bekam den Namen des Apostel Paulus. In der Taufrede hatte der Reformator vor seinen Gästen folgendes ausgeführt: „... Ich habe meinen Sohn lassen Paul heißen, denn der heilige Paulus hat uns viel große Lehren und Sprüche vorgetragen. Gott gebe ihm die Gnade und Gaben Pauli. Ich will, so Gott will, alle meine Söhne von mir tun: der Lust zum Kriege hat, den will ich zu Hans Löser tun; der Lust zu studieren hat, zu Jonas und Philippus; der Lust zur Arbeit hat, den will ich zum Bauern tun.“
Dem Erbmarschall Hans Löser, der Pate von Paul Luther wurde, hatte der frisch gebackene Vater in einem Brief, bezogen auf Paul, geäußert, „...ob vielleicht Gott der Herr einen neuen Feind des Papsts oder Türkens an ihm erziehen möchte...“ Paul wurde also der Beruf eines Kriegsmannes in die Wiege gelegt. Es heißt, dass Luther zu seinen drei Söhnen stren- ger war, als zu seinen drei Töchtern. Eines aber galt für alle Kinder im Hause des Reformators:
sie mussten fleißig mit ihrem Vater singen, der, wie Abb. 1 zeigt, auf der Laute begleitete.
Paul Luther stand mit 13 Jahren am Sterbebett seines Vaters in Eisleben und er erlebte nach dem Tode seines Vaters, wie schwer das Leben für seine Mutter und die Familie wurde. Zunächst wollte niemand aus dem Freundeskreis die Vormundschaft überneh-
men, auch Melanchthon nicht. Der Kanzler Brück intrigierte gegen die Witwe und hatte sogar gefordert, ihr die Jungen zu entziehen.
Aber Katharina kämpfte um ihre Kinder und siegte. In der Zeit des Schmalkaldischen Krieges floh sie mit ihren Kindern zweimal aus Wittenberg; einmal nach Magdeburg, ein- mal nach Braunschweig. Nach der Rückkehr war das Wohnhaus zwar unversehrt, aber der Garten und drei Güter waren durch das Kriegs- volk völlig zerstört worden. Kurfürst Johann Friedrich, der Gönner der Familie Luther, war in Gefangenschaft geraten und den verräteri- schen Moritz von Sachsen wollte Katharina Luther nicht um Hilfe bitten. Der Reformator hatte diese schlimmen Zeiten auf seine Familie und das Land zukommen sehen. Es war der Dänenkönig, der Frau Luther ein Jahresgeld von 50 Gulden bewilligte. Paul wurde kein Kriegsmann. Er hatte mit Melanchthon und Winsheim gute Lehrer. Auf Anraten und mit Bewilligung seines Vaters studierte er in Wit- tenberg Medizin. Als 1552 wegen der Pest die gesamte Universität nach Torgau flüchtete, entschloss sich auch Katharina Luther, mit ihren beiden jüngsten Kindern, Paul und Mar- garete, dorthin zu fliehen. Auf der Fahrt gin- gen die Pferde durch und Katharina stürzte so unglücklich, dass sie an den Verletzungsfolgen am 20. Dezember 1552 in Torgau verstarb.
Paul Luther promovierte 1557 in Wittenberg zum Doktor der Medizin und erhielt schon
1558 einen Ruf an die Universität Jena. Als Professor für Heilkunde kündigte er Vorlesun- gen über Galens Lehre von der Medizin an. In seiner Antrittsvorlesung gedachte er mit Dank seiner Mutter, die eine gute Arzneikundige und Krankenpflegerin gewesen sei und der er viel von seinen Kenntnissen verdanke. An der Universität Jena wurde ihm der Dienst wegen seiner Rechtgläubigkeit (er sollte seinen Glau- ben öffentlich verteidigen) verleidet, weshalb Dr. Paul Luther 1560 als herzoglicher Leib- arzt nach Weimar ging und 1567 als kurfürst- licher Leibarzt nach Brandenburg wechselte.
Nach dem Tode von Joachim II. im Jahre 1571 trat er in gleicher Funktion bei Kurfürst August in Dresden in den Dienst. Beide Herren verband die lutherische Konfession und die Spagyrie. Letzteres ist die chemische Schei- dung der Erze mit dem Endziel der Goldge- winnung. Dr. Paul Luther (Abb. 2) war aber nicht nur Arzt und Alchemist, sondern er wurde auch als „der Artzney Doctor“ bezeich- net. Er entwickelte eine Anzahl neuer Medi- kamente wie Unguentum ex nitro, Aurum potabile, oder auch solche, die aus Pflanzen gezogen wurden. In einer Schrift, die 1626 von J. Weber (Leipzig) veröffentlicht wurde, hatte sich Dr. Paul Luther „über diätetisches Verhalten in Pestzeiten“ auseinandergesetzt.
Dr. med. Paul Luther – ein Sohn des Reformators
Abb. 1: Die singende Lutherfamilie (mit Melanchthon); aus: Hesselbacher „Luthers Käthe“; 1934
Abb. 2: Dr. med. Paul Luther, kursächsischer Leib- arzt; aus: O. Sartoriums „Die Nachkommenschaft D. Martin Luthers in vier Jahrhunderten“; 1926
Medizingeschichte
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Kurfürst August hatte ihm die Anwartschaft auf das Klostergut Sornzig verliehen, aber weder Paul Luther, noch seine Nachkommen, waren in den Besitz dieses Gutes gekommen.
Dr. Paul Luther war lediglich zwischen 1573 und 1593 Mitbesitzer des Freigutes Dohna (an der Müglitz), welches 1549 Clemens von Bora, sein Onkel, erworben hatte.
1553 hatte Paul Luther mit Anna von Warbeck die Ehe geschlossen. Sie hatten sechs Kinder. Nach dem Tode seiner Frau und nach dem Ableben von Kurfürst August (1586) kam es am Dresdener Hof durch den Einfluss der Kryptocalvinisten zu heftigen Streitigkeiten, so dass er unter Kurfürst Christian II. des Hoflebens müde und über- drüssig geworden, 1587 nach Leipzig verzo- gen ist und noch einige Jahre als praktischer Arzt tätig war. In seinem Beruf sei er „felix in praxi gewest“. Bis an sein Lebensende am 8. März 1593 blieb er treu bei der Religion seines lieben Vaters. Dr. Paul Luther wurde am 11. März 1593 in der Leipziger Pauliner- kirche (Abb. 3), wo einst auch sein Vater gepredigt hatte, beerdigt. Die Grabesruhe dauerte 375 Jahre, dann kam das Jahr 1968.
Am 4. April 1968 fand in der altehrwürdigen Leipziger Universitätskirche St. Paulus das letzte öffentliche Konzert statt, wenige Wochen später, am 30. Mai, wurde sie gesprengt.
Proteste wurden nicht geduldet und auch der Denkmalschutz war machtlos. Nicht alles aus dem Inneren der Paulinerkirche konnte für die
Nachwelt gerettet werden. Wegen der Grab- stätten in der alten Universitätskirche hatte sich die Leipziger Stadtführung schon gar keinen Kopf gemacht. Sie wurden beim Aus- heben der für den Universitätsneubau erfor- derlichen Baugrube zerstört und mit dem Bau- schutt abtransportiert. So ist es nicht ausge- schlossen, dass auf einer Deponie im Leip- ziger Raum auch sterbliche Überreste von Dr.
Paul Luther lagern. Diese Art der Grabschän- dung blieb leider für die Stadt Leipzig kein Einzelfall. Mit der Auflösung des Neuen Johannisfriefhofes waren Grabplünderungen großen Umfanges zugelassen worden. Der Autor stand im März 1973 vor dem Wandstel- lengrab des Dr. Johann Nepomuk Czermak, dem durch die Einführung des Kehlkopfspie- gels für die ärztliche Praxis weltbekannten Prager Physiologen (Czermaks Garten heißt noch heute eine nach ihm benannte Straße in Leipzig) und sah die geöffnete Gruft, die zer- schlagene Grabtafel und den leeren Sockel, auf dem fast 100 Jahre eine Büste von Czermak gestanden hatte. Grabschändung und Störung der Totenruhe war, ist und bleibt Missachtung der Menschenwürde. Der Bei- trag soll helfen, Geschichtsvergessen nicht zuzulassen.
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Abb. 3: Paulinerkirche Leipzig; Postkarte von 1909