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Zusammenhänge zwischen verschiedenen Wissensgebieten der professionellen Kompetenz von Lehramtsstudierenden des Fachs Mathematik im Bereich von Modellierung und Realitätsbezügen

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Gabriele KAISER, Björn SCHWARZ, Universität Hamburg

Zusammenhänge zwischen verschiedenen Wissensgebieten der professionellen Kompetenz von Lehramtsstudierenden des Fachs Mathematik im Bereich von Modellierung und Rea- litätsbezügen

1. Einleitung

Nicht erst seit der verstärkten Diskussion über Schülerleistungen im Zuge der entsprechenden internationalen Vergleichsstudien wie PISA und TIMSS ist auch die Lehrerbildung national wie international Zentrum von zum Teil kontrovers geführter Debatten geworden. Vor diesem Hintergrund haben sich mehrere große Vergleichsstudien zur Lehrerbildung entwickelt, etwa die MT21-Studie, die TEDS-M-Studie und die COACTIV-Studie. Im folgenden Text werden die Ergebnisse einer qualitativen Vertiefungsstudie zu MT21 vorgestellt, die insbesondere auf Lehramtsstudierende und deren individuellen Kompetenzerwerb fokussiert.

2. Theoretischer Hintergrund

Ausgangspunkt der Untersuchung sind die Konzeptualisierungen zu ver- schiedenen Bereichen des professionellen Wissens von Lehrerinnen und Lehrern. So kann nach Shulman (1986) dieses Wissen zuerst in pedagogi- cal knowledge und content knowledge unterteilt werden und bezüglich des content knowledge dann eine weitere Unterscheidung zwischen subject matter content knowledge, pedagogical content knowledge und curricular knowledge vorgenommen werden. Für die beschriebene Studie werden die- se Komponenten darüber hinaus weiter ausdifferenziert, so wird etwa mit Bezug auf Bromme (1995) der Unterschied zwischen Schulmathematik und Mathematik als Wissenschaft berücksichtigt. Diese kognitive Komponente wird in der Studie außerdem ergänzt um eine affektiv-wertorientierte Kom- ponente, die unter anderem verschiedene beliefs zur Mathematik und zum Lehrern und Lernen von Mathematik in Anlehnung an Grigutsch, Raatz und Törner (1998) berücksichtigt. Die zentrale Frage der Studie ist damit, wie das Professionswissen von Lehramtsstudierenden gestaltet ist und wel- che Zusammenhänge zwischen den beschriebenen unterschiedlichen Berei- chen rekonstruiert werden können.

3. Methodisches Vorgehen

Für die Vertiefungsstudie wurden Fragebögen mit offenen Aufgaben zu den Themengebieten "Modellierung und Realitätsbezüge", "Argumentieren und Beweisen" und "Umgang mit Heterogenität im Mathematikunterricht"

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entwickelt. Die Aufgaben sind dabei domänenübergreifend gestaltet, das heißt, dass verschiedene Teilaufgaben einer Aufgabe sich jeweils auf ver- schiedene Bereiche des Lehrerprofessionswissens beziehen. An der Befra- gung haben insgesamt 79 Studierende in Deutschland freiwillig teilge- nommen. Die Auswertung der Fragebögen geschieht gemäß der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2000) unter Anwendung der deduktiven Kategoriendefinition. Im Einklang mit der Fragestellung wird genauer auf die Methode der strukturierenden Inhaltsanalyse und hierbei auf das skalierende Strukturieren zurückgegriffen. Die Antworten werden dabei durchgehend von zwei Ratern eingeschätzt.

4. Ergebnisse

Die folgenden Ergebnisse beschränken sich auf den Teilbereich "Modellie- rung und Realitätsbezüge" und deren Thematisierung im Mathematikunter- richt. Beschrieben werden dabei insbesondere Ergebnisse zu den Zusam- menhängen zwischen den diesbezüglichen beliefs und dem auf Modellie- rung im Mathematikunterricht bezogenen fachdidaktischen Wissen. Eine ausführliche Darstellung dieser und weiterer Ergebnisse sowie des zugehö- rigen methodischen Vorgehens findet sich in Schwarz, Kaiser und Buch- holtz (2008).

In Ergänzung zu den beliefs wurde für die Analyse der Zusammenhänge von verschiedenen Wissensbereichen das Konzept der "Affinität" einge- führt. Kurz formuliert beschreibt die Affinität den Grad der Zustimmung zu oder Ablehnung gegenüber einem Themengebiet auf einer Ordinalskala. Im Weiteren sind sowohl die Affinität als auch das fachdidaktische Wissen dabei immer bezogen auf Modellierung im Mathematikunterricht.

Erwartungsgemäß zeigen sich dann im Sinne der Filter-Funktion von be- liefs (vgl. Richardson & Placier, 2001) starke Einflüsse der beliefs auf das erworbene fachdidaktische Wissen. In der hier zugrundeliegenden Analyse wurde dabei die Fähigkeit der Studierenden zur fachdidaktisch fundierten Reflexion über Modellierung im Mathematikunterricht als Merkmal für fachdidaktisches Wissen ausgewertet. Ganz ähnliche Zusammenhänge wie diejenigen zwischen den beliefs und dem fachdidaktischen Wissen zeigen sich dann auch zwischen der Affinität und dem fachdidaktischen Wissen.

Studierende, die eine positive Haltung gegenüber Modellierung im Mathe- matikunterricht vertreten, also eine hohe Affinität zu diesem Thema haben, sind zumeist in der Lage, fachdidaktisch deutlich fundiertere Analysen zu formulieren als Studierende mit einer niedrigen Affinität. In diesen Zu- sammenhang fügen sich die beliefs im Einklang mit der Filter-Funktion dann passend ein. So haben Studierende mit einem stark formalistischen

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oder schematischen Mathematikbild und entsprechenden beliefs zum Leh- ren und Lernen von Mathematik größtenteils eine niedrige Affinität zur Modellierung im Mathematikunterricht. In den Ausführungen dieser Stu- dierenden werden im Einklang damit insbesondere formale Bildungsziele von Mathematikunterricht betont, die sich durch Modellierung und die da- zugehörigen Arbeits- und Unterrichtsformen schlechter realisieren lassen.

Studierende, die dieser Gruppe zugeordnet werden können, formulieren zudem häufig typische Gegenargumente gegen Modellierung im Mathema- tikunterricht. So betonen sie den hohen Zeitbedarf und Aufwand für die Durchführung einer Modellierungseinheit oder verweisen auf den Fachun- terricht in anderen Fächern als Ort für die Behandlung realitätsbezogener Fragestellungen. Im Mathematikunterricht dagegen sollten den typischen Antworten dieser Studierendengruppe gemäß realitätsbezogene Probleme vor allem dann gestellt werden, wenn sich damit bereits gelernte mathema- tische Inhalte wiederholen lassen. Im Gegensatz dazu haben Studierende mit einem eher durch prozess- und anwendungsbezogene beliefs geprägten Antwortverhalten oftmals eine hohe Affinität zu Modellierung im Mathe- matikunterricht. In den Antworten dieser Studierenden werden neben fach- lichen auch nicht-fachliche Inhalte als Bildungsziele von Mathematikunter- richt formuliert. Gerade durch stark prozessbezogene beliefs geprägte Ant- worten zeigen dabei häufig auch eine stark subjektivitätsbezogene Perspek- tive auf Mathematikunterricht.

Damit einhergehend lassen sich auch Zusammenhänge zwischen den be- liefs und der fachdidaktisch geprägten Reflexion der Studierenden über den motivierenden Gehalt von Modellierungsaufgaben rekonstruieren. Im Ein- klang mit den vorher geschilderten Ergebnissen tendieren Studierende, de- ren Antworten durch prozess- oder anwendungsbezogene beliefs geprägt sind, zu der Einschätzung, dass Modellierungsaufgaben für Schülerinnen und Schüler einen hohen Motivationsgehalt haben. Im Gegensatz dazu nei- gen Studierende, deren Antworten auf formalistische oder schemaorientier- te beliefs schließen lassen, dazu, Modellierungsaufgaben den motivieren- den Charakter für Schülerinnen und Schüler abzusprechen. Bemerkenswert ist dabei aber, dass insbesondere die eigenen Erfahrungen der Studierenden im Umgang mit Modellierungsaufgaben stark zum Referenzrahmen für die fachdidaktische Reflexion über den motivationalen Gehalt dieser Aufgaben gemacht werden und weiterhin diese Erfahrungen ebenfalls stark durch die eigenen beliefs geprägt sind. So empfinden Studierende, deren Mathema- tikbild stark schemaorientiert oder formalistisch ist, die eigene Arbeit mit Modellierungsaufgaben häufig als geradezu frustrierend. Dazu trägt bei- spielsweise bei, dass in diesen Aufgaben häufig Angaben fehlen, die zur erfolgreichen Bearbeitung der Aufgabe anderweitig recherchiert oder ge-

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schätzt werden müssen. Gerade Studierende mit einem stark schematisch geprägten Bild von Mathematik empfinden auch das Fehlen einer bekann- ten, algorithmischen Standardprozedur zur Lösung der Aufgabe als unge- wohnt und wenig motivierend. Diese Erfahrungen beziehungsweise subjek- tiven Wahrnehmungen vom eigenen Modellieren werden dann zur Grund- lage der Reflexion über den motivationalen Charakter von Modellierungs- aufgaben gemacht und auf die Einschätzung, wie Schülerinnen und Schüler Modellierung empfinden, übertragen. Daher betonen diese Studierenden häufig Argumente, die gegen einen hohen Motivationscharakter der Model- lierungsaufgaben sprechen und nehmen an, dass die Lernenden eine eher negative Einstellung zu Modellierungsaufgaben haben. Im Gegensatz dazu stehen Antworten von Lehramtsstudierenden mit einem prozess- oder an- wendungsgeprägtem Bild von Mathematik. Diese Studierenden beschrei- ben oftmals, dass sie Modellierungsaufgaben und die selbstständige Ausei- nandersetzung mit der Realität und dessen Verhältnis zur Mathematik als motivierend und sinnhaft empfinden. Oftmals grenzen die Studierenden Modellierungsaufgaben darüber hinaus gegen die algorithmisch geprägten

"Standardaufgaben" ab und bezeichnen umgekehrt diese Aufgaben als frustrierend. Im Einklang mit der vorher geschilderten Gruppe von Studie- renden leiten dann auch diese angehenden Lehrerinnen und Lehrer aus ih- ren subjektiven Erfahrungen beim Modellieren ihre Einschätzung von Mo- dellierungsaufgaben ab und betonen in ihren Antworten die motivierenden Eigenschaften von solchen Aufgaben für die Schülerinnen und Schüler.

Literatur

Bromme, R. (1995): What exactly is ‘pedagogical content knowledge’? – Critical re- marks regarding a fruitful research program. In Hopmann, S., Riquarts, K. (Hrsg.), Didaktik and/or Curriculum. Kiel: IPN.

Grigutsch, S., Raatz, U., Törner, G. (1998). Einstellungen gegenüber Mathematik bei Mathematiklehrern. Journal für Mathematik-Didaktik, 19(1), 3–45.

Mayring, P. (2000). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim:

Deutscher Studien Verlag.

Richardson, V., Placier, P. (2001). Teacher Change. In: Richardson, V. (Hrsg.), Hand- book of Research on Teaching. Washington: American Educational Research Asso- ciation.

Schwarz, B., Kaiser, G., Buchholtz, N. (2008). Vertiefende qualitative Analysen zur professionellen Kompetenz angehender Mathematiklehrkräfte am Beispiel von Mo- dellierung und Realitätsbezügen. In: Blömeke, S. Kaiser, G., Lehmann, R. (Hrsg.), Professionelle Kompetenz angehender Lehrerinnen und Lehrer – Wissen, Überzeu- gungen und Lerngelegenheiten deutscher Mathematikstudierender und –referendare – Erste Ergebnisse zur Wirksamkeit der Lehrerausbildung. Münster: Waxmann Ver- lag.

Shulman, L. S. (1986). Those Who Understand: Knowledge Growth in Teaching. Edu- cational Researcher, 15(2), 4-14.

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