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Im Gedenken an. Martina Zerovnik. Der Grazer Schloßberg als Ort der Erinnerung

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Martina Zerovnik

Im Gedenken an

Der Grazer Schloßberg als Ort der Erinnerung

In jeder Stadt gibt es Orte, denen im topografischen Koordinatensystem der symboli- schen Repräsentation eine herausragende Funktion des Erinnerns und Gedenkens und damit verbunden nicht selten auch des Mahnens zukommt. Zumeist erwächst diese Funktion des kulturellen Erinnerungsraumes aus einem historischen Kontext, der die Orte als Schauplätze der Geschichte, somit eines oder mehrerer für das kollektive Gedächtnis und die repräsentative Identität der Stadt wesentlicher Ereignisse aus- weist. In Graz kommt diese Funktion in signifikanter Weise dem Schloßberg zu.

Den Grazer Schloßberg umgibt eine Aura von Geschichte, in dem Sinne wie Walter Benjamin Aura beschreibt, als die Erfahrung eines Gegenstandes, der zugleich im

„Hier und Jetzt“ und in einer Ferne zu sein scheint, und dessen materielle Dauer und geschichtliche Zeugenschaft durch traditionelle und rituelle Handlungen untermau- ert werden.1 Der Schloßberg evoziert durch seine die Geschichte überdauernde Prä- senz und die auf ihm abgelagerten architektonischen und symbolischen historischen Schichten traditionelle und ritualisierte Erinnerungsprozesse, zu denen sich eine Zeit aber auch neu in Beziehung setzen kann, wie in Folge noch gezeigt werden wird. Er ist ein Ort des Gedenkens und selbst ein Denkmal,2 denn „das eigenartige Bild unserer einzig schönen Gartenanlage am Schloßberge, wo zwischen der grünen Pracht alter Bäume die Ruinen der ehemaligen Festung aufragen […]“3, zeugt auch gegenständlich von einer vergangenen (heroischen) Nutzungs- und Lebensform. Die zentrale Präsenz des Schloßberges und die sichtbaren baulichen Überreste machen ihn zu einer „Grazer Akropolis“4, zum zugleich natürlichen und kulturellen Wahrzeichen der Stadt.5

Der Schloßberg ist ein kultureller Erinnerungsraum, der gleichsam als stummer Zeuge der Vergangenheit erscheint wie er auch als Projektions- und Aktionsfläche dem kollektiven Gedächtnis dient. In diesem wird die Erinnerung an bestimmte Er- eignisse und Personen6 wachgehalten beziehungsweise wachgerufen, fortgeschrieben und in weiterer Folge bekräftigt und authentifiziert, nicht zuletzt indem die Erinne- rung in Artefakten, Denkmälern, Gedächtnisstätten und Veranstaltungen gegenständ-

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lich oder performativ einen Ausdruck erhält.7 Der Schloßberg fungiert zugleich als ein Medium, das kraft seiner Geschichte Erinnerung in tradierten Bahnen bündelt und kanalisiert, und als ein Schauplatz, an dem das Erinnern und Gedenken durch An- schauung und Praxis in Bezug auf das historische Ereignis oder die Person affirmativ gepflogen wird, oder aber auch in kritischer Auseinandersetzung zu diesen gebracht wird. Die Denkmäler verweisen demnach nicht nur auf die Ereignisse und Personen, an die erinnert werden soll, sondern auch auf die Menschen und Organisationen, die in der bestimmten Art und Weise, in der sie an etwas erinnern, eine Haltung ausdrücken, die wiederum etwas über sie selbst erzählt.

Welche Erinnerungsspuren werden somit am Schloßberg von wem aufgegriffen beziehungsweise gelegt, und in welcher Form materialisieren sie sich dort? Im gege- benen Umfang der vorliegenden Publikation können nur einige Beispiele näher be- leuchtet werden. Es geht jedoch nicht darum, die hinter den Monumenten stehenden historischen Abläufe zu rekonstruieren und auch nicht ihrer Entstehungsgeschichte genealogisch nachzugehen. Es gilt vielmehr herauszuarbeiten, in welche Bedeutungs- zusammenhänge die mnemotechnischen Praktiken eingebunden sind und welche Motivationen und ideologischen Verankerungen ihnen zugrunde liegen. Durch die Fokussierung unterschiedlicher Aspekte soll darüber hinaus eine Entwicklung nach- gezeichnet werden, die den Stellenwert der Erinnerungskultur in einer bestimmten Zeit beziehungsweise einer gesellschaftlichen Gruppierung und die hierbei (öffentlich) wirksamen Werte und Normen beschreibt.

Triumph über die Niederlage

Wie für kein anderes historisches Ereignis am Schloßberg trifft in Bezug auf das Jahr 1809 folgende Charakterisierung eines Gedenkortes von Aleida Assmann zu:

„Gedenk

orte sind solche, an denen Vorbildliches geleistet oder exemplarisch gelitten wurde“

8, wobei im Falle des Schloßberges das „oder“ durch ein „und“ ersetzt werden kann, da sich das volle Ausmaß des Leidens aus lokaler Perspektive erst angesichts der Größe der Leistung erschließt. Die auf lokaler Ebene als heldenhafter und glorreicher Triumph beurteilte Verteidigung des Schloßberges durch Major Hackher und seine Truppen steht in einem widersprüchlichen Kausalzusammenhang mit der Zerstörung der Festung, was ein grundlegendes Dilemma für die Gedächtnishaltung bedeutet: Ist dem Jahre 1809 in Hinblick auf die Verteidigung mit „stolzer Freude“ oder in Hinblick auf die Zerstörung der Festung mit „stolzer Trauer“ zu gedenken?

Die Meinungen divergieren schon in der Beurteilung der militärischen Bedeutung der Belagerung und der Leistung bei der Verteidigung. Der steirische Konservator Josef Scheiger leitet seine 1866 veröffentlichte Publikation „Quellen und Beiträge zur Geschichte der Vertheidigung des Schloßberges in Graz im Jahre 1809“, die selbst als

„bescheidenes“ Denkmal für Hackher und seine Besatzung gedacht war, mit folgen- der Erklärung ein: „Es war nämlich weder der Grazer Schloßberg eine so bedeutende Festung, noch die Dauer des Angriffes und der Vertheidigung eine so große, noch endlich der Menschenverlust auf beiden Seiten ein so bedeutender, daß hier von einem

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großartigen kriegsgeschichtlichen Ereignisse die Rede sein kann.“9 Die Verpflichtung,

„die Geschichte jener Tage den Nachkommen möglich [sic!] hell zu beleuchten“10, er- wachse vielmehr aus der Größe und der Übermacht des Gegners. Die Bedeutung des Gegners wird auf den Besiegten projiziert und es wird zu einer Ehre, gegen diesen Feind gekämpft zu haben, unabhängig vom Ausgang der Geschehnisse.

Als sich zum hundertjährigen Gedenken der Ereignisse 1909 unter dem Vorsitz des steirischen Landeshauptmannes Edmund Graf Attems ein Denkmalkomitee gründete, Abb. 1: „Hackher-Löwe“ mit nach Nordwesten gerichtetem Blick (Foto: Martina Zerovnik, 2019).

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wurde das Augenmerk auf den heroischen Aspekt der Verteidigung gelegt und das negative Folgeereignis der Schleifung scheint bewusst ausgeklammert worden zu sein.

Ziel des Komitees war es, ein „lokalgeschichtliches Werk über das Franzosenjahr 1809“

sowie ein „Erinnerungszeichen an die wichtigste Begebenheit von lokalgeschichtli- cher Bedeutung, die erfolgreiche Verteidigung des Schloßberges durch Ingenieurma- jor Hackher“ zu schaffen.11 Die auf die Person Hackhers fokussierte Widmung des Denkmals wurde auf die Erinnerung an alle Verteidiger des Schloßberges ausgeweitet, damit „alle Bewohner der Stadt geehrt werden, die mittelbar und unmittelbar Major Hackher bei seiner mit seltenem humanen Sinne für die Stadt gepaarten treuen Pflicht- erfüllung unterstützt haben“12, wofür die symbolische Gestalt eines Löwen gewählt wurde. Sowohl durch die Gestalt als auch durch die Ausrichtung der Figur wurden wesentliche, über das konkrete Ereignis hinausgehende Konnotationen vorgenommen.

Eine Löwengestalt erinnert auch in Wien an die 1809 stattgefundene Schlacht von As- pern, doch anders als bei diesem, das wie bei Kriegerdenkmälern der Monarchie üblich ein im Tode hingestrecktes Tier zeigt, entwarf der Bildhauer Otto Jarl für Graz einen zum Angriff gegen Nordwesten, also Frankreich, sprungbereiten Löwen, auch wenn aus dieser Himmelsrichtung keine Angriffe der Franzosen erfolgt waren.13

Durch diese Lenkung des Blickes wird das historische Geschehen in eine allge- mein gültige, auch für nachfolgende Generationen dechiffrierbare Symbolsprache übersetzt. Während eine historisch korrekte Ausrichtung der Löwenfigur nur von Be- teiligten oder Wissenden mit dem Ereignis in Zusammenhang gebracht werden könn- te, ist nun das Grundnarrativ der tapferen und wehrhaften Haltung gegen Angreifer aus dem Nordwesten lesbar, auch ohne den genauen Verlauf der militärischen Hand- lungen zu kennen. Der Blick des Löwen markiert und vergegenwärtigt jeder Genera- tion an Betrachterinnen und Betrachtern das damalige Feindbild.14

Wenngleich in der Öffentlichkeit und in politischen Ausschüssen mehrheitlich das lokalpatriotische Gemeininteresse an dem Denkmal unterstrichen wurde, gab es auch Kritik. Die Wahl einer Löwengestalt wurde nicht von allen Grazerinnen und Grazern begrüßt und auch vom Verein der bildenden Künstler Steiermarks als nicht glücklich und ebenso wenig originell bezeichnet.15 Auch die Mitfinanzierung durch die öffentliche Hand wurde nicht durchwegs positiv bewertet. Im Zuge der politischen Diskussion um die Errichtung und Finanzierung wurde im Gegensatz zur vorherr- schenden Heldenerinnerung auch das Augenmerk auf das Moment der Niederlage gelenkt. Der spätere sozialdemokratische Grazer Bürgermeister Vinzenz Muchitsch zweifelte in der Gemeinderatssitzung vom 31. Mai 1909 an der Zweckmäßigkeit einer finanziellen Unterstützung durch die Gemeinde-Sparkasse und stellte die Frage, „ob die Errichtung dieses Denkmales auch eine wohltätige oder gemeinnützige Institution ist“16, da er die Motive dahinter nicht auf ein kollektives (lokalpatriotisches) Erinne- rungsbedürfnis, sondern auf den Patriotismus einzelner Grazer Persönlichkeiten zu- rückführte. In der darauffolgenden Debatte kristallisierten sich zwei unterschiedliche Argumentationslinien heraus, die auf der einen Seite vom Blick auf die Vergangenheit und auf der anderen Seite vom Blick auf die Zukunft gelenkt waren. Muchitschs Vor- schlag, das veranschlagte Geld in die Errichtung von Schülerhorten zu investieren, traf auf Zuspruch von Gemeinderat Jodlbauer, der dafür eintrat, an die Zukunft (der

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Kinder) zu denken, statt die „Verherrlichung längst vergangener Zeiten“ zu betreiben, die er zudem als Zeit „ziemlicher Erniedrigung“ bezeichnete (wie er auch vom Löwen als einer „traurigen Katze“ sprach).17

Der Formulierung „Zeiten der Erniedrigung“, die eine perspektivische Verschie- bung von der Verteidigung auf die Zerstörung vollzog, wurde von der Gegenseite (wie schon in der Publikation von Josef Scheiger) mit dem Verweis auf die Genialität des Feldherrn und den Wunsch, den gefallenen Kriegern ein ehrendes Andenken zu bewahren, entgegnet, nach dem Prinzip: Ein herausragender Gegner adelt auch den Unterlegenen. Auch das realisierte Denkmal setzt schließlich die Verteidigung mit der Stärke des Gegners in Relation, indem der Inschrift hinzugefügt wurde, dass Hackher den Schloßberg „gegen französische Übermacht“ verteidigte, wodurch die Leistung zusätzlich überhöht und festgeschrieben wird. Ohne die Einordnung der Ereignisse in die historischen Gesamtzusammenhänge, die diese zu einer nebensächlichen Episode in den Napoleonischen Kriegen werden ließe, wird die Verteidigung des Schloßberges zu einem Mythos verklärt, der ihrer geopolitischen Bedeutung in keiner Weise und auch der lokalen Perspektive nur bedingt entspricht.18

Die Vorbildwirkung, die das Denkmal auf die Grazer Bevölkerung und die fol- genden Generationen haben sollte, drückte Landeshauptmann Graf Attems bei der Einweihungsfeier in Richtung des Ehrengastes Erzherzog Friedrich aus:

„Die Erinnerung an diesen Erfolg soll in der Bevölkerung wach erhalten blei- ben, das Monument, vor dem wir stehen, fortwährend Kunde geben von dem kriegerischen Ereignisse, dessen Mittelpunkt vor hundert Jahren der Grazer Schloßberg war, aber auch Zeugnis geben von dem dankbaren und bewundern- den Gedenken der Bevölkerung an den heldenmütigen Verteidiger dieses Plat- zes, seinen unbeugsamen Kommandanten. Es soll aber auch das gegenwärtige, sowie die kommenden Geschlechter stets erinnern, sich treu zu scharen um ihren angestammten Kaiser und gleich ihren Vorfahren in Zeit der Not mit Gut und Blut einzutreten für Kaiser und Vaterland.“19

Das Denkmal ist Erinnerung an ein spezifisches historisches Ereignis und auf zweifa- che Weise Zeugnis einer als vorbildhaft tradierten Haltung, die die Zeiten überdauern soll. Zum einen soll es die Treue und den Heldenmut bezeugen, die bei der histo- rischen Schloßberg-Verteidigung gezeigt wurden, und zum anderen verewigt es die Gedenkhaltung der Dankbarkeit und Wertschätzung selbst.

Auch der k. u. k. Hauptmann des Infanterie-Regiments Nr. 2 Richard Sallinger, der auf Anregung des Historischen Vereines für Steiermark die Festschrift anlässlich der Enthüllung des Hackher-Denkmals 1909 verfasste, unterstreicht in seinem fast märchenhaft formulierten Vorwort („Edelsinn der Frauen“!) den Wunsch der Vorbild- wirkung für nachfolgende Generationen:

„Und nun mag die bescheidene Arbeit eines Truppenoffiziers hinausgehen in die Öffentlichkeit zu Nutz und Frommen der Nachkommen jener harten Zeit, in der keine Bedrückung des Feindes imstande war, die Bevölkerung in ihrer

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Treue für Kaiser und Vaterland wankend zu machen; Heldenmut der Soldaten, Bürgertugend der Grazer und Edelsinn ihrer Frauen, sie woben sich zusammen zu einem herrlichen Ganzen, das vorbildlich bleiben möge bis in die fernsten Zeiten.“20

Sallinger konzentrierte sich auf die minutiöse Darstellung der Verteidigung des Schloßberges und die Schleifung der Festung wird zu einem Appendix der Ereignisse, der zwar in einem Zusammenhang mit dem vorangestellten Geschehen steht, aber der Leistung keinen Abbruch tut. Je nach Perspektive auf die Verteidigung oder die Schleifung ist der Schloßberg einmal Schauplatz einer Heldentat und ein andermal verkörpert er die Begegnung der Stadt mit dem Weltgeist, als Graz den „ehernen Tritt der Zeit“ zu spüren bekommen und diesem standgehalten habe.21

Auch die Veranstaltungen, die bei dem Hackher-Denkmal stattfanden, führen beide Erinnerungsmotive fort: das Gedenken an das historische Ereignis sowie die Ehrung und Spiegelung der heroischen, patriotischen Haltung. Bei den Veranstaltern handelte es sich vorwiegend um Verbände aus dem militärischen Umfeld, beispielsweise die Angehörigen der Genie-, Pionier- und Sappeurtruppen, die über Jahre zu Allerheiligen im Gedenken an ihre toten Kameraden einen Kranz bei dem Denkmal niederlegten,22 oder der Steirische Artilleriebund, der 1933 – anlässlich der Feier zum Ehrentag der großen Artillerieschlacht auf Pavarone und Folgaria am 15. Mai 1916 – vor dem Hack- her-Denkmal einen Vortrag über die Schloßbergverteidigung zur „Pflege des vater- ländischen Gedankens“ organisierte,23 oder auch der Kameradschaftsbund ehemaliger 27er, der dort im selben Jahr zum selben Thema einen Vortrag veranstaltete.24

Bis in die Gegenwart sind es meist patriotische, das Ereignis und die Geisteshal- tung von damals beschwörende Veranstaltungen, die bei dem Hackher-Denkmal statt- finden, wenngleich es in den letzten Jahrzehnten auch zum Ziel subversiver künstleri- scher oder linksaktivistischer Aktionen wurde, die eine Brechung der unhinterfragten Spiegelung des Ereignisses wie der Gedenkhaltung oder generell eine öffentliche Ir- ritation verfolgen. Eine insbesondere aufgrund ihrer umstrittenen Ideologie öffent- lichkeits- und medienwirksame Vereinnahmung sowohl des Ortes wie des Erinnerns fand 2016 durch die Identitäre Bewegung Österreich statt. Sie veranstaltete am 1. Juli 2017 einen „Ehrenzug“ zum Gedenken an den „Verteidiger der Stadt Graz“.25 Im Vor- feld wurde in einer von oppositionellen Organisationen als antifaschistische Heldentat propagierten Aktion der Löwe mit rosa Farbe überschüttet.26 Die Identitären wie auch die vom DÖW als rechtsextrem eingestufte Linzer Zeitschrift Info-Direkt27 verurteil- ten die Aktion als Schändung des Denkmals und der Person Hackhers, „von dessen einwandfreiem Charakter und dessen Tapferkeit auch heute noch gesprochen wird“, sowie als bewusste Sabotage des patriotischen Gedenkens.28 Die Schüttaktion hatte bewirkt, dass die symbolische Repräsentation des Denkmals aus der ewigen Zeugen- schaft in das Hier und Jetzt transformiert wurde und seine Bedeutung auf das kon- krete Ereignis, das im gesellschaftspolitischen Kontext der Gegenwart vor Ort von- statten gehen sollte, aktualisiert wurde. Die Reaktion der Identitären zielte wiederum auf eine Rückbindung an den rituellen Erinnerungsraum, der seine Legitimation aus vergangenen Haltungen und Handlungen bezieht, sodass sie die Aktion nicht gegen

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sich selbst, sondern die Person Hackhers gerichtet interpretierten. Darin zeigt sich die konservative Vorstellung, dass ein Erinnerungsraum eine alle Zeiten überdauernde und unabhängig von Menschen gültige Bedeutung hat.

Manifestationen des (steirischen) Deutschtums

Die Errichtung des Hackher-Denkmals wurde von „vaterländischen Gedanken“ ge- leitet, doch wurde das Vaterland in der Debatte nicht per se mit dem deutschen Be- völkerungsanteil gleichgesetzt, wie es seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Graz – das daran arbeitete, die „deutscheste Stadt der Monarchie“ zu werden – in der hegemonialen Öffentlichkeit durchaus üblich war.29 Nachdem jedoch der Verein der bildenden Künstler Steiermarks die Forderung vorgebracht hatte, dass gerade für solch ein „lokalpatriotisches“ Vorhaben die Aufgabe der Ausgestaltung des Denkmals in der Verantwortung eines steirischen Künstlers, und nicht, wie vom Komitee beauf- tragt, des schwedischen und in Wien tätigen Otto Jarl liegen dürfe,30 fasste der Ge- meinderat den Beschluss, für städtische Ausschreibungen zukünftig nur noch Bewer- ber „deutscher Nationalität“ zuzulassen.31 „Steirisch“ wurde demnach mit „deutsch“

gleichgesetzt, was sowohl aus der nationalen Herkunft als auch der gesprochenen Sprache der Bevölkerung abgeleitet wurde, und nicht zuletzt auch auf den Ausschluss der slowenischstämmigen beziehungsweise -sprachigen Steirerinnen und Steirer ziel- te. Im Zusammenhang mit dem Schloßberg zum Tragen kam der Beschluss, als 1925 die Schaffung eines Rosegger-Denkmals auf einem Felsvorsprung zwischen Uhrturm und Tiefem Brunnen („Türkenbrunnen“) ausgeschrieben wurde. Rosegger wurde als

„deutscher Dichter, Philosoph und Volksmann“ bezeichnet und die Teilnahme war auf

„in Steiermark lebende bzw. in Steiermark geborene oder Steiermark heimatberech- tigte deutsche Künstler beschränkt“.32

Schon bei der Anbringung der Gedenktafel am Glockenturm durch die Grazer Handels- und Gewerbekammer am 5. September 1911, die an den Kauf und damit die Rettung des Glockenturmes vor der Zerstörung durch die Grazer Kaufmannschaft er- innern soll, kam die Verbindung des Heimatgedankens mit einer tendenziell deutsch- patriotischen Haltung zum Ausdruck, indem diese im Zuge der Tagung des Gesamt- vereines der Deutschen Geschichts- und Altertumsvereine stattgefunden hatte.33 Der Gesamtverein, dem auch der Historische Verein für die Steiermark angehörte, war 1852 zeitgleich in Dresden und Mainz gegründet worden und hatte sich die Erfor- schung und Erhaltung deutscher Altertümer unter anderem durch die Errichtung von deutschen Nationalmuseen zur Aufgabe gemacht. Dieses Anliegen war beispielsweise in Graz 1908 von dem der österreichischen Volkskunde und Kulturgeschichte gewid- meten Verein Deutsche Heimat in Form eines Ansuchens zur Förderung eines Deut- schösterreichischen Nationalmuseums in die Stadtgemeinde eingebracht worden,34 neben dem in Graz bereits 1811 von Erzherzog Johann gestifteten „Innerösterreichi- schen Nationalmuseum Joanneum“. Das historische Ereignis des Turmkaufes, die An- bringung der Tafel und die Aktivitäten des Gesamtvereines wurden bei der Feier in ein allen zugrundeliegendes Motiv der Heimatverbundenheit gestellt, das darauf zielte,

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„auch die breiteren Volksschichten mit der Geschichte unseres Volkes und unseres Landes vertraut zu machen“, um schließlich aus der Achtung für die Heimat heraus die Gegenwart im Maßstab der Vergangenheit besser überblicken und überprüfen zu können.35

Ganz im Zeichen deutschnationaler Ideologie stand der Schloßberg wiederholt bei Veranstaltungen des Vereines Südmark. 1891 hatte sogar die Stadt den Berg (wie auch das Rathaus) aus Anlass der mit einem Fest begangenen Jahresversammlung des Ver- eines beflaggt, was in dem katholischen Grazer Volksblatt ironisch hinterfragt worden war:

„Was gerade die Stadtgemeinde an der ‚Südmark‘ sosehr interessiert, das wer- den die Herren im Rathause wohl wissen. Wahrscheinlich handelt es sich für sie um ein Stück Rettung des Deutschthums, das von einigen Winzern gefähr- det erscheint.“36

Der Verein organisierte mit Unterstützung der Stadtgemeinde auf dem Schloßberg große öffentliche Veranstaltungen wie einen „Reichsdeutschen Abend“37 oder Sonn- wendfeiern, die über die „völkischen Vereine“ hinausgehend als „nationale Kundge- bung der gesamten deutschgesinnten Bevölkerung unserer Stadt“ angelegt waren.38 Für das Familienfest, das die Bezirksortsgruppe Geidorf des Vereins Südmark im März 1911 in der Schloßberg-Gastwirtschaft feierte, übernahm die Stadtgemeinde die Beflaggung und den Baumschmuck aus schwarz-rot-goldenen Draperien.39

Der Verein Südmark war es auch, der schon 1919 die Absicht verfolgte, am Schloß- berg (an der Stallbastei bei der Pergola) ein „Denkzeichen zur Erinnerung an ver- lorenes deutsches Land“ anzubringen.40 Umgesetzt wurde ein Denkmal, das an die Untersteiermark erinnert, jedoch erst Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg und von einer anderen Organisation, der österreichischen Landsmannschaft der Deutsch-Un- tersteirer. Diese stellte im Dezember 1968 ein Bauansuchen für die Errichtung einer Gedächtnisstätte auf der Kanonenbastei, das schon wenige Monate später bewilligt wurde.41 Die Entwürfe des Künstlers Erwin Huber – ein Turm aus Quadersteinen mit einem innenliegenden Totengedenkbuch, ein Relief und eine Gedenktafel an das Marburger Hausregiment Nr. 47 und das Cillier Hausregiment Nr. 87 – waren bereits mit dem Landeskonservator für Steiermark abgestimmt. Lediglich die ursprünglich geplante Totengedenkleuchte in Form einer Leuchtstoffröhre hinter Kathedralglas in einem bronzenen Rahmen musste abgeändert werden.42 Am 28. Juni 1970 wurde die mit Blick auf die ehemalige Untersteiermark ausgerichtete Gedenkstätte in einem offi- ziellen Festakt unter Ansprachen des Bundesrates Otto Hofmann-Wellenhof, des stei- ermärkischen Landtagspräsidenten Hanns Koren, des Grazer Bürgermeisters Gustav Scherbaum und des Obmannes des Vereines Südmark Heinz Brunner enthüllt. Das Relief mit der Aufschrift „Untersteiermark, unvergessene Heimat“ zeigt eine in ihrer Darstellung entwurzelt, obdach- und schutzlos wirkende, aneinander Halt suchende Menschengruppe, die von den als Pettau, Cilli, Marburg und Rann bezeichneten Städ- tebildern umgeben ist und auf diese zurückblickt.

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Die Inschriften bestehen lediglich aus dem deutschen Namen der Städte, die slowe- nischen Bezeichnungen Ptuj, Celje, Maribor und Brežice werden nicht angeführt. Es verweist auf die Jahreszahl 1945, wodurch mehrere historische Erzählstränge zu einer linearen Erinnerungsspur des Verlustes der Untersteiermark zusammengeführt wer- den. Das Hauptaugenmerk liegt bei dem Relief und dem Totengedenkbuch auf den Opfern der Enteignung und Vertreibung „Deutscher“ nach dem Zweiten Weltkrieg, während eine ergänzende Gedenktafel der Hausregimenter auch auf die Gefallenen des Ersten Weltkrieges verweist. Durch die ausbleibende Differenzierung des Falles der Untersteiermark an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen nach dem Ersten Weltkrieg auf der einen Seite und der Besetzung und „Germanisierung“ der Untersteiermark durch die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg mit den darauf- folgenden Beschlüssen des „Antifaschistischen Rats der Nationalen Befreiung Jugos- lawiens“ (AVNOJ) durch das damalige Jugoslawien auf der anderen Seite wird die Er- innerung an die Enteignung und Vertreibung einer vermeintlich über die Jahrhunderte homogenen Einheit der „Deutsch-Untersteirer“ aus den ehemals untersteirischen Ge- bieten konstruiert. Überregional verursachte die Gedenkstätte diplomatische Verstim- mungen, da Jugoslawien darin eine tendenziös antislowenische Erinnerungshaltung sah.43

Nur ein Jahr nach der Errichtung der Gedächtnisstätte der Deutsch-Untersteirer entstand auf der Kanonenbastei ein weiteres Denkmal, das einen bewusst spannungs- vollen Gegenpol zu diesem bildet. Die Stadtgemeinde beauftragte in Persona von Stadträtin Anna Puschnik den Künstler Alois Schönauer mit der Ausführung eines Mosaiks der „Städtefreundschaft und Völkerfreundschaft“ auf einer Gebäudemauer neben dem Eingangstor in die Bastei.

Abb. 2: Relief der Gedenkstätte für die „Deutsch-Untersteirer“ (Foto: Martina Zerovnik, 2019).

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Das Kunstwerk wirkt räumlich wie symbolisch wie ein Gegengewicht zur umstritte- nen Gedenkhaltung der Gedächtnisstätte. In einem Aktenvermerk des Amtes für Kultur, Sport und Fremdenverkehr vom September 1971 wird dieser Zusammenhang auch direkt erwähnt. „Dieses Mosaik soll rechts von der Einfahrt zur Kanonenbastei bzw. zur Ge- denkstätte der Deutsch-Untersteirer gestaltet werden“, wird die Lage des Kunstwerks be- schrieben, wodurch das gesamte Basteiareal von der Untersteiermark-Gedenkstätte be- herrscht zu sein scheint. An anderer Stelle wird auch eine formale Klammer hergestellt:

„Das Mosaik müsste auch einen grauen Zementmörtelputz erhalten (in der gleichen Art wie beim Gebäude, an dem die Tafel für das Untersteirer Denkmal sich befindet)“, lautet ein Vorschlag für die Einpassung des Mosaiks in den Gebäudeuntergrund.44

Ein weiteres, in seinem Zusammenhang mit dem Schloßberg befremdlich erschei- nendes Denkmal, das einer historischen Beziehung der „deutschen“ zur „sloweni- Abb. 3: Mosaik der Städtefreundschaft und Völkerfreundschaft (Foto: Martina Zerovnik, 2019).

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schen“ Bevölkerung gewidmet ist, findet sich auf dem Areal vor der Kanonenbastei.

Dort wurde 1980 von der Kärntner Landsmannschaft in Graz ein Gedenkstein an den

„Kärntner Abwehrkampf“ errichtet. Der Antrag im Gemeinderat vom Februar 1980 war zunächst aufgrund der Größe und des geplanten Standortes auf der freien Flä- che des Restaurantgartens vor der Bastei, in Nähe zu den bereits bestehenden Denk- mälern, wegen einer Häufung von Gedenkstätten im Erholungsgebiet abgelehnt und der Landsmannschaft der Vorschlag unterbreitet worden, eine Tafel am Felsensteig auf der Westseite des Schloßberges anzubringen.45 Schließlich wurde der Standort verlagert, jedoch nur so weit, dass die im Mai genehmigte Aufstellung am selben Plateau, aber auf der schmalen Grünfläche im Winkel der Zufahrtsstraße erfolgte.

Die Inschrift – „Zum Gedenken an den Kärntner Abwehrkampf 1918–1920 und die Volksabstimmung am 10.10.1920“ – enthält keinen Hinweis, in welcher Verbindung der Gedenkstein mit dem Schloßberg steht und in welchem Zusammenhang dieser hier aufgestellt wurde. Die ursprünglich geplante, aber letztlich nicht ausgeführte Zei- le „Kärnten frei und ungeteilt“ hätte die zumindest symbolische Verbindung mit der Gedenkstätte der Deutsch-Untersteirer hergestellt, allerdings wäre es hier die Erinne- rung an einen positiv empfundenen Ausgang der Geschichte beziehungsweise einen abgewendeten Verlust gewesen.

Am Fuße der Kanonenbastei findet sich ein weiterer deutschnationaler Bezug.

Eine Stele mit dem Kopf Hans Kloepfers erinnert an den Arzt und Schriftsteller aus Köflach, der Mitglied des Südmark-Vereins war, schon während der Verbotszeit in den 1930er-Jahren Anhänger des Nationalsozialismus war, für einen „Anschluss“

Österreichs an das Deutsche Reich plädierte und 1942 zum Ehrenbürger der Stadt Graz ernannt wurde.46 In einer breiteren Öffentlichkeit fanden kritische Auseinan- dersetzungen mit dem Denkmal erst am Rande des steirischen herbst 1988 statt, als verschiedene Ausstellungen und Installationen unter dem Titel „Bezugspunkte 38/88“

das künstlerische Gedenken und Mahnen an die nationalsozialistische Vergangen- heit in den öffentlichen Raum rückten, wobei auch der Schloßberg eine zentrale Rol- le spielte.47 Beim steirischen herbst 2019 wurde die Büste konkret zum Gegenstand künstlerischer Erinnerungspraxis. Im Zuge einer Performance trat Thomas Geiger mit Kloepfer in ein „Gespräch“, um unter anderem dessen umstrittene Haltung zum Nationalsozialismus zu debattieren. Die Kunstaktion hinterfragte immanent auch die Erinnerungsfunktion von Denkmälern: „Diese Serie beruht auf der Annahme, dass Büsten mehr sind als kalte, seelenlose Brocken aus Bronze, Holz oder Stein – nämlich potenzielle Gesprächspartner, deren Leben und Ansichten auch in unserer Gegenwart noch Wirkung entfalten können.“48 In diesem Gedankengang haben die Denkmäler gewissermaßen eine mnemotechnische Ausstrahlung, fungieren als schweigende Kommunikatoren, die einen Impuls senden, der die Anschauenden dazu provoziert, eine Position einzunehmen, im Falle der Performance eine „Gegenposition“, wie der Titel verlautete. Ein halbes Jahr zuvor hatte am 14. Februar 2019 die Grazer Fraktion der neos eine Anfrage an Bürgermeister Siegfried Nagl gerichtet, in der sie die Kon- textualisierung der Ehrenbürgerschaft Klöpfers, der nach ihm benannten Straße und des Denkmals am Schloßberg forderte.49 Tatsächlich trägt das Klöpfer-Denkmal bis heute keinerlei Erläuterung.

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Die Inschrift gibt lediglich seine Le- bensdaten und das Jahr der Errichtung durch die Stadt, 1978, wieder.

Aneignungen der Arbeiterschaft Die Funktion des Machtzentrums und die militärische Nutzung scheinen eine tendenziell militärische und politisch wie gesellschaftlich traditionelle, kon- servative bis reaktionäre oder auch au- toritäre Haltung der Erinnerungspraxis am Schloßberg zu bedingen. Daraus resultiert aber auch eine besondere Auf- merksamkeit aus liberalen, kritischen oder generell oppositionellen Positionen heraus, wie beispielsweise der Kunst oder auch aus politischen Lagern wie der Sozialdemokratie. So wird aus der oben geschilderten im Vorfeld der Errichtung des Hackher-Denkmals geführten De- batte im Grazer Gemeinderat 1909 deut- lich, dass einzelne sozialdemokratische Politiker der damit verbundenen Ge- denk- und Erinnerungskultur beziehungsweise den hinter diesen stehenden Akteuren ablehnend gegenüberstanden.

Der Schloßberg hatte offenbar für Arbeiterinnen und Arbeiter eine andere Bedeu- tung beziehungsweise wurde von diesen anders wahrgenommen als von Stadtbewoh- nerinnen und Stadtbewohnern aus dem adeligen oder bürgerlichen Milieu. So wurde die Wanderung von 3.000 Arbeiterinnen und Arbeitern unter dem Gesang des Mailie- des, des Märzsturmes und „Wer ist frei?“ anlässlich der Maifeier des Jahres 1911 auf den Schloßberg vom Grazer Arbeiterwille gleich dem Betreten eines fremden Terrains kommentiert: „Unser Schloßberg, der an Werktagen nur von der Bourgeoisie besucht wird, hatte gestern außerordentlichen Besuch.“50

Ein besonderes Ereignis bildete 1927 die Feier des Arbeitersportvereines ASKÖ, die mit einem Festzug von den Fabriken an die Luft und in den „Glanz der Sonne“, also von der Stadt auf den Schloßberg begangen wurde, was auch als symbolische Inbesitznahme des „bürgerlichen“ Schloßberges durch die sozialdemokratische Stadt- politik interpretiert werden kann. In einem darüber verfassten Bericht des Arbeiter- willen findet sich eine bemerkenswerte Aneignung und Umdeutung des historischen Narrativs um die Auseinandersetzung der Stadt mit den Franzosen. Wie schon in der Gemeinderatsdebatte wird der Blick von der Vergangenheit auf die Zukunft gerichtet und darüber hinaus eine wesentliche symbolische Bedeutungsverschiebung vorge- Abb. 4: Unkommentierte Büste Hans

Kloepfers (Foto: Martina Zerovnik, 2019).

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nommen. Die Arbeiterschaft wird der Seite der Franzosen, also des letztlich sieghaf- ten Gegners, zugeschlagen. Der Augenblick, als die Arbeitermarseillaise am Schloß- berg erklingt, wird durch die Rückbindung an das Weltereignis von damals zu einem für die Grazer Arbeiterschaft historischen Moment stilisiert:

„Das ist ja die Weise, bei der die napoleonischen Soldaten damals die Festung, seine Krone, gestürmt haben, bei deren Töne der Major Hackher, sein Verteidi- ger, gefallen ist.51 Und jetzt ertönt dieselbe Weise im silbernen Glockenspiel der Kinderkehlen, mutig, fröhlich, zukunftsahnend […]. Es sind dieselben Töne, es ist aber eine andere Weise, sie singt nicht mehr von wütendem Waffengeklirr, von blutigem Kriege, vom Hasse gegen den Fremden, gegen den Feind, sie ist der Gesang der Zukunft, eines besseren Loses, einer besseren Menschheit ge- worden.

Jetzt singen es gläubige Kinderkehlen der sicheren besseren Zukunft entgegen.

Berge und Tote sind weise. Der Schloßberg und sein Major Hackher werden den Sinn der alten Melodie, der über ihren Staub und welken Laubschichten gewachsen ist, verstehen.“52

Die Bemerkung „Berge und Tote sind weise“ erzeugt den Eindruck einer gewissen Milde, die aus der Zukunftsgerichtetheit und dem Fortgang der Geschichte zum Bes- seren erwächst. Der Gesang wird nicht kämpferisch gegen die vergangene Haltung gesetzt, er gibt den vergangenen Ereignissen vielmehr Sinn und dem personalisierten Schloßberg und Major Hackher werden Verständnis für die Wendung der Geschichte in eine bessere Zukunft zugeschrieben. Die sozialdemokratische Gesellschaftsreform wird mit der Französischen Revolution genealogisch in Beziehung gesetzt.

Wie bei kaum einem Ereignis griffen bei der 800-Jahr-Feier, die von der Stadt 1928 begangen wurde, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinander. Die Fei- erlichkeiten sollten weniger an die heroische Geschichte erinnern, als vielmehr den Wandel der Stadt in die Gegenwart und die gegenwärtigen (sozialdemokratischen) Bemühungen um eine bessere Zukunft in den Mittelpunkt stellen. „Sind es auch 800 Jahre, die über das historische Graz hinweggegangen sind, und erinnert vieles aus diesem alten Graz an vergangene glückliche und schwere Zeiten, so ist die Stadt gera- de unter dem Einflusse der modernen Entwicklung nicht nur gewachsen, sie hat sich auch verjüngt und ihren Ruf als einer schönen und gesunden Stadt zu erhalten und zu festigen gewußt“, lautete es in Vinzenz Muchitschs Geleitwort53 zur Jubiläumsaus- stellung, deren Rundgang mit dem neuen Stadtbauplan endete. Gegenüber der topog- rafischen Darstellung, der Präsentation der Stadtplanung sowie der sozialen Leistun- gen und technischen Einrichtungen der Stadt nimmt die Geschichtserzählung einen unverhältnismäßig kleinen Teil ein. Der Fortschrittsgedanke kam nicht zuletzt in der inszenierten Beleuchtung städtischer beziehungsweise historischer Schlüsselgebäude zum Ausdruck. Neben dem Rathaus, dem Landhaus oder dem Brunnen im Stadtpark erstrahlten am Schloßberg der Uhrturm, der Glockenturm und die Kanonenbastei in dem modernen Lichte „tausender elektrischer Birnen“54.

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Die weithin sichtbare, über die Stadt ausstrahlende Lichtinszenierung umhüllte die historischen Gebäude mit einer zeitgenössischen Formensprache und rückte diese in den Kontext der städtischen Errungenschaften der Gegenwart.

Auch zu einem anderen Anlass gingen die historisch-repräsentative Funktion des Schloßberges und seine visuelle Signalwirkung als städtische Erhebung ineinander über. Vom 14. bis 17. Juli 1955 veranstaltete der Arbeiterbund für Sport- und Körper- kultur in Österreich (ASKÖ) sein Bundesfest in Graz. Der Schloßberg sollte schon einige Tage im Vorfeld ein weithin sichtbares Signal der Arbeiterschaft bilden. In Blickrichtung auf den Hauptplatz ausgerichtet, wurde auf der Kanonenbastei eine Neonlichtreklame bestehend aus den roten Leuchtbuchstaben ASKÖ mit einer Ge- samtlänge von 72 Metern installiert.55 Der Antrag auf Bewilligung war im Denkmal- amt zunächst auf Ablehnung gestoßen, da dieses in der „Propagandatafel eine sehr wesentliche Störung der Gesamterscheinung des Schloßberges“ sah und verhindern wollte, dass der Schloßberg in Zukunft auch anderen, ähnlichen Reklamezwecken diente, auch wenn es einer temporären Aufstellung zustimmte.56 Der Denkmalschutz vertrat (und vertritt) allgemein eine stark konservierende beziehungsweise konser- vative Haltung, wenn es um die Gebäude am Schloßberg und auch die Ansicht des Schloßberges von der Stadt aus ging (beziehungsweise geht). Der Schloßberg an sich wird demnach als Denkmal aufgefasst.

1970 errichtete die Stadt auf dem Schloßberg auch eine Büste für einen sozialde- mokratischen Ehrenbürger, Dr. Karl Renner. Sie befindet sich vergleichsweise wenig prominent im südlichen Winkel der Bürgerbastei.

Abb. 5: Festbeleuchtung zur 800-Jahr-Feier der Stadt Graz, 1928 (Quelle: GrazMuseum).

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Triumph der Natur über den Krieg

Das erste Denkmal, das auf dem Grazer Schloßberg errichtet worden war, war das 1859 eingeweihte Bronzestandbild des Ludwig Freiherr von Welden, nach dessen Plä- nen der Schloßberg in eine Garten- und Parkanlage umgestaltet worden war. Schon nach Weldens Tod 1853 hatte sich im August auf Initiative von Georg Koch und Hyacinth von Schulheim ein Komitee gegründet und einen Aufruf zur Schaffung ei-

Abb. 6: Ludwig Freiherr von Welden-Denkmal (Foto: Martina Zerovnik, 2019).

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nes Denkmals veröffentlicht. Darin wurde das Motiv der Erinnerung an die Person Weldens als Dankbarkeit und Pflicht beschrieben: „Wenn auch die Weltgeschichte es übernimmt, für solche Männer das bleibendste Denkmal zu bauen, so trägt doch die Gegenwart eine heilige Schuld ab, indem sie den tiefgefühlten Dank für die Wohltha- ten ausspricht, die ihr zunächst geworden sind.“57 Das Ergebnis sollte ein „sichtliches und würdiges Zeichen unseres tiefstinnigen Dankes“ werden. Obwohl der Dank des Komitees auf Weldens „schönsten Garten in Mitte unserer Hauptstadt“ gerichtet war, erhielt das Denkmal einen militärischen Zug. Neben den Wappen der Stadt Graz und dem Wappen Weldens zeigt der Sockel auch ein Relief der Fortuna und der Bellona als Allegorien des siegreichen Österreich und des Wiederaufbaues nach dem Krieg.58 Vor allem jedoch formte der Bildhauer Hans Gasser, der in einem Nachruf von Schulheims als „deutschestes aller deutschen Herzen“59 bezeichnet wurde, die Gestalt Weldens als Feldherr in Generals-Uniform mit Säbel. Lediglich hinter seinem rechten Bein, gleich- sam als Stütze, ragen die Blüten einer Pflanze hervor.

Ein kritischer Kommentar in einem 1863 in der Grazer Tagespost erschienenen Beitrag über Monumente in der Steiermark brachte es auf den Punkt: „Die Statue selbst, den Freund der Natur in voller Uniform darstellend – ließe eher auf die mili- tärischen Verdienste schließen, denen zu Ehren das Monument errichtet wäre.“60 Die Teilnahme an der feierlichen Enthüllung des Monuments für den „hohen Verklärten“, wie es das Komitee auf der Einladungskarte formulierte, am 25. Juli 1859 war nur mit Einladung möglich.61

Ein „natürliches“ Monument erhielten hingegen Johannes Kepler (Kepler-Linde, 1903) sowie Rudolf Harter, Gemeinderat, Mitgründer der Freiwilligen Feuerwehr und Förderer der Schloßberganlagen. Letzterem zu Ehren pflanzte der Stadtverschöne- rungsverein Graz im Frühjahr 1908 eine Zierbelkiefer auf der Ostseite des Schloßber- ges, auf dem dieser nur wenige Monate zuvor auf einem seiner regelmäßigen Spazier- gänge gestürzt und in Folge verstorben war.62 In diesem Beispiel stehen Gedenkbaum und Gedenktafel weniger für die Rolle des „wackeren Mitbürgers“63 als für seine Un- ternehmungen und Förderungen (Pergola und Ägyptisches Tor) am Berg.

Ein besonders interessantes Beispiel einer gelenkten Erinnerungskultur sowie des Versuches, die kriegerisch militärische Hegemonie des Gedenkens am Schloßberg zu brechen beziehungsweise in eine neue Formensprache zu bringen, bildet die Errich- tung des Kriegerdenkmals für das k. u. k. Infanterieregiment Nr. 27 anlässlich dessen 250. Gründungsjubiläums. Das am 3. Juli 1932 gegenüber dem Uhrturm mit einem Festakt und einer Ansprache von Landeshauptmann Anton Rintelen eingeweihte Mo- nument war von der sozialdemokratisch dominierten Stadtgemeinde nur unter der Auflage bewilligt worden, unmittelbare militärische oder kriegerische Darstellungen zu unterlassen.64 So schuf der Künstler Wilhelm Gösser eine überlebensgroße Aktfi- gur eines Jünglings, in einer Hand ein Ährenbündel und in der anderen ein Schwert haltend, auf einem Sockel innerhalb eines „gartenarchitektonisch hübsch ausgestalte- ten“ Denkmalkomplexes stehend, wie im Grazer Tagblatt in einer in diesem Kontext eher befremdlichen Wortwahl angekündigt wurde.65 Nach Lokalaugenschein in der Werkstätte Gössers erschien ebendort ein Beitrag, der die Eigentümlichkeit als künst- lerische Innovation beschreibt:

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Abb. 7: Denkmal des k. u. k. Infanterieregiments Nr. 27 (Foto: Martina Zerovnik, 2019).

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„Kein Kriegerdenkmal nach einer der üblichen Schablonen, aber auch kein ab- stoßendes, verzerrtes Produkt entarteter Modernität wird erstehen, sondern die Wucht Jahrhunderte alter Bauten wird etwas Zeitloses, daher nicht dem Wech- sel des Zeitgeschmackes Unterworfenes umgeben. […] ein ebenso einfaches wie einprägsames Sinnbild des Kriegers als Schirmer friedlicher Arbeit. Ganz leicht geneigt ein prächtiger Kopf, im Ausdruck echt germanischer Züge ruhig und freundlich-ernst, und doch mutig-entschlossen.“66

Kein Heldenmythos von Angriff oder Verteidigung, welche in der ausgeführten In- schrift „Furchtlos und treu“ sehr wohl zum Ausdruck kommen, sondern das Motiv des Schutzes charakterisiert die Erinnerungshaltung. Auch dieses Denkmal wurde in einen Mythos des „Deutschen“ eingebunden, der zudem eine physiognomisch-ethni- sche Zuschreibung mit der Kennzeichnung „germanisch“ trägt.

Tatsächlich weckt das heute zumeist von hochwachsenden Blumenrabatten um- rahmte Denkmal mehr Assoziationen an die Garten- und Parkanlage Schloßberg als es das Welden-Denkmal zu tun vermag.

Ausblick: Subversive Tendenzen und neues Gedenken

Das nur ein Jahr nach der Einweihung der Gedenkstätte der Deutsch-Untersteirer 1971 entstandene Mosaik „Städtefreundschaft und Völkerfreundschaft“ markiert eine ge- wisse Zäsur in der Kontinuität hegemonialer militaristischer und deutschnationaler Erinnerungskultur, die in den 1980er-Jahren immer stärker aufbricht. Die allgemein bedeutende Funktion der Kunst in der Erinnerungskultur entwickelte sich zu einer tonangebenden Stimme. Kunst- und Kulturschaffende übernahmen die Rolle der Mah- nerinnen und Mahner. Nicht zuletzt infolge der „Waldheim-Affäre“ wurden die Er- innerungskultur und mit ihr die Denkmäler zu einem öffentlich diskutierten Thema.

Sie hatte den Anstoß zu einer kritischen Hinterfragung der Täter-Opfer-Rolle ins- besondere im Moment des „Anschlusses“ an das nationalsozialistische Deutschland und die eigene Verantwortung an der nationalsozialistischen Herrschaft gegeben. Das Erinnern und Gedenken an Krieg und Gewalttaten erfuhr eine perspektivische Ver- schiebung von Heldengedenken zu einem Gedenken an Opfer, aus Ehrendenkmälern wurden Mahnmale. Ziel war es, das wahrnehmungsarme und interesselose Verhalten der Bevölkerung gegenüber den Denkmälern zu hinterfragen und aufzubrechen, wie es die von Werner Fenz kuratierte Ausstellungsreihe „Bezugspunkte 38/88“ des stei- rischen herbstes 1988 versuchte. Die Kunst trat hierbei in einer Doppelrolle auf. Sie trug Mitverantwortung an der Ausgestaltung und Setzung von Gedächtniszeichen, konnte aber auch eine „naive“ gesellschaftliche Instanz sein, „die willens ist, ihre Schuld, ‚unschuldig‘ das Leben zu dekorieren, einzulösen.“67 Zwei zentrale Inter- ventionen am Schloßberg nahmen zwar nicht Bezug auf ein konkretes historisches Ereignis, arbeiteten jedoch mit der symbolischen Bedeutung und Signalwirkung des Schloßberges für die Stadt. Eine Arbeit von Peter Baren bemächtigte sich des Wäch- ters über die städtische Zeit, des Uhrturms.68 Die Resonanz war unaufgeregt, obwohl

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die Installation auch provokativ zu verstehen war: „Das Wahrzeichen der Stadt Graz hat die Geschichte – Franzosenkriege, Ersten und Zweiten Weltkrieg – unbeschadet überstanden. Wie ein Logo repräsentiert es Graz nach außen hin. Eine künstlerische Intervention an einem solchen Ort kommt einem Sakrileg gleich; andererseits ist es eine der wirksamsten Stellen für Kunst im öffentlichen Raum.“69 Größeres Aufsehen erregte hingegen die Klanginstallation von Bill Fontana, die gegen die Schrecken der Vergangenheit die Schönheit der Gegenwart setzen wollte, indem vor dem Uhrturm positionierte Lautsprecher die „schönsten Klänge, die man heute noch auf der Welt finden kann“ über die Stadt wandern ließen, um diese schließlich mit den Geräuschen des alltäglichen Lebens in Graz zu verbinden.70 Die Mahnrufe der Vergangenheit un- ter dem künstlerischen Deckmantel vermeintlicher Schönheit mussten nach wenigen Tagen aufgrund von Protesten abgebrochen werden.

Die Liste der mnemotechnischen Praktiken und Setzungen am und um den Schloß- berg sowie deren Kritik und Brechung ließe sich um ein Vielfaches erweitern. Im Rahmen des vorliegenden Artikels konnte nur auf einen Bruchteil eingegangen wer- den. Auch wenn sich ein deutlich militaristischer und deutschnationaler Wirkungs- kreis feststellen lässt, umfasst die Erinnerungskultur ein breiteres Spektrum an Moti- ven und nicht zuletzt auch gegenläufige Setzungen oder dezidierte Gegenpositionen, die als Reaktion auf die historische Determination durch die kriegerischen Ereignisse am Schloßberg und die nationalsozialistische Vergangenheit der Stadt zu sehen sind.

Die symbolische Aura des Schloßberges wird durch die Artefakte und die Erinne- rungspraktiken immer wieder neu hergestellt, sodass der Berg gewissermaßen durch die mnemotechnischen Praktiken mit spezifischen Erinnerungsspuren imprägniert wird. Erinnerungskultur arbeitet mit der Konstruktion eines Kontinuums und ist doch einem Wandel unterworfen. Der Erinnerungsraum Schloßberg eröffnet über die Zeit und über Generationen hinweg eine lokale Anknüpfungsmöglichkeit der Lebenssphä- re der einzelnen Grazerin und des einzelnen Grazers an das kollektive Gedächtnis der Stadt: „Nicht nur, daß sie [die Erinnerungsräume, Anm. d. Verf.] die Erinnerung festigen und beglaubigen, indem sie sie lokal im Boden verankern, sie verkörpern auch eine Kontinuität der Dauer, die die vergleichsweise kurzphasige Erinnerung von Individuen, Epochen und auch Kulturen, die in Artefakten konkretisiert ist, über- steigt.“71 Die mnemotechnischen Symbole und Praktiken am und um den Schloßberg provozieren die gegenwärtigen Menschen aber auch dazu, sich selbst zur Geschichte in Beziehung zu setzen und eine Haltung einzunehmen. Eine interessante Koinzidenz dieser Funktion und der symbolischen Repräsentation des Schloßberges als Erinne- rungsraum stellte das Ausstellungsprojekt des Kulturhauptstadtjahres 2003 in den Schloßbergstollen dar, bei dem der Schloßberg als „Berg der Erinnerungen“ auftrat.

Erinnerungskultur ist geprägt durch Hegemonien, Machtmechanismen und Deu- tungshoheiten bestimmter Akteure und Akteurinnen, die darüber entscheiden, wer einen bleibenden sichtbaren Ort im kollektiven Gedächtnis der Stadt erhält. Eine Aus- wertung der (touristischen) Erschließung des Schloßberges mit ihren Leit- und Infor- mationssystemen von der „Ständestaat“-Diktatur bis in die Gegenwart ebenso wie der nationalsozialistischen Pläne für ein „Freilichtmuseum“ am Schloßberg würden weiteren Aufschluss darüber geben, welche Entscheidungsträgerinnen und Entschei-

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dungsträger zu welcher Zeit aus welchen Beweggründen heraus Erinnerungszeichen an welche Ereignisse und Personen hinterlassen haben. Insbesondere eine kritische Erhebung von Straßennamen und Benennungen des öffentlichen Raumes am Schloß- berg würde eine zusätzliche Analyseebene einbeziehen. Schließlich wird im Zuge des breit angelegten Diskurses „Wem gehört der öffentliche Raum?“72 vehement ein gesellschaftspolitisches Bewusstsein dafür eingefordert, welche Erinnerungsspuren – Monumente, aber auch Namen – aus welchen Motiven heraus in den öffentlichen Raum eingeschrieben wurden und werden. Es stellt sich die grundlegende Frage, an welche Personen und Ereignisse überhaupt öffentlich erinnert wird und im Umkehr- schluss auch, wer oder was nicht in das kollektive Gedächtnis aufgenommen wurde.

All dies wäre auch im Fall des Schloßberges eine noch eingehendere und weitaus differenzierendere Untersuchung wert.

Mit Michel Foucault gesprochen, ist der Schloßberg bis heute eine zentrale Gra- zer Heterotopie, ein auf die Gesellschaft wirkender Ort mit übereinandergelagerten Bedeutungen, an dem unterschiedliche Räume nebeneinander bestehen und an dem die Menschen mit ihrer Zeit brechen,73 um wiederum auf ihre eigene Zeit zurück- geworfen zu werden. In den Denkmälern und Gedenkveranstaltungen zeigt sich das heterochrone Moment – der „Modus der Ewigkeit“ – als Bestreben, dem Schloßberg ein vermeintlich kollektives Gedächtnis beziehungsweise eine ideologisch wie formal spezifische Erinnerung einzuschreiben und diese an nachfolgende Generationen wei- terzugeben. Es bleibt den heutigen und den nachfolgenden Generationen überlassen, welche Erinnerungsspuren sie aufgreifen und welche sie neu setzen.

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1 Wenngleich Benjamin seine Überlegungen in erster Linie auf Kunstwerke bezieht, lässt sich sein Aura-Begriff auch auf andere materiel- le oder ideelle Kulturobjekte anwenden. Vgl.

Walter BENJAMIN: Das Kunstwerk im Zeital- ter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in:

Walter BENJAMIN: Drei Studien zur Kunst- soziologie, Frankfurt am Main 1963, 7–63.

2 Peter Rosegger bezeichnete den Schloßberg gar als einen Sockel, auf den eine „steirische Walhalla“ gesetzt werden sollte. Vgl. Ger- hard M. DIENES: „Schlossberge gibt es viele, Schloßberg nur einen“. Über das Grazer Wahr- zeichen, in: Emil BRIX, Ernst BRUCKMÜL- LER, Hannes STEKL: Memoria Austriae II, Bauten, Orte, Regionen, Wien 2005, 142–176.

3 Richard SALLINGER: Graz im Jahre 1809:

Festschrift aus Anlaß der Enthüllung des Hackher-Denkmales auf dem Schloßberge zu Graz, Graz 1909, III.

4 Julius WALLNER: Die Aufzeichnungen des ständischen Kanoniers Anton Sigl über die Grazer Schloßbergbelagerung im Jahre 1809, in: Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark, Jg. 7, Graz 1909, 119–160, hier:

5 Siehe auch Josef PLODER: Platz und Mo-123.

nument: Der Berg in der Stadt, in: Götz PO- CHAT, Brigitte WAGNER (Hgg.): Erzählte Zeit und Gedächtnis. Narrative Strukturen und das Problem der Sinnstiftung im Denk- mal, Graz 2005, 141–153, hier insbes.: 141. Das in dem Beitrag beschriebene Projekt für eine Neugestaltung des Kaiser-Franz-Josef-Kais des Architekten Max Stary ist auch im Kontext der Erinnerungskultur besonders interessant, da es durch eine Neuausrichtung des Lendplat- zes und die Schaffung einer von diesem ausge- henden zum Schloßberg hinführenden Achse mitsamt einer großzügigen Platzgestaltung zu dessen Füßen und einer monumentalen Bebau- ung am Berg dessen Wahrzeichencharakter städtebaulich nicht nur betont, sondern auch bekrönt und gewissermaßen die Funktion der

„Akropolis“ wiederherstellt.

6 In mnemotechnischen Praktiken spielen auch Tiere eine große Rolle. Diese stehen zumeist nicht für das Tier selbst, sondern erfüllen die Funktion eines Symbols oder Sinnbildes für eine Persönlichkeit oder ein bestimmtes Ereig- nis. Auch der „Steinerne Hund“ am Schloßberg erinnert weniger an den pflichterfüllenden Wachhund, für den die Statue errichtet worden

sein soll, als vielmehr an das ehemalige Feind- bild der Ungarn, das durch ihn versinnbildlicht wird.

7 Vgl. Aleida ASSMANN: Erinnerungsräume.

Formen und Wandlungen des kulturellen Ge- dächtnisses. München, 2003, 299.

8 Ebenda, 328.

9 Josef SCHEIGER: Quellen und Beiträge zur Geschichte der Vertheidigung des Schloßber- ges in Graz im Jahre 1809, Graz 1866, 1.

10 Ebenda.

11 Amtsblatt der landesfürstlichen Hauptstadt Graz XIII, Nr. 14, 20. Mai 1909, Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 10.5.1909, 296.

12 Ebenda.

13 Stefan RIESENFELLNER: Todeszeichen.

Zeitgeschichtliche Denkmalkultur am Bei- spiel von Kriegerdenkmälern in Graz und der Steiermark von 1867–1934, in: Stefan RIE- SENFELLNER, Heidemarie UHL (Hgg.): To- deszeichen. Zeitgeschichtliche Denkmalkultur in Graz und in der Steiermark vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Wien/

Köln/Weimar 1994, 1–75, hier: 13f.

14 Vgl. Meinhard BRUNNER: Der Hackher-Lö- we auf dem Schloßberg. Zur Geschichte eines Grazer Denkmals, in: Blätter für Heimatkun- de, Jg. 72, H. 1/2, 11–19; sowie RIESENFELL- NER: Todeszeichen, 13f.

15 Stadtarchiv Graz (StAG), Städt. Ökonomat, Fach 5, 81054/1908, Schreiben des Ausschus- ses des Vereines der bildenden Künstler Stei- ermarks an den Gemeinderat der Landeshaupt- stadt Graz, 10.3.1909.

16 Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 12.5.1909, in: Amtsblatt der landesfürstlichen Hauptstadt Graz, 31.5.1909, 321.

17 Ebenda, 321f.

18 Siehe den Beitrag von Robert Moretti in die- sem Band.

19 Die Enthüllung des Hackher-Denkmals auf dem Schloßberge, in: Grazer Volksblatt, Abendausgabe, 18.10.1909, 2f., hier: 3.

20 SALLINGER: Graz im Jahre 1809, VI.

21 Ebenda, III.

22 Z. B. 1924, 1929, 1930, 1933. Grazer Tagblatt, 29.10.1924, 10. Tagblatt mit der Illlustrierten Monatschrift „Bergland“ 40, Abendausgabe, 3.11.1930, 2. Genie-, Pionier- und Sappeurver- einigung, in: Grazer Tagblatt, 28.10.2019, 22.

23 Grazer Tagblatt, 15.6.1933, 11.

24 Grazer Tagblatt, 24.6.1933, 9.

25 Elisabeth HOLZER: Vor rechter Demo: Geg-

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ner beschmieren Denkmal mit pinkem Lack, in: Kurier, 30.06.2017, online abrufbar un- ter: https://kurier.at/chronik/oesterreich/vor- rechter-demo-gegner-beschmieren-denkmal- mit-pinkem-lack/272.633.289 (abgerufen am 10.12.2019).

26 Andrea RIEGER: Vandalen beschmierten den Hackher-Löwen, in: Kleine Zeitung, 30.6.2017, online abrufbar unter: https://www.

kleinezeitung.at/steiermark/graz/5244033/

Vor-IdentitaerenDemo_Vandalen-beschmier- ten-den-HackherLoewen (abgerufen am 11.12.2019).

27 Siehe Liste rechtsextremer Organisationen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, online abrufbar unter: http://

www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/

rechtsextreme-organisationen/info-direkt (ab- gerufen am 10.12.2019).

28 „Verteidiger von Graz“, Antifa schändet Ma- jor-Hackher-Denkmal in Graz, in: Info-Di- rekt, 30.6.2017, online abrufbar unter: https://

www.info-direkt.eu/2017/06/30/antifa-scha- endet-major-hackher-denkmal-in-graz/ (ab- gerufen am 10.12.2019). Nicht nur mit dem Demonstrationsmarsch zum Denkmal ver- einnahmten die Identitären Hackher. Sie be- nannten auch ihr 2016 in der Schönaugasse eröffnetes und im Juli 2019 nach Gleisdorf übersiedeltes Identitäres Zentrum nach ihm.

29 Vgl. Wolfram DORNIK: Vom abwesenden Imperium in einer peripheren Metropole.

Hegemoniale Diskurse in Graz um 1900, in:

Bernhard BACHINGER, Wolfram DOR- NIK, Stephan LEHNSTAEDT (Hgg.): Öster- reich-Ungarns imperiale Herausforderungen.

Nationalismen und Rivalitäten im Habsburger- reich um 1900, Göttingen 2020, 313–332, hier:

318–323.

30 StAG, Städt. Ökonomat, Fach 5, 81054/1908, Schreiben des Ausschusses des Vereines der bildenden Künstler Steiermarks an den Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz, 10.3.1909.

31 StAG, Städt. Ökonomat, Fach 5, 81054/1908, Protokoll der öffentlichen Sitzung des Gemein- derates der Landeshauptstadt Graz, 26.3.1909.

32 Wettbewerb zur Schaffung eines Denkmales für Peter Rosegger in Graz, in: Neues Grazer Tagblatt, 17.5.1925, 21. Zur Standortfrage und Entstehung des schließlich nicht am Schloß- berg realisierten Rosegger-Denkmals siehe:

Hans-Peter WEINGAND: Verkörperung des

deutschen Dichters, Philosophen und Volks- mannes“: Die Grazer Rosegger-Denkmäler der Zwischenkriegszeit, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Bd. 48, Graz 2018, 355–370.

33 Der Glockenturm am Schloßberg, in: Grazer Tagblatt, 1.9.1911, 3.

34 StAG, Städt. Ökonomat, Fach 5, 52140–89893, Ansuchen des Vereins „Deutsche Heimat“ zur Subvention eines „Deutschösterreichischen Nationalmuseums“, März 1908.

35 Eine Franzosen-Gedenktafel auf dem Schloß- berg. Eine schöne historische Tat der Gra- zer Gewerbetreibenden, in: Grazer Tagblatt, 2.9.1911, 5.

36 Correspondenz der Redaction, in: Grazer Volksblatt, 7.7.1891, 4.

37 Reichsdeutscher Abend auf dem Schloßberg, in: Grazer Tagblatt, 5.6.1924, 6.

38 Sonnwendfeier 1911, in: Grazer Tagblatt, 7.5.1911, 3.

39 Familienabend der Südmark-Bezirksortsgrup- pe Geidorf, in: Grazer Tagblatt, 14.3.1911, 3.

40 Grazer Tagblatt, 23.12.1919, 4.

41 StAG, Schloßberg 0, Mappe A10/3- KI-6651/1968, Bewilligung des Magistrats Graz, Abt. 12 – Liegenschaftsverwaltung der Errichtung einer Gedächtnisstätte auf dem Grazer Schloßberg, 21.3.1968.

42 StAG, Schloßberg 0, Mappe A10/3- KI-6651/1968, Schreiben des Landeskonserva- tors für Steiermark an das Magistrat Graz be- treffend die Errichtung einer Gedächtnisstätte auf der Kanonenbastei, 18.3.1969.

43 Vgl. Petra MAYRHOFER: Hans Sima. Ein po- litisches Leben. Kärntner Landeshauptmann 1965–1974, Wien/Köln/Weimar 2015, 149f.

44 StAG, A16-275/1971, Aktenvermerk betr.

Städtefreundschaften-Mosaik, 8.9.1971, 1.

45 StAG, Magistrat Graz, Kulturamt, A12-K1397/124-1980, Schreiben des Kul- turamtes an die Liegenschaftsverwaltung, 21.5.1980.

46 Siehe das Kapitel „Hans Kloepfer, Dichter für den „Anschluss“ bei Heimo HALBRAINER, Gerald LAMPRECHT: Nationalsozialismus in der Steiermark. Opfer. Täter. Gegner, Inns- bruck/Wien/Bozen 2015, 71–73.

47 Siehe den Beitrag von Annette Rainer in die- sem Band.

48 Ein Gespräch über die Jahreszeiten mit dem Dichter und Arzt Hans Kloepfer, https://www.

steirischerherbst.at/de/program/events/622/

thomas-geiger (abgerufen am 27.01.2020).

(23)

49 Anfrage der NEOS an Bürgermeister Sieg- fried Nagl betreffend Ehrenbürger Hans Kloepfer, eingebracht von Nikolaus Swatek bei der Gemeinderatssitzung am 14.2.2019, online abrufbar unter: https://www.graz.at/

cms/dokumente/10326842_9375341/378c12 39/2-neos_Swatek-Nagl-Ehrenb%C3%BCr- ger%20Hans%20Kloepfer.pdf (abgerufen am 27.01.2020).

50 Arbeiterwille, 2.5.1911, 1.

51 Hierbei handelt es sich um eine Falschangabe.

Major Hackher verstarb 1837.

52 Arbeiterwille, 8.8.1927, 1–3, hier: 2.

53 STADTGEMEINDE GRAZ: Zur 800 Jahr- feier 1928. Stadtbild-Ausstellung Alt- und Neu-Graz. Die bau- und kulturgeschichtliche Entwicklung der Landeshauptstadt Graz von der frühen Grenzburg bis zur Vorbereitung der Zukunft im neuen Stadtbauplan, veranstaltet von der Stadtgemeinde Graz, Ausstellungsfüh- rer, Industriehalle 30. September bis 31. Okto- ber 1928, Graz 1928, 7f.

54 800 Jahre Graz, in: Der Morgen. Wiener Mon- tagsblatt, 1.10.1928, 5.

55 StAG, Schloßberg 0, Mappe A10/3-2357-1955, Bauansuchen des Arbeiterbundes für Sport- und Körperkultur in Österreich auf Bewilli- gung einer Neonlichtreklame am Schloßberg.

56 StAG, Schloßberg 0, Mappe A10/3-2357-1955, Vermerk des Landeskonservators für Steier- mark auf dem Bauansuchen des Arbeiterbun- des für Sport- und Körperkultur in Österreich um Bewilligung einer Neonlichtreklame am Schloßberg.

57 Zit. nach: Wilhelm Freiherr von KALCH- BERG: Der Grazer Schloßberg und seine Um- gebung, Graz 1856, 75.

58 Wiltraud RESCH: Die Kunstdenkmäler der Stadt Graz. Die Profanbauten des I. Bezirkes, Altstadt, Österreichische Kunsttopographie, Bd. LIII, Wien 2013, 555.

59 Hyacinth von SCHULHEIM: Drei Künstler, in: Tagespost (Graz), 26.5.1869, 1f., hier: 2.

60 Monumente in Graz, in: Tagespost (Graz), 25.6.1863, 2f., hier: 3.

61 Grazer Zeitung, Abend-Ausgabe, 23.7.1859, 14.

62 Erinnerung an Rudolf Harter, in: Grazer Tag- blatt, Abend-Ausgabe, 27.4.1908, 3.

63 Ebenda.

64 Stefan RIESENFELLNER: Todeszeichen, 40f.

65 Ehrentag und Denkmalenthüllung der 27er, in:

Tagblatt (Graz), 21.2.1932, 5.

66 Das Modell des 27er-Regimentsdenkmals, in:

Tagblatt (Graz), 8.5.1932, 4.

67 Werner FENZ: Ausstellungsprotokolle, in: BE- ZUGSPUNKTE 38/88, steirischer herbst ’88, Graz 1988, 187f. Zitiert nach: https://fenz.mur.

at/bezugspunkte/ (27.01.2020).

68 Siehe den Beitrag von Annette Rainer in die- sem Band.

69 Peter Baren: Echos of Hysteria, online abruf- bar unter: http://offsite.kulturserver-graz.at/

projekte/686 (abgerufen am 27.01.2020).

70 Sonic Projections from Schlossberg Graz, online abrufbar unter: http://kunstradio.

at/1988B/20_10_88.html (abgerufen am 27.01.2020).

71 ASSMANN: Erinnerungsräume, 299.

72 Raumpolitische und raumsoziologische Über- legungen, durch die beispielsweise Michel Foucaults oder Henrie Lefebvres Schriften ge- kennzeichnet sind, führten zu der Frage „Wem gehört der öffentliche Raum“, die in dieser und ähnlicher Formulierung das Thema zahlrei- cher Veranstaltungen und Publikationen der letzten Jahrzehnte bildet. Auch ein 2018 her- ausgegebener Band der Universität Graz über die Denkmalkultur in der Stadt trägt die Frage im Titel. Vgl. Lukas MEYER, Barbara REI- TER, et. al. (Hgg.): Wem gehört der öffentliche Raum? Werkstattgespräche hinter dem Grazer Glockenspiel, Graz 2018.

73 Michel FOUCAULT: Die Heterotopien. Der utopische Körper. Zwei Radiovorträge. Frank- furt am Main 2005, insbes. 16f.

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