I FALLBERICHT I
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Warum Sie diesen Beitrag lesen sollten?Für die Versorgung der Extrak - tionsalveole stehen diverse Tech- niken zur Verfügung. Die Autoren möchten ein wenig invasives Kon- zept vorstellen, das mithilfe einer Ribose-kreuzvernetzten Membran
knöcherne Augmentationen ver- meiden kann und zu ästhetisch
guten Ergebnissen führt.
SOCKET PRESERVATION MIT SEMI-OFFENER
EINHEILUNG
Knöcherne Augmentationen lassen sich durch den Einsatz Ribose- kreuzvernetzter Membranen vermeiden
Dr. Frederic Kauffmann, Prof. Dr. Stefan Fickl
Ziel: Dieser Fallbericht stellt eine Socket- Preservation-Technik mit einer Ribose- kreuzvernetzten Membran vor, die von Beginn an exponiert einheilt.
Material und Methode: Bei einem 65-jährigen Patienten wurde nach Ent- fernung von Zahn 16 die nach bukkal fe- nestrierte Extraktionsalveole mit einem schwer resorbierbaren Knochenersatz- material aufgefüllt und mit einer Ribose- kreuzvernetzten Membran verschlossen.
Die Membran war von Anfang an expo- niert.
Schlussfolgerung: Ribose-kreuzver- netzte Membranen eignen sich dank ihrer langen Standzeit von ca. 6 Monaten gera- de in exponierten Situationen für die So- cket/Ridge Preservation. Mit der Membran und einem mikrochirurgischen Konzept lassen sich gute knöcherne wie auch weichgewebige Ergebnisse erzielen.
Schlüsselwörter: Socket Preservation;
Ridge Preservation; Ribose-kreuzvernetzte Membran; DBBM
Zitierweise: Kauffmann F, Fickl S: Socket Preservation mit semi-offener Einheilung.
Z Zahnärztl Implantol 2018; 34: 58−62 DOI 10.3238/ZZI.2018.0058−0062 EINLEITUNG
Nach Zahnentfernung unterliegt die Ex- traktionsalveole Um- und Abbauprozes- sen. Je nach knöcherner Situation, die nach der Entfernung des Zahns vorzufin- den ist, kann von einer stärkeren Schrumpfung ausgegangen werden. So zeigen intakte Extraktionsalveolen weni- ger Schrumpfung als Alveolen mit knö- chernen Defekten speziell im bukkalen Bereich [4, 9]. Auch ob Ober- oder Unter- kiefer, Molar- oder Frontzahn betroffen ist, ist nicht unerheblich. Der weichgewebige und knöcherne Volumenverlust führt zu notwendigen augmentativen Maßnah- men, um die defizitären Regionen ästhe- tisch ansprechend versorgen zu können.
Um diese Zweiteingriffe zu verhindern, wurden die Socket-/Ridge-Preservation-
Techniken entwickelt. Diese Techniken haben alle gemeinsam, dass eine Schrumpfung nicht vollständig zu vermei- den ist. Bleibt die Extaktionsalveole unver- sorgt, kommt es zu deutlich größeren Um- bauprozessen. Socket- /Ridge-Preserva - tion-Techniken zeigen in diesen Fällen ei- nen deutlichen Vorteil [5, 11].
Im Vergleich verschiedener Techniken führen die Varianten, die ein freies Schleimhauttransplantat nutzen, zu gerin- geren Schrumpfungen als die Vergleichs- gruppen [2, 1]. Auch wenn Untersuchun- gen zeigen, dass die Entnahme des freien
Schleimhauttransplantats vom Gaumen eine für den Patienten gut verträgliche Technik darstellt, weist die Empfängerre- gion teils deutliche Narben im bukkalen Bereich nach Zahnersatzversorgung auf.
Diese Narben lassen sich auch durch Nar- benkorrekturen nicht vorhersagbar entfer- nen [1].
Die Verwendung von Kollagenmatri- zes stellt eine Alternative zum freien Schleimhauttransplantat dar, um Narben und das zweite OP-Gebiet zu umgehen.
Die Verwendung von Kollagenmatrizes anstelle eines freien Schleimhauttrans-
plantats zeigt ähnliche Ergebnisse [6].
Liegt ein bukkaler Defekt der Alveole vor, zeigen Membrantechniken bessere Er- gebnisse [11, 12].
Dem Kliniker stehen verschiedene Kol- lagenmembranen mit unterschied lichen Resorptionszeiten zur Verfügung. Gerade im Rahmen der Socket/Ridge Preservation ist eine lange Standzeit von Vorteil. Dies wird durch eine Vernetzung des Kollagens erreicht. Ribose-kreuzvernetzte Membra- nen zeigen die größte Resistenz und er- möglichen eine von Beginn an exponierte Einheilung [3, 7]. Aufgrund der Möglichkeit Abb. 1a: Ausgangssituation: klinische Situa tion von Zahn 16 vor Ex-
traktion
Abb. 1b: Ausgangssituation: röntgenologische Situation von Zahn 16 vor Extraktion
Fotos 1–7: Prof. Dr. Stefan Fickl
Abb. 2: Zahn 16 in 3 Teile getrennt Abb. 3: Zustand nach Extraktion: Extraktionsalveole mit sichtbarem Knochendefekt
der Exposition ist ein primärer Wundver- schluss nicht erforderlich. Es ergeben sich weitere Vorteile; auf Lappenbildung und Periostschlitzung kann verzichtet werden.
Die Folge ist, dass die mukogingivale Grenze nicht verschoben wird. Die Wund- heilung gestaltet sich unproblematisch, und nach Abheilung zeigen sich narben- freie Weichgewebe. Die Implantation oder Pontic-Einlagerung ist unter diesen Vo- raussetzungen gut möglich.
AUSGANGSLAGE
Ein 65-jähriger Patient, der sich regelmä- ßig für die parodontale Nachsorge vor- stellte, zeigte an Zahn 16 eine deutlich er- höhte Taschensondierungstiefe (TST) mit Furkationsbeteiligung (→ Abb. 1a/b). Die Mundhygiene war als sehr gut einzustu- fen. Der parodontale Befund war bis auf wenige, leicht erhöhte TST unauffällig und ohne Blutung auf Sondieren (BOP). Wei- terer Handlungsbedarf bestand keiner.
Aufgrund des Furkationsbefalls an Zahn 16 war eine chirurgische Erhaltungsthera- pie wenig erfolgversprechend, sodass der Zahn für die Extraktion eingeplant wurde.
Als Zahnersatzversorgung wurde eine im- plantatgetragene Suprakonstruktion ge- wählt, um die parodontal vorgeschädigten Nachbarzähne nicht zusätzlich zu belas- ten [8]. Um ein möglichst gutes Knochen- und Weichgewebsangebot zum Zeitpunkt der Implantation vorzufinden, wurde einen
Ridge Preservation geplant. Ziel war es, eine Sinusliftaugmentation zu umgehen.
VORGEHENSWEISE
Vor der Extraktion wurde Zahn 16 mit ei- nem diamantierten Bohrer in 3 Teile ge- teilt, um eine schonendere Entfernung zu ermöglichen (→ Abb. 2). Die einzelnen
Wurzelanteile ließen sich anschließend gut und ohne besondere Vorkommnisse entfernen. Die Extraktionsalveolen (→ Abb. 3) wurden mit einem scharfen Löffel gründlich exkochleiert und im Anschluss mit steriler Kochsalzlösung gespült. Nach Säuberung der Alveolen wurden diese mit einem schwer resorbierbaren Knochener- satzmaterial (Geistlich Bio-Oss, Geistlich Pharma AG, Wolhusen/Schweiz) aufge- füllt und leicht kondensiert. Im Anschluss
wurde eine Ribose-kreuzvernetzte Mem- bran (Ossix Plus, Regedent GmbH, Det- telbach) unter den zuvor leicht elevierten Wundrändern positioniert. Auf einen pri- mären Wundverschluss wurde bewusst verzichtet. Die exponierte Membran wur- de mit einer Kreuznaht aus monofilem, nichtresorbierbarem Nahtmaterial in der Stärke 6–0 (Seralene, Serag-Wiessner GmbH & Co. KG, Naila) in Position gehal- ten (→ Abb. 4a/b). Eine weitere Versor- gung fand nicht statt.
Sieben Tage nach der Extraktion wur- den die Nähte entfernt. Es zeigten sich reizlose Wundränder. Nach 5 Monaten er- folgten der Reentry und die Implantation.
Das knöcherne Angebot war ausreichend, sodass auf weitere knöcherne Augmenta- tionen verzichtet werden konnte. Die Weichgewebe stellten sich narbenfrei und in einer ausreichenden Gewebsdicke dar (→ Abb. 5–7). Drei Monate nach der Im- plantation erfolgten die Freilegung und im Verlauf die Abformung und Eingliederung der Suprakonstruktion.
DISKUSSION
Socket-/Ridge-Preservation-Techniken sind geeignet, die Um- und Abbauprozes- se nach Zahnentfernung zu reduzieren [5, 11]. Vollständig reduzieren lassen sich diese Prozesse durch keine Technik [2, 10]. Die Verwendung von Ribose- kreuzvernetzten Membranen hilft, sowohl Abb. 4a: Nahtverschluss mit bewusst exponierter Membran Abb. 4b: Kontrollröntgenbild nach Socket-Preservation
Durch die Verwendung Ribo- se-kreuzvernetzter Membra-
nen im Rahmen der Socket Preservation kann die Häu- figkeit von Augmentationen
reduziert werden.
I FALLBERICHT I
Abb. 5a: Klinische Situation vor Implantation: Es zeigt sich narbenfreies Weichgewebe mit nur minimaler Schrumpfung des Kieferkamms.
Abb. 6a: Nach Aufklappung zeigen sich noch Reste der Membran
Abb. 5b: Röntgenologische Situation vor Implantation
Abb. 6b: Einbringen des Implantats in idealer Position
Abb. 7a: Röntgenkontrollbild nach Implanta tion Abb. 7b: Nahtverschluss nach Implantation
die Entnahmemorbidität von freien Schleimhauttransplantaten zu reduzieren als auch positiv auf die Narbenbildung ein- zuwirken. Speziell im Oberkiefer bis zum Prämolarenbereich kann die Ridge/Socket Preservation dazu beitragen, ein besseres ästhetisches Ergebnis zu erzielen – so- wohl die Implantat- oder Ponticposition als auch das Weichgewebe betreffend.
Im vorliegenden Fall konnte trotz eines parodontalen Defekts auf eine vollständi- ge Deckung verzichtet und nach Abhei- lung das Implantat ohne eine weitere Aug-
mentation, wie z.B. Sinuslift, eingebracht werden. Ob ein Knochenersatzmaterial, und, wenn ja, welches, Anwendung finden sollte, ist Gegenstand aktueller Studien und wird dazu führen, die Socket-/Ridge- Preservation-Techniken weiter zu verbes- sern.
FAZIT
Langsam resorbierbare Ribose-kreuzver- netzte Membranen eigenen sich für So- cket- oder Ridge-Preservation-Techniken gleichermaßen. Die wenig invasive Tech-
nik trägt dazu bei, umfangreichere Aug- mentationen zu vermeiden. Durch die Möglichkeit der exponierten Einheilung kann auf eine Lappenpräparation mit Pe- riostschlitzung verzichtet werden. Da- durch verringert sich die Invasivität, und der Heilungsverlauf wird begünstigt.
Interessenkonflikt: Beide Autoren geben an, sowohl Unterstützung für klinische Studien als auch Vortragshonorare zu er- halten (ausführliche Offenlegung siehe
Seite 78).
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1 __Fickl S, Kauffmann F, Stappert CF, Kauffmann A, Schlagenhauf U:
Scar Tissue Formation Following Alveolar Ridge Preservation: A Case Control Study. Int J Peri- odontics Restorative Dent 2018;
38: e1–e7
2 __Fickl S, Zuhr O, Wachtel H, Bolz W, Huerzeler MB: Hard tissue altera - tions after socket preservation: an experimental study in the beagle
dog. Clin Oral Implants Res 2008;
19: 1111–1118
3 __Klinger A, Asad R, Shapira L, Zu- bery Y: In vivo degradation of colla- gen barrier membranes exposed to the oral cavity. Clin Oral Implants Res 2010; 21: 873–876
4 __Lee CT, Chiu TS, Chuang SK, Tar- now D, Stoupel J: Alterations of the bone dimension following imme- diate implant placement into ex- traction socket: systematic review and meta-analysis. J Clin Peri- odontol 2014; 41: 914–926
5 __MacBeth N, Trullenque-Eriksson A, Donos N, Mardas N: Hard and soft tissue changes following al- veolar ridge preservation: a syste- matic review. Clin Oral Implants Res 2017; 28: 982–1004 6 __Meloni SM, Tallarico M, Lolli FM,
Deledda A, Pisano M, Jovanovic SA: Postextraction socket preser- vation using epithelial connective tissue graft vs porcine collagen matrix. 1-year results of a randomis ed controlled trial. Eur J Oral Implantol 2015; 8: 39–48
7 __Moses O, Vitrial D, Aboodi G et al.:
Biodegradation of three different collagen membranes in the rat cal- varium: a comparative study. J Pe- riodontol 2008; 79: 905–911 8 __Pretzl B, Kaltschmitt J, Kim TS,
Reitmeir P, Eickholz P: Tooth loss after active periodontal therapy. 2:
tooth-related factors. J Periodontol 2008; 35: 175–182
Literatur
I FALLBERICHT I
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DR. FREDERIC KAUFFMANN Universitätsklinikum Würzburg, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Abteilungfür Parodontologie kauffmann_f@ukw.de
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PROF. DR. STEFAN FICKL Universitätsklinikum Würzburg, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Abteilungfür Parodontologie fickl_s@ukw.de
ITI TREATMENT GUIDE SERIES
Der neunte Band der bekannten und be- liebten ITI Treatment Guide Reihe ist der implantologischen Versorgung alter und hochbetagter Patienten gewidmet. Im Ge- gensatz zu den bisherigen Bänden steht die Durchführung der chirurgisch-protheti- schen Therapiemaßnahmen weniger im Fokus. Schwerpunkt des Buches bildet die physiologische Veränderung des Körpers
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I BUCHEMPFEHLUNG I