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Kantonsratsprotokolle seit 1803 online Signatur StAZH MM KRP 1982/165/0007

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Signatur StAZH MM 24.107 KRP 1982/165/0007

Titel Interpellation Dr. Emanuel Hurwitz (SP, Zürich) und Mitunterzeichner vom 31. August 1981 betreffend die psychiatrische Betreuung von Häftlingen im Kanton Zürich (Diskussion)

Datum 29.03.1982

P. 9271–9280

[p. 9271] In der Sitzung vom 15. März 1982 wurde Diskussion beschlossen und diese vertagt.

Dr. U. Hedinger (SP, Zürich): Ich möchte als Letztunterzeichner dieser Interpellation einige Bemerkungen zur Antwort des Regierungsrates machen. Diese Antwort liest sich zunächst gut, und man muss gewissen Ausführungen zustimmen.

Mir gefällt, dass darin zugegeben wird, dass Widersprüche bestanden haben und bestehen zwischen dem Einsatz der Psychiater und Aerzte der Psychiatrischen Poliklinik, die in Regensdorf gearbeitet haben, und zwischen den Bedürfnissen des Anstaltslebens in Regensdorf. Diese Widersprüche kennzeichnen ja unseren Strafvollzug und liegen schon im Begriff der Strafe begründet und im Ziel der

Strafverfolgung, die seit 1942 als soziale Wiedereingliederung definiert wird. Ich muss aber sagen, dass mir bei einer zweiten Lektüre des Textes der leichte Ton nicht gefallen hat. Es scheint mir, dass die zugegebenen Widersprüche durch die Erklärung der Entwicklung, sozusagen durch die Gutheissung der Verabschiedung der Ärzte der Psychiatrischen Poliklinik, wieder an Gewicht verlieren. Durch die Regierungsantwort wird ein Zustand gerechtfertigt, der einseitig zu werden droht. // [p. 9272] Nicht umsonst stehen in der Antwort Worte wie Anstaltsordnung und Anstaltssicherheit fast im

Mittelpunkt. Es wird einfach der Zustand gerechtfertigt, dass die Anstalt und die Anpassung an das Anstaltsleben im Vordergrund stehen. Das ärztliche Ethos, die Motive der Psychiater von der Psychiatrischen Poliklinik, die manchmal unbequeme Meinungen vertraten, werden irgendwie sekundär und geraten an den Rand. Ich muss befürchten, dass auf den Dienst der Psychiatrischen Poliklinik ohne grossen Schmerz verzichtet wird. Damit wird möglicherweise eine Tendenz gefördert, die die Anpassung und Überanpassung der Häftlinge an die Anstalt in den Vordergrund rückt. Auch das Aufsichtspersonal, das sich über den Sinn des Strafvollzugs Gedanken macht, weiss um die Gefahr, dass ein opportunistisches Verhalten gezüchtet wird, dass sich Sträflinge anpassen und dann in der Freiheit wieder ins andere Extrem fallen. Die Absicht, dass man auf die neuen Therapiekonzepte der Psychiatrischen Poliklinik sang- und klanglos verzichten will, passt mir nicht. Man gibt diesen Widerspruch nur in der Theorie zu, nicht aber in der Praxis. Man setzt vor allem auf den «Trumpf Buur», das heisst auf die Erfordernisse der Anstaltssicherheit. Wenn ich lese, dass die Ärzte der Psychiatrischen Poliklinik sich in ihrer Tätigkeit in Regensdorf eingeengt fühlten, kann ich das zunächst als freundliches Einfühlen in die Situation der Ärzte verstehen, ich kann mich aber auch darüber ärgern, und ich hoffe, dass es einige von Ihnen auch tun.

Es geht nicht darum, dass sich diese Ärzte eingeengt fühlten, sondern dass sie gegen

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die Einengung und Behinderung protestierten und sich einsetzten für Menschen, die ihre Patienten waren. Das scheint mir eine Verharmlosung zu sein.

Ich bedaure, dass die Ansätze zu neuen Therapiekonzepten, dass auch Äusserungen von Ralf Binswanger, der ja von sich aus diesen Dienst schon vor mehr als Jahresfrist verlassen hat, keine Resonanz finden. Ich weiss nicht, was es bedeutet, wenn nun die Klinik Rheinau zum Zuge kommt. Ich hoffe, dass damit nicht die Konzeptlosigkeit der berühmten Abteilung M7 der Anstalt Rheinau die Hälftlinge sozusagen behandeln muss. Ich verweise für diesen Begriff auf einen Artikel im «TA»Magazin vom 6. März 1982, wo ein besonnener Arzt erwähnt, dass er an dieser Konzeptlosigkeit leidet. Es wird nicht die Abteilung M7 sein, die hier zum Zuge kommt, aber es stellt sich die Frage, was von Rheinau Gutes zu erwarten ist.

Die Antwort des Regierungsrates bezieht sich ja auf den unserer Ansicht nach sehr bedauerlichen Rückzug der Ärzte der Psychiatrischen Poliklinik, ich gestatte mir aber die Frage, ob nun nicht auch Ärzte der Medizinischen Poliklinik, die in der

Gefangenenbetreuung aktiv waren, sich zurückziehen möchten. Im erwähnten «TA»- Magazin wird ein // [p. 9273] einleitender Bericht über die Begutachtung in Rheinau von Dr. Andreas Bückert gebracht. Es heisst, dass Dr. Bückert von 1979 bis Februar 1982 als Gefängnisarzt, delegiert von der Medizinischen Poliklinik, die Gefängnisabteilung der Stadt Zürich betreut. Ist es ein Zufall, dass dieser Arzt nun auch zurückgetreten ist, oder gehört es zur Tendenz, dass unsere medizinische Fakultät, die dem ärztlichen Ethos verpflichtet ist, auch schon auf dieser Ebene sich von diesem Dienst

zurückzieht? Ich würde dies bedauern und bitte Herrn Regierungsrat Bachmann um eine Antwort.

Dr. E. Hurwitz (SP, Zürich): Ich möchte ebenfalls einige Bemerkungen zur Antwort der Regierung machen und vor allem auf einige Denkfehler hinweisen, die sich

eingeschlichen haben. Es geht mir vor allem um die Begründung, es sei von Vorteil, wenn die Ärzte des gefängnispsychiatrischen Dienstes Erfahrungen mit geschlossenen Anstalten hätten. Das sei der Grund, weshalb die Zusammenarbeit mit der Rheinau besser funktioniere als mit der Psychiatrischen Poliklinik. Diese Begründung entbehrt der Grundlage. In geschlossenen psychiatrischen Abteilungen befinden sich in der Regel Psychotiker, also eigentliche Geisteskranke. Delinquenten weisen aber psychologisch in der Regel, mit Ausnahme von wenigen geisteskranken Straftätern, eine ganz andere Struktur auf. Hier hilft die Erfahrung mit ambulanten Patienten effektiv mehr, weil Delinquenten diesen Patienten viel eher vergleichbar sind. Deshalb war der Auftrag an die Psychiatrische Poliklinik durchaus zweckmässig. Die Assistenzärzte der Psychiatrischen Poliklinik haben praktisch immer ein bis zwei Jahre Erfahrung in einer psychiatrischen Klinik hinter sich. Sie haben also ebenfalls Erfahrung mit

geschlossenen Abteilungen. Sie haben aber gleichzeitig auch die Erfahrung mit ambulanten Patienten, was vom Standpunkt der Behandlung aus unzweifelhaft von Vorteil ist.

Es stellt sich die Frage, was die Klinik Rheinau mehr an Erfahrung mitbringt. Sie bringt die Erfahrung mit der ausbruchsicheren Station M7 mit, einer Art psychiatrischem Sicherheitstrakt. Sie haben darüber aus der Sicht eines Patienten im «TA-Magazin»

lesen können. Es handelt sich um eine Abteilung, von der der Chefarzt der

Psychiatrischen Klinik Rheinau selber sagte, man könne sich fragen, ob das noch mit

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Psychiatrie etwas zu tun habe, aber das sei eben so ein Service, den die Psychiatrie dem Staat beziehungsweise der Justiz, anbiete. Es ist daher klar, dass die ärztliche Direktion der Rheinau das Vertrauen der Regierung geniesst. Aber geniesst sie auch das Vertrauen der Patienten, der Gefangenen? Hier muss Vertrauen gegen Vertrauen abgewogen werden. Die Regierung als Vertreterin des stärkeren Teils würde wohl gut //

[p. 9274] daran tun, hier den Gefangenen einen Schritt, vielleicht gar einen grossen Schritt entgegenzukommen. Sonst sind nur Verhärtungen vorauszusehen, die sich bezüglich der psychiatrischen Behandlung und des Resozialisationsauftrags

kontraproduktiv auswirken könnten. Man könnte sich auch überlegen, ob für gewisse Gruppen von Gefangenen nicht die freie Arztwahl einzuführen wäre, sozusagen im Sinne eines differenzierten Strafvollzuges. Damit aber entfällt letztlich die Begründung für die Kündigung der Psychiatrischen Poliklinik. Die Frage, warum eine solche

Einengung stattgefunden hat, bleibt offen. Hier hat es sich die Regierung mit der Antwort wirklich zu einfach gemacht. Ich kann mich davon nicht befriedigt erklären.

Man hätte, wenn man das ernster genommen hätte, einige Gedanken und Fragen betreffend Struktur und Organisation des gefängnispsychiatrischen Dienstes

verwenden können. Man hätte sehen müssen, dass verantwortungsbewusste Ärzte ohne eine gewisse Identifikation mit ihren Patienten nicht wirksam tätig sein können.

Damit ist aber der Konflikt mit der Institution unausweichlich. Diesen Konflikt kann man nicht einfach mit einem moralischen Appell an die einzelnen Konfliktpartner lösen. Da sind schon einige Überlegungen über die Art des Einsatzes und über die Frage der Zusammenarbeit mit dem Gefängnispersonal nötig gewesen und auch darüber, wie man mit diesem aus der Natur der Sache heraus unlösbaren Konflikt umgehen will.

Wir kennen es von den psychiatrischen Gutachten her: Wenn die Psychiatrie eine Meinung von sich gibt, die der Justiz nicht genehm ist, sucht man so lange nach einem neuen Psychiater, bis man den gefunden hat, der die Justiz vollumfänglich deckt. In den letzten Jahren ist dies meist der Chefarzt der Psychiatrischen Klinik Rheinau gewesen. Es lohnt sich, über solche Konflikte vertieft nachzudenken, statt sie durch rasche Massnahmen raschmöglichst aus der Welt schaffen zu wollen.

Dr. Y. Maurer (FDP, Adliswil): Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass die Regierung eine gute Lösung gefunden hat, wenn sie die Psychiatrische Klinik Rheinau damit beauftragt, diesen gefängnispsychiatrischen Dienst weiter zu betreuen. Ich bin mit dem Strafvollzug, wie er heute stattfindet, an und für sich nicht ganz einverstanden, und ich würde mir auch wünschen, dass wir in ein oder zwei Jahrhunderten eine andere Art Strafvollzug hätten. Aber ich wüsste im Augenblick keinen besseren Vorschlag. Das möchte ich grundsätzlich meinen Worten vorausschicken.

Wenn wir die jetzigen Strukturen ansehen, scheint mir aber wesentlich, dass wir etwas erkennen, das mir in der Diskussion bisher gefehlt hat. Es gibt in jeder Strafanstalt, in jedem Gefängnis, eine grundsätzliche // [p. 9275] gruppenbezogene Polarisierung zwischen Aufseher einerseits und Insassen andererseits. Diese Polarisierung erzeugt eine Spannung zwischen den beiden Gruppen. Das Problem jeder psychiatrischen oder psychotherapeutischen Betreuung ist es nun, dass dieser Dienst nicht als verantwortlicher Mitgestalter im personellen Gefüge integriert ist. Also dient er

sozusagen dem Pol der Aufseher oder aber dem Pol der Insassen. Damit wird aber die Spannung innerhalb einer derartigen Anstalt erhöht. Das scheint mir kontraproduktiv zu

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sein. Wie sollte also der psychotherapeutisch-psychiatrische Dienst in seiner Funktion ausgerichtet sein, damit er nicht die bereits bestehende Polarisierung und Spannung innerhalb der Anstalt noch erhöht? Er sollte dieses Klima verbessern. Das wäre meines Erachtens der erste und wichtigste Schritt in der Änderung des Strafvollzuges, in Richtung von vermehrter Resozialisierung im Strafvollzug. Bisher lief es so, dass die Insassen durch den psychiatrischen Dienst unterstützt wurden. Das muss ja die Spannung erhöhen. Das kann nicht gut gehen. Das neue Konzept, das Herr Hurwitz vorschlägt, will nun den Aufsehern helfen und diese unterstützen. Auch das wird wieder neue Spannungen erzeugen und die bestehenden Spannungen erhöhen. Was ist zu tun? Ich denke, angesichts der Insassen im Gefängnis Regensdorf, angesichts der psychischen Qualitäten dieser Menschen, sollte nicht zu sehr auf Therapie geachtet werden, sondern mehr auf Aussprachemöglichkeiten. Aber diese müssten meines Erachtens unbedingt weiter stattfinden. Ich habe früher hier schon einmal gesagt, dass ich meine, die innere Welt des Insassen solle auf keinen Fall in Ruhe gelassen werden.

Ich bin mit Herrn Hedinger in dem Sinne einverstanden, dass nicht einfach die

Anpassung der Häftlinge an die Institution angestrebt werden muss, sondern es muss ein Reifeprozess stattfinden. Da würde es mir ganz verheerend scheinen, wenn man jetzt diese Therapien von den Insassen abziehen und nur dem Personal zuschieben würde, wie das Herr Hurwitz in seiner Begründung geäussert hat. Mir scheint eine Aussprachemöglichkeit im Sinne von Gruppenaussprachen ohne hohe therapeutische Ziele wichtig. Meines Erachtens sollten auch zeitweise die Aufseher mit in diese Gruppen einbezogen werden, um die Gesamtspannung in dieser Anstalt zu vermindern. Auf der andern Seite sollten Gruppengespräche mit den Aufsehern stattfinden, wobei dort von Zeit zu Zeit die Direktion dazugehört. In diesem Rahmen könnte eine psychische Erleichterung für alle Beteiligten gefunden werden. Das sollte die Haltung des psychiatrischen Dienstes sein. Man hat oft das Gefühl, dass diese Leute den Strafvollzug – sei es über die Insassen oder über die Aufseher –

beeinflussen und verändern wollen. Die Veränderung des Strafvollzuges soll nicht ihre Aufgabe sein. // [p. 9276] Ihre Aufgabe soll es sein, als erstes die Spannungen

abzubauen. Die Änderung des Strafvollzuges sollte von einer anderen Seite aus kommen. Ich bin der Meinung, dass die Klinik Rheinau nicht besser und nicht

schlechter ist als die Psychiatrische Poliklinik, und zwar deswegen, weil Delinquenten im Prinzip weder mit Schwerkranken noch mit ambulanten Patienten vergleichbar sind.

Es ist eine psychisch ganz anders geartete Gruppe, die eine andere Struktur hat als die psychisch Kranken. Daraus geht auch hervor, dass im Prinzip möglichst ein Arzt mit langer Erfahrung in einer solchen Anstalt tätig sein sollte, weil er das, was er für diese Art von Insassen wissen sollte, weder in der Poliklinik noch in der Klinik lernt. Die Frage wäre, ob man allenfalls jemanden delegieren könnte, der dann vollzeitig innerhalb der Anstalt tätig wäre. Auf lange Sicht wäre das die beste Lösung, um das Gesamtklima zu entspannen.

Dr. U. Koch (SP, Zürich): Immer, wenn in diesem Rat über den Strafvollzug diskutiert wird, sehen wir die gleiche Situation: einerseits den Anspruch des Staates und der Anstalt auf Ordnung, auf Verwahrung und Strafe und andererseits die Forderung nach Resozialisierung und nach menschlichem Umgang. Für mich sind beim

gefängnispsychiatrischen Dienst, der jetzt von Rheinau gemacht wird, nach der Lektüre des Artikels im «TA-Magazin» grosse Fragezeichen aufgetaucht. Man kann die

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Methode, die dort angewendet wird, nur als barbarisch bezeichnen. Sie ist

menschenverachtend und zielt auf den Kern der Menschlichkeit ab, wenn das der Tatsache entsprechen sollte, wofür auch zusätzliche Informationen sprechen, welche wir erhalten haben. Diese Methoden können nur dann angewendet werden, wenn eine gewisse Haltung gestrauchelten Menschen gegenüber mit im Spiel ist. Meine Frage ist, ob diese menschenverachtende Methode nicht ebenfalls im psychiatrischen Dienst den Gefangenen gegenüber angewendet wird. Ist sichergestellt worden, dass nicht auf diese Art mit diesen gestrauchelten Menschen umgegangen wird? Das müsste dem Gedanken der Resozialisierung widersprechen. Eine solche Art des Umgangs müsste das, was an sich in diesen Menschen noch ein guter Kern ist, brutal zerstören. Sind Sie sicher, Herr Regierungsrat, dass nicht andere Institutionen, die im Umgang mit diesen Menschen geeigneter wären, diesen Dienst versehen könnten? Ist es einfach so, dass nur Psychiater, die diese Methoden anwenden, letztlich in der Strafanstalt wirken können?

H. Meier (SVP, Bülach): Ich möchte der Regierung für die klare und gute Antwort danken. Ich bin überzeugt, dass die neue Lösung Früchte tragen wird. Wir dürfen feststellen, dass der psychiatrische Dienst in // [p. 9277] unsere Gefängnisse und Anstalten gehört. Wir dürfen auch feststellen, dass wir Betriebe haben, in denen dieser Dienst sehr gut funktioniert. Wenn Herr Dr. Hurwitz sagt, das Vertrauen der Insassen fehle, weiss er doch genau, wie schwer diese Aufgabe ist. Sie wissen auch, was in Regensdorf alles passiert ist.

Eines ist sicher: die letzte Verantwortung bleibt bei der Anstaltsleitung, und wo der Psychiater in diesem Sinne nicht mitmachen und mitberaten kann, ist er auf dem falschen Weg.

Wenn Frau Koch von der Resozialisierung spricht, muss ich sie darauf hinweisen, dass gerade von ihrer Fraktion noch nie jemand den Weg zum Leiter des Sozialdienstes der Justizdirektion gefunden hat, wie ich anlässlich der Behandlung des letzten

Geschäftsberichtes mit Bedauern feststellen musste. Ich weiss nicht, wo Sie sich informieren. Von der Justizdirektion macht man in dieser Beziehung grosse Anstrengungen, und man hat gute Wege gefunden. Ich möchte die Justizdirektion ermuntern, in dieser Art weiterzufahren.

Regierungsrat Dr. A. Bachmann: Bevor ich die Fragen beantworte, möchte ich kurz auf das Grundsätzliche eintreten. Es scheint mir wenig sinnvoll, in die Geschichte

zurückzublättern, sondern ich möchte Ihnen sagen, wie dieser Dienst heute

funktioniert. Eines muss ich noch einmal mit Deutlichkeit sagen: Als im letzten Sommer die Briefe der Psychiatrischen Poliklinik kamen, die den Dienst in Frage stellten, habe ich, namentlich mit Herrn Professor Kind, persönliche Gespräche geführt. Aus diesen Gesprächen hat sich ergeben, dass die Auffassungen der Psychiatrie in einem solchen Gegensatz zu den Anstaltsbedürfnissen standen, dass der Dienst so nicht mehr

funktionieren konnte. Ich will nicht sagen, wer in menschlicher Hinsicht eher versagt hat, ob das die betreffenden Psychiater oder das Anstaltspersonal war. Auf jeden Fall stand fest, dass der Betrieb von der Psychiatrischen Poliklinik her nicht mehr

weitergeführt werden konnte.

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Noch ein kleines Detail, das nicht sehr unwichtig ist: Der betreffende Oberarzt, der damals diesen Dienst in Regensdorf und im Bezirksgefängnis Zürich versah, hatte bereits gekündigt, aber nicht diesen Dienst, sondern seinen Dienst an der

Psychiatrischen Poliklinik. Er ging also dort fort, und Professor Kind fand zu dieser Zeit keinen neuen Oberarzt, der bereit war, den Dienst für den Strafvollzug zu übernehmen.

So stellte sich die Situation für uns, also etwas anders, als man landläufig annahm.

Seit Dezember haben wir versuchsweise und jetzt definitiv den psychiatrischen Dienst für Regensdorf der Klinik Rheinau übertragen. Das ist heute in Absprache mit der Gesundheitsdirektion ein Definitivum, weil // [p. 9278] man in der Versuchsperiode die Erfahrung gemacht hat, dass sich die Sache gut bis sehr gut anlässt. Ich habe

gerüchteweise vernommen, dass der Oberarzt von Rheinau, der diesen Dienst versieht, abgelehnt werde. Ich weiss nicht von wem, vom Personal oder von den Gefangenen. Es heisst, seine Sprechstunden würden boykottiert. Dieses Gerücht ist vollständig falsch. Dieser Psychiater hatte fast von Anfang an so viele Patienten, dass seine Präsenzzeit in Regensdorf – im Mittel zwei gute halbe Tage pro Woche – völlig ausgelastet war. Es stimmt also nicht, dass diesem Arzt gegenüber Vorbehalte

gemacht werden. Gestützt auf diese Erfahrungen des neuen psychiatrischen Dienstes in der Strafanstalt Regensdorf haben wir mit der Gesundheitsdirektion die Frage aufgeworfen, ob dieser Dienst nicht auf das Bezirksgefängnis Zürich ausgedehnt werden könnte, wie das auch schon gemacht worden ist. In wenigen Tagen wird dies nun funktionieren. In der Zwischenzeit ist aber dieser Dienst nicht etwa ausgefallen, sondern bis zum 31. März wurde er von einem Oberarzt der Psychiatrischen Poliklinik weiterhin geleistet, und zwar gut. Es ist also nicht etwa ein Unterbruch entstanden.

Zu den Fragen: Herr Hedinger hat gefragt, ob auch der ärztliche Dienst seine Aufgabe mit Vorbehalten erfülle oder ob er sie bald auch nicht mehr erfülle. Dieses Gerücht trifft nicht zu. Ich habe letzte Woche mit dem Leiter dieses Dienstes, einem Oberarzt der Medizinischen Poliklinik in Zürich, der für Regensdorf und das Bezirksgefängnis Zürich zuständig ist, gesprochen. Er hat bestätigt, dass er mit seinen Leuten bereit sei, diesen Dienst weiterzuführen, wobei auch er darauf hinwies, dass da und dort Schwierigkeiten mit Gefangenen oder mit dem Aufsichtspersonal entstünden und dass man

gelegentlich in einer gewissen Zwickmühle stehe. Herr Hurwitz hat vor allem bezweifelt, dass der Dienst durch die Psychiatrische Klinik Rheinau in Frage zu stellen sei.

Abgesehen davon, dass wir mit der Beauftragung privater Psychiater in den Anstalten in früheren Jahren mit der Zeit keine guten Erfahrungen gemacht haben, waren wir uns bewusst, dass wir hier wieder einen öffentlichen Dienst einsetzen müssen. Das hat mit Beamtentum oder Untertänigkeit gar nichts zu tun. Dass der Gefängnistrakt in Rheinau kein Idealfall ist, weiss ich seit Jahren. Das Personal hat mir vor einigen Jahren

geschrieben, es werde diesen Dienst quittieren, wenn keine Besserungen einträten. Ich stehe ständig mit der Gesundheitsdirektion in Kontakt, denn diese Abteilung untersteht ja nicht mir. Sie dient nur unseren Zwecken, nämlich der Begutachtung vor allem von Untersuchungsgefangenen.

In baulicher und anderer Hinsicht konnte bis heute leider nicht Remedur geschafft werden. Für mich wie für Sie bleibt diese Abteilung ein // [p. 9279] Sorgenkind. Dabei ist doch noch anzufügen, dass dort die Situation völlig anders ist als in einer

Strafanstalt. In einer Strafanstalt sind die Leute zur Verbüssung einer Strafe und benötigen allenfalls zusätzliche Stützung durch einen Psychiater. In der

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Gefängnisabteilung Rheinau sind sie entweder zur Begutachtung ihres Geisteszustandes oder zur Behandlung einer Krankheit.

Frau Maurer hat über die Struktur gesprochen und über das Zusammenleben dieser beiden Dienste, der Psychiatrie und der Aufsicht. Vom Gesetz her ist es gegeben, dass der psychiatrische Dienst in den Anstalten ein «Hilfsdienst» ist für die Anstalt, der nichts Grundsätzliches zu entscheiden hat, sondern eine Beratungsfunktion ausübt.

Entscheiden muss in jedem einzelnen Fall die Strafanstaltsleitung. Genau in diesem Punkt gibt es gelegentlich Differenzen zwischen den beiden Diensten. Wenn die Strafanstaltsleitung anders entscheidet, als der Psychiater empfohlen hat, dann

übernimmt sie für diesen Entscheid auch die volle Verantwortung. Wenn eine Situation falsch eingeschätzt wurde, müssen sich die Leute der Anstalt dafür verantworten.

Aus dem, was ich vorher über den Gefängnistrakt in Rheinau gesagt habe, können Sie entnehmen, dass völlig andere Methoden angewandt werden, je nachdem, ob die Behandlung in Rheinau oder in der Strafanstalt stattfindet. In der Strafanstalt haben die Psychiater keine Entscheidungskompetenz. Schon aus dem Grund, weil hier nur eine Beratungstätigkeit ausgeführt wird, glaube ich kaum, dass diese Situation untragbar würde und dass Methoden, die Sie erwähnt haben, auf die Strafanstalt übertragen werden könnten. Es wird sehr oft vergessen, dass die Psychiater, die wir in allen Anstalten haben – auch in den Bezirksgefängnissen –, nicht nur Gefangene betreuen.

Mehr und mehr wird auch das Anstaltspersonal betreut. Sie sind seit Jahren eingesetzt für Einzel- und Gruppengespräche, um das Personal zu schulen. Das tut nun auch die seit zwei Jahren funktionierende Schweizerische Schule für das Strafpersonal. Auch dort werden solche Probleme behandelt, und dort ist in jedem Kurs das Kapitel

«Bewältigung von Stresssituationen zwischen Gefangenen und Aufsehern» festes Thema. Wir hoffen, dass mit der Zeit gerade durch diese zentrale Schulung das ganze Personal in einigen Jahren durchgeschult werden kann und sich dann die Situation in den Anstalten schon von dieser Ausbildung her bessern wird. Es ist mir absolut

bewusst, dass Gegensätze und Spannungen zwischen einem solchen psychiatrischen Dienst und der Aufgabenstellung der Strafanstalt bestehen. Es gibt keine Methode, welche diese natürliche Spannung ausschalten könnte. Damit müssen wir leben, und darum haben wir in unserer Antwort auch geschrieben: «Es kommt auf die Personen an, die hier zusammenarbeiten müssen.» Diese müssen sich verständigen und miteinander auskommen. // [p. 9280]

Das Wort wird nicht mehr verlangt.

Der Interpellant hat seine Erklärung abgegeben.

Das Geschäft ist erledigt.

[Transkript: OCR (Überarbeitung: ssi)/08.11.2011]

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