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Archiv "Obstipation – Pathophysiologie, Diagnose und Therapie: Exzellent" (13.11.2009)

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766 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 46

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13. November 2009

M E D I Z I N

Ergänzend sollten folgende Fakten Berücksichti- gung finden:

Zu den Angaben pathopysiologischer Komponen- ten einer chronischen Obstipation wird auch eine Störung der intrinsischen Motilität aufgeführt. Um diese zu aktivieren beziehungsweise zu fazilitieren, gibt es Maßnahmen der konservativen, physikali- schen Therapie oder auch Komplementärmedizin, die allesamt eine Beeinflussung des autarken entera- len Nervensystems (ENS) bedingen.

Dabei sind Maßnahmen wie zum Beispiel Kolonbe- handlung (5-Punkt-Behandlung nach Vogler, Kraus) sowie die Bindegewebsmassage als Reflexzonenthera- pie im Sinne der Nutzung kutaneoviszeraler Reflexe und auch die Fußreflexzonentherapie (FRZT) zu nen- nen. Zwar steht der neurophysiologische Beweis der Reflexzonen am Fuß noch aus, jedoch wurden im letz- ten Jahr reflektorische Verbindungen von der Fußsohle zum Knie bei der Katze nachgewiesen (1).

Empirische Wirksamkeit der FRZT zur Beeinflus- sung der Motilitätsstörung des Gastrointestinaltrak- tes wird seit langem beobachtet. In einer wissen- schaftlichen Studie untersuchen wir diese Einfluss- nahme. Es gibt Daten, dass die FRZT bei Behand- lung der darmassoziierten Zone die Durchblutung lo- kal im Darm verbessert (2).

Letztlich müssen im Kontext der ergänzenden und erweiterten komplementären beziehungsweise natur- heilkundlichen Maßnahmen auch feuchte, heiße Kompressen auf die Abdominalregion sowie osteo- pathische (viszerale) Techniken zur Anregung der Motilität und Förderung einer verzögerten Motilität genannt werden.

Diese autoregulativen Interventionen sollten die- ser Patientenklientel nicht vorenthalten werden.

DOI: 10.3238/arztebl.2009.0766a LITERATUR

1. Rudomin P, et al.: Changes in synaptic effectiveness of myelin- ated joint afferents during capsiacin-induced inflammation of the footpad in the anesthetized cat. Exp Brain Res 2008; 187:

71–84.

2. Mur E, et al.: Influence of reflex zone therapy of the feet on intestinal blood flow measured by color Doppler sonography.

Fokumed 2001; 8: 86–9.

3. Müller-Lissner S: The pathophysiology, diagnosis and treatment of constipation [Obstipation – Pathophysiologie, Diagnose und Therapie]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(25): 424–32.

Prof. Dr. med. Christine Uhlemann Universitätsklinikum Jena

Klinik Innere Medizin II, Postfach 07740 Jena E-Mail: UKJ-KIM2@med.uni-jena.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Verwirrung

Als „adäquate therapeutische Konsequenz“ der opioidinduzierten Obstipation werden vom Autor zu- erst die Verordnung von Oxycodon/Naloxon, dann Methylnaltrexon und zuletzt (!) die Gabe von Laxan- zien genannt werden. Dazu mehrere Anmerkungen:

Selbstverständlich ist die aktive Befragung der Rom-III-Kriterien zielführend für die eindeuti- ge diagnostische Festlegung einer Obstipation.

Dennoch ist die praktische Umsetzung im kon- kreten Fall schwierig, weil diese Kriterien bei Patienten im klinischen Alltag nicht immer er- fragbar sind.

Die Empfehlung selektiver Serotoninwieder- aufnahmeinhibitoren (SSRI) als Alternative zur Anwendung trizyklischer Antidepressiva führt zwar seltener zu einer Obstipation, verhindert diese aber nicht sicher. So führen einzelne AWMF-Leitlinien die Obstipation als Neben- wirkung auch von SSRI auf. Pathophysiolo- gisch kommt es unter SSRI zu einer Inhibition gastrointestinaler enterochromaffiner seroto- nerger Rezeptoren im enterischen Nervensys- tem mit einer Verminderung der Peristaltik des Kolons und der Sekretionskapazität.

Aus schmerz- und palliativmedizinischer Sicht sollte die opioidinduzierte Obstipation als ein häufiger Grund für den Abbruch einer ansons- ten lege artis und effektiven Schmerztherapie unbedingt stärker beachtet werden. Mit Beginn einer Opioidtherapie ist eine Obstipationspro- phylaxe unerlässlich.

Die vollständige Zusammenstellung der ver- schiedenen Therapieverfahren und Empfehlung bestimmter Laxanzien mit einem günstigen Ver- hältnis von Effektivität zu Nebenwirkung ist be- grüßenswert. Im Bereich der Schmerz- und Pal- liativmedizin hat sich die Anwendung verschie- dener medikamentöser Wirkprinzipien in einem eskalierenden Stufenschema als effektiv erwie- sen. Ein solches Stufenschema könnte auch bei anderen Patientengruppen evaluiert werden.

DOI: 10.3238/arztebl.2009.0765c LITERATUR

1. Cash BD, Chey WD: The role of serotonergic agents in the treat- ment of patients with primary chronic constipation. Aliment Phar- macol Ther 2005; 22(11–12): 1047–60.

2. Sittig HB: Kursbuch Palliative Care. Unimed 2009: 205–17.

3. Schenk M: Multimodale Tumorschmerztherapie. Unimed Verlag 2009: 84–8.

4. Müller-Lissner S: The pathophysiology, diagnosis and treatment of constipation [Obstipation – Pathophysiologie, Diagnose und Therapie]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(25): 424–32.

Dr. med. Stefan Wirz

Anästhesie, Interdisziplinäre Intensivmedizin, Schmerztherapie, Palliativmedizin Katholisches Krankenhaus im Siebengebirge Schülgenstraße 15, 53604 Bad Honnef E-Mail: stefan.wirz@cura.org

Interessenkonflikt

Der Autor gibt Verbindungen mit den Firmen Mundipharma, Wyeth, Cepha- lon, Norgive an.

Exzellent

Die zusammenfassende Darstellung der Thematik ist didaktisch und inhaltlich aus schulmedizinischer Sicht exzellent.

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 46

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13. November 2009 767

M E D I Z I N

In jedem Lehrbuch wird auf die Wichtigkeit ei- ner routinemäßigen und frühzeitigen Gabe von Laxanzien bei der Einstellung auf Opioide hin- gewiesen, um die darunter häufig auftretende Obstipation von Anfang an konsequent mit zu therapieren, beziehungsweise erst gar nicht ent- stehen zu lassen (1). Laxanzien sollten daher an erster Stelle der Empfehlungen stehen.

Wechsel der Applikationsart oder Opioidrotati- on führen oft zum Erfolg (2).

Ich habe die Obstipation als wichtiges gastroin- testinales Symptom bei fortgeschrittenen Tu- morleiden und die Abgrenzung zu chronischem Subileus/Ileus mit veränderten therapeutischen Implikationen vermisst. Die palliativmedizi- nisch öfters eingesetzten Gleitmittel-Laxanzien bleiben als Gruppe unerwähnt.

Oxycodon/Naloxon hat in der Therapie starker akuter (gerade auch postoperativer) und chroni- scher Schmerzen wegen der in der Praxis tat- sächlich geringen Obstipationsauslösung zu Recht einen hohen Stellenwert, ist aber in der Zulassung auf 80 mg Oxycodon/40 mg Naloxon Tagesdosis beschränkt. Damit stößt man bei starken Schmerzen oft schnell an Grenzen.

Auch ist Oxycodon nicht für alle Patienten das geeignete Opioid.

Die Kombination Tilidin/Naloxon auf der WHO- Stufe II findet gar nicht erst Erwähnung, obwohl sich diese seit Jahren auf dem Markt befindet und auch fast ohne Obstipationsrisiko ist

(3).Methylnaltrexon ist teuer und auch nur bei

Versagen einer konventionellen Laxanzienthe- rapie zugelassen, sodass hier eine differenzier- te Betrachtung und Gewichtung notwendig ge- wesen wären. Die betonte Herausstellung in der Fußnote zusammen mit Oxycodon/Nalo- xon als „einzige in randomisierten kontrollier- ten Studien belegte Maßnahmen“ verwirrt eher, als eine rationale Entscheidungsgrundla- ge darzustellen.

DOI: 10.3238/arztebl.2009.0766b LITERATUR

1. Bausewein C: Arzneimitteltherapie in der Palliativmedizin.

1. Deutsche Auflage. München: Urban & Fischer 2005: 15ff.

2. Bausewein C: Arzneimitteltherapie in der Palliativmedizin.

1. Deutsche Auflage. München: Urban & Fischer 2005: 173.

3. Wörz R: Differenzierte medikamentöse Schmerztherapie.

2. Auflage. München: Urban & Fischer 2001: 190.

4. Müller-Lissner S: The pathophysiology, diagnosis and treatment of constipation [Obstipation – Pathophysiologie, Diagnose und Therapie]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(25): 424–32.

Dr. med. Ingo Zerbe St. Josef-Krankenhaus Koblenzer Straße 23 54411 Hermeskeil E-Mail: i.zerbe@t-online.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Schlusswort

Ich danke den Kollegen für Ihre anregenden Zuschrif- ten. Die chronische Obstipation ist ja ein sehr „altes“

Thema, das mit vielen unbewiesenen, einigen bewiese- nen und zahlreichen widerlegten (1) Hypothesen be- setzt ist. Ein CME-Artikel im Deutschen Ärzteblatt muss sich – schon aus Platzgründen – auf die Punkte 2 und 3 beschränken. Unüberprüfte Verfahren, mit denen der Autor zudem nie in Berührung kam, müssen zwangsläufig unerwähnt bleiben. So weist Herr Prof.

Uhlemann auf die Fußreflexzonenmassage hin, für die es offensichtlich keinen klinischen Wirksamkeitsnach- weis gibt.

Herr Dr. Schmiedel schreibt zu Recht, dass Obstipier- te, die die Vorzüge einer Laxanzientherapie genossen ha- ben, nach Absetzen der Medikation kein normales Stuhl- verhalten entwickeln. Er schließt daraus auf ein Abhän- gigkeitspotenzial der Laxanzien. Da Laxanzien aber eine symptomatische und keine kausale Therapie der Obsti- pation darstellen, ist ein Verschwinden der Obstipation nach längerer Laxanzieneinnahme gar nicht zu erwarten, genauso wenig wie eine chronische Herzinsuffizienz nach medikamentöser Therapie geheilt ist. Dennoch misst wohl niemand zum Beispiel den ACE-Hemmern ein Abhängigkeitspotenzial zu, oder? Im Plasma ist die Kalium-Konzentration grundsätzlich etwas niedriger als im Serum. Das hat aber nichts mit Obstipation oder Lax- anzien zu tun. Magnesium ist ein schlecht resorbierbares Ion, das bekanntermaßen als salinisches Laxans einge- setzt werden kann (s. Tabelle 2 des Artikels). Es gibt kei- nen Grund zu der Annahme, dass dies vom Blutspiegel des Magnesiums abhängig wäre. Ob Magnesium „die einfachste Methode zur Obstipationsbehandlung“ ist, sei dahin gestellt, beziehungsweise dem Patienten zur Ent- scheidung überlassen.

Herr Dr. Wirz bemerkt zu Recht, dass die Rom-Krite- rien nicht perfekt sind. Derzeit ist meines Wissens aber kein besseres Instrument verfügbar. Die Bemerkung zur Obstipation unter SSRI kann ich weder nachvollziehen noch in der zitierten Quelle finden. Dem Serotonin wird via 5-HT

4-Rezeptoren ein prokinetischer Effekt zuge- sprochen, Blockade der 5-HT

3-Rezeptoren kann zur schweren Obstipation führen. Die Hemmung der Wie- deraufnahme des Serotonins aus dem synaptischen Spalt sollte daher allenfalls zu einer Besserung der Obstipati- on führen, klinisch ist ein solcher Effekt aber nicht rele- vant. Die durch Opiate induzierte Obstipation ist in der Schmerztherapie zweifellos ein relevantes Thema, das aber nur einen Teil aller Obstipierten betrifft und deshalb nicht breiter dargestellt werden konnte.

Dies wird durch die Zuschrift von Herrn Dr. Zerbe unterstrichen. Mit der Reihenfolge in der Aufzählung der möglichen Maßnahmen bei Obstipation durch Opia- te ist meinerseits keine Wertung verbunden. Ein Ver- gleich zwischen ihnen steht aus, desgleichen fehlen mei- nes Wissens Daten zu Tilidin/Naloxon. Dass die Opiat- antagonisten als Therapieprinzip in den Lehrbüchern nicht erwähnt werden, dürfte daran liegen, dass die ent- sprechenden Studien erst im Jahre 2008 publiziert wur- den (2, 3).

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