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Archiv "In der Sowjetunion fehlt es an allen Ecken und Enden: Humanitäre Hilfe durch das DRK" (17.01.1991)

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Den Spendenaufrufen zugun- sten der notleidenden Bevölkerung der Sowjetunion wurde und wird in breitem Umfang Folge geleistet.

Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat inzwischen konkrete Hilfsmaßnahmen für die Sowjet- union eingeleitet und mit DRK-eige- nen Lastzügen Güter nach Moskau und in andere Orte gebracht, die dort verteilt werden. Andere private Initiativen (etwa von Care Deutsch- land; Hilfs-Komitee Cap Anamur und andere) sind gestartet worden und deren „Mission" auf den Weg gebracht worden.

Auch die Ärzteschaft hat sich an Spende-Aktionen beteiligt — nicht zuletzt aufgrund des gemeinsamen Spendenaufrufs des Präsidenten der Bundesärztekammer und des Deut- schen Ärztetages, Dr. Karsten Vil- mar, und des Ersten Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung

(193v),

Dr. Ulrich Oesingmann (vgl. DA 49/1990). Konten sind bei allen Banken und Sparkassen sowie beim Postscheckamt Köln, Konto 41 41 41 eingerichtet worden; Stich- wort: Solidaritätsbeitrag UdSSR.

Dr. med. Jürgen Bausch, Kin- derarzt aus Bad Soden-Salmünster, Zweiter Vorsitzender der Kassen- ärztlichen Vereinigung Hessen (Frankfurt), hat im Auftrag der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung zu- sammen mit einer Delegation des DRK in der zweiten Dezemberwo- che 1990 einige Kliniken, Poliklini- ken, Behinderteneinrichtungen für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene in und um Moskau be- sucht, um sich über die Versorgungs- situation „vor Ort" zu informieren.

Dr. Bausch berichtet:

Der Mangel an Waren aller Art einschließlich der Grundnahrungs- mittel in allen Geschäften ist depri- mierend. Menschenschlangen vor

Geschäften und leere Regale prägen das Stadtbild. Die Rationierung ein- zelner Produkte hat begonnen.

Wurst, Fleisch, Eier und Teller sind in Moskau zur Zeit nicht aufzutrei- ben. Ein makabres Ergebnis von Pla- nungsbürokratie ist, daß gleichzeitig Teller und Essen fehlen.

Parallel dazu ein blühender Schwarzmarkt für alles, vom Wodka bis zum Dauerkatheter. Für einen Ballonkatheter muß ein Patient 100 Rubel aufbringen, weit mehr als die Durchschnittsrente eines Monats. Es wird gestohlen, unterschlagen und

„organisiert". Wer „Valuta" hat, kann alles kaufen, solange DM und Dollar reichen. Aber diese Privile- gien haben nur wenige.

Die Arbeitsmoral ist miserabel.

Nur einen Teil seiner Arbeitskraft stellt der Arbeitnehmer dem Arbeit- geber zur Verfügung. Wesentlich mehr Zeit und Energie verbringt man beim Anstehen, Beschaffen, Tauschen und „Organisieren".

Selbst ein hoher Funktionär des rus- sischen Roten Kreuzes sagt: „Wir ge- hen nicht einkaufen, sondern neh- men, was gerade zugeteilt wird."

Die Bausubstanz der Häuser verfällt, Balkone brechen ab, zerbro- chene Fenster werden nicht repa- riert, sondern vernagelt. Ganze Vier- tel sind heruntergekommen. Soziali- stische Slums ersticken im eigenen Dreck und Unrat.

Die medizinische Versorgung ist personell ohne Not, aber es fehlt an allen Hilfsmitteln und diagnosti- schem Gerät. Medikamentös schei- nen die Defizite nicht — oder noch nicht — dramatisch zu sein. Von Aids-Übertragungen mangels Ein- malmaterial wird offen von Ärzten berichtet. Benötigt werden Blutlan- zetten und Kanülen, Einmalspritzen und -handschuhe, mancherorts auch Verband- und Nahtmaterial, drin-

gend aber Ballon- und Einmalkathe- ter, Infusions- und Transfusionsbe- stecke, Rollstühle und Gehhilfen.

In den Behinderteneinrichtun- gen erfahren wir, daß behinderte Kinder abgeschoben und ausgesetzt werden. Man kann sie zu Hause nicht versorgen, da von einem Ver- dienst eine Familie kaum leben kann. Da ist ein behindertes Kind hinderlich.

Noch ein Symptom der Mißwirt- schaft: Im Eingangsflur der Urologi- schen Klinik der Medizinischen Aka- demie von Moskau stolpere ich auf eine originalverpackte große Sie- menskiste. Darin nach Befragen ein Lithostar, der dort schon seit mehr als einem halben Jahr unausgepackt steht. Man habe noch keinen Raum, um das Gerät aufstellen zu können.

Die Diagnose

Die Diagnose: Die Kommando- wirtschaft der Union der sozialisti- schen Sowjetrepubliken ist am Ende.

Was wir tun können, ist: Zeichen der Solidarität mit den Menschen in Rußland setzen und ihnen durch Hilfe Mut machen.

„Europa erntet jetzt die Früchte der Perestroika", schreibt Michail Gorbatschow im „Stern" und fährt fort: „Wir alle sind heute Zeugen und Teilnehmer einer Entwicklung, mit der unter den Kalten Krieg ein Schlußstrich gezogen wird — und, wie ich glauben möchte, unter kriegeri- sche Auseinandersetzungen über- haupt."

Das DRK hat in Absprache mit den obersten Repräsentanten des russischen Roten Kreuzes Organisa- tionsstrukturen aufgebaut, die eine zuverlässige Verteilung der Spenden an diejenigen Menschen und Institu- tionen gewährleisten, bei denen die Not am größten ist. Davon konnte ich mich als Mitglied der DRK-Kom- mission überzeugen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Jürgen Bausch 2. Vorsitzender der

Kassenärztlichen Vereinigung Hessen

Georg-Voigt-Straße 18 W-6000 Frankfurt 97

In der Sowjetunion fehlt es an allen Ecken und Enden

Humanitäre Hilfe durch das DRK

A-88 (20) Dt. Ärztebl. 88, Heft 3, 17. Januar 1991

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