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Archiv "Peter C. Scriba: Mit geringem Aufwand großen Nutzen stiften" (30.09.2005)

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P O L I T I K

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A2598 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 39⏐⏐30. September 2005

M

anchmal geht man weite Wege, bis man um die Bedeutung be- stimmter Fragestellungen weiß.

Begonnen hat Prof. Dr. med. Peter C.

Scriba als Grundlagenforscher, dann ist er lange in der klinischen Forschung tätig gewesen, doch inzwischen enga- giert er sich vor allem in der Versor- gungsforschung. Für Scriba ist die Fra- ge, in welcher Weise neue medizinisch- wissenschaftlichen Erkenntnisse in die ärztliche Praxis umgesetzt werden, nunmehr von vorrangigem Interesse.

„Ich meine, dass man mit dieser Art der

Forschung noch sehr großen Nutzen stiften kann.“ Oft dauere es viel zu lan- ge, bis das Forschungswissen an der Ba- sis ankommt. Scriba warb im Gespräch mit der Redaktion des Deutschen Ärz- teblattes für die Initiative der Bundes- ärztekammer (BÄK) zur Förderung der Versorgungsforschung. „Die Pro- bleme in der Praxis sind groß und wich- tig. Wir wollen, dass sie bearbeitet wer- den und dass der Arzt nicht den Ein- druck hat, unfair und von oben herab behandelt zu werden.“ Nach Ansicht des Vorsitzenden des Wissenschaftli- chen Beirats der BÄK kann in vielen Bereichen mit geringem

finanziellen Aufwand die Versorgungssituation ver- bessert werden.

Auf der Grundlage ei- nes Beschlusses des 108.

Deutschen Ärztetages

(2005) fördert die Bundesärztekammer über einen Zeitraum von sechs Jahren Projekte der Versorgungsforschung mit jährlich 750 000 Euro. Inzwischen liegt der Ausschreibungstext für die För- derungsinitiative vor (Bekanntgabe im Deutschen Ärzteblatt, Heft 37/2005).

Unterstützt werden sollen Forschungs- vorhaben, die sich mit der Implementie- rung von Leitlinien in den ärztlichen Alltag befassen, die den Einfluss der

„Ökonomisierung“ auf die Patienten- versorgung und die Handlungsfreiheit der ärztlichen Tätigkeit untersuchen oder die sich mit der Wechselwirkung zwischen arztseitigen Faktoren und Versorgungsrealität (physician factor) beschäftigen. Ein Ziel dieser Versor- gungsforschung sei natürlich auch, der über die Ärzte hinweggehenden

„Schmähwelle“ etwas entgegensetzen zu können.

Gleichwohl verwahrt sich Scriba ge- gen Kritiker, die behaupten, dies sei Auftragsforschung und somit nicht un- abhängig. Aus der „Szene“ der Versor- gungsforschung seien anerkannte Ex- perten ausgewählt worden, die die For- schungsförderung der BÄK kritisch be- gleiten werden. Sie werden gleichzeitig als so genannte Paten Projektvorschläge aus der Praxis unterstützen, die vielver- sprechend klingen, aber methodische Defizite aufweisen. Scriba hofft, dass die BÄK-Initiative eine Finanzierungslawi- ne auslöst.Auch bei den Krankenkassen gebe es inzwischen eine Reihe von Ent- scheidungsträgern, die gerne bei der Versor- gungsforschung dabei sein würden. Die Phar- maindustrie komme dagegen als Geldgeber – „sicherlich nicht der erste Förderkreis, an den ich denken würde“ – weniger infrage; im Kontext mit der Versorgungsforschung müsse man sehr sensibel im Umgang mit der Pharmaindustrie sein.

Über die Auswahl der Förderprojek- te entscheidet der BÄK-Vorstand – auf der Grundlage eines Beschlussvor- schlages des Wissenschaftlichen Beirats der BÄK. Angesprochen auf die Funk- tion des Wissenschaftlichen Beirats, ver- weist Scriba auf den schwierigen Spa- gat, den die Bundesärztekammer zu lei- sten habe: Einerseits müsse sie die In- teressen der Ärzte berufspolitisch ver- treten, andererseits habe sie eine Auf- sichtsfunktion sowie die Verpflichtung, die Ärzte an den aktuellen Stand ärztli- cher Versorgung heranzuführen. „Man kann die erste Aufgabe am besten be- wältigen, wenn man in den beiden ande- ren Punkten vorbildlich handelt.“

Peter C. Scriba

Mit geringem Aufwand großen Nutzen stiften

Die Versorgungsforschung soll dazu beitragen, dass neuestes Forschungswissen schneller an der Basis ankommt.

Prof. Dr. med. Dr. med.

h.c. Peter C. Scriba ist ein vielseitiger und viel beschäftigter Mann. In Krankenhaus und Forschung ist der emeritierte Lehrstuhlin- haber für Innere Medzin und Klinikdirektor der Ludwig-Maximilians-Uni- versität München und Aufsichtsrat mehrerer Uni-Kliniken ebenso zu Hause wie in der Publizi- stik (als Schriftleitungs- mitglied der Deutschen Medizinischen Wochen- schrift) und der Poli- tikberatung. Diese Fülle an Erfahrung kommt dem Wissenschaftlichen Beirat der Bundesärzte- kammer zugute, den Scriba seit 2002 leitet.

G espräch das

„In der IGeL- Diskussion muss die

Ärzteschaft klar

Stellung beziehen.“

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Die Themen des Wissenschaftlichen Beirats würden sich deshalb aus den ständigen Aufgaben der BÄK ergeben.

Gerade fertig gestellt sind Stellung- nahmen zu den Themen Autopsie und ADHS. Der Beirat arbeite derzeit an ei- nem Vorschlag, wie eine EU-Richtlinie zur Qualität und Sicherheit von mensch- lichen Geweben und Zellen in Deutsch- land umgesetzt werden könne. Dauer- themen seien Richtlinien und Leitlinien für die Hämotherapie nach den Vorga- ben des Transfusionsgesetzes oder die Reproduktionsmedizin; hier werde an neuen Bestimmungen zur In-vitro-Ferti- lisation gearbeitet.

Scriba sieht es als eine zentrale Auf- gabe der ärztlichen Selbstverwaltung an, ein möglichst hohes Maß an Versor- gungsqualität zu gewährleisten. Hier wagt er sich im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt auf schwieriges Gelände. Die Kassenärztlichen Vereini- gungen könnten in Fragen der Qua- litätssicherung nicht der alleinige Part- ner sein. Die Qualitätsoffensive der Kassenärztlichen Bundesvereinigung weise neuerdings in die richtige Rich- tung. Allerdings gehörten Fragen der Qualitätssicherung auch auf die Ebene der Kammern. Denn diese stünden in einer ärztlichen Versorgungsverantwor- tung für das Ganze – und damit auch für den niedergelassenen Sektor.

Doch auch die Ärztekammern beob- achtet Scriba kritisch. Er berichtet von

einem Mann, dem eine präventive Ma- gnetresonanztomographie aller inneren Organe für 15 000 Euro verkauft werden sollte – als Individuelle Gesundheitslei- stung (IGeL) außerhalb des GKV-Lei- stungskatalogs. Dies sei „schnöde Geld- schneiderei, die mich

nur noch anwidert“, empört sich Scriba. Hier müssten die Ärztekam- mern klarer Stellung be- ziehen;die Ärzte bräuch- ten Spielregeln, wie man mit den Selbstzahler- Leistungen umzugehen hat. Diese Aufgabe kön- ne nur die ärztliche Selbstverwaltung leisten.

Was Scriba nicht will, ist ein Mehr an Kontrolle.

„Ich möchte lediglich, dass die Ärzte dahin kommen zu sagen: Das tut man nicht.“

In seiner Funktion als stellvertretender Vorsit- zender des Sachverstän-

digenrats zur Begutachtung der Entwick- lung im Gesundheitswesen (SVR) ist Scriba mit der mittel- und langfristigen politischen Verwertung von dessen Vor- schlägen zufrieden. Als Beispiele für Pa- radigmenwechsel, die der Sachverständi- genrat angestoßen hat, nennt Scriba:

>leitlinienorientierte Medizin

>Verzahnung stationär und ambulant

>Mindestzahlen.

Auf kurze Sicht könne man selbstver- ständlich mit der Um- setzung von SVR- Vorschlägen nicht zu- frieden sein. Sich ein solches Ziel zu set- zen, hieße aber, aktiv Gesundheitspolitik machen zu wollen.

Mag sein, dass Prof.

Karl W. Lauterbach nun die Gelegenheit erhält, gestaltend in die Politik eingreifen zu können. Als Bun- destagsabgeordneter dürfe er aber nicht mehr Mitglied des Sachverständigenra- tes sein.

Auf den Krankenhausbereich und die Qualitätssicherung angesprochen, verweist Scriba auf nun gesetzlich vor- geschriebene Qualitätsberichte. Hier seien allerdings die Anforderungen viel zu niedrig angesetzt. Man könne diese Berichte aber auch, wie bereits von einem Klinikbetreiber vorexerziert, ausbauen und als ein hervor- ragendes Marketingin- strument nutzen. Der Trend müsse dahin ge- hen, dass der Patient eingebunden wird, dass er weiß, was mit ihm passiert.

Ohnehin sieht er bei vielen Krankenhäusern noch Reformbedarf.Scri- ba beklagt zum Beispiel den mangelnden Team- geist in vielen Fakultä- ten, die von Egoisten beherrscht seien. Scriba plädiert für Chefarzt- verträge, die keine Anreize setzen, möglichst viele Leistungen zu erbrin- gen, um privat zu liquidieren. Die An- reize sollten so gesetzt werden, dass Kooperationshemmnisse beseitigt wer- den. „Der Raffgier muss begegnet wer- den, indem Regelungen geschaffen werden, die den wirtschaftlichen Erfolg des Ganzen von der Kooperation aller abhängig macht.“

Auch für die Universitätskliniken gelte, dass sie mit dem ökonomi- schen Druck zurechtkommen müssten.

Selbstverständlich benötigten sie zu- sätzlich einen pauschalen Betrag für die Lehre, führt Scriba aus. Auch das schwierige Problem der Finanzierung von Forschung müsse gelöst werden.

Scriba ist allerdings sicher, dass auch private Anbieter alle Funktionen der Universitätskliniken sicherstellen kön- nen. Allein schon aus Prestigegründen sei dies ein Muss für die großen pri- vaten Anbieter. Scribas Rat an bedroh- te Universitätskliniken: „Spezialisiert euch und hört auf, den Großen Kon- kurrenz machen zu wollen; setzt die ganze Forschungskraft in begrenzte Projekte und konzentriert euch auf die Hausarztausbildung und -weiter-

bildung.“ Thomas Gerst

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 39⏐⏐30. September 2005 AA2599

„Ich möchte lediglich, dass die Ärzte dahin

kommen zu sagen:

Das tut man nicht.“

Scriba: Es ist eine zentrale Aufgabe der ärztlichen Selbstverwal- tung, ein hohes Maß an Versorgungsqualität zu gewährleisten.

Fotos:Eberhard Hahne

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