binnenmarkt und energie- wende
Inge Bernaerts, Referatsleiterin bei der EU- Kommission, erklärt Chancen und Grenzen einer
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»icH seHe Luft im system, um aLLe zu entLasten.«
Jochen Homann, Chef der Bundesnetzagentur, über Sparpotenziale und staatliche Interventionen
sind die Lasten fair verteiLt?
Dr. Utz Tillmann, VCI, und Verbrau- cherschützer Gerd Billen diskutieren über die energie- und wasserwirtschaft im dialog | das magazin 04|2012
Streitfragen!
gewissermaßen „im Endspurt“ hat die Bundesregierung noch kurz vor Jahresende einige sehr wesentliche Änderungen im wichtigsten Grundlagengesetz unserer Energie
versorgung durchgezogen. Mein Respekt gilt den Parlamentariern im Deutschen Bundestag. Sie mussten, ebenso wie unsere Branche, den Druck letztlich auffangen, Nerven bewahren und auf den letzten Metern noch einigen technischen und wirt
schaftlichen Realitäten, die in den Ministerien offenkundig nicht erkannt werden wol
len, zur Geltung verhelfen. Dazu gehörte es, die vorgesehene Pflicht der Betreiber von Gaskraftwerken, nicht unterbrechbare Versorgungsverträge abzuschließen – an
stelle der wirtschaftlich und im technischen Gesamtsystem sehr sinnvollen unter
brechbaren Verträge –, schlicht zu streichen. Stattdessen finden sich nun flexible, klu
ge und pragmatische individuelle Lösungen im Gesetz. Gelungen ist das „bessere Gesetz“ aber noch lange nicht.
Liebe Leserin,Lieber Leser,
Wir gehen keinem konstruktiven Streit um verschiedene Lösungen aus dem Weg – wie unser Magazin „Streitfragen!“ zeigt. Aber wir haben an die Lösungen bestimmte Ansprüche. Vor allem müssen sie technisch und kaufmännisch umsetzbar sein, und sie dürfen die Versorgungssicherheit keinesfalls gefährden. Was die Umsetzbarkeit betrifft, hätten wir mit Blick auf die OffshoreHaftungsumlage fast noch ein Desaster erlebt. Denn die war bei sehr vielen Unternehmen, gestützt auf vermeintlich klare An
sagen der Bundesnetzagentur, Anfang November bereits pflichtgemäß eingepreist.
Wenn gerade dieser Teil der Novelle verschoben worden wäre – wonach es kurzzeitig aussah –, dann wären Hunderte von Vertrieben und Netzbetreibern, und mit ihnen Millionen von Kunden, in einen rechtsfreien Raum geglitten.
Die Energiewirtschaft sieht die aktuellen Haftungsregelungen verhalten positiv.
Doch was zählt, ist das Urteil der Investoren. Die anstehenden Gespräche mit Ent
scheidern, die nicht aus unserer Branche stammen und die Energiewende in erster Linie unter finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten sehen, werden jedenfalls spannend.
Dass bei uns in Deutschland mittlerweile die regulierten Bereiche für Investoren inte
ressanter zu sein scheinen als der Markt, ist bedenklich.
Wir widmen deshalb dieses Magazin der Frage, welche Rolle künftig dem Markt noch eingeräumt wird. Aus Kunden und Bürgersicht jedenfalls ist dies der Bereich, in dem sie selbst wählen und den Wettbewerb und das Angebot mitgestalten können.
Regulierung und staatliche Intervention werden oft verwechselt mit Sicherheit. Das Gegenteil ist der Fall, wie man an den vollkommen aus dem Ruder laufenden Kosten des EEG und dem Investitionsstau im Netzbereich sieht. Mit mehr Regulierung und Dirigismus wird es nicht kuscheliger, sondern auf Dauer härter. Die Energiewirtschaft setzt sich sehr klar für den Vorrang marktwirtschaftlicher Lösungen ein. Staatliche Intervention als Normalfall, wie derzeit zunehmend vorgesehen, wird von uns klar ab
gelehnt. Dass Staatswirtschaft nicht der bessere Weg ist, dafür gibt es historische Beispiele – worauf unser Titelbild anspielt.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!
Ihre
Hildegard Müller
P.S.: Der BDEW twittert jetzt auch! Folgen Sie uns unter @bdew_ev
rettet die wende
Regine Günther, WWF, und Hildegard Müller, BDEW, betrachten die Energiewende als nationale Gemeinschafts aufgabe
ProbLemfaLL reguLierer
Dr. Jörg Bergmann, Geschäftsführer von Open Grid Europe, findet die zu erwartenden Eingriffe ins Gas-Transportgeschäft bedenklich
energieHandeL und mifid:
aLLes eine frage des werkzeugs?
Sind Strom- und Gashändler Teil der Finanzmärkte?
Branchenkenner Folker Trepte und Europapolitiker Markus Ferber streiten über die MiFID-Richtlinie Wie kann die Stromversorgung gesichert werden, ohne den Markt auszuhebeln? Ein Streitgespräch zwischen Dr. Christoph Maurer, Consentec, und Dr. Christian Growitsch vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln
s.20
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brücke zum neuen marktdesign
02 strEitfragEn 04|2012
imPressum
Herausgeber BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V.
Reinhardtstraße 32 10117 Berlin
streitfragen@bdew.de www.bdew.de
redaktion Mathias Bucksteeg Sven Kulka
konzePt und reaLisierung Kuhn, Kammann & Kuhn GmbH, unter redaktioneller Mitarbeit von Wolf Szameit. Meltem Walter, Jan Ulland, Ricarda Eberhardt und Agnes Winklarz, BDEW.
druck und verarbeitung Druck Center Drake + Huber, Bad Oeynhausen
biLdnacHweis Joachim Donath: S. 04–05.
Roland Horn: Editorial, S. 06–29.
Clemens Lechner: S. 32. Laif: Titelseite, S. 36–37. gettyimages: S. 38.
Redaktionsschluss:
Dezember 2012
s.06 s.12
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s.20
s.26
s.30
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s.34 s.36
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s.42
die zukunft des energiemarktes brücke zum neuen marktdesign
Dr. Christoph Maurer und Dr. Christian Growitsch debat- tieren über den besten Weg zur Versorgungssicherheit
»icH seHe Luft im system, um aLLe zu entLasten.«
Jochen Homann, Chef der Bundesnetzagentur, über Spar potenziale und staatliche Interventionen ProbLemfaLL reguLierer
Dr. Jörg Bergmann, Geschäftsführer von Open Grid Europe, findet die zu erwartenden Eingriffe ins Gas-Transport- geschäft bedenklich
fokus energiewende rettet die wende
Regine Günther, WWF, und Hildegard Müller, BDEW, betrachten die Energiewende als nationale Gemeinschafts- aufgabe
sind die Lasten fair verteiLt?
Dr. Utz Tillmann, VCI, und Verbraucherschützer Gerd Billen diskutieren über die Notwendigkeit, Unternehmen beim Strompreis zu entlasten
»stadtwerke Profitieren von der energiewende.«
Kommunale Versorger profitieren von selbst produzierter Energie, meint Susanne Treptow, Geschäftsführerin bei TOBI
»oHne strom stürzen wir zurück ins mitteLaLter«
Deutschland ist auf einen großflächigen Stromausfall nicht optimal vorbereitet, warnt Marc Elsberg, Autor von „Blackout“
fokus erneuerbare
vier fragen an reinHard cHristiansen Der Bürgerwindpark Ellhöft hat 2011 mehr als 300 000 Euro erhalten für Strom, der nie im Netz ankam
»miLLionen strassenLaternen verscHwenden strom.«
Kommunen könnten viel Energie sparen, etwa bei der Straßenbeleuchtung. Doch oft fehlt das Geld für Investi- tionen, beklagt Bernd Düsterdiek vom Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB)
PersPektive euroPa
energieHandeL und mifid: aLLes eine frage des werkzeugs?
Sind Strom- und Gashändler Teil der Finanzmärkte?
Branchenkenner Folker Trepte und Europapolitiker Markus Ferber streiten über die MiFID-Richtlinie
»oHne den binnenmarkt wäre deutscH- Lands energiewende nicHt durcHsetzbar.«
Inge Bernaerts, Referatsleiterin bei der EU-Kommission, erklärt Chancen und Grenzen einer europaweiten Koordination der Energiepolitik
20 miLLionsteL gramm
an Phosphorverbindungen enthält ein Liter Wasser, wenn er die OberflächenAufbereitungsanlage der Berliner Wasserbe
triebe im Berliner Stadtteil Tegel verlässt. Den Gehalt an Schwebstoffen reduziert die Anlage auf 0,6 Milligramm pro Liter.
Das gesäuberte Wasser landet im Tegeler See, der deshalb wieder tief blicken lässt: Von der Oberfläche aus reicht die Sicht bis zu drei Meter nach unten. Früher war nach wenigen Zentimetern Schluss. Die Berliner Anlage stellt faktisch eine vierte Reinigungsstufe dar, wie sie derzeit für Klärwerke bundesweit diskutiert wird. Für diese zusätzliche Aufbereitungsstufe kommen je nach örtlichen Gegebenheiten verschiedene Verfahren in Frage. Vergleichsweise hohe Kosten und beträchtlicher Energieverbrauch sind allen Varianten gemeinsam. Die Wasserwirtschaft sieht die flächendeckende Einführung kritisch.
Sie fordert gemäß dem Verursacher und Vorsorgeprinzip, erst einmal mehr dafür zu tun, dass bedenkliche Stoffe gar nicht erst ins Abwasser gelangen.
dr. cHristoPH maurer
(rechts) ist Geschäftsführer der Consentec – Consulting für Energiewirtschaft und -technik GmbH.
dr. cHristian growitscH ist seit September 2010 Direktor für Anwen- dungsforschung und Mitglied der Geschäfts- leitung des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln.
brücke
zum neuen markt-
design
strEitfragEn 04|2012 die zukunft des energiemarktes 06
Gehen in Deutschland demnächst die Lichter aus?
dr. cHristian growitscH Ich glaube, dass die Übertragungsnetzbetreiber die Lage im Griff ha
ben. Und mit der Kaltreserve ist jetzt Kraftwerkskapa
zität kontrahiert worden, die im Ernstfall für Redis
patchMaßnahmen zur Verfügung stünde. Dennoch ist die Gefährdungslage grundsätzlich vorhanden.
dr. cHristoPH maurer Ich glaube auch nicht, dass die Lichter ausgehen. Es bleibt natürlich immer ein Restrisiko. Aber ich glaube, dass wir inzwischen die Maßnahmen ergriffen haben, die nach den Regeln der Technik notwendig sind, mit den zu erwartenden Belastungssituationen in den nächsten Monaten um
zugehen.
Meinen Sie damit die Maßnahmen, die die Bun- desregierung mit der Novellierung des EnWG er- griffen hat – Stilllegungsverbot etc.?
maurer Die Kaltreserve war eine eher auf dem re
gulatorischen Weg ergriffene Maßnahme der Bundes
netzagentur, die im vergangenen Winter und auch vermutlich für diesen Winter einzig praktikabel war und ist. Wir hatten in der zur Verfügung stehenden Zeit einfach keine Möglichkeit, etwas anderes zu ma
chen. Das ist aber etwas anderes als das, was die Bun
desregierung jetzt plant.
Was ja wohl auch kaum noch etwas mit Markt zu tun hat.
growitscH Inbezug auf die Kaltreserve stimme ich dem Kollegen Maurer voll zu. Es gab wohl kurzfris
tig keine andere Möglichkeit. Was allerdings den aktu
ellen Gesetzentwurf der Bundesregierung angeht, bin ich der Ansicht, dass es auch andere, ökonomisch sinnvollere Maßnahmen gibt, um ausreichend Kraft
werkskapazitäten im Markt zu halten.
Welche Maßnahmen meinen Sie?
growitscH Es sollten mehr marktwirtschaftli
che Elemente zum Zug kommen. Man sollte beispiels
weise regionale Preissignale zulassen. Wenn Übertra
gungsnetzkapazitäten knapp sind, dann kommt es zu verschiedenen Preissignalen in Deutschland und der zentralwesteuropäischen Region und damit temporär zu zwei oder mehreren Preiszonen. Denkbar sind da
neben Alternativen zum bisherigen RedispatchSys
tem, bei denen auch die Betriebs und Instandhal
tungskosten der Kraftwerkseigner vergütet werden.
Herr Dr. Maurer, in Ihrem Gutachten schlagen Sie dagegen auch für die kurze Frist eine Strategische Reserve vor.
maurer Ich glaube nicht, dass solche Maßnah
men, wie sie Dr. Growitsch vorgeschlagen hat, in der kurzen Frist durchführbar sind. Die Teilung in zwei Preiszonen wirft andere Probleme auf. Wir haben kei
ne Knappheitsprobleme, sondern eher regionale Netz
Eine Strategische Reserve könnte vorübergehend Engpass
situationen in der Stromversorgung vermeiden helfen.
Alternativen, um einen Blackout zu vermeiden, werden in der Wissenschaft diskutiert. Die Entscheidung für eine Lösung muss möglichst bald fallen.
›
strEitfragEn 04|2012 die zukunft des energiemarktes 08
probleme. Wir haben keinen Mangel an Kraftwerks
leistung, wir haben einen Mangel an bestimmten Systemdienstleistungen insbesondere in Süddeutsch
land. Wir sind uns einig, dass wir zur Lösung markt
wirtschaftliche Ansätze brauchen. Das, was die Bun
desregierung plant, ist jedoch ein Einstieg in eine Regulierung der Erzeugung. Das ist für mich kein ad
äquater Lösungsansatz. Ich sehe da auf lange Sicht so
gar kontraproduktive Entwicklungen.
Bedeutet die Strategische Reserve aber nicht auch etwas weniger Marktwirtschaft?
maurer Unser Konzept der Strategischen Reserve ist der Versuch, mit einem marktwirtschaftlichen Ins
trument eine von der Physik her äquivalente Wirkung zu erreichen. Sie ist auch nicht als Dauereinrichtung gedacht, sondern als Brückenlösung, damit die Dis
kussion um eventuell notwendige Kapazitätsmecha
nismen mit der notwendigen Sorgfalt und Tiefe ge
führt werden kann.
Herr Dr. Growitsch, Sie haben vermutlich andere Vorstellungen, wie man den Übergang bewältigen sollte.
growitscH Ich hatte schon ein, zwei Möglich
keiten angedeutet. So sollte man die Möglichkeit der zwei Preiszonen wenigstens einmal durchrechnen, um die Anreizwirkung zu ermitteln. Einfach zu sagen, es
würde nicht funktionieren, halte ich für voreilig. Mein Problem mit der Strategischen Reserve ist, dass dort im Rahmen einer regionalen Ausschreibung unter Umständen nicht ausreichend Wettbewerb induziert werden kann. Die geringe Anzahl potenzieller Anbie
ter könnte die Ausübung von Marktmacht ermögli
chen. Es geht offensichtlich bei dem Konzept ja nicht um neue Kraftwerksinvestitionen, sondern um den Erhalt vorhandener.
maurer Das ist ja auch das primäre Ziel, weil es kurzfristig erreichbar ist. Für den nächsten Winter können wir so schnell keine neuen Kraftwerke bauen.
Aber da hilft auch die Einführung von Preiszonen nicht viel weiter, weil sie auch so schnell nicht durch
führbar ist. Die Frage der Marktmacht ist aber in der Tat einer der ganz kritischen Punkte. Deshalb muss man sich auch davor hüten, die Regionalisierung zu übertreiben. Es hilft nicht, eine Strategische Reserve bundesländerweise auszuschreiben, weil man dann keinen richtigen Wettbewerb mehr bekommt. Mit ei
ner vorsichtigen, am tatsächlichen Bedarf orientierten Dimensionierung der Strategischen Reserve und einer Ausweitung des potenziellen Anbieterkreises auf die südlichen Anrainerländer Süddeutschlands kann man meines Erachtens die Marktmachtproblematik so weit überwinden, dass sie nicht mehr die Rolle spielen wird, die andere da sehen. Dann kann die Strategische Reserve ein kurzfristig wirksames, den Markt nicht verzerrendes Instrument darstellen.
» Es solltEn mEhr
marktWirtschaftlichE ElEmEntE zum zug
kommEn. man solltE
BEispiElsWEisE rEgio-
nalE prEissignalE
zulassEn.«
growitscH Kurzfristig wirksam – dem würde ich nicht widersprechen. Ob aber der Markt nicht ver
zerrt wird, da bin ich nicht ganz der Meinung von Herrn Maurer. Es besteht die Möglichkeit, je nach Technologie, die dort zum Zuge kommt, dass zumin
dest in Spitzenlastsituationen der Dispatch verzerrt werden könnte.
Nun kommt aus der Industrie selbst der Vorschlag, dass Anbieter von EE-Strom sichere Kapazitäten erwerben sollen, die dann einspringen, wenn es mit den Erneuerbaren Probleme gibt.
growitscH Ich kann diese Lösung aus ökonomi
scher Perspektive nur schwer nachvollziehen. Mir scheint es da eher um eine Verteilungsdebatte zu ge
hen. Was wäre denn die Konsequenz? Wenn erneuer
bare Energien sichere Leistung zur Verfügung stellen sollen, müssen sie sich entsprechende BackupKapazi
täten beschaffen. Dann aber sollte man auf den in die
sem Fall untertägigen Spotmarkt zurückgreifen. An
sonsten würde hier eine Aufgabe dezentral verteilt, die man zentral viel besser lösen kann.
maurer Das ist im Grunde die Verpflichtung zur dezentralen Leistungsvorhaltung, die in den USA aus
giebig ausprobiert worden ist, aber dort krachend ge
scheitert ist. Es ist ein Modell, das ökonomisch nicht tragfähig ist.
Schauen wir mal über 2020 hinaus. Wie könnte ein langfristig effizientes Marktdesign aussehen, wo- bei ich von Ihnen nicht erwarte, dass Sie es schon in allen Einzelheiten parat haben?
maurer Ich habe es auch nicht. Wir schlagen die Strategische Reserve ja gerade aus dem Grund vor, weil die Bausteine, die wir bis heute haben, unseres Erach
tens noch nicht ausreichen, um daraus ein Konzept für ein langfristig gültiges, zukunftsfähiges Marktdesign zusammensetzen zu können. Es macht auch wenig Sinn, jetzt ein langfristiges Marktdesign zu beschlie
ßen und im nächsten Jahr die Grundsatzfrage zu klä
ren, wie die Förderung der Erneuerbaren künftig aus
sehen soll. Wir müssen diese beiden Fragen gemeinsam lösen. Wir müssen darüber hinaus auch einige ener
giepolitische Grundsatzentscheidungen treffen. Die Diskussion, die wir hier auf unserer nationalen Insel führen, hat eine europäische Komponente, die auch diskutiert werden muss.
Vom Energiewirtschaftlichen Institut an der Uni- versität zu Köln stammt ein Vorschlag, der über 2020 hinausreicht.
growitscH Wir haben einen Vorschlag gemacht, der sogar erst mit dem Jahr 2020 beginnt, nämlich Ver
sorgungssicherheitsmärkte zu schaffen. Unser Vor
schlag befasst sich gegenwärtig nur mit dem Strom
markt. Er beinhaltet noch nicht die künftige Ausgestaltung der EEFörderung, die Interrelation zwischen beiden Märkten sowie die Verknüpfung mit dem Zertifikatehandel. Und er muss, damit er zu ei
nem umfassenden Konzept wird, auch um eine euro
päische Komponente erweitert werden.
kurz erkLärt
Die einheitliche Preiszone in Deutschland und Österreich ist eine große Errungenschaft für den Endverbraucher. Durch die große Aus- dehnung und den klaren Wettbewerb ist der Markt für die Unterneh- men sehr attraktiv. Seit der Liberalisierung hat sich die Liquidität kontinuierlich auf das heute höchste Niveau in Europa erhöht. Somit gilt für das Marktgebiet mit dem höchsten Stromverbrauch in Euro- pa ein einheitlicher Börsenpreis, der als Referenzpreis für ganz Kon- tinentaleuropa gilt.
Eine Aufteilung der einheitlichen Preiszone in Deutschland und Österreich könnte zu unterschiedlichen regionalen Preissignalen füh- ren, die bestehenden Standorte von Erzeugung und Verbrauch wür- den sich aber kurz- und mittelfristig nicht verändern. Zubau aus er- neuerbaren Energien genießt einen preis- und ortsunabhängigen Einspeisevorrang. Redispatchmaßnahmen werden auch bei einer Auf- spaltung der Preiszone erforderlich bleiben. Eine Aufteilung des Marktgebietes senkt lediglich den Druck der Verpflichtung für ÜNB, das vorhandene Netz unter Anwendung effizienter Engpassmanage- mentverfahren zu betreiben. Entsprechend werden auch Anreize zum bedarfs- und zeitgerechten Netzausbau reduziert. Dann ist eine Ent-
wicklung mit einer immer weitergehenden Aufteilung von Preiszonen zu befürchten. Eine Aufteilung der Preiszone würde die erfolgreiche Integration der Strommärkte und das marktbasierte Design zurück- entwickeln und zu einer Vielzahl von verschiedenen Großhandels- preisen für die Ware Strom führen. Beispiele wie Skandinavien zeigen, dass die Attraktivität der Märkte massiv unter einer Zersplitterung leidet. Die volkswirtschaftlichen Vorteile einer liquiden, einheitlichen Preiszone sprechen daher klar für deren Erhalt.
Die Strategische Reserve sind Kraftwerke, die für einen be- stimmten Zeitraum verpflichtet werden, sich betriebs- und anfahr- bereit zu halten. Bei einer kurzfristig absehbaren Knappheit wer - den sie als zusätzliche Kapazitäten eingesetzt. In der Regel handelt es sich um Bestandskraftwerke, die sonst wegen der Preissituation dau- erhaft abgeschaltet worden wären. Deshalb darf die Erzeugung aus Kraftwerken der Strategischen Reserve aus praktikablen Gründen in der Regel von einem Übertragungsnetzbetreiber und nur in Knapp- heitssituationen vermarktet werden, um den normalen Elektrizi- tätsmarkt nicht zu stören.
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Für die Entwicklung dieses Konzepts haben wir nicht mehr allzu viel Zeit. In einigen europäischen Nachbar
ländern werden schon Änderungen im Marktdesign angeschoben. Deshalb müssen wir bald zu klaren Vor
stellungen über das künftige Marktdesign kommen, damit wir es rechtzeitig mit den Nachbarländern, ins
besondere in Zentralwesteuropa, abstimmen können.
maurer Da stimme ich Ihnen voll zu. Es darf nicht sein, dass wir in Frankreich einen bestimmten Mecha
nismus haben, in Belgien einen anderen, in Großbri
tannien noch einen anderen. Dann haben wir in der Tat das Problem, dass wir selbst in dem relativ stark integrierten westeuropäischen Markt ein buntes Durcheinander der Mechanismen haben mit kaum ab
sehbaren Wechselwirkungen.
Im Kern scheint die EU-Kommission die Meinung zu vertreten, nationale Kapazitätsmechanismen seien nicht notwendig, wenn es einen wirklichen europäischen Energiebinnenmarkt gäbe.
growitscH Ich bin nicht so optimistisch wie Kommissar Oettinger. In einem größeren Markt könn
te man sicherlich den Bedarf an gesicherter Kraft
werksleistung im Verhältnis zur Spitzenlast reduzie
ren. Aber bei einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung wird man immer ei
nen gewissen Umfang an Kapazitätsreserve benötigen.
maurer Ich bin da ein wenig optimistischer, ohne jetzt gleich zu sagen, ein europäischer Markt löst das Problem. Wenn man allerdings nur national über gesi
cherte Leistung nachdenkt, wird es ohne Kapazitäts
mechanismen nicht gehen. Bei einer Behandlung von Versorgungssicherheitsfragen im Kontext des europä
ischen Binnenmarktes hängt die Notwendigkeit von Kapazitätsmechanismen unter anderem davon ab, in
wieweit die Politik bereit ist, die Frage der notwendi
gen Erzeugungsleistung an die Märkte zu delegieren.
» die frage der markt- macHt ist einer
der ganz kritiscHen Punkte. desHaLb
muss man sicH da-
vor Hüten, die re-
gionaLisierung zu
übertreiben.«
strEitfragEn 04|2012 die zukunft des energiemarktes 12
» icH seHe Luft im system, um aLLe zu entLasten.«
Die Energiebranche beklagt wachsende staatliche Eingriffe und plädiert für mehr Markt
wirtschaft. Jochen Homann, als Chef der Bundesnetzagentur Deutschlands oberster Regulie
rer, stellt sich der Diskussion.
Herr Homann, die Politik hat sich einst vorgenommen, den Energiemarkt zu liberalisieren. Jetzt sieht es aus, als werde das Rad zurückgedreht. Ein Stein des Anstoßes ist die Novel- le des Energiewirtschaftsgesetzes. Das EnWG ermöglicht un- ter anderem ein Stilllegungsverbot für wichtige Kraftwerke.
Sind wir auf dem Rückweg zur staatlich gesteuerten Energie- versorgung?
JocHen Homann Nein, das sehe ich nicht so. Wir haben schließlich in Süddeutschland ein spezifisches regionales Pro
blem bei der Versorgungssicherheit. Ich halte es für richtig, dass wir im Extremfall die Anweisung geben können, dort ein system
relevantes Kraftwerk weiterlaufen zu lassen. Das ist eine besonde
re Maßnahme in einer besonderen Situation, die Regelung gilt befristet und wird zwischendurch überprüft. Es gibt niemanden in der Bundesnetzagentur, der das Stilllegungsverbot anwenden möchte. Im Gegenteil: Wir hoffen, dass wir dieses Instrument nicht brauchen!
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Der BDEW hat einen Vorschlag formuliert, um die Versor- gungssicherheit durch ein mehr marktwirtschaftlich aus- gerichtetes Verfahren zu gewährleisten. Im Rahmen der so- genannten „Strategischen Reserve“ sollen Auktionen dafür sorgen, dass die notwendigen Kapazitäten marktorientiert angeboten werden. Welche Chancen geben Sie diesem Vor- schlag noch?
Homann Ich hoffe, dass die strategische Reserve nicht kommt, weil ich sie für falsch halte. Wir haben – wie gesagt – ein regional begrenztes Problem in Süddeutschland, das müssen wir regional lösen. Ursache sind die derzeit noch fehlenden Netzver
bindungen. Hier muss vor allem angesetzt werden. Insbesondere die sogenannte Thüringer Strombrücke sollte fertig gestellt sein, wenn Ende 2015 das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld vom Netz ge
nommen wird. Im gesamtdeutschen Zusammenhang haben wir noch für eine Reihe von Jahren ausreichende Kraftwerkskapazitä
ten. Wer eine strategische Reserve einführen will, schießt mit Ka
nonen auf Spatzen.
Immerhin kämen wir bei der Versteigerung von Kapazitäten ohne staatlichen Eingriff aus.
Homann Ich sehe gar nicht, was an der strategischen Reserve so marktwirtschaftlich sein soll. Zuallererst wäre doch eine staat
liche Institution wie die Bundesnetzagentur gefordert, die zu ver
steigernden Kapazitäten zu ermitteln, festzulegen und einen ent
sprechenden Prozess aufzusetzen.
Auch an anderer Stelle ist eindeutig zu sehen, wie Marktme- chanismen ausgehebelt werden: Die erneuerbaren Energien liefern immer mehr Strom, für den es eine garantierte statt eine am Markt gebildete Vergütung gibt. Wie lange passt das noch zum grundsätzlichen Ziel, Energie über den Markt bereit- zustellen? Wann müssen wir substanziell etwas verändern?
Homann Wir stehen hier tatsächlich an einer Weggabelung.
Die erneuerbaren Energien haben aktuell einen Anteil an der Stromerzeugung von 25 Prozent erreicht. Wir müssen uns jetzt ernsthaft Gedanken machen, wie wir den Markt in Zukunft orga
nisieren. Wir haben meines Erachtens noch etwa drei Jahre Zeit, dann sollte ein Konzept für den Strommarkt der Zukunft stehen.
Diese Zeit sollten wir uns allerdings nehmen, um ein wirklich durchdachtes Konzept zu entwickeln.
Was müsste ein neues Marktdesign aus Ihrer Sicht leisten?
Homann Die Bundesnetzagentur hat Kriterien formuliert, die erfüllt sein müssen: So müssen die regionalen Faktoren, zum Bei
spiel die Abschaltung der Kernkraftwerke in Süddeutschland, be
rücksichtigt werden. Das Konzept muss zum Beispiel die verschie
denen Speicheroptionen und das Nachfragemanagement einbinden sowie die erneuerbaren Energien integrieren. Ebenso muss es den vorhandenen und den neu zu bauenden Kraftwerken gerecht wer
den. Ein solches Gesamtpaket bekommt man nicht innerhalb von ein paar Wochen hin. Bis zum Sommer soll ja ein ordnungspoliti
scher Rahmen formuliert werden. Das hat die Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder vereinbart. Dies verspricht eine spannende Diskussion.
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Rechnen Sie mit einem großen Wurf?
Homann Ich erwarte zumindest keinen Big Bang, schließlich wird die Erneuerung des Marktdesigns ein iterativer Prozess sein.
Wir werden uns schrittweise bewegen, aber wir müssen eine Ziel
vorstellung haben und uns in einem marktwirtschaftlichen Ord
nungsrahmen bewegen. Dies beginnt damit, zunächst die Proble
me richtig zu beschreiben.
Sehen Sie die Chance, dass vor der Bundestagswahl wenigs- tens eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ge- lingt?
Homann Bei realistischer Betrachtung ist die notwendige gründliche Reform unwahrscheinlich. Trotzdem sind an der ei
nen oder anderen Stelle rasche Veränderungen möglich. Die De
ckelung des Ausbaus der Photovoltaik auf 52 Gigawatt ist eine sol
che Maßnahme, weitere sind denkbar.
Welche Maßnahmen könnten das sein?
Homann Zum Beispiel könnte man nochmals darüber nach
denken, ob nicht die Entschädigung für nicht abgenommenen Solar und Windstrom abgesenkt werden könnte, um auf diese Weise zugleich einen Anreiz zu setzen, Windräder und PVAnla
gen dort zu installieren, wo es einen Netzanschluss gibt und wo der Strom gebraucht wird.
Aus der Sicht vieler Bürger führt die Energiewende in erster Linie zu höheren Strompreisen. Mehrere hundert Stromver- sorger wollen die Preise anheben, einige schlagen zweistelli- ge Prozentsätze auf. Jetzt tobt die Debatte über die Ursachen.
Verstehen Sie die Diskussion?
Homann Die Energiewende ist sicherlich nicht der einzige Grund für steigende Strompreise. Aber es war immer klar, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien nicht zum Nulltarif zu ha
ben ist. Bedauerlich finde ich, dass sich jetzt eine Verteilungsdis
kussion entwickelt. Es wird darüber gestritten, wer die Kosten tragen soll, statt sich darum zu kümmern, wie die Belastung ins
gesamt minimiert werden kann. Ich sehe noch genügend Luft im System, um alle zu entlasten.
Wo gibt es Spielräume für Entlastungen und Kostensenkung?
Homann Aktuell wird diskutiert, wie weit man den energiein
tensiven Industrien bei der EEGUmlage entgegenkommt. Die Bun
desregierung hat angekündigt, da noch mal genau hinzuschauen.
Das dürfte aber in Euro und Cent nicht viel bringen und hier muss auch aufgepasst werden, dass die richtige Grundidee – Entlastung der im internationalen Wettbewerb stehenden energieintensiven Industrien – nicht unter die Räder gerät. Darüber hinaus werden wir über die vermiedenen Netzentgelte reden müssen …
… die anfallen, wenn Strom dezentral und verbrauchsnah er- zeugt wird …
Homann … und wir können bei der Paragraf19Umlage die Kriterien schärfer fassen, nach denen Teilrabatte gewährt werden.
Mit dieser Umlage finanziert der Letztverbraucher die teilweise oder völlige Befreiung energieintensiver Unternehmen von Netzentgelten. Sie sehen, es gibt eine Reihe von Stellschrauben.
Stichwort Netzengelte – die steigen unter anderem durch die Kosten für neue Leitungen. Nun sagen manche: „Die Energie- wende stärkt die dezentrale Erzeugung, daher muss auch der Netzausbau dezentral erfolgen. Also brauchen wir viele der geplanten neuen Fernleitungen gar nicht.“ Wie sehen Sie das?
Homann Das halte ich für einen Riesenirrtum. Auch wenn wir die Energie dezentral erzeugen und einsammeln, müssen wir sie trotzdem transportieren. Es ist ja nicht so, dass der Strom vor Ort direkt verbraucht wird und man nie Überschüsse abtransportie
ren oder einen lokalen Mangel ausgleichen muss. Im momentanen Design heißt Dezentralität ganz klar mehr Netzausbau, nicht etwa weniger.
Wenn wir mehr Leitungen brauchen, stellt sich die Frage der Akzeptanz. Was halten Sie von dem Vorschlag, Bürger finan- ziell an den Netzen zu beteiligen und damit auch an neuen Stromtrassen in ihrer Nachbarschaft?
Homann Die Grundidee dieser Bürgerbeteiligung finde ich prima. Auf der Erzeugungsseite gibt es die Möglichkeit schon, denken Sie an die Bürgerwindparks. Bei Netzen geht das bisher nicht so einfach. Ich bezweifle lediglich, dass der Staat den an die Bürger zu verkaufenden Anteil festsetzen muss. Es findet sich be
stimmt ein Weg, das stärker wettbewerblich zu organisieren.
JocHen Homann
ist seit März 2012 Präsident der Bundesnetz- agentur in Bonn. Davor arbeitete er vier Jahre lang als beamteter Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Zwischen 1991 und 2001 leitete Homann im Bundes- kanzleramt das Grundsatzreferat für Wirt- schafts- und Finanzpolitik.
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ProbLemfaLL reguLierer
Von den Auflagen des Regulierers für die Ferngasnetzbetreiber spricht außerhalb der Branche – im Gegensatz zum Stromnetz – kaum jemand. Dabei müssen die Gastrans
porteure schon mit Beginn der nächsten Regulierungsperiode ab 2013 mit neuen, erheb
lich schärferen Eingriffen zurechtkommen.
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Welche Erfahrungen haben Sie mit der ersten Regulierungsperiode gemacht?
dr. Jörg bergmann Die erste Regulierungspe
riode hat den Markt weiter geöffnet. Wir sind mit über zehn Marktgebieten gestartet, heute haben wir nur noch zwei Marktgebiete. Das – wie auch das mit der Einführung des Regelenergiemarktes verbundene Bilanzierungsregime – hat eine sehr starke Vereinfa
chung des Netzzugangs für den Kunden gebracht. Für uns als Transportunternehmen hat dagegen die Kom
plexität stetig zugenommen, was tendenziell kosten
steigernd wirkt.
Was bedeutet die Reduzierung der Marktgebiete für diese Kunden?
bergmann Wenn Sie mehrere Marktgebiete zu einem Marktgebiet zusammenlegen, ist es für den Kunden einfacher, weil er nur noch an einer Stelle sei
nen Transport buchen muss und damit jede Abnahme
stelle in dem Marktgebiet erreichen kann. Zugleich sinken aber tendenziell die Kapazitäten.
Das müssen Sie näher erläutern.
bergmann Stellen Sie sich ein Kino mit drei Ki
nosälen mit jeweils 50 Plätzen vor. Wenn Sie dieses Kino als eine Einheit sehen und Sie verkaufen eine Kar
te, ohne dass sich der Kunde zugleich auf einen der drei Säle festlegt, können Sie insgesamt eigentlich nur 50 Karten verkaufen. Denn Sie wissen ja nicht, welchen Film der Kunde sehen will. Wenn Sie dagegen jeder Karte zugleich einen bestimmten Film zuweisen, kön
nen Sie 150 Karten verkaufen. So ähnlich ist es auch im Gastransportgeschäft.
Und wie haben Sie nun das „Kinoproblem“ gelöst?
bergmann Zum einen über statistische Verfah
ren, zum anderen, indem Transportkunden Lastfluss
zusagen geben und damit gegen eine Vergütung auf einen Teil ihrer Flexibilität verzichten.
Wäre eine weitere Zusammenlegung zu einem Marktgebiet dennoch sinnvoll?
bergmann Wenn man die beiden jetzt noch exis
tierenden Marktgebiete zusammenlegen wollte bei Aufrechterhaltung von frei zuordenbaren Kapazitä
ten, würde das zu einem erheblichen Investitionsbe
darf führen. Eine KostenNutzenAnalyse hat ergeben, dass es derzeit keinen Sinn macht, die Gebiete zusam
menzulegen. Hierüber gibt es gegenwärtig eine Kon
sultation der Bundesnetzagentur (BNetzA).
Mit der zweiten Regulierungsperiode, die in we- nigen Wochen beginnt, wird der Kostendruck auf Sie noch einmal steigen, die Erlösobergrenze wird noch einmal sinken.
bergmann Wie hoch die Erlösobergrenze sein wird, wissen wir noch nicht. Was wir bisher haben, ist das Ergebnis der Kostenprüfung. Wie Sie sich vorstel
len können, kommt man aus einer solchen Prüfung nicht ungeschoren heraus. Es gibt immer Kürzungen, mit denen man zurechtkommen muss.
Mit dem Ergebnis der Kostenprüfung müsste doch aber auch die Erlösobergrenze relativ konkret festliegen.
bergmann Es findet auf der Basis der Kostenprü
fung aller Fernleitungsnetzbetreiber zusätzlich ein Effi
zienzvergleich statt. Dieses Verfahren befindet sich der
zeit in der Konsultation. Aber schon die vorläufigen Ergebnisse dieses Benchmarks finden wir bedenklich.
In der ersten Regulierungsperiode gab es eine durch
schnittliche Effizienz aller Fernleitungsnetzbetreiber von 99 Prozent. Heute wird eine Effizienz von etwa 90 Prozent diskutiert. Das ist aus mehreren Gründen kri
tisch: Kann ein Vergleich von 14 sehr unterschiedlichen Netzbetreibern überhaupt zu vernünftigen Ergebnissen führen? Das ist keine statistisch relevante Masse. Die Unternehmen haben zudem unbestreitbar in der ersten Regulierungsperiode Kosten abgebaut. Wie kann dann die Effizienz deutlich sinken?
dr. Jörg bergmann
ist Geschäftsführer der Open Grid Europe GmbH, dem größten Ferngasnetzbetreiber in Deutschland.
strEitfragEn 04|2012 die zukunft des energiemarktes 18
- - , - «
Gehen wir mal davon aus, dass die BNetzA an den Vorgaben festhält. Was bedeutet das für Sie?
bergmann 90 Prozent Effizienz hieße, dass man zusätzlich zum allgemeinen Produktivitätssteige
rungsfaktor von 1,5 Prozent p.a. zehn Prozent seiner Gesamtkosten innerhalb von fünf Jahren abbauen müsste. Dies würde 20 bis 25 Prozent der kurz und mittelfristig beeinflussbaren Kosten, also Personal
und Sachkosten, entsprechen. Das würde sicherlich die Qualität und Versorgungssicherheit gefährden.
Wird das Auswirkungen auf Ihre Investitions- fähigkeit haben?
bergmann Damit wäre ein Eingriff in das Be
standsgeschäft verbunden, was die Investitionsfähig
keit der Fernleitungsnetzbetreiber beschränken wür
de, weil die finanziellen Rückflüsse aus dem Bestandsgeschäft fehlen würden. Insbesondere mit Blick auf die Energiewende sehe ich das sehr kritisch.
Früher hatten wir als Netzbetreiber die Verantwortung für die Investitionen, heute nimmt der Staat über die Bundesnetzagentur Einfluss darauf.
Und der ist, siehe Energiewende, manchmal sehr sprunghaft, oder?
bergmann Die grundsätzlichen Voraussetzun
gen für Investitionen sind ein verlässlicher, transpa
renter und langfristig prognostizierbarer Regulie
rungsrahmen. Verzinsung und Risiko müssen bei Investitionen in einem vernünftigen Verhältnis zuein
ander stehen. Die Kapitalverzinsung ist im regulierten System limitiert. Dann müsste auch das Risiko limi
tiert sein. Das größte Risiko für einen Netzbetreiber ist aber gegenwärtig der Regulierer.
Denkt der Regulierer für Sie in zu kurzen Fristen?
bergmann Jeder, der im Rahmen des Netzent
wicklungsplans investieren soll mit den langen Amor
tisationszeiten von bis zu 55 Jahren bei Leitungen, wird das nur tun, wenn er sicher sein kann, sich in ei
nem stabilen, verlässlichen Rahmen zu bewegen.
Dann sind aber Regulierungsperioden von fünf Jahren doch zu kurz. Was passiert nach 2017, wenn die zweite Periode ausläuft?
bergmann Wir wissen heute nicht, in welchem Rahmen die nächste Regulierungsperiode stattfinden wird. Das Konzept ist noch nicht festgelegt. Das heuti
ge Instrument: Kostenprüfung und Effizienzvergleich ist als Instrument irgendwann erschöpft.
Bis 2018 ist aber noch lange hin.
bergmann Die Diskussionen müssen bald begin
nen, damit man bis 2015 ein Konzept hat, das nur noch in Details konkretisiert werden muss. Zwei Jahre Vor
lauf bis zur Umsetzung benötigt man auf jeden Fall.
»f rü H er H a tten wir a Ls n etzbe treiber die v er antw or tung für die investitionen H eute nimmt der s taa t über die b undesnetz a gentur einf Luss d ar a uf .
rettet die
wende
regine güntHer
leitet den Bereich Klima und Energie- politik beim WWF.
HiLdegard müLLer
ist Hauptgeschäftsführerin des BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft.
strEitfragEn 04|2012 fokus energiewende 20
Die Energiewende ist für Politik, Wirtschaft und Zi
vilgesellschaft eine immense Herausforderung und großartige Chance zugleich. Sie bedeutet weit mehr als nur den Ausstieg aus der Kernenergie. Die Energie
wende ist die Nagelprobe für die Zukunfts und Wand
lungsfähigkeit einer westlichen Industrienation. Sie
ist der Testfall, ob in einem relativ kurzen Zeithorizont die materiellen Grundlagen des Wirtschaftens und des Wohlstandes vollkommen verändert werden können, wenn das „alte“ Entwicklungsmodell erkennbar zu scharfen Friktionen führen wird.
die aufbrucHstimmung ist in gefaHr
Die Energiewende ist auch mehr als nur ein giganti
sches technisches EnergieInfrastrukturprojekt. Sie ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, die in den kommenden Dekaden immer wieder neue soziale, ökologische und ökonomische Fragen aufwerfen wird.
Die Gesellschaft muss darauf kontinuierlich Antworten finden. Schon heute ist die Debatte deutlich weiter vo
rangeschritten als noch vor einem Jahr, die Probleme, aber auch die Handlungsoptionen sind viel detaillierter beschrieben. Erste Ansätze, die vielfältigen Diskussio
nen zu strukturieren, sind gemacht. In Ministerien und Verbänden wurden Plattformen und Foren etabliert,
01
frau güntHer, frau müLLer: mit iHrer initiative, ein „nationaLes forum energiewende“ einzu- ricHten, geHen sie eine vöLLig neue aLLianz ein. energiewirtscHaft und umweLtverbände Haben bisHer eHer unterscHiedLicHe Positionen beim tHema energieversorgung eingenommen. weLcHe gemeinsamen interessen verfoLgen sie mit iHrer initiative?
HiLdegard müLLer Wir haben das gleiche Ziel: das Gelin
gen der Energiewende. Wir sind uns einig, dass dieses Ausnahme
projekt nur im Schulterschluss erfolgreich zu bewältigen ist.
Dazu haben wir bereits viele Gespräche geführt; zum Teil sehr kontroverse, aber auch viele verbindende. Aber genau darum geht es. Nur wenn wir aus verschiedenen Blickwinkeln Probleme ge
meinsam diskutieren, werden wir praktikable Lösungen für eine intelligente und nachhaltige Energieversorgung finden, von de
nen am Ende Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft profitieren.
regine güntHer Mit der Energiewende ergibt sich eine neue Qualität von Herausforderungen und Chancen. Der Groß
konflikt Atomausstieg ist dauerhaft abgeräumt, der nun not
wendige Einstieg in ein Energiesystem auf Basis erneuerbarer Energien erfordert neue Ideen, konstruktives Handeln und vor allem konkrete Ergebnisse. Gerade weil es darum geht, die Energiewende zu einem dauerhaften gesellschaftlichen Projekt zu machen und die Gestaltung der Energiewende mit allen rele
vanten Akteuren voranzutreiben, können wir uns ein Verhar
ren in den alten Gräben nicht leisten. Auch wenn wir natürlich in einer Reihe von Punkten auch zukünftig unterschiedliche Interessen und Positionen vertreten werden, können und müs
sen gerade bisher ungewöhnliche Formen der Zusammen
arbeit das gesellschaftliche und politische Moment für den Erfolg der Energiewende verstärken.
Wie die neue Politik zu einem Erfolg werden kann: Ein Aufruf von WWF und Energiewirtschaft
›
in denen vor allem technische Themen auf der Tages
ordnung stehen. Doch letztlich bleiben diese Debatten fragmentiert. Die Energiewende läuft so Gefahr, zu ei
nem technokratischen Projekt zu werden, dem die posi
tive Resonanz in der Gesellschaft verloren geht. Es fehlt ein verbindendes Element.
Die Aufbruchstimmung, mit der vor einem Jahr alte Gräben überbrückt werden konnten, droht des
halb zu schwinden. Lagerdenken macht sich wieder breit: Bund und Länder streiten über einen gemeinsa
men Weg. Wirtschaft und Zivilgesellschaft reiben sich in Konflikten auf. Singuläre Probleme werden von der Öffentlichkeit als Existenzbedrohung für die gesam
te Energiewende wahrgenommen. Und nicht zuletzt wird im Ausland die Frage gestellt, ob die „German Energiewende“ ein industriepolitisches Zukunftspro
jekt ist oder eher ein waghalsiges Pokerspiel.
Diese Sorge muss die Ethikkommission „Siche
re Energieversorgung“ gehabt haben, als sie im Mai 2011 die umgehende Einrichtung eines Nationalen Fo
im ausLand wird die frage gesteLLt, ob die energiewende ein industriePoLitiscHes zukunftsProJekt ist oder ein wagHaLsiges PokersPieL.
rums Energiewende vorgeschlagen hat. Aus der Ener
giewende sollte ein nationales Gemeinschaftswerk werden. Es ist höchste Zeit, daran anzuknüpfen und die Fäden wieder zusammenzuführen.
gemeinscHaftswerk braucHt starkes mandat
Um solch ein Forum kraftvoll aufzustellen, braucht es ein starkes nationales Mandat mit einer echten Veran
kerung in Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Ein Nationales Forum Energiewende sollte deshalb durch einen Beschluss des Deutschen Bundes
tages auf den Weg gebracht werden. Sechs Felder soll
ten im Fokus stehen.
Der Kompass: Dem Monitoring der Bundesre
gierung kommt eine wichtige Aufgabe zu. Wir wollen ihn durch offene Diskussionen transparent beglei
ten. So kann die Energiewende auf Kurs bleiben, auch wenn es schwierig wird.
02
das gePLante „nationaLe forum energiewende“ kLingt äHnLicH komPLex und Herausfordernd wie die energiewende seLbst. aLLe wicHtigen akteure, interessierte und betroffene soLLen im forum zusammengebracHt werden. wie woLLen sie insbesondere der bevöLkerung die idee des forums näHerbringen und die bürger für die mitarbeit gewinnen?
HiLdegard müLLer Wir sollten die Bevölkerung nicht un
terschätzen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Bürger großes Interesse und Bereitschaft zeigen, sich mit der Energie
wende auseinanderzusetzen. Über das Forum wollen wir ihnen dazu die Möglichkeit geben. Wir wollen die Bürger umfassend und verständlich über die Energiewende informieren. Und wir wollen den intensiven Dialog mit ihnen fortsetzen und sie an der Umsetzung der Energiewende aktiv teilhaben lassen.
regine güntHer Eine breite Verankerung der Energie
wende in unserer komplexen Gesellschaft ist nun einmal eine komplexe Aufgabe. Gerade weil es um den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmen für riesige Investitionen geht, um Innovationstempo in bisher ungekannter Größenordnung und vielfältige Formen der Teilhabe. Als Umweltverband erle
ben wir hautnah, wie groß das Bedürfnis nach umfassender Beteiligung ist. Es geht um die Bündelung von Themen und die konzertierte Suche nach fairen Lösungen.
03
iHr konzePt Liegt auf dem tiscH. weLcHe konkreten scHritte foLgen Jetzt? wann kann und muss das forum – reaListiscH geseHen – an den start geHen und seine arbeit aufneHmen?
HiLdegard müLLer Unser Vorschlag liegt nun auf dem Tisch. Wir haben darin klargemacht, dass es eines starken, nationalen Mandats bedarf. Am besten ein Beschluss des Deutschen Bundestages. Ob und wie es weitergeht, liegt nun also in der Hand der Politik. Wir stehen auf jeden Fall für Gespräche zur Verfügung.
Wenn der Wille da ist, kann es ganz schnell gehen.
regine güntHer Wir wünschen uns, dass das Forum spätestens direkt nach der nächsten Bundes
tagswahl ins Leben gerufen wird – gerne aber auch frü
her. Wir müssen jetzt die Zeit für breite Diskussionen über die genaue Strukturierung und die verschiedenen Beteiligungsformen nutzen.
Die Plattform: Viele Akteure arbeiten an den Herausforderungen der Energiewende. Die Resultate müssen zusammengeführt und einem breiten Publikum zur Diskussion gestellt werden.
Das gemeinsame Werk: In Hunderten Städten wird an energiepolitischen Konzepten gearbeitet. Bund und Länder strei
ten, noch fehlt die Einbindung in die EU. Die Energiewende aber muss in einem gemeinsamen Haus gelingen und die Arbeiten daran müssen koordiniert werden. Oft fehlt es über die konkrete Tagespolitik hinaus an Raum für Diskussionen und Austausch. Im Forum kann er gefunden werden.
Der Wegweiser: Ohne breite Akzeptanz wird die Energie
wende nicht gelingen. Umweltverbände, Sachverständige und Bürgerinitiativen haben vielfach Lösungswege und optionen entwickelt. Nicht immer muss das Rad neu erfunden werden. Das Forum soll zusammenführen, um besser und schneller auch kon
krete Probleme vor Ort angehen zu können.
Die Kommunikation: Das Informationsbedürfnis zur Energiewende ist immens. Fortschritte und entstandene Proble
me müssen verständlich dargelegt werden. Das Nationale Forum Energiewende soll zum kompetenten Ansprechpartner werden.
Und nicht zuletzt, das Ausland: In vielen Ländern ist das Interesse an der Energiewende groß. Es gibt Zweifler und Neugie
rige. Es gibt jene, die ähnliche Wege suchen, und andere, die nega
tive Auswirkungen auf ihre Energiepolitik befürchten. Die Ener
giewende braucht auch auf der und für die internationale Ebene einen Ansprechpartner und eine Plattform.
gemeinsamer vorscHLag von wwf und bdew
Wirklicher Dialog und wirkliche Teilhabe sind die Mittel der Wahl. Dafür werden Ressourcen gebraucht, nötig ist aber auch das Engagement vieler. Das Forum muss getragen werden von einem Mandat des Deutschen Bundestages und von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und Initiativen. Als Bindeglied zur Forschung ist obendrein ein wissenschaftliches Kuratorium not
wendig. Das Forum braucht Personal und Sachmittel. Es bedarf der Unterstützung durch staatliche Stellen, aber auch durch Drit
te, zum Beispiel durch Stiftungen.
Mithilfe eines solchen Forums kann es gelingen, die Ener
giewende in der Gesellschaft zu verankern. Es wird helfen, aus interessengeleiteten Standpunkten gemeinschaftliche Impulse für eines der gegenwärtig herausragenden industriepolitischen Projekte Deutschlands zu machen. Das Forum als gemeinsamer Vorschlag von WWF und BDEW findet seine Begründung nicht nur in den Überlegungen der Ethikkommission Sichere Energie
versorgung. Unser Vorschlag baut auf vielen Gesprächen auf, die wir geführt haben. Soll das Forum realisiert werden, braucht es die Unterstützung aus der Politik. Je eher, desto besser.
Erschienen in „DIE ZEIT“ am 06.12.2012
das nationaLe forum ener-
giewende soLL zu einem
komPetenten ansPrecHPart-
ner werden.
gerd biLLen
ist Vorstand des Verbraucherzent- rale Bundesverbandes. Der Verband engagiert sich für Chancengleichheit zwischen Unternehmen und Verbrau- chern – auch bei der Energiewende.
dr. utz tiLLman
ist Hauptgeschäftsführer des Ver- bands der Chemischen Industrie e.V.
(VCI). Die Organisation vertritt die wirtschaftspolitischen Interessen von rund 1 650 Chemieunternehmen in Deutschland.
26
Ist es fair, dass der Verbraucher immer mehr für Strom be
zahlt, während einige Unternehmen mit hohem Energie
verbrauch finanziell entlastet werden? Die steigenden Ener
giepreise haben eine Debatte über Verteilungsgerechtigkeit ausgelöst. Ein Verbraucherschützer und ein Industrievertreter begründen ihre Positionen.
Herr Billen, Herr Dr. Tillmann, wie beurteilen Sie die aktuelle Verteilung der Kosten der Energiewende zwischen Verbrau- chern und Unternehmen? Bitten wir die richtigen Leute zur Kasse?
gerd biLLen Mit der Energiewende werden Nutzen und Kos
ten in Wirtschaft und Gesellschaft neu verteilt. Private Haushalte stehen insbesondere bei der Verteilung der Kosten unter Druck.
Da es sich jedoch um ein gesellschaftliches Projekt handelt, müs
sen auch die Kosten über die Gesellschaft fair verteilt werden – das ist vor allem eine Frage der Gerechtigkeit, um die Akzeptanz für die Energiewende nicht zu gefährden. Zurzeit können wir nicht erkennen, dass die Politik ernsthaft versucht, mehr Verteilungs
gerechtigkeit zu schaffen. Im Gegenteil zeigen Diskussionen um die OffshoreUmlage und das Festhalten an allen Ausnahmetatbe
ständen, dass private Verbraucher für die Industrie einspringen sollen.
dr. utz tiLLmann Was wir momentan erleben, ist das Re
sultat einer Energiepolitik, die falsche finanzielle Anreize für die Förderung erneuerbarer Energien gesetzt hat und dadurch inzwi
schen alle Stromverbraucher – Privathaushalte wie Unternehmen – viel zu viel Geld kostet. Dieser Systemfehler heizt die Vertei
lungsdebatte an. Wir sind für den Ausbau erneuerbarer Energien,
aber die Energiewende muss kosteneffizient gemanagt werden.
Ohne grundlegende Reform der EEGFörderung werden wir keine Lösung finden. Die energieintensiven Unternehmen mit ihren in
novativen Produkten und Lösungen sind für das gesamte Indust
rienetzwerk unerlässlich und müssen daher entlastet werden. Da
von hängen hunderttausende Arbeitsplätze und enorme Steuereinnahmen für den Staat ab.
Herr Billen, die weitgehende Befreiung mancher Unterneh- men von der EEG-Umlage soll die internationale Wettbe- werbsfähigkeit der energieintensiven Industrie in Deutsch- land erhalten. Es geht also um Arbeitsplätze in Deutschland.
Ist es nicht legitim, dass bestimmte Unternehmen von der EEG-Umlage befreit werden?
biLLen Von der EEGUmlage oder den Netzentgelten sind eine Vielzahl von Unternehmen in unterschiedlicher Höhe befreit. Mit steigenden Kosten hat es einen regelrechten Wildwuchs an Befrei
ungen und Ausnahmen gegeben, immer mit dem Ziel, die inter
nationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Wir fordern in die
sem Zusammenhang eine Beweislast bei den Unternehmen: Über die Handelsintensität sollte nachgewiesen werden, wie sehr der
» energieintensive unterneHmen braucHen entLastung.«
» inDustriEpolitik ist sachE
DEs staats, nicht DEr stromvEr- BrauchEr.«
›
Betrieb von steigenden Strompreisen betroffen ist. Grundsätzlich ist Industrieförderung aber keine Angelegenheit der Stromver
braucher, sondern des Staates. Die Tatsache, dass ein Unterneh
men viel Strom verbraucht oder dafür mehr zahlen muss als in anderen Ländern, ist kein Grund, dass per EEGUmlage oder durch andere Befreiungen Industriepolitik durch die Verbraucher gefördert wird. Wenn es sich um wichtige Branchen handelt, soll
ten diese Ausgaben aus dem Steueraufkommen bezahlt werden.
Herr Dr. Tillmann, wie viele Chemieunternehmen sind ei- gentlich von der EEG-Umlage befreit? Sind es genug? Sind es die richtigen?
tiLLmann Von der EEGHärtefallregelung profitiert nur ein kleiner Anteil der Unternehmen in der chemischen Industrie, etwa 60 Firmen an 90 Standorten – von über 2 000 Firmen. Man muss ganz klar sagen: Für diese Unternehmen sind die EEGEnt
lastungen notwendig. Ihr Wegfall würde das Aus für energieinten
sive Produktion in Deutschland bedeuten. Wertschöpfungsketten würden auseinanderbrechen mit unabsehbaren Konsequenzen auch für nicht entlastete Unternehmen sowie für den Forschungs
standort Deutschland. In der chemischen Industrie zahlt der weit
aus größte Teil der Unternehmen EEGUmlage – und zwar in er
heblicher Höhe. Unsere Branche hat 2012 alleine durch das EEG Zusatzkosten von 550 Millionen Euro zu schultern, 2013 werden es sogar 800 Millionen sein. Ein großer Teil davon trifft den Mittel
stand.
Herr Dr. Tillmann, langfristig sollen die Erneuerbaren die Preise an der Strombörse senken – davon wird die energie- intensive Industrie profitieren. Wie lange sind Ausnahmere- gelungen für Energie-Großverbraucher noch sinnvoll?
tiLLmann Die erneuerbaren Energien wirken zunächst ein
mal in der Tat mindernd auf den Börsenpreis. Das erhöht aber gleichzeitig, systembedingt, die EEGUmlage, da diese immer die Differenz zwischen der Einspeisevergütung und dem Marktpreis für Strom darstellt. Gegenwärtig profitieren unsere Unternehmen vom stark schwankenden Spotmarkt nur in geringem Umfang, da sie den größten Teil ihres Strombedarfs aus Gründen der Versor
gungssicherheit über langfristige Verträge decken müssen. Die sinkenden Börsenpreise haben nur einen geringen Einfluss auf solche Verträge und gleichen die heute bereits aufgelaufene EEG
Umlage von 53 Euro je Megawattstunde bei weitem nicht aus. Die
EEGUmlage ist heute schon höher als die Strompreise in den meisten anderen Ländern dieser Welt. Deshalb werden energiein
tensive Unternehmen auch auf lange Sicht nicht ohne Umlagebe
freiung auskommen.
Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diskutieren über ein neues Marktdesign. Sind Sie Teil dieser Diskussion? Was er- warten Sie von der Politik?
biLLen Verbraucherverbände versuchen sich, wo es geht, in die Diskussion um ein neues Marktdesign und Energiesystem einzu
bringen. Wir sind Teil der Arbeitsgruppen in den Ministerien und versuchen, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Dabei liegt der Fokus unserer Arbeit darauf, eine kosteneffiziente Umgestaltung des Energiesystems voranzutreiben und die Interessen der Betrei
ber von Kleinstanlagen in die Diskussion mit einzubringen. Im Gegensatz zu anderen Interessenvertretern sind unsere Ressour
cen allerdings sehr begrenzt. Aus unserer Sicht müssen Belastun
gen für Verbraucher gedeckelt werden, zum Beispiel indem mehr auf die Effizienz der Energiewende Wert gelegt wird, die Ausnah
metatbestände beendet und Bund und Länder an der Finanzie
rung der Kosten beteiligt werden. Die Reform sollte jedoch nicht übers Knie gebrochen werden. Ein Quotenmodell beispielsweise halten wir für wenig zielführend, da es zu viele Mitnahmeeffekte kreiert und im Endeffekt sogar mehr Kosten als Nutzen bringt.
tiLLmann Keines der derzeit diskutierten Modelle löst die Ge
samtheit unserer Probleme, die aus den Systemfehlern und der heute schon aufgelaufenen EEGUmlage resultieren. Daher müs
sen wir über die Kombination von Modellen nachdenken. Markt
design ist dabei ein wichtiges Stichwort. Denn es muss uns darum gehen, die erneuerbaren Energien so schnell wie möglich an den Markt heranzuführen. Wenn Solar und Co. sich im Wettbewerb beweisen müssten, wäre das auch eine gute Basis dafür, dass sie in Zukunft effizienter werden. An den dafür notwendigen Innovatio
nen arbeiten wir als Chemie intensiv mit. Was eine Gesamtlösung angeht, ist aber der Gesetzgeber gefragt. Wir können hier nur an alle Parteien appellieren, die Energiewende nicht als Wahlkampf
thema zu nutzen. Dazu steht für das Industrieland Deutschland zu viel auf dem Spiel.
strEitfragEn 04|2012 fokus energiewende 28
„Dezentral oder zentral“ – was in der öffentlichen Diskussion oftmals auch gleichbedeutend war mit
„Stadtwerke oder große Energieversorger“ – wie sehen Sie diese Debatte? Ist sie noch zeitgemäß?
susanne trePtow In der Vergangenheit wurde diese Diskussion geführt. Heute müssen wir feststel
len, dass der Ausbau dezentraler Erzeugung, das Ab
schalten der Atomkraftwerke sowie die Rückführung der Strom und Gasnetze in kommunale Hände die Stadtwerke stärken.
Die Debatte ist deshalb nicht mehr zeitgemäß, denn die künftigen Herausforderungen sind enorm und fordern die Kraft aller Akteure im Energiemarkt.
Gemeinsam müssen Stadtwerke, Energiekonzerne und Politik an einem Strang ziehen, um die Men
schen für die HerkulesAufgabe „Energiewende“ zu begeistern. Gegenseitige Schuldzuweisungen, so wie derzeit Bundesumweltminister Peter Altmaier agiert, um auch von den eigentlichen Problemen abzulenken, sind nicht zielführend. Ich würde mir wünschen, dass wir sachlicher diskutieren, überlegter agieren und die Auswirkungen bewerten, bevor Maßnahmen umge
setzt werden. Für Deutschland steht zu viel auf dem Spiel.
Nach den Ergebnissen der diesjährigen Stadtwer- ke-Studie des BDEW wollen sich viele Stadtwerke auch künftig im Bereich Erzeugung engagieren – der Schwerpunkt liegt aber hier eindeutig auf der dezentralen Erzeugung. Ihr Unternehmen hat sich jedoch über die TOBI auch an einem großen Kraft- werksprojekt in Bremen beteiligt, was 2013 in Betrieb gehen soll – was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
trePtow TOBI ist ein StadtwerkeZusammen
schluss mit dem strategischen Ziel, in die Wertschöp
fungskette Erzeugung einzusteigen, um Strom und Wärme selbst zu produzieren und die Unabhängigkeit von BörsenSpekulanten und den Großkonzernen zu erhöhen. Dazu wurde im Kreis der TOBIGesellschaf
ter eine differenzierte ErzeugungsPortfolioStrategie je nach Größe des Unternehmens oder seiner Absatz
strategie festgelegt.
Der Einstieg der TOBI war 2009 der Kauf von 20 MW OnshoreWindenergieleistung. Mittlerweile ha
ben wir 30 MW überschritten und planen bis 2016, das WindkraftPortfolio auf 70 MW zu erhöhen.
Kommunale Versorgungsunternehmen setzen zunehmend auf eigene Erzeugung von Strom und Wärme. Mit selbst produzierter Energie aus umweltfreundlichen Anlagen gewinnen sie nicht nur Unabhängigkeit, meint Susanne Treptow, Geschäftsführerin des StadtwerkeZusammen
schlusses TOBI.
» stadtwerke Profi- tieren von der
energiewende.«
›
strEitfragEn 04|2012 fokus energiewende 30
susanne trePtow
ist Geschäftsführerin der TOBI Windenergie, der TOBI Gaskraftwerksbeteiligungs und der GWS Stadtwerke Hameln GmbH. Bei TOBI steht sie einer Kooperation von mehreren Stadt- werken im Erzeugungsbereich vor.
Die Kompensation zur Windenergie sind hocheffizien
te flexible Gaskraftwerke, die bei Windflauten schnell die sichere Stromversorgung gewährleisten. Vor die
sem Hintergrund erfolgte der Einstieg der TOBI in das Gaskraftwerksprojekt in Bremen. Zusätzlich waren die Einsparung von klimaschädlichem Kohlendioxid und Vermeidung von radioaktivem Atommüll aus Kern
kraftwerken weitere Argumente für diese Investition.
Darüber hinaus hat jedes TOBIStadtwerk eigene Projekte wie beispielsweise KraftWärmeKopplung
Projekte vor Ort, um immer mehr Energie dezentral vor Ort zu erzeugen. Die StadtwerkeMitarbeiter ken
nen sich aus und können über kurze Wege zu bekann
ten Gesichtern Maßnahmen einleiten und umsetzen.
Das schafft Vertrauen, fördert die Wertschöpfung vor Ort und wirkt sich positiv auf regional agierende Stadtwerke aus.
In der öffentlichen Diskussion häufen sich aber die Klagen von Kraftwerksbetreibern, dass neue Gaskraftwerke nicht rentabel zu realisieren sind.
Welche kaufmännische Logik steht hinter dem Neubau in Bremen, wie rentabel kann das Kraft- werk voraussichtlich arbeiten?
trePtow Nicht nur neue Gaskraftwerke, sondern auch ältere Gaskraftwerke sind zurzeit nicht rentabel.
Der deutsche Kraftwerkspark ist veraltet, die Atom
kraftwerke gehen vom Netz und flexible Gaskraftwer
ke sind die ideale Ergänzung zur Erreichung der ehr
geizigen Ziele beim Ausbau der erneuerbaren Energien.
Eine kaufmännische Logik steckt nicht dahinter, sondern die Zielsetzung, dass wir für eine nachhaltige, zuverlässige Energieversorgung einstehen. In der Ver
gangenheit rechneten sich Gaskraftwerke bei teuren Leistungsspitzen. Diese Leistungsspitzen werden seit einiger Zeit durch den enormen Ausbau der Photovol
taik kompensiert, so dass Gaskraftwerke zu PeakZei
ten nicht mehr in dem Maße benötigt werden. Das Gas
kraftwerk in Bremen hat eine andere Ausgangs lage, denn mit diesem Kraftwerk wird auch Bahnstrom mit 16 2/3 Hz erzeugt.
Welche Korrekturen wünschen Sie sich im Rah- men der Energiewende seitens der Politik?
trePtow Wir steuern derzeit auf eine fatale Ent
wicklung zu. Der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die damit verbundenen Netzerweiterungen er
fordern MilliardenInvestitionen. Die Akzeptanz der Energiewende durch die Verbraucher droht zu kippen, wenn die Belastungen derart steigen, dass zukünftig die Energiepreise nicht mehr bezahlt werden können.
Insbesondere die vielen Ausnahmeregelungen sind hierbei zu kritisieren. Je weniger Kunden die Gesamt
belastungen, wie die Umlagen nach dem Erneuerbare
EnergienGesetz, dem KraftWärmeKopplungsGe
setz, der Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV, tragen, desto höher sind die Belastungen für die verblei
benden Kunden. Des Weiteren wird der Mittelstand verstärkt die Energieeigenproduktion forcieren, um circa zwölf Cent pro Kilowattstunde für Stromsteuer, Netzentgelte, EEG, KWK und OffshoreHaftungsum
lagen einzusparen.
Die fehlende Rentabilität konventioneller Kraft
werke wird die Versorgungssicherheit gefährden. Mit weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen wird markt
wirtschaftliches Geschehen ausgebremst, so dass wir auf Staatsenergiepreise zusteuern. Im Endkunden
bereich sind schon heute circa 50 Prozent staatliche Abgaben und Umlagen, circa 22 Prozent entfallen auf regulierte Netzentgelte und die restlichen 28 Prozent verbleiben für den Energieeinkauf und Vertriebskos
ten. Die künftigen Belastungen für den Ausbau der OffshoreWindenergieleistung und die damit ver
bundenen Netzinvestitionen sind dabei noch nicht berücksichtigt.
Unseres Erachtens sind folgende Korrekturen dringend nötig: Schaffung von Rahmenbedingungen für rentable emissionsarme Kraftwerke, Reduzierung der bürokratischen Anforderungen und Auflagen, Ab
schaffung der Stromsteuer aufgrund der gut gefüllten Rentenkasse, Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent, eine SmartMeterGrenze von 25 000 kWh an
statt von 6 000 kWh sowie ein Verbot von dezentralen Anlagen an Standorten, an denen die Energie nicht verbraucht wird.
Es wäre wünschenswert, wenn wir schon heute mit einer ZielVision bis 2040 die Höhe der Energie
kosten berechnen. Anschließend wäre zu diskutie
ren, wer die Belastungen tragen könnte, um auch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und Gewerbebetriebe nicht zu gefährden. Nur mit einer glaubwürdigen Kommunikation kann es gelingen, die Menschen auf dem Weg in ein neues Energiezeitalter mitzunehmen.
Ohne Elektrizität funktioniert kein Kühlschrank, keine Supermarktkasse, kein Röntgengerät im Krankenhaus – ein längerer, länderübergreifender
„Blackout“ hätte ernste Folgen. Der Au
tor Marc Elsberg bezweifelt, dass
Deutschland auf den Ernstfall richtig vorbereitet ist.
» oHne strom stürzen
wir zurück ins mitteLaLter.«
›
strEitfragEn 04|2012 fokus energiewende 32
Herr Elsberg, in Ihrem Roman „Blackout“ beschreiben Sie, wie Europa und die USA nach einem Hackerangriff auf die Strom- netze im Chaos versinken. Was macht uns so verwundbar?
marc eLsberg Unsere moderne Gesellschaft ist längst kom
plett abhängig davon, dass Systeme wie Energieversorgung und Kommunikation im Hintergrund automatisiert und reibungslos funktionieren. Tun sie das nicht, stürzen wir binnen kürzester Zeit zurück ins Mittelalter. Das finde ich eine beängstigende Vor
stellung.
Sie haben für Ihr Buch intensiv recherchiert und mit vielen Experten gesprochen. Was war die wichtigste Erkenntnis?
eLsberg Unsere völlige Abhängigkeit von Strom in praktisch allen Lebenslagen war mir in diesem Umfang nicht bewusst. Bei einem größeren Stromausfall brechen ja alle Lebenssysteme unse
rer Gesellschaft viel schneller und umfänglicher zusammen, als wir das glauben – von der Kommunikation über Lebensmittelpro
duktion und versorgung bis zur Gesundheitsversorgung. Wäh
rend in unserer Gesellschaft immer lauter nach Energiesparen, Energieeffizienz und Energiewende gerufen wird, elektrifizieren wir gleichzeitig unser Leben weiter. Wir kaufen einen noch größe
ren Fernseher, einen elektrischen Milchaufschäumer, Wasserko
cher, Klimageräte, Luftbefeuchter, digitale Wetterstationen, müs
sen Computer, Laptop, iPod, iPad, Mobiltelefone aufladen, brauchen zur Waschmaschine noch einen Wäschetrockner. Ich bin nicht dagegen. Man sollte sich dessen aber bewusst sein, die Konsequenzen bedenken und an Lösungen mitarbeiten.
Die Stromnetze sind ohne Zweifel ein Teil der Infrastruktur, dessen Ausfall schwer zu verkraften wäre. Wird genügend getan, um die Energieversorgung gegen kriminelle Attacken zu sichern?
eLsberg Ich glaube: noch nicht. Bestürzt hat mich bei meinen Recherchen etwa die Tatsache, dass technische Systeme wie der intelligente Stromzähler eingebaut werden müssen, obwohl sie relativ unsicher sind. Da fragt man sich, wie es dazu kommen konnte. Erschreckend fand ich auch eine weitverbreitete Ah
nungs und Gedankenlosigkeit bei vielen Verantwortlichen in füh
renden Positionen von Unternehmen, Behörden und Politik.
Kaum jemand sieht das ganze Bild. Das beginnt sich mittlerweile zu ändern.
Hat die Arbeit am Roman Ihre Lebensweise geändert? Sind Sie besser auf einen Stromausfall vorbereitet?
eLsberg Ich habe ein paar Vorräte mehr im Haus und mir überlegt, wohin ich mich im Ernstfall wende. Nach wenigen Ta
gen würde ich die Großstadt verlassen. Der Autotank ist im Allge
meinen voll. Aber das ist selbstverständlich alles sehr theoretisch.
Wer schon einmal in einer akuten Notsituation war, weiß, dass er dann oft anders handelt, als er es sich vorher vorgestellt hat. Und mit Energie gehe ich jetzt noch bewusster um.
marc eLsberg
wurde 1967 in Wien geboren. Er war Kolumnist der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“
sowie Strategieberater und Kreativdirektor in der Werbung. 2012 veröffentlichte er „Blackout“, seinen ersten Wissenschaftsthriller.