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DOLLY IST TOT

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Academic year: 2021

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(1)

Die Suche nach einfachen Strukturen in den Lebe- wesen, mit denen sich Leben kontrollieren

und produzieren lässt, hat zu Beginn des 21. Jahr- hunderts zu einem überraschenden Ergebnis geführt: gerade die erfolgreiche Analyse der Gene zeigt, dass sich die Lebensprozesse nicht auf einzelne Bestandteile reduzieren lassen. Damit aber werden die Grundlagen des Geschäfts mit Genmanipulation, Klonierung und Patentierung radikal in Frage gestellt.

Christoph Then, geboren 1962, studierte Tiermedizin und ist seit Jahren im Umfeld von Gen- und Biotechnologie aktiv. Er begründete in Deutschland die Initiative »Kein Patent auf Leben!« und arbeitete für die Grünen und für Greenpeace. Mit seinem neuen Projekt »scouting biotechnology«

soll seit Anfang 2008 unter anderem unabhängige Risikoforschung unter- stützt werden. Mitarbeit bei foodwatch, beim Gen-ethischen Netzwerk und bei der Gesellschaft für ökologische Forschung.

DOLL Y IST TOT

CHRISTOPH THEN

DOLLY IST TOT

BIOTECHNOLOGIE AM WENDEPUNKT

Geklonte Schafe, leuchtende Schweine, arzneimittelproduzierende Bakterien und spritzmittelresistente Supersaaten:

Die Biotechnologie boomt. Doch trotz spektakulärer Resultate sind Illusionen sind fehl am Platz. Die heutige Biotech- nologie ist als risikobehaftete »Dino- sauriertechnologie« in vielen Bereichen wissenschaftlich bereits überholt.

Leben kann nicht einfach als Summe von Einzelteilen verstanden werden, die sich beliebig zusammenstellen und austauschen lassen. Die Resultate solcher Versuche sind schlicht unkalku- lierbar – diese Erkenntnis ist aktueller denn je. Die Konsequenzen werden aber bislang vor allem in der Grundla- genforschung diskutiert. Wenn es um die Vermarktung geht, ist für Firmen und Investmentkapital das Feld trotz allem (noch) zu lukrativ.

Das Buch bietet einen gerafften Über- blick über die Geschichte der Biotech- nologie und Biopolitik der letzten hundert Jahre ebenso wie eine Über- sicht über die aktuellen Kontroversen in Bereichen wie der Agrogentechnik, der Patentierung von Leben und der Stammzellenforschung. Christoph Then fordert eine Emanzipation von den bisherigen reduktionistischen Vorstel- lungen der Biologie, die den Menschen zum Sklaven seiner Gene erklären und die belebte Natur zum Spielball von Konzerninteressen machen.

CHRISTOPH THEN R otpunktv erlag .

ISBN 978-3-85869-368-6

Rotpunktverlag .

(2)

7. Was ist ein Gen? . . . .135

Vom Baukasten zu neuer Komplexität . . . .135

Das Human-Genom-Projekt und Craig Venter . . . .137

Das ENCODE-Projekt . . . .143

Genübertragung und die Illusion vom »industriellen Gen« . . . .149

8. Genpflanzen: Das unterschätzte Risiko . . . .155

Pflanzen: Meister der Anpassung . . . .155

Leitplanken von Evolution und Vererbung . . . .158

Mit Schrotschuss ins Genom . . . .162

Risiken und Nebenwirkungen bei genmanipulierten Pflanzen . . . .165

Wie viel Risiko ist akzeptabel? . . . .175

Innovation ohne Genmanipulation . . . .178

9. Dolly, Polly und Co. . . . .183

Blackbox Dolly-Verfahren . . . .183

Technische Erfolge ohne wirklichen Fortschritt . . . .188

Unbegrenztes Therapiepotenzial mit embryonalen Stammzellen? . . . .192

10. Die Synthetische Biologie . . . .197

Die Komplexität beseitigen . . . .197

Aktuelle Strategien zur Schaffung künstlicher Lebensformen . . . .199

Biomechanik außer Kontrolle . . . .203

Risiken der neuen Technologie . . . .207

11. Zeitenwende . . . .211

Zwei Sonnen – ein Planet . . . .211

Die Theorie der Entwicklungssysteme . . . .214

Epigenetik als neuer Schlüsselbegriff . . . .222

Die neue Evolutionstheorie: Evolutionary Development Biology . . . .226

Die »biologische Unschärferelation« . . . .235

12. System versus Maschine: Ein Schlusswort . . . .245

Kann Biotechnologie kontrolliert werden? . . . .248

Eine neue Emanzipation . . . .250

Jacques Loeb: »Das Leben« (1911) . . . .255

Anmerkungen . . . .280

Ausgewählte Literatur . . . .287

Inhalt

Einleitung . . . .9

1. Der Traum vom »gemachten« Leben . . . .15

Das Genesis-Projekt . . . .15

Geld, Macht und Innovation . . . .19

Kulturen des Nichtwissens . . . .22

Gefährdungspotenzial: Drei Szenarien . . . .24

2. Darwin, Bernard und Loeb . . . .33

Pioniere der Biotechnologie: Darwin und Bernard . . . .33

Jacques Loeb: Experimente in der Hirnforschung . . . .38

Loebs »Technik der lebenden Wesen« . . . .40

Erfolge in der Jungfernzeugung . . . .44

Alterung, Verlängerung des Lebens, Unsterblichkeit . . . .49

Moderne Konzepte der Vererbung . . . .52

»Das Leben« . . . .54

Loebs Erbe . . . .59

3. Gen und Keimzelle . . . .61

Die Entwicklung der Synthetischen Evolutionstheorie . . . .61

Die Entdeckung der Keimzellen . . . .65

Fragen der Menschenwürde . . . .68

4. Der Mensch als Produkt . . . .73

Anfänge der Menschenzucht . . . .73

Eugenik ohne Rassismus: Serebrovskij, Muller, Cohen . . . .79

Militarisierung und Instrumentalisierung der Erbanlagen . . . .83

5. Die Ausweitung des Operationsfeldes . . . .89

Ethische Normen im Wandel . . . .89

Der Mensch als solcher . . . .94

Giorgio Agamben und das »nackte Leben« . . . .100

6. Produktion und Monopol . . . .105

Der rechtliche Schutz für biotechnologische Erfindungen . . . .105

Patienten im Netz der Pharmalobby . . . .107

Die Entwicklung des modernen Patentrechts . . . .112

Von Genpflanzen zur natürlichen Vielfalt . . . .118

Moderne Leibeigenschaften . . . .122

Protokolle der Menschenzucht . . . .128

(3)

7. Was ist ein Gen? . . . .135

Vom Baukasten zu neuer Komplexität . . . .135

Das Human-Genom-Projekt und Craig Venter . . . .137

Das ENCODE-Projekt . . . .143

Genübertragung und die Illusion vom »industriellen Gen« . . . .149

8. Genpflanzen: Das unterschätzte Risiko . . . .155

Pflanzen: Meister der Anpassung . . . .155

Leitplanken von Evolution und Vererbung . . . .158

Mit Schrotschuss ins Genom . . . .162

Risiken und Nebenwirkungen bei genmanipulierten Pflanzen . . . .165

Wie viel Risiko ist akzeptabel? . . . .175

Innovation ohne Genmanipulation . . . .178

9. Dolly, Polly und Co. . . . .183

Blackbox Dolly-Verfahren . . . .183

Technische Erfolge ohne wirklichen Fortschritt . . . .188

Unbegrenztes Therapiepotenzial mit embryonalen Stammzellen? . . . .192

10. Die Synthetische Biologie . . . .197

Die Komplexität beseitigen . . . .197

Aktuelle Strategien zur Schaffung künstlicher Lebensformen . . . .199

Biomechanik außer Kontrolle . . . .203

Risiken der neuen Technologie . . . .207

11. Zeitenwende . . . .211

Zwei Sonnen – ein Planet . . . .211

Die Theorie der Entwicklungssysteme . . . .214

Epigenetik als neuer Schlüsselbegriff . . . .222

Die neue Evolutionstheorie: Evolutionary Development Biology . . . .226

Die »biologische Unschärferelation« . . . .235

12. System versus Maschine: Ein Schlusswort . . . .245

Kann Biotechnologie kontrolliert werden? . . . .248

Eine neue Emanzipation . . . .250

Jacques Loeb: »Das Leben« (1911) . . . .255

Anmerkungen . . . .280

Ausgewählte Literatur . . . .287

Inhalt

Einleitung . . . .9

1. Der Traum vom »gemachten« Leben . . . .15

Das Genesis-Projekt . . . .15

Geld, Macht und Innovation . . . .19

Kulturen des Nichtwissens . . . .22

Gefährdungspotenzial: Drei Szenarien . . . .24

2. Darwin, Bernard und Loeb . . . .33

Pioniere der Biotechnologie: Darwin und Bernard . . . .33

Jacques Loeb: Experimente in der Hirnforschung . . . .38

Loebs »Technik der lebenden Wesen« . . . .40

Erfolge in der Jungfernzeugung . . . .44

Alterung, Verlängerung des Lebens, Unsterblichkeit . . . .49

Moderne Konzepte der Vererbung . . . .52

»Das Leben« . . . .54

Loebs Erbe . . . .59

3. Gen und Keimzelle . . . .61

Die Entwicklung der Synthetischen Evolutionstheorie . . . .61

Die Entdeckung der Keimzellen . . . .65

Fragen der Menschenwürde . . . .68

4. Der Mensch als Produkt . . . .73

Anfänge der Menschenzucht . . . .73

Eugenik ohne Rassismus: Serebrovskij, Muller, Cohen . . . .79

Militarisierung und Instrumentalisierung der Erbanlagen . . . .83

5. Die Ausweitung des Operationsfeldes . . . .89

Ethische Normen im Wandel . . . .89

Der Mensch als solcher . . . .94

Giorgio Agamben und das »nackte Leben« . . . .100

6. Produktion und Monopol . . . .105

Der rechtliche Schutz für biotechnologische Erfindungen . . . .105

Patienten im Netz der Pharmalobby . . . .107

Die Entwicklung des modernen Patentrechts . . . .112

Von Genpflanzen zur natürlichen Vielfalt . . . .118

Moderne Leibeigenschaften . . . .122

Protokolle der Menschenzucht . . . .128

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1. Der Traum

vom »gemachten« Leben

Das Genesis-Projekt

Gen- und Biotechnologie werden zu Recht äußerst kontrovers diskutiert. Grundlegende ethische Fragen, die Diskussion um Risi- ken für Mensch und Umwelt sowie massive wirtschaftliche und politische Interessen machen sie zu einem Kernthema des 20. und 21. Jahrhunderts. Kritiker wie Befürworter beschreiben die Zukunft in gleichermaßen drastischen Bildern. Der Physiker und Buchautor Mark Dyson schwärmt 2007: »Neue Arten und Gattungen werden entstehen und diejenigen ersetzen, welche durch Abholzung und Monokulturen vernichtet werden. Genom-Design wird zu einer in- dividuell gepflegten neuen Kunstform werden, so kreativ wie die Malerei oder Bildhauerei.«1

»Wir haben schon einen Spermamarkt und einen Eizellen- markt, einen Markt der Leihmutterschaft (die Vermietung von Gebärmüttern), einen Genmarkt, einen Stammzellenmarkt, einen Embryomarkt und einen (illegalen) Organmarkt. Die Verlängerung dieser Tendenz führt zur Vermarktung von genetisch (angeblich)

›optimierten‹ Kindern jeden Alters und schließlich zur Vermarktung von geklonten oder vollkommen künstlichen menschlichen oder

›posthumanen‹ Wesen sowie von künstlichen ökologischen Nischen

(5)

17 ren. Der fragliche Mais wurde trotzdem ohne weitere Untersuchun- gen von den Behörden zugelassen.

Ähnlich kontrovers wird die Frage des Klonens und der Stamm- zellzüchtung diskutiert: Hier geht es unter anderem um die Frage, ob Embryonen produziert und zerstört werden dürfen, um Zellen aus ih- nen zu gewinnen, aus denen verschiedene Körpergewebe gezüchtet werden sollen. Verbunden ist das Ganze mit erheblichen wirtschaft- lichen Interessen, die professionell organisiert werden. Sogar über einen börsennotierten »Stammzellenindex« wird bereits diskutiert.

Demgegenüber wurden bisher, nach Ansicht (fast) aller Experten, echte Durchbrüche bei der therapeutischen Anwendung von embryo- nalen Stammzellen gar nicht erzielt. Für neuen Diskussionsstoff sorg- ten Wissenschaftler, als es ihnen 2006/2007gelang, normale Haut- zellen per Gentechnik so zu verändern, dass sie sich wieder zu embryonalen Zellen entwickelten. Mit diesem Verfahren wäre es in Zukunft nicht mehr nötig, Embryonen zur Herstellung von Stamm- zellen zu vernichten. Deswegen wurde diese Technik bereits von vie- len Experten und Politikern euphorisch begrüßt. Doch tatsächlich könnte hier ein weiteres ganz gravierenderes ethisches Problem ent- stehen: Auf diese Weise könnte es auch möglich werden, menschliche Embryonen mit identischem Erbgut massenhaft zu produzieren. Ist das Klonen eines Menschen nach dem Dolly-Verfahren relativ kom- pliziert und aufwendig, wäre mit Verfahren, bei denen Embryonen aus Stammzellkulturen gewonnen werden können, eine Massenpro- duktion von menschlichen Embryonen technisch kein Problem mehr.

Tatsächlich ist es bereits gelungen, aus derartigen reprogrammierten Zellen über den Umweg der Stammzellkultur einen lebensfähigen Embryo einer Maus zu züchten, der in eine Gebärmutter eingepflanzt wurde und angeblich zu einem lebensfähigen Fötus heranreifte.4

16

auf diesem Planeten oder einem anderen«2, schreibt dagegen der französische Philosoph André Gorz in Wissen, Wert und Kapital.

Derzeit besonders strittige Bereiche sind die Verwendung von genmanipulierten Pflanzen, das Klonen von Embryonen und die Pa- tentierung von Lebewesen. Am Beispiel dieser drei Themen ein kur- zer Ausflug in die aktuellen Debatten:

Seit 1996gibt es den großflächigen kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Saaten, der in einigen Regionen der Welt politisch massiv gefördert wird und in anderen ganz oder teilweise verboten ist. Die Risikoabschätzung bei Gensaaten muss sich mit den Interaktionen von genmanipulierten Organismen und der Um- welt, den Wechselwirkungen der Gene in der Pflanze und den Fra- gen des Gesundheitsrisikos für Menschen befassen. Ein allgemein akzeptiertes Untersuchungsprotokoll für diese Risikobewertung gibt es nicht. Während in den USA oft nur sehr oberflächlich ge- prüft wird, behauptet die EU, dass hier alle Risiken ausreichend untersucht würden, bevor die Produkte auf den Markt kommen.

Doch ein Blick in die Protokolle der European Food Safety Authori- ty (EFSA) zeigt, dass diese Behauptung schlichtweg nicht stimmt:

Weder gibt es klare Standards für die Prüfung von Umweltauswir- kungen, noch werden Gesundheitsrisiken wirklich umfassend untersucht. Eine Publikation aus dem Jahr 2007zeigt zum Beispiel, dass die statistische Auswertung und der Aufbau der Fütterungsver- suche mit Genmais von den Firmen so gewählt wird, dass mögliche Effekte eher verschleiert werden.3Oft werden die gentechnisch ver- änderten Pflanzen über zu kurze Zeiträume und mit unzureichen- den Methoden untersucht, bei denen viele Effekte einfach überse- hen werden. Im konkreten Fall des Genmaises MON863besteht der Verdacht einer Gesundheitsschädigung der Tiere an Leber und Nie-

(6)

17 ren. Der fragliche Mais wurde trotzdem ohne weitere Untersuchun- gen von den Behörden zugelassen.

Ähnlich kontrovers wird die Frage des Klonens und der Stamm- zellzüchtung diskutiert: Hier geht es unter anderem um die Frage, ob Embryonen produziert und zerstört werden dürfen, um Zellen aus ih- nen zu gewinnen, aus denen verschiedene Körpergewebe gezüchtet werden sollen. Verbunden ist das Ganze mit erheblichen wirtschaft- lichen Interessen, die professionell organisiert werden. Sogar über einen börsennotierten »Stammzellenindex« wird bereits diskutiert.

Demgegenüber wurden bisher, nach Ansicht (fast) aller Experten, echte Durchbrüche bei der therapeutischen Anwendung von embryo- nalen Stammzellen gar nicht erzielt. Für neuen Diskussionsstoff sorg- ten Wissenschaftler, als es ihnen 2006/2007gelang, normale Haut- zellen per Gentechnik so zu verändern, dass sie sich wieder zu embryonalen Zellen entwickelten. Mit diesem Verfahren wäre es in Zukunft nicht mehr nötig, Embryonen zur Herstellung von Stamm- zellen zu vernichten. Deswegen wurde diese Technik bereits von vie- len Experten und Politikern euphorisch begrüßt. Doch tatsächlich könnte hier ein weiteres ganz gravierenderes ethisches Problem ent- stehen: Auf diese Weise könnte es auch möglich werden, menschliche Embryonen mit identischem Erbgut massenhaft zu produzieren. Ist das Klonen eines Menschen nach dem Dolly-Verfahren relativ kom- pliziert und aufwendig, wäre mit Verfahren, bei denen Embryonen aus Stammzellkulturen gewonnen werden können, eine Massenpro- duktion von menschlichen Embryonen technisch kein Problem mehr.

Tatsächlich ist es bereits gelungen, aus derartigen reprogrammierten Zellen über den Umweg der Stammzellkultur einen lebensfähigen Embryo einer Maus zu züchten, der in eine Gebärmutter eingepflanzt wurde und angeblich zu einem lebensfähigen Fötus heranreifte.4

16

auf diesem Planeten oder einem anderen«2, schreibt dagegen der französische Philosoph André Gorz in Wissen, Wert und Kapital.

Derzeit besonders strittige Bereiche sind die Verwendung von genmanipulierten Pflanzen, das Klonen von Embryonen und die Pa- tentierung von Lebewesen. Am Beispiel dieser drei Themen ein kur- zer Ausflug in die aktuellen Debatten:

Seit 1996gibt es den großflächigen kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Saaten, der in einigen Regionen der Welt politisch massiv gefördert wird und in anderen ganz oder teilweise verboten ist. Die Risikoabschätzung bei Gensaaten muss sich mit den Interaktionen von genmanipulierten Organismen und der Um- welt, den Wechselwirkungen der Gene in der Pflanze und den Fra- gen des Gesundheitsrisikos für Menschen befassen. Ein allgemein akzeptiertes Untersuchungsprotokoll für diese Risikobewertung gibt es nicht. Während in den USA oft nur sehr oberflächlich ge- prüft wird, behauptet die EU, dass hier alle Risiken ausreichend untersucht würden, bevor die Produkte auf den Markt kommen.

Doch ein Blick in die Protokolle der European Food Safety Authori- ty (EFSA) zeigt, dass diese Behauptung schlichtweg nicht stimmt:

Weder gibt es klare Standards für die Prüfung von Umweltauswir- kungen, noch werden Gesundheitsrisiken wirklich umfassend untersucht. Eine Publikation aus dem Jahr 2007zeigt zum Beispiel, dass die statistische Auswertung und der Aufbau der Fütterungsver- suche mit Genmais von den Firmen so gewählt wird, dass mögliche Effekte eher verschleiert werden.3Oft werden die gentechnisch ver- änderten Pflanzen über zu kurze Zeiträume und mit unzureichen- den Methoden untersucht, bei denen viele Effekte einfach überse- hen werden. Im konkreten Fall des Genmaises MON863besteht der Verdacht einer Gesundheitsschädigung der Tiere an Leber und Nie-

(7)

19

Geld, Macht und Innovation

Die Biotechnologien sind in einem Umfeld verankert, das von der Idee einer permanenten Innovation als dem Motor des wirtschaft- lichen Fortschrittes beherrscht ist. Moderne Technologien werden in diesem Umfeld nicht so sehr daraufhin überprüft, ob sie der Komplexität der Wirklichkeit entsprechen oder ethisch vertretbar sind, sondern welche Rolle sie im Wettbewerb zwischen Staaten und Konzernen spielen können. Biotechnologien sind heute ebenso Gegenstand politischer Strategien, wie es Eugenik und Rassismus in der Zeit vor und während des Nationalsozialismus waren. Während der Öffentlichkeit die Segnungen der Gen- und Biotechnik gerne als das Ergebnis unabhängiger Forschung präsentiert werden, ist die Existenz der modernen Biotechnologie undenkbar ohne die massi- ve Einflussnahme von Staat und Wirtschaft. Die Biotechnologien sind Schauplatz vielschichtiger wirtschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen um den Zugang zur Ressource Leben und deren weitestgehenden Neuverteilung. André Gorz schreibt: »Die Abschaffung der Natur wird nicht durch einen demiurgischen Plan der Wissenschaft betrieben, sondern durch das Vorhaben des Kapi- tals, die ursprünglichen Reichtümer, die die Natur umsonst und für alle zugänglich anbietet, durch künstliche und marktgängige Reich- tümer zu ersetzen: die Welt in Waren zu verwandeln, deren Produk- tion das Kapital monopolisiert, wodurch es sich zum Herrn über die Menschheit macht.«5

Im asiatischen Stadtstaat Singapur wird die Verknüpfung von staatlicher Biopolitik und wirtschaftlichen Interessen besonders deutlich: Hier ist in den letzten Jahren unter dem Namen Biopolis ein Eldorado für Gentechniker, Stammzellforscher und andere Le- bensingenieure entstanden. Wie Die Zeit2004berichtete, will der In-

18

Biotechnologien wie Klonen und Gentechnik sind eng verknüpft mit weitreichenden rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen. Eine der umstrittensten Fragen ist die der Patentierung. Dürfen menschli- che Embryonen, Organe, Zellen und Gene über Patente monopoli- siert werden? Darf es einen »schöpferischen« Anspruch für Konzerne geben, der ganze Pflanzen und Tiere umfasst? Inzwischen werden in Europa zunehmend sogar Patente beantragt und erteilt, die normale Pflanzen und Tiere zum Gegenstand haben. Gegen diese Entwick- lung hat sich 2007 erstmals ein weltweites Bündnis von Bauern- verbänden zusammengeschlossen (www.no-patents-on-seeds.org).

Die drei genannten Themen sind Teil eines umfassenden Projek- tes, das die gesamte belebte Natur einschließlich des Menschen be- trifft und sich durch das gesamte 20. Jahrhundert hinzieht. In diesem Genesis-Projekt geht es um die systematische Erschließung und wirtschaftliche Verwertung des »Rohstoffes« Leben. In diesem Buch geht es um die Ursprünge und Auswirkungen dieses Genesis-Projek- tes, das auf eine umfassende Kontrolle und Neukonstruktion des Le- bens ausgerichtet ist. Beschrieben wird, welche wirtschaftlichen oder politischen Verwertungsstrategien hinter dieser Entwicklung stehen – sei es Eugenik, Rassismus, Abiogenese, synthetische Biologie, Stammzellzüchtung oder die Manipulation von Saatgut. Damit soll nicht nur verständlich werden, wo das Genesis-Projekt seine Wur- zeln hat und welche Risiken es birgt, sondern auch ein Verständnis dafür entwickelt werden, dass wir die weitere Entwicklung beeinflus- sen und grundlegend verändern können. Und es geht auch darum, zu zeigen, dass die Idee einer Kontrolle und Konstruktion von Leben (trotz aller technischen Erfolge) zu Beginn des 21. Jahrhunderts in wesentlichen Punkten bereits gescheitert ist.

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Geld, Macht und Innovation

Die Biotechnologien sind in einem Umfeld verankert, das von der Idee einer permanenten Innovation als dem Motor des wirtschaft- lichen Fortschrittes beherrscht ist. Moderne Technologien werden in diesem Umfeld nicht so sehr daraufhin überprüft, ob sie der Komplexität der Wirklichkeit entsprechen oder ethisch vertretbar sind, sondern welche Rolle sie im Wettbewerb zwischen Staaten und Konzernen spielen können. Biotechnologien sind heute ebenso Gegenstand politischer Strategien, wie es Eugenik und Rassismus in der Zeit vor und während des Nationalsozialismus waren. Während der Öffentlichkeit die Segnungen der Gen- und Biotechnik gerne als das Ergebnis unabhängiger Forschung präsentiert werden, ist die Existenz der modernen Biotechnologie undenkbar ohne die massi- ve Einflussnahme von Staat und Wirtschaft. Die Biotechnologien sind Schauplatz vielschichtiger wirtschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen um den Zugang zur Ressource Leben und deren weitestgehenden Neuverteilung. André Gorz schreibt: »Die Abschaffung der Natur wird nicht durch einen demiurgischen Plan der Wissenschaft betrieben, sondern durch das Vorhaben des Kapi- tals, die ursprünglichen Reichtümer, die die Natur umsonst und für alle zugänglich anbietet, durch künstliche und marktgängige Reich- tümer zu ersetzen: die Welt in Waren zu verwandeln, deren Produk- tion das Kapital monopolisiert, wodurch es sich zum Herrn über die Menschheit macht.«5

Im asiatischen Stadtstaat Singapur wird die Verknüpfung von staatlicher Biopolitik und wirtschaftlichen Interessen besonders deutlich: Hier ist in den letzten Jahren unter dem Namen Biopolis ein Eldorado für Gentechniker, Stammzellforscher und andere Le- bensingenieure entstanden. Wie Die Zeit2004berichtete, will der In-

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Biotechnologien wie Klonen und Gentechnik sind eng verknüpft mit weitreichenden rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen. Eine der umstrittensten Fragen ist die der Patentierung. Dürfen menschli- che Embryonen, Organe, Zellen und Gene über Patente monopoli- siert werden? Darf es einen »schöpferischen« Anspruch für Konzerne geben, der ganze Pflanzen und Tiere umfasst? Inzwischen werden in Europa zunehmend sogar Patente beantragt und erteilt, die normale Pflanzen und Tiere zum Gegenstand haben. Gegen diese Entwick- lung hat sich 2007 erstmals ein weltweites Bündnis von Bauern- verbänden zusammengeschlossen (www.no-patents-on-seeds.org).

Die drei genannten Themen sind Teil eines umfassenden Projek- tes, das die gesamte belebte Natur einschließlich des Menschen be- trifft und sich durch das gesamte 20. Jahrhundert hinzieht. In diesem Genesis-Projekt geht es um die systematische Erschließung und wirtschaftliche Verwertung des »Rohstoffes« Leben. In diesem Buch geht es um die Ursprünge und Auswirkungen dieses Genesis-Projek- tes, das auf eine umfassende Kontrolle und Neukonstruktion des Le- bens ausgerichtet ist. Beschrieben wird, welche wirtschaftlichen oder politischen Verwertungsstrategien hinter dieser Entwicklung stehen – sei es Eugenik, Rassismus, Abiogenese, synthetische Biologie, Stammzellzüchtung oder die Manipulation von Saatgut. Damit soll nicht nur verständlich werden, wo das Genesis-Projekt seine Wur- zeln hat und welche Risiken es birgt, sondern auch ein Verständnis dafür entwickelt werden, dass wir die weitere Entwicklung beeinflus- sen und grundlegend verändern können. Und es geht auch darum, zu zeigen, dass die Idee einer Kontrolle und Konstruktion von Leben (trotz aller technischen Erfolge) zu Beginn des 21. Jahrhunderts in wesentlichen Punkten bereits gescheitert ist.

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