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Archiv "Würzburg: Weinselig durch Gotik und Barock" (19.04.1990)

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Wenn man es recht be- denkt, ist es selbstverständ- lich: Landschaft, Lebensart, Kunst und Kultur eines Rau- mes lassen sich nicht getrennt betrachten. Sie bedingen ein- ander. Nie zuvor ist mir diese Tatsache so deutlich gewor- den wie beim Besuch Würz- burgs.

Sanfte Hügel, Weinberge, anmutige Ortschaften, das sich schlängelnde Band des Mains Das Loblied Main- frankens ist schon so oft und vielstimmig gesungen wor- den: „Wir woll'n zur schönen Sommerszeit ins Land der Franken fahren!"

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In Würzburg findet im Mai der 93. Deutsche Ärztetag statt DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

REISE+FREIZEIT

Bezeichnenderweise be- darf es nicht einmal der schö- nen Sommerzeit, um den Reiz der Landschaft und der Stadt Würzburg zu entdecken und ihm zu erliegen. Mir prä- sentierte sich die Stadt bei trübem Wetter, Kälte und Regen. Doch der Eindruck von Leichtigkeit, Fröhlich- keit, Sinnenfreude war stär- ker und nachhaltiger als der- lei Unbill. Das läßt nur einen Schluß zu: Würzburg und sei- ne Bewohner wurden in Son- nenscheinlaune erschaffen.

Wie anders wäre es denk- bar, daß die Stadt wie kaum eine andere von der Kunst des Barock geprägt wurde, ei- nem Stil, der bekannterma- ßen Üppigkeit, sinnverwir- rende und -betörende For- menvielfalt, Eleganz und scheinbare Leichtigkeit ver- eint. Würzburg war bis zu sei- ner Zerstörung im März 1945

„die" barocke Residenzstadt

schlechthin — und ist es heute nach Wiederaufbau und Re- staurierung erneut.

Ein Name mag in dem Zu- sammenhang für viele stehen:

Balthasar Neumann. Der be- deutendste deutsche Baumei- ster des Barock schuf zwi- schen 1719 und 1753 in und um Würzburg eine kaum überschaubare Zahl von Kir- chen und Schlössern, Plätzen, Brücken und Stadthäusern.

Er war maßgeblich an Plan und Ausführung der Schön- bornkapelle am Dom betei- ligt, entwarf so Unterschied- liches wie den Maschikuli- turm an der Festung Marien- berg und ein Kaufhaus am Markt, konzipierte Markt- platz, Theaterstraße sowie die städtische Wasserversor- gung, erbaute die Würzbur- ger Wallfahrtskirche Käppele und nahm entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung der zwischen 1720 und 1746 erbauten Residenz der Würz- burger Fürstbischöfe. Die zur Residenz gehörende Hofkir- che zählt dabei fraglos zu

Neumanns architektonischen Hauptwerken. Wohlgemerkt:

Die Aufzählung erhebt kei- neswegs den Anspruch auf Vollständigkeit — nicht ein- mal der Werke, die Neumann in Würzburg geschaffen hat.

Von der Qualität dessen, was Balthasar Neumanns ar- chitektonisches Genie er- dachte, gewinnt der Besucher der Mainstadt einen überzeu- genden Eindruck bei der Be- sichtigung der Residenz. Al- lein das Treppenhaus in sei- ner grandiosen Eleganz mag hier für vieles andere stehen.

Im Reiseführer wird es als

„großartigste Stiegenanlage in Europa" apostrophiert, wobei der Begriff „Stiege", auf das Treppenhaus der Re- sidenz bezogen, völlig falsche Vorstellungen erweckt. Doch auch auf superlativische Be- wertungen ist der Raum kaum angewiesen. Er ist schlicht überwältigend. Über- wältigend in der Symbolik der Gestaltung (der den Besu- cher erwartende Fürstbischof sah vom obersten Podest aus auf den Ankömmling, wie hoch sein sozialer Rang auch immer sein mochte, hinab, während dieser ihm erst beim Wendepunkt in halber Höhe den Blick zuwenden konnte), und überwältigend in bezug auf die Konstruktion. Über einer Fläche von 19 mal 32 Metern spannt sich ein fast ebenes Flächengewölbe aus

Backstein und Tuff, freitra- gend ausgeführt und damit ei- ne architektonische Sensa- tion.

Eine Sensation ist auch das Deckenfresko, das der damalige König der Fresko- Malerei, Giovanni Battista Tiepolo, innerhalb von 14 Monaten schuf. Doch die Kürze der Entstehungszeit umschreibt nur den gering- sten Teil der immensen Lei- stung. Das Fresko stellt die vier damals bekannten Erd- teile dar, wobei, wie könnte es anders sein, Europa den do- minierenden Platz einnimmt.

Daß der Auftraggeber, Fürst- bischof Carl Philipp von Grei- fenclau, in einem Medaillon über der personifizierten Eu- ropa verewigt wurde, mag noch angehen; daß allerdings zu Füßen der Dame Balthasar, der Sohn des Tuchhändlers Hans Christoph Neumann aus Eger, lässig lehnt, ist unge- wöhnlich. Sicher zeigt es den Rang, der dem Würzburger Architekten bereits zu Lebzei- ten zugewiesen wurde.

„Sinn"liche Gotik

Die Residenz in all ihrer Herrlichkeit von Gold und Stuck, Spiegeln, Gemälden, Teppichen und architektoni- schen Finessen zu beschrei- ben, will ich erst gar nicht ver- suchen. Man sollte sie ent- decken. Es soll genügen, Na- poleon zu zitieren, der hier vor und nach seinem geschei- terten Rußlandfeldzug Quar- tier bezog und die fürstbi- schöfliche Residenz als „das

Würzburg

Weinselig durch Gotik und Barock

A-1296 (84) Dt. Ärztebl. 87, Heft 16, 19. April 1990

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Die Residenz, eines der Hauptwerke von Balthasar Neumann schönste ihm bekannte Pfarr-

haus" bezeichnet haben soll.

Der Mann ist viel herum- gekommen. Wir können sei- nem Urteil vertrauen.

Liegt die Gleichsetzung Sinnenfreude und Barock noch auf der Hand, so ist uns die Vorstellung von „sinn"- licher Gotik schon fremder.

Das mag grundsätzlich ein Fehlurteil sein — erst recht aber, wenn man die Werke des „anderen" Würzburger Künstlers von höchstem Rang betrachtet: Gemeint ist Til- man Riemenschneider. Wie Neumann ist auch er nicht in Würzburg geboren, aber — schieben wir es ruhig auf den Einfluß des Ortes — seine Ma- donnen, seine Heiligenfigu- ren, seine Altäre und Grab- denkmäler berühren uns ge- rade wegen ihrer ganz dies- seitigen, in aller mensch- lichen Unvollkommenheit schönen Erscheinung. Bei ei- nem Bildwerk wie der in wei- ßen Sandstein gehauenen Eva, das Riemenschneider für das Marktportal der Ma- rienkapelle 1491/93 schuf (das Original steht heute im Mainfränkischen Museum) und das das Schönheitsideal der Zeit spiegelt, mag das noch naheliegen. Es gilt aber um nichts weniger für das Bildnis des greisen Fürstbi- schofs Rudolf von Scheren- berg, wie Riemenschneider es auf dessen Grabmal im Dom verewigt hat. Selten strah- len spätgotische Bildwerke so viel hautnahe, anrührende Menschlichkeit aus wie dieses faltige, müde, von Alter und zäher Willenskraft gleicher- maßen geprägte Antlitz.

Reicht auch die künstleri- sche Qualität nicht an Rie- menschneider heran, so be- stätigt das Relief über dem Nordportal der Marktkapelle doch den Eindruck, daß die Würzburger von jeher den Sinnen den Vorzug vor dem kühlen Verstand gaben. Dort ist die Verkündigung Mariens dargestellt, eine Szene, die eng mit der Frage der unbe- fleckten Empfängnis ver- knüpft ist. Der Würzburger Künstler fand eine, wie mir scheint, für die Stadt typi-

sche, wenn auch vielleicht theologisch nicht ganz haltba- re Deutung: Während der Engel zu Maria spricht, rutscht die Gestalt eines Säuglings durch eine Art Schlauch vom Mund Gott Va- ters in Mariens Ohr!

Wen nimmt es noch wun- der, daß auch ein unbestreit- barer Meister des Wortes in Würzburg seine letzte Ruhe- stätte gefunden hat: der Min- nesänger Walther von der Vogelweide, ein Dichter zu Ehren der Liebe und der schönen Frauen. Sein (ver- mutetes) Grab liegt sehr idyl- lisch im „Lusamgärtchen" na- he dem Dom, umrahmt von einem romanischen Kreuz- gangrest. Und auch das ist ty- pisch für Würzburg: Die Steinplatte ist zu jeder Jah- reszeit mit frischen Blumen geschmückt.

Im übrigen haben und hat- ten die Würzburger durchaus nicht immer Grund zu unge- schmälerter Lebensfreude.

Ein Schicksalsdatum wurde schon genannt: Am 16. März 1945, also kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde die Stadt durch einen Bom- benangriff in Schutt und Asche gelegt. Mehr als ein Jahrhundert zuvor hatten die aus Rußland zurückkehren- den, geschlagenen und demo- ralisierten Truppen Napo- leons ebenso gewütet wie 1631 während des Dreißigjäh- rigen Krieges die Schweden.

Die Bauernkriege des Jahres 1525 hinterließen nicht min- der tiefe Spuren, zumal sich die Bürgerschaft unter der Führung Tilman Riemen- schneiders mit den Bauern gegen den Fürstbischof soli- darisierte und geschlagen wurde. An Kämpfen der Bür- gerschaft gegen die bischöfli- che Herrschaft mit dem Ziel

einer stärkeren Selbstbestim- mung hatte es seit 1254 nie gefehlt. Der Erfolg blieb al- lerdings aus. Nur einmal sah es ganz so aus, als sollten die Würzburger die angestrebte Reichsfreiheit erringen: 1397 kam König Wenzel in die Stadt und versprach das er- wünschte Privileg. Doch kaum hatte er Würzburg ver- lassen, widerrief er sein Ver- sprechen. Er hatte es im Voll- rausch gegeben.

Und damit sind wir end- lich bei dem angelangt, was mehr als alle kulturelle Grö- ße Würzburgs Ruhm begrün- det: dem Frankenwein. Ich werde mich hüten, noch ei- nen Schritt weiterzugehen und zu behaupten, nur in ei- ner Gegend, in der solcher Wein wächst, könnte auch ei- ne solche Kultur blühen (ganz nebenbei: von Goethe ist belegt, daß er allein 1821 900 Liter Frankenwein be- zog!).

Ohne Wein ist Würzburg — auch heute — einfach nicht denkbar. Müller-Thurgau,

Silvaner, Kerner, dazu die verschiedensten Lagen und Böden — das Thema ist schier unerschöpflich. Da bleibt ei- gentlich nur eins: Man muß sich selber durchprobieren.

Würzburgs renommierte Weinstuben (mit Verkauf au- ßer Haus) Juliusspital und Bürgerspital bieten dazu ebenso Gelegenheit wie die zahlreichen kleineren Wein- lokale. Zu empfehlen ist da außer der Gaststätte Riemen- schneider, den Buhlschen Weinstuben, dem Weinkeller im Lämmle und dem Ratskel- ler vor allem das Weinhaus zum Stachel, das älteste Würzburger Gasthaus. Soll- ten Sie, anders als ich, an ei- nem lauen Sommerabend dort einkehren und auf einen Platz im idyllischen Innenhof reflektieren, sollten Sie aller- dings vorsorglich eine Reser- vierung vornehmen. Denn wie gesagt: Die Würzburger — gerade die angestammten — verstehen es zu genießen.

Darum ist es eigentlich auch müßig, auf die Qualität fränkischer Küche hinzuwei- sen. Versuchen Sie einfach einmal eine Häckerbrotzeit (Häcker = Winzer, weil er im Weinberg Unkraut hackt), ei- ne geräucherte Spessartforel- le,

Steinpilze mit Semmelklö- ßen

oder Kalbsvögele . . . oder ein paar blaue Zipfel (in Essigsud gekochte Bratwür- ste). Elisabeth Petersen Unbedingt ansehen sollte man in Würzburg: Festung Mari-

enberg mit Mainfränkischem Museum, Käppele, Dom, Neumünster, Lusamgärtchen, Stift Haug, Residenz, Hofkir- che und Hofgarten, Alte Mainbrücke, Rathaus, den Alten Kranen am Mainufer, Marienkapelle, Haus zum Falken am Markt.

Informationen erhalten Sie bei der Tourist Information:

Haus zum Falken, 8700 Würzburg, Tel• 09 3113 73 98.

Dt. Arztebl. 87, Heft 16, 19. April 1990 (87) A-1297

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