Unbestimmte Ausdr¨ ucke
Die Bestimmung von Grenzwerten von Funktionen ist manchmal nicht di- rekt m¨ oglich.
Dies ist etwa dann der Fall wenn z.B. der Grenzwert eines Quotienten h(x) =
fg(x)(x)an einer Stelle x
0bestimmt werden soll, und es gilt lim
x→x0
f (x) = 0 und lim
x→x0
g(x) = 0 (oder lim
x→x0
f (x) = ∞ und lim
x→x0
g(x) = ∞ ) . Man nennt diese Ausdr¨ ucke ”unbestimmte Ausdr¨ ucke”, weil vorder- hand keine Aussage m¨ oglich ist.
Beispiel. Betrachten wir etwa lim
x→0+ x2
x
, dann streben sowohl Z¨ ahler als auch Nenner gegen Null. Offenbar gilt lim
x→0+ x2
x
= 0.
Im Falle von lim
x→0+ x
x2
streben Z¨ ahler und Nenner ebenfalls gegen Null.
Nun gilt aber offenbar lim
x→0+ x
x2
= + ∞ . Weiteres Beispiel. lim
x→0 sinx
x
.
Weitere unbestimmte Ausdr¨ ucke, außer den genannten (
00
) und (
∞∞
) w¨ aren etwa (1
∞) , (0
0) , ( ∞
0) , (0 · ∞ ) und ( ∞ − ∞ ) . Sie lassen sich allerdings auf die beiden Grundf¨ alle zur¨ uckf¨ uhren.
Ohne Beweis sei die folgende wichtige Aussage angef¨ uhrt.
Satz. (Regel von de l’Hospital)
Seien f und g (geeignet) differenzierbar auf einem Intervall und gelte lim
x→bf′(x)
g′(x)
= l mit lim
x→b
g
′(x) ̸ = 0 . Dann folgt aus lim
x→bf (x) = lim
x→b
g(x) = 0 oder lim
x→b
f (x) = lim
x→b
g(x) = ∞ die Aussage
x
lim
→b f(x)g(x)
= lim
x→b f′(x) g′(x)
= l .
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Bemerkungen.
1) Die Aussage gilt auch, falls b = + ∞ (bzw. b = −∞ ) ist. Wir setzen x =
1tund erhalten
x→
lim
+∞ f(x)g(x)
= lim
t→0+ f(1t)
g(1t)
= lim
t→0+
f′(1t)(−t−2)
g′(1t)(−t−2)
= lim
t→0+ f′(1t)
g′(1t)
= lim
x→+∞ f′(x) g′(x)
.
2) Die Aussage gilt auch f¨ ur den Fall l = ±∞ , weil
fg′′(x)(x)→ + ∞ ⇔
g′(x)
f′(x)
→ 0
+und
fg′′(x)(x)→ −∞ ⇔
fg′′(x)(x)→ 0
−.
3) Hat man nach einmaliger Anwendung wiederum einen unbestimmten Ausdruck, kann der Satz wiederum auf die Funktionen f
′und g
′angewen- det werden, sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.
4) f (x)g(x) = (0 · ∞ ) kann ¨ ubergef¨ uhrt werden in
f(x)1 g(x)= (
00
) oder in
g(x)
1 f(x)
= (
∞∞
) .
5) f (x)
g(x)= (1
∞) oder (0
0) oder ( ∞
0) k¨ onnen durch
lim f (x)
g(x)= lim e
g(x) lnf(x)= e
limg(x) lnf(x)auf zuvor diskutierte F¨ alle zur¨ uckgef¨ uhrt werden.
6) Ausdr¨ ucke der Form f (x) − g(x) = ( ∞ − ∞ ) m¨ ussen zuerst in eine der zuvor erw¨ ahnten Formen gebracht werden, um damit weiter arbeiten zu k¨ onnen.
Beispiele.
a) lim
x→0 sinx
x
= (
00
) = lim
x→0 cosx
1
= 1
b) lim
x→0
x−sinx
x(1−cosx)
= (
00
) = lim
x→0
1−cosx
1−cosx+xsinx
= (
00
) = lim
x→0
sinx
sinx+sinx+xcosx
=
= lim
x→0
sinx
2 sinx+xcosx
= (
00
) = lim
x→0
cosx
2 cosx+cosx−xsinx
=
132
c) lim
x→0
(e
x− 1)
x= (0
0) = lim
x→0
e
xln(ex−1)= e
xlim→0xln(ex−1)
Nun ist lim
x→0
x ln(e
x− 1) = (0 · ∞ ) = lim
x→0
ln(ex−1)
1 x
= (
∞∞
) =
= lim
x→0
1 ex−1ex
−x12
= lim
x→0
−
exx2−ex1= (
00
) = lim
x→0
−
2xexe+xx 2ex= 0 Somit ist lim
x→0
(e
x− 1)
x= e
0= 1 . d) lim
x→∞
( x − √
x − 1 )
= ( ∞ − ∞ ) = lim
x→∞
( x − √
x − 1 )
x+√x−1x+√
x−1
=
= lim
x→∞
x2−x+1 x+√
x−1
= lim
x→∞
2x−1 1+ 1
2√ x−1
= ∞ .
Bemerkung. Die Regel von de l’Hospital kann auch verwendet werden, um Grenzwerte von Folgen zu bestimmen.
Beispiel. a
n=
(n+1)n2+2n2n
lim
→∞a
n= lim
x→∞
x2+2x
(x+1)2
= (
∞∞
) = lim
x→∞
2x+2
2(x+1)
= (
∞∞
) = lim
x→∞
2 2
= 1 Beispiel. a
n= √
nn
n
lim
→∞a
n= lim
x→∞
x
x1= lim
x→∞
e
1xlnx= e
xlim→∞lnx x
x
lim
→∞lnx
x
= (
∞∞
) = lim
x→∞
1 x
1
= 0 . Damit lim
x→∞
x
x1= e
0= 1 .
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