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DIE HALBJAHRESZEITSCHRIFT VON IGW

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Academic year: 2022

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verständnis von Paulus als Haus- halter Gottes (1.Kor.4,2). Pau- lus ist aber nicht nur ‚Haushal- ter’, sondern ‚Führer’. Den nach Reimer versteht die Schrift den

‚Leiter’ als ‚Verkündiger’.

Einem ganz anderen Themenbe- reich widmet sich der Aufsatz von Rainer Bamberger. Er stellt dar, welche Prozesse beim Leh- renden, beim Lernenden und eben im Gemeindeumfeld beim Prediger und beim Gottesdienst- (fp) IGW Periodical versteht sich

als eine elektronische Zeitschrift, welche Theorie und Praxis in christlicher Lehre und Leben verbindet. Was wir nur gerne als

‚biblisch’ deklarieren, muss kon- sequent mit dem biblischen Wort selbstkritisch und hörend aufgearbeitet werden. Die För- derung des theologischen und praktischen Dienstes steht selbst- redend als Programm für unser Anliegen. Theologische Reflexi- on, ja alle theologische Arbeit ist Dienst für die Gemeinde. Das Gespräch zwischen ‚Theologie’

und ‚Praxis’ wollen wir fördern.

Das ist in der Zeit schwindender Bedeutung von Theologie und Gemeinde in der Gesellschaft ein Gebot der Stunde. Dabei wollen wir nicht neue Feindbilder auf-

richten, sondern moderne Tech- nologie in den Dienst der Förde- rung es Reiches Gottes stellen.

Die elektronische Zeitschrift wird gratis angeboten, um die gute Nachricht von Jesus Chris- tus und verbreiten. Alle, die sich der Förderung des Reiches Got- tes verpflichtet wissen, wollen wir ermutigen, fördern.

Der Aufsatz von Prof. Johannes Reimer nimmt eine wichtige Diskussion von ‚Leiten durch Verkündigung’ (so ein AcF- Seminar) auf. Reimer behauptet nicht nur die Wichtigkeit keryg- matischer Leitung, sondern ver- weisst auf die grundlegenden Aufgaben der evangelischen Pre- digt. Zu einem Leitmotiv der Ausführungen wird das Selbst- Editorial

D I E H A L B J A H R E S Z E I T S C H R I F T V O N I G W

04.04.04 ISSN 1660-8291

BAND 1, AUSGABE 1, SEITE 1

IGW Periodical

Themen in dieser Ausgabe:

Kritik als Universalrolle?

Der Prediger als Leiter

Die Spannung zwischen Instruktion und Konstruktion

Das Herz der Anbetung

In dieser Ausgabe:

Ehrlich kritisch 2 Der Prediger als Leiter 9 Die Spannung ... 23 Das Herz der Anbetung 33 Was mich bewegt 36

Impressum 43

Fritz Peyer Rektor IGW peyer@igw.edu

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hörer ablaufen. Zunächst fragt sich der Leser, was das mit Ge- meinde, Leitung usw. zu tun hat. Bamberger plädiert für eine

‚Teilnehmerfreundliche’ Lern- und – so müsste man sagen – Gemeindekultur. „Für Theolog/

innen, die sich an der Bibel ori- entieren, ist die erwachsenen- bildnerische Gestaltung von Lernkontexten (auch in Gemein- de und Gottesdienst) eigentlich nahe liegend“.

Joachim Schmid schreibt über sein Lieblingslied und Anbetung.

„Gott sucht unser Herz“.

Nun wünschen wir ihnen, liebe Leser und Leserinnen, Gottes Segen, Gewinn. Wir freuen uns über ihre Reaktion. Die nächste Ausgabe folgt am 11.11.2004.

Fritz Peyer

Ehrlich kritisch (mm) Sie ist noch ganz ausser Atem, meine Frau. Eben kam sie zurück aus der Schule, in der sie als Lehrerin arbeitet und berichtete über ihre Freundin, die zerstört am Boden ist. Eine Fachfrau hätte ein periodisches Qualifikationsgespräch führen sollen und hat sie stattdessen nach Strich und Faden abgekan- zelt. Mir tauchen Bilder in der Erinnerung auf, die ich nur zu gerne vergessen würde: Eine Predigersfrau verlässt weinend die Mitgliederversammlung, weil ihr Mann vor versammelter Gemeinde demontiert wurde von einer Vorsteherfrau, die das heimliche Machtzentrum der Gemeinde darstellt. – Ich lese die Ergüsse eines Seminarabsol- venten, wie er über Billy Gra- ham und einzelne seiner Ent- scheidungen herzieht und werde traurig. – Eine blühende Chor-

arbeit in einer Kirche wird ein- gestellt, weil sich ein älteres, aber energisches Mütterchen lautstark an der Rocklänge der Sängerinnen stört. Ein Bild reiht sich ans andere und allen ist gemeinsam, dass sich Mitmen- schen als Richter und Kritiker der Welt und insbesondere der Gemeinde berufen fühlen und so aufführen.

Aber es ist gleichzeitig bezeich- nend, dass neben den vielen unberufenen Kritikern in der Kirche eine sprachlose, unkriti- sche Kirche der Welt und Ihren Perversionen gegenüber zu beobachten ist. Sind diese ge- schwächten, sprachlosen Ge- meinden vielleicht ein Resultat dieser masslosen, ungehinderten Kritiksucht im Innern des Rei- ches Gottes? Ich sehe hier einen direkten Zusammenhang, weil Gottes Richtverbot und Liebes- gebot in direkter Weise verletzt

Ehrlich kritisch

„Ein Bild reiht sich ans andere und allen ist gemeinsam, dass sich Mit- menschen als Richter und Kritiker der Welt und insbesondere der Gemeinde berufen fühlen und so aufführen.“

Manfred Macher ist Theologe, Chefredaktor von IGW Periodical und Unternehmer macher@cris.ch

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Gibt es einen allgemei- nen Auftrag zum Kriti- sieren?

Zuerst gilt: Natürlich sollen wir uns um einander kümmern, für einander da sein. Sollen sogar mehr auf das des anderen sehen.

Aber darum geht es in diesem Diskurs nicht.

Betrachten wir nun zuerst den erfolglosen Versuch verzweifel- ter Kritiker, ihr Amt biblisch zu belegen. Es gibt keine Geistes- gabe der Kritik, kein Amt eines menschlichen Richters im geist- lichen Reich, ja auch keine Uni- versalrolle des Kritisierens, die alle gleichermassen ausleben sollten wie etwa „Zeugnis abzu- legen“ oder sogar zu lieben!

Als erstes begegnete mir immer wieder die Ausrede Kains auf die Anfrage Gottes nach seinem Bruder. „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ (Gen.4,9) wird dann

als Hinweis darauf verstanden, dass der Brudermörder dies eben hätte tun sollen, dass er aber auch hierin gegen Gottes Willen gehandelt hat. Da liest man zuviel in diese Stelle hinein und genauso bei Gen.37,14, wie wenn Jakobs Auftrag an Joseph („Geh doch und sieh, ob es wohl stehe um deine Brüder“) ein univer- selles Prinzip darstellen sollte.

Zudem ist Kern dieses Auftrags das Wohlergehen der Brüder und nicht Fehlersuche.

Du sollst deinen Nächs- ten ernstlich zurecht- weisen

Wie steht es aber mit den vielen Stellen, die zum „Zurecht- weisen“ auffordern? Gott for- dert dazu auf – „Du sollst deinen Bruder in deinem Herzen nicht hassen. Du sollst deinen Nächsten ernstlich zurechtweisen, damit du nicht seinetwegen Schuld trägst“.

(Lev.19,17) Das hier verwendete

„Es gibt keine Geistesgabe der Kritik, kein Amt eines menschlichen Richters im geistlichen Reich...“

werden. Es hängt unmittelbar damit zusammen, dass Gott an einer neuralgischen Stelle hart, grantig ja zynisch scharf und ablehnend wird – nämlich dort, wo sein Volk gesetzlich (vgl.

Galaterbrief) und überheblich wird (Jak.4,6; 1.Petr.5,5).

Und nicht zuletzt: Besser wissen ist einfacher, als besser machen.

Wie mancher Versager, der seine Probleme noch nicht im Griff hat – und das sind wir alle!

– verlegt sich darauf, den ande- ren zu sagen, wie es besser zu machen wäre. Und das hinter- lässt diesen faden, abgestande- nen Geschmack, den wir alle nur zu gut kennen.

hebr. Wort

xky

bedeutet

„zurechtweisen“, ja „entschei- den, richten“; sogar “das Richteramt ausüben”, sowie

„zur Rechenschaft ziehen“;

und sogar „Vorwürfe ma- chen“; aber dann auch „jem.

Recht schaffen“ oder noch deutlicher „für das Recht eintreten“ (Gesenius / Buhl, S. 299). In diesem Kontext steht „zurechtweisen“ als Gegensatz zu „hassen“ und parallel zu „lieben“. Es geht Gott um konkrete Hilfestel- lung für seine Lebensproble- me und auch für seine Schuld. Eine interessante Stelle findet sich in Ps.50,19- 22: „Deinen Mund schicktest du Alle Jahre wieder, saust der

Richterhammer nieder ...

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die Eltern und andere mit so genannter delegierter Autorität (Spr.13,1; 1.Thess.5,12;

2.Tim.2,25). Hier bedeutet es auch zuerst liebevolles Zurecht- bringen, Korrigieren und Er- mahnen (vgl. auch Jes.11,1ff);

dann aber auch verurteilen, richten und strafen. Anders jedoch, wenn Menschen allge- mein im Umgang mit Mitmen- schen beschrieben und zum Zu- rechtweisen aufgefordert wer- den. Hier muss das verurteilen- de, richtende und sogar strafen- de Element völlig ausgeschlos- sen werden. Anderenfalls wird der Mensch anmassend und setzt sich selber in Gottes Position.

Als letzte Stelle sei hier noch Spr.24,24.25 angeführt: „Wer zu dem Schuldigen sagt: Du bist ge- recht! - den verfluchen Völker, den verwünschen Völkerschaften. Denen aber, die ihn zurechtweisen, geht es gut, und bei ihnen trifft das Glück

des Segenswunsches ein.“ (Elb.) Zurechtweisen wird hier erläu- tert als die Fähigkeit, recht zu urteilen; d.h. gut wird gut und böse böse genannt. Zusätzlich aber wird es als „Segen wün- schen“ verstanden. Der Schuldi-

Es geht Gott um konkrete Hilfe- stellung für seine Lebensprobleme und auch für seine Schuld.“

los zum Bösen, und deine Zunge spannte Betrug davor. Du sassest da, redetest gegen deinen Bruder, gegen den Sohn deiner Mutter stiessest du Schmähung aus. Das hast du getan, und ich schwieg; du dachtest, ich sei ganz wie du. Ich werde dich zurecht- weisen und es dir vor Augen stellen.

Merket doch dies, die ihr Gott ver- gesst, damit ich nicht zerreisse, und keiner kann retten!“ Hier wird ein Mitmensch hart mit Worten angegriffen – aber Gott schweigt. Nun meint der Kriti- ker, dass der HERR dies unter- stützen würde; aber im Gegen- teil – er wird den Richtenden, der letztlich Gott vergessen hat, hart zurechtweisen.

Damit wird verdeutlicht, dass dies Wort verschieden gedeutet werden muss, je nach dem, wer der Handelnde ist. Einige Stellen beschreiben Gott als Zurecht- weisenden (Lev.26,23; Hiob 13,10; Ps.94,10; Jer.6,8) und

er auf dich hört, so hast du dei- nen Bruder gewonnen. Wenn er aber nicht hört, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit aus zweier oder dreier Zeugen Mund jede Sache bestätigt werde!

Wenn er aber nicht auf sie hören wird, so sage es der Gemeinde;

wenn er aber auch auf die Ge- meinde nicht hören wird, so sei er dir wie der Heide und der Zöll- ner!“ (Mt.18,15-17). Hier wird oft Grundsätzliches übersehen. Gemeindezucht kann nur bei offensichtli- chem, verifizierbarem Fehl- verhalten angewendet wer- den (wie soll man bei Gedan- kensünden Zeugen aufru- fen?). Dann geht es hier nur um Sünde, d.h. nicht um Stilfragen, Äusserlichkeiten oder verschiedene Meinun- gen. Der Auftrag lautet dann ge bleibt schuldig und wird

auch so beurteilt, aber Zurecht- weisung spricht ihm Gottes vergebenden und heilenden Segen zu!

Überführende Gemeindezucht Danach werden uns bald die Stellen in Zusammenhang mit der Gemeindezucht vorgehal- ten. „Wenn aber dein Bruder sün- digt, so geh hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein! Wenn

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richten werden, wieviel mehr über Alltägliches?“ (1.Kor.6,3). Hier ist die Situation eine völlig ande- re. Zwei Gemeindeglieder strei- ten um Materielles und dies sogar vor weltlichen Gerichten.

Pauli Anweisungen sind klar und deutlich: „Lasst euch doch lieber

unrecht tun, euch übervorteilen!“.

(1.Kor.6,7) – und: „Gibt es denn gar keinen Weisen unter euch, der zwischen Bruder und Bruder ent- scheiden kann?“ (1.Kor.6,5).

Diese Stelle spricht nicht von Gemeindezucht oder Zurecht- weisung, sondern vom Umgang mit zwischenmenschlichen Spannungen und Streitereien.

Aber da gibt es noch das unbe- queme prophetische Amt – sind sie nicht Kritiker per se? Genau

so ist das prophetische Amt zu verstehen – es ist vom Wesen her wieder delegierte Autorität.

Wehe dem Propheten, der Eige- nes ausspricht und dabei be- hauptet, von Gott gesandt oder beauftragt zu sein. Aber genau dies tun Menschen, die ihre Kritik mit einer Sendung Gottes rechtfertigen, obwohl es ihre Meinung oder Sichtweise ist.

Vielleicht beneiden viele Evan- gelikale darum die Charismati- ker um das prophetische Reden, weil sie eigentlich von Gott korrigiert, kritisiert ja über- haupt angesprochen werden wollten und gleichzeitig die falschen, gesetzlichen Rechtha- bereien der selbst ernannten Kritiker satt haben.

Zusammenfassend möchte ich nochmals die eingangs gestellte Frage beantworten: „Gibt es einen allgemeinen Auftrag zumKritisieren?“ Niemals im

Gemeindezucht kann nur bei offen- sichtlichem, verifizierbarem Fehl- verhalten angewendet werden.“

„überführe ihn“ (e;legxon auv-- to.n). elegcw hat wieder, wie das atl. hebr. Äquivalent die ganze Bedeutungsbreite; es be- deutet ganz allgemein „ans Licht stellen, an den Tag bringen“ und überführen, nachweisen; bis hin zu „tadeln, zurechtweisen“ und auch wieder „strafen“ (vgl. Bauer sub loco, Sp.494). Der biblische Gesamtzusammenhang lässt uns aber auch hier wieder keine Wahl. Wieder ist nur „liebevol- les Zurechtbingen, Korrigieren und Ermahnen“ angemessen, jedoch nicht „verurteilen, rich- ten und strafen“. Manchmal hören wir aber Christus sagen:

„Was geht es dich an? Folge du mir nach“ (Joh.21,22).

Aber sofort kommt der Ein- wand, dass Paulus in 1.Kor.5f sehr deutlich von einer Richter- aufgabe innerhalb der Gemeinde spricht, die mit der Zusage en- det: „Wisst ihr nicht, dass wir Engel

Sinne von verurteilen, richten und strafen. Sicher aber im ermutigenden, liebevollen Hinterfragen und Zurecht- bringen. Damit wir diesen Bereich noch besser verstehen lernen, verwendet Jesus in der Bergpredigt das aussagekräfti- ge Bild vom Splitter und Bal- ken im Auge. Diese und ande- re Stellen warnen vor dem falschen Kritisieren und helfen uns Verhaltensweisen für den richtigen Gebrauch zu erler- nen.

Von Balken und Split- ter

„Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn mit wel- chem Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit welchem Mass ihr messt, wird euch zugemessen werden. Was aber siehst du den Splitter, der in

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ist: Das verdammende, verur- teilende und strafende Verhalten gegenüber Mitmenschen. (b) Jesus warnt auch davor, dass unsere eigene Sündhaftigkeit uns befangen macht und behindert.

Er argumentiert, dass wir letzt- lich selten und kaum klar sehen – wie treffend ist damit die

Hauptschwäche der Kritiker gebrandmarkt. Genau darunter leiden alle vier eingangs er- wähnten Kritiker. Gerade Kriti- ker, die meinen, mit Durchblick und messerscharfer Logik be- gabt worden zu sein, laden dau- ernd Schuld auf sich – und erst recht, wenn sie es als Gottes Wille oder Rede verbrämen.

Darum gibt es keine Gnaden- bzw. Geistesgabe der Kritik.

Und wirklich nur Gott mit sei- nem Durchblick und seiner Autorität kann und darf hier einschreiten. Genauso meint Jesus sein berühmt gewordenes, viel zitiertes Wort: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“! Da sollten wir uns schon gar nicht mal nach Steinen in unserer Reichweite umschauen, ohne rot zu werden!

Interessanterweise kann der schwierige Schlussvers in diesem Abschnitt dasselbe nochmals betonen, was wir bereits im Alten Testamen vorgezeichnet fanden. Was ist das Kostbarste, das Heiligste, die Perlen der Gemeinde Jesu? Gottes Wort lässt keinen Zweifel aufkommen – es ist die Liebe und genau diese geht verloren, wenn Men- schen anmassend auf Gottes Richterstuhl Platz nehmen.

„Aber da gibt es noch das unbe- queme prophetische Amt – sind sie nicht Kritiker per se?“

deines Bruders Auge ist, den Balken aber in deinem Auge nimmst du nicht wahr? Oder wie wirst du zu deinem Bruder sagen: Erlaube, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen; und siehe, der Balken ist in deinem Auge? Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge! Und dann wirst du klar sehen, um den Splitter aus deines Bruders Auge zu ziehen. Gebt nicht das Heilige den Hunden; werft auch nicht eure Per- len vor die Schweine, damit sie diese nicht etwa mit ihren Füssen zertreten und sich umwenden und euch zer- reissen!“ (Mt.7,1-6) Bevor wir uns im nächsten Absatz mit den Tipps für aufbauende Kritik beschäftigen, wollen wir diesem Bild entnehmen, wovor Christus so deutlich warnt. (a) Zuerst verbietet er generell das Richten per se, d.h. wieder die zweite Grundbedeutung von zurecht- weisen und überführen, die auch in diesem Wort krino zu finden

Wenn schon, dann recht!

Wenn wir nun fragen, wie dieses berechtigte, zurecht- helfende Ermahnen aussehen könnte, dann kommen wir nicht umhin, zu differenzie- ren – richtendes Verurteilen versus aufbauendes Hinter- fragen. Demütige, sich Gott unterordnende Kinder wer- den im Zweifelsfalle immer schweigen, weil sie der Liebe Sorge tragen. Sie wissen dar- um, wie leicht und schnell zerstört werden kann, und wie langwierig und zeitrau- bend zerstörtes Vertrauen und verletzte Liebe wieder aufbaubar sind. Nebst diesem

„schnell zum Hören“ und langsam zum Reden kommt nun noch die praktische Prio- ritätenfolge im auferbauen-

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mehr einander richten, sondern haltet vielmehr das für recht, dem Bruder keinen Anstoss oder kein Ärgernis zu geben!“ (Röm.14,10- 13)

Die erste Priorität wird durch den Volksmund verdeutlicht:

„Wisch zuerst mal vor der eige- nen Türe!“ Wer zurechthelfen will, kommt nicht darum her- um, an sich selber intensiv zu arbeiten. Seine eigenen Proble- me, Schwächen und sündhaften Verhaltenweisen kennen zu lernen und daran zu arbeiten, gehört zum intensivsten im geistlichen Leben eines Jüngers.

Aber Christus steht diesem Menschen helfend zur Seite! Ich verstehe Joh.16,8 so, dass eine der Hauptaufgaben des Heiligen Geistes, des Beistandes, genau darin besteht, diesen lernwilli- gen Nachfolgern in diesem schwierigen Prozess beizuste- hen. Diese gewissermassen Vor-

arbeit hat einen noch wichtige- ren Aspekt. Im Bild von Jesus gesprochen bleibt ja vom ent- fernten Balken eine grosse un- übersehbare Wunde, ein Loch zurück, das den sich selbst rich- tenden Gläubigen immer wieder an sein Unrecht erinnert und ihn an Gottes Gnade mit ihm selber erinnert. Dies entspricht einem biblischen Prinzip Gottes mit seinen Kindern: Ein Unbarm- herziger lernt zu vergeben, indem er sich daran erinnert, wie stark er selber der Verge- bung bedarf. (Mt.18,21ff) „Wem viel vergeben wurde, der liebt viel“ (Lk.7,47). Wer sich vor Gott richten lässt, wird fähig, barmherzig zurecht zu helfen (vgl. 1.Kor.).

Die zweite Priorität besteht darin, im Zurechthelfen in en- ger Abhängigkeit vom Herrn zu reden und zu handeln. Wie bereits erwähnt, ist zurechtwei- den Kritisieren.

Eine zweite Prämisse besteht meiner Meinung nach darin, dass der Kritiker selber nicht irgendwie Teil des Problems sein darf. Die oben erwähnte Stelle in 1.Kor.5f zeigt dies deutlich.

Und als dritte, einschränkende Vorbemerkung zu richtigem Kritisieren: Es kann und darf nie um Meinungsverschiedenheiten, Ansichten und Geschmack ge- hen! (vgl. Röm.14,3; Kol.2,16)

„Du aber, was richtest du deinen Bruder ? Oder auch du, was verach- test du deinen Bruder ? Denn wir werden alle vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden. Denn es steht geschrieben: ‚So wahr ich lebe, spricht der Herr, mir wird sich jedes Knie beugen, und jede Zunge wird Gott bekennen.’ Also wird nun jeder von uns für sich selbst Gott Rechen- schaft geben. Lasst uns nun nicht

sen ein delegiertes Mandat, in dem aber immer Gott der letzte Richter bleibt. Werden diese zwei beachtet, dann gilt hier der berühmte Satz von Augustin angewandt auf die Kri-tik: „Liebe und dann kritisiere wie du willst“.

Liebendes Zurecht- bringen und heilendes Loslassen

Ich möchte mit dem Zitat aus Gal.6 die Zusammenfassung einleiten: „Brüder, wenn auch ein Mensch von einem Fehltritt übereilt wird, so bringt ihr, die Geistlichen, einen solchen im Geist der Sanftmut wieder zu- recht. Und dabei gib auf dich selbst acht, dass nicht auch du versucht wirst! Einer trage des

„Liebe und dann kritisiere wie du willst!“

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anderen Lasten, und so werdet ihr das Gesetz des Christus erfül- len.“ (Gal.6,1.2).

Nicht mehr selber meinen, die Welt und v.a. den Mitmenschen verbessern zu müssen, bedeutet loslassen und Gott als Richter und Kritiker zuzulassen. Dieses Gott „anbefehlen“ oder „anheim- stellen“, oder wie es von Jesus ausgesagt wird, „der nicht wider- schmähte, als er geschmäht wurde, nicht drohte, als er litt, er stellte es aber dem anheim, der gerecht rich- tet“ (1.Petr.2,23), dies ist die heilende Therapie für ehrlich besorgte Herzen. Ein Doppeltes gewinnen wir: Wir massen uns keine Kompetenz oder Autorität an, die wir nicht (bekommen) haben, und wir ehren Gott, indem wir ihm gewissermassen die letzte Berufung zugestehen.

Manfred Macher

Möwenflug

Möwen sah um einen Fels ich kreisen Ich in unermüdlich gleichen Gleisen,

Auf gespannter Schwinge schwebend bleibend, Eine schimmernd weisse Bahn beschreibend, Und zugleich in grünem Meeresspiegel Sah ich um dieselben Felsenspitzen Eine helle Jagd gestreckter Flügel Unermüdlich durch die Tiefe blitzen.

Und der Spiegel hatte solche Klarheit, Dass sich anders nicht die Flügel hoben Tief im Meer, als hoch in Lüften oben, Dass sich völlig glichen Trug und Wahrheit.

Allgemach beschlich es mich wie Grauen, Schein und Wesen so verwandt zu schauen, Und ich fragte mich, am Strand verharrend, Ins gespenstische Geflatter starrend:

Und du selber? Bist du echt beflügelt?

Oder nur gemalt und abgespiegelt?

Gaukelst du im Kreis mit Fabeldingen?

Oder hast du Blut in deinen Schwingen?

C.F.Meyer Möwenflug

(C.F.Meyers Werke, Bd. III, Schweizer Druck- und Ver- lagshaus AG, Zürich, S.99f.)

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Der Prediger als Leiter Der Prediger als Leiter

Eine Einführung in die kerygmatische Leitung 1. Gottes Anliegen

„Nach der Vernunft ist es wahr.

Dass Gott der grösste Narr aller Narren ist, dass er seine Sache mit dem Wort und mit der Pre- digt anrichtet und untersteht sich, die Leute zu führen mit der Predigt.“ Diese Worte Martin Luthers treffen so ziemlich ge- nau das, was ich empfand, als ich zum ersten Mal an die Vorberei- tung einer Vorlesung zum The- ma „Leiten durch Verkündigung“

ging. In der Seitenmenge der verschiedenen homiletischen Entwürfe findet sich relativ we- nig zum Thema. Offensichtlich hat man auch hier die Unmög- lichkeit des Unterfangens er- kannt und Luther Recht gege- ben... Oder hat man die Brisanz

der Thematik erst gar nicht er- kannt, gar die Fragestellung für belanglos gehalten? Martin Lu- ther jedenfalls glaubte fest dar- an, dass man die Gläubigen nur dann zum Glauben und im Glau- ben führen könne, wenn man ihnen das Wort recht austeilt.

Für ihn war geistliche Führung mit der Verkündigung des Wor- tes Gottes nahezu identisch, wobei sola scriptura hier der sola fide vorsteht.

Ganz anders dagegen in der modernen homiletischen Litera- tur: Man sucht nahezu vergeb- lich nach einem entsprechenden Kapitel in den einschlägigen Werken. Nur selten finden sich Ausführungen zum Thema, und wenn Leiten überhaupt vor- kommt, dann im Bereich der pastoralen Homiletik. So ver- sucht Wolfgang Trillhaas (1964:150ff) den Dienst am

Wort als Hirtenamt zu begrei- fen. Ähnlich argumentiert auch Theo Sorg (1984:44) oder erst vor kurzem Lloyd Elder mit Frank R. Lewis (1998). Entspre- chende Ansätze lassen sich auch bei Rudolf Bohren (1974) fest- machen. Man ahnt, wie Klippert (1995:21) es ausdrückt, dass die

„entscheidende Frage“ in Bezug auf die Predigt etwas mit der Hinführung des Menschen zu einem ganz an Gott hingegebe- nen Leben zu tun hat. Eine sy- stematische Aufarbeitung fehlt dagegen auch in diesen Werken.

Es ist nur zu vermuten, dass das mit der „Verkennung der Aufga- be“ der Predigt (Engemann 2002:63f) zusammenhängt.

Ein überaus anschauliches Bei- spiel für Leitung durch Verkün- digung gibt uns eher der ameri- kanische Führungsspezialist John C. Maxwell in einem kürzlich veröffentlichten Interview in der

Zeitschrift Preaching (www.preaching.org). Hier finden sich im Ansatz die wich- tigsten Elemente einer Theologie der Führung durch Verkündi- gung.

Doch alle diese Versuche kom- men nicht im Geringsten der Forderung Martin Luthers nach Führung durch die Predigt nach.

Wir befinden uns also (noch) auf relativ einsamem Posten, wenn wir uns der evangelischen Pre-

Johannes Reimer ist Professor für Missionswissenschaft (UNISA ) DrJReimer@lycos.de

(10)

digt einmal aus dem Blickwinkel der Leitung zu nähern wagen.

Doch das Wagnis lohnt sich, gilt doch gerade die Predigt seit Jahrzehnten als ausgemachtes Sorgenkind der Praktischen Theologie. Die gewählte Per- spektive wird unsere Vorstel- lung von der Aufgabe der Pre- digt nicht nur bereichern, son- dern, wie ich glaube, auch dazu verhelfen, die viel beklagte Pre- digtmüdigkeit in unseren Ge- meinden zu lösen. Man denke da nur an das vielzitierte Wort Gerhard Ebelings (1959:9): „Es gehört eine ziemliche Portion guten Willens dazu, angesichts des durchschnittlichen Predigt- geschehens nicht gelangweilt oder zornig, sarkastisch oder tieftraurig zu werden. Was wird landauf, landab für ein Aufwand für die Verkündigung des christ- lichen Glaubens getrieben. Aber ist es nicht – von wenigen Aus-

nahmen abgesehen – die institu- tionell gesicherte Belanglosig- keit?“ Diese Worte, 1959 ge- schrieben, behalten auch heute noch ihre volle Gültigkeit. Liegt es möglicherweise doch daran, dass der viele Aufwand, die Masse an Literatur zum Thema Predigt sich eher mit der techni- schen Seite der Predigt beschäf- tigt? Da steht die Rede an sich im Mittelpunkt aller Erwägung.

Die Predigt aber mit ihrer ei- gentlichen spezifischen Aufgabe der Kommunikation zwischen Mensch und Gott durch den Verkündiger bleibt unerkannt.

Bessere Redner sind aber noch lange nicht bessere Prediger.

Die Predigt wurde nicht mit Unrecht als Ernstfall der Theolo- gie (Haas/Haug 1968:3) und nicht der Retorik bezeichnet. Es gilt ganz neu DAS WORT und nicht nur eine bessere Predigt- Methode zu finden; das

„verlorene Wort“, wie Thielicke (1986) es bezeichnete; eine gesunde Theologie, die auf Feu- er gesetzt werden kann (Lloyd- Jones in Klippert 1995:20).

„Eine Homiletik ohne pastoral- theologischem Teil ist unvoll- kommen“, schreibt Wolfgang Trillhaas. (Trillhaas 1964:150).

Diesen pastoraltheologischen Teil der evangelischen Predigt- lehre in praktische Konzepte der Leitung durch Verkündigung oder, noch besser, kerygmati- sche Leitung umzusetzen, wäre eine dringende Aufgabe der Zukunft. Denn Leitung und Predigt gehören unzertrennbar zusammen, wie es das Zitat eines führenden Leiterschaftsex- perten unserer Tage, John C.

Maxwell, anschaulich macht:

„Alle grossen Leiter waren ef- fektive Kommunikatoren.

(Kommunikation) ist das Vehi-

kel für die Vision. Für mich steht fest, wenn ich weiss, wohin ich eine Gruppe von Menschen füh- ren will, aber nicht über die Fähigkeit verfüge, diese Vision in Worte zu kleiden, sie als Bot- schaft zu predigen und das Herz der Sache zu kommunizieren, dann wird der Traum nie Wirk- lichkeit. Die Vision wird nicht verwirklicht. Darin liegt einer der wichtigsten Gründe, warum ich so viel nicht nur über Füh- rung lehre, sondern über Kom- munikation, da ich glaube, die beiden Begriffe sind kompatibel.

Zeige mir eine grosse Führungs- kraft und ich zeige dir eine Per- son, die ein/e hervorragende(r) Leiter/in geworden ist, weil sie es verstand, effektiv zu kommu- nizieren. Du kannst ein guter Prediger und gleichzeitig kein guter Leiter sein, aber du kannst

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kein guter Leiter sein, ohne zugleich ein guter Prediger oder Kommunikator zu sein. Du musst fähig sein, die Vision kommunizieren zu können“.

(Duduit 2001:1; Übs. d. Autors

)

Man kann also nicht ein guter Leiter sein ohne zugleich ein guter Kommunikator zu sein (Blackaby 2001:83). Der ehr- würdige Martin Luther hatte wohl doch Recht – Gott führt durch sein Wort. Wir, die wir dieses Wort auszulegen wagen, sollten daher seinen Ansatz ver- stehen und umsetzen, wo immer es möglich ist. Vielleicht kann dann nicht nur die Predigtmü- digkeit der Pastoren, sondern auch ihre Unfähigkeit die Ge- meinde Jesu effektiv zu leiten, behoben werden. Denn neben der Sorge um die effektive Pre- digt in der Gemeinde Jesu hat sich längst die Sorge um die

Leitung aufgebaut. George Bar- na, der eine Untersuchung zum Thema Leitung in den meisten christlichen Denominationen der USA durchführte, stellte über- rascht fest, dass nur 6% der befragten Pastoren mit einem klaren Ja die Frage nach der bei ihnen vorhandenen Gabe der Leitung beantworteten (Barna 2001:12f; Blackaby 2001:31).

In Deutschland, wo das Thema Leiterschaft erst langsam in die Seminare und Bibelschulen als Ausbildungsthema Einzug hält, wird die Situation nicht besser sein. So ist auch aus dieser Per- spektive die Klärung der Korre- lation Leitung-Verkündigung von grosser Bedeutung.

Noch ein Wort soll zu dem ge- wählten Begriff der kerygmati- schen Leitung gesagt werden.

Kerygmatisch ist abgeleitet vom griechischen keryssein, das so viel wie „Gottes Wort an die Men- schen im Namen Gottes re- den“ (Stier 1844:2) bedeutet.

Rudolf Stier (1844:2,151) ver- langte bereits Mitte des 19.

Jahrhunderts die Predigtlehre konsequent als Keryktik zu be- greifen. Jede Predigt habe missi- onarische Ziele zu verfolgen, da der natürliche Mensch immer erst vom Wort Gottes in seinem sündigen Zustand angesprochen werden müsse, um dann in die Veränderung durch den Geist Gott hineingenommen zu wer- den. Kerygmatische Leitung ist daher Leitung, die sich unmittel- barer Offenbarung Gottes in seinem Wort bedient, ja diese als das wesentliche Instrument der Veränderung versteht und

einsetzt. Und diese Veränderung kann nur eine umfassende Ver- änderung im Sinne des Reiches Gottes sein. Kerygmatische Lei- tung holt den Menschen fern von Gottes eigentlicher Schöpfungs- absicht ab und führt ihn so nahe wie möglich an das Ebenbild Gottes heran.

2. Kirche mit Qualität Dass die Forderung nach einer stärkeren Betonung des Leitens in und durch die Verkündigung nicht nur ein frommer Wunsch ist, beweisen die vielen, zumeist nordamerikanischen, Gemeinde- modelle. Zu erwähnen wären hier die Willow Creek Community Church in Chicago, die Saddleback Church in Kalifornien, die New Hope Christian Fellowship Oahu oder die Community Curch of Joy in Arizona. In allen diesen welt- weit beachteten Gemeindemo-

„Vielleicht kann dann nicht nur die Predigtmüdigkeit der Pastoren, sondern auch ihre Unfähigkeit die Gemeinde Jesu effektiv zu leiten, behoben werden. “

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dellen spielt Leitung die alles entscheidende Rolle. Die Füh- rer dieser Gemeinden werden nicht müde auf den Zusammen- hang zwischen Führung und Wachstum in ihren Gemeinden hinzuweisen.

Walt Kallestad (1999:69ff) spricht von der Leitung der Ge- meinde als „Grundlage der Um- setzung“ von geistlichen Zielen der Gemeinde und diese geistli- che Ziele müssen als Gottes Ziele, ja Gottes Auftrag, ver- standen werden.

Wayne Cordeiro (2001:12) berichtet, dass er bereits wäh- rend seines ersten Monats als Pastor der New Hope Christian Fellowship Oahu in Honolulu überfordert gewesen ist, das Wachstum dieser Gemeinde sinnvoll zu betreuen. Die heute mehr als 7000 Gottesdienstbesu- cher am Sonntag zählende Ge-

meinde hat ihren Erfolg in toto dem überragenden Leitungsteam zu verdanken. Sicher ist auch Pastor Cordeiro wesentlich dar- an beteiligt.

Und Bill Hybels (2002:26), Gründer und Leiter der Willow Creek Church in Chicago, USA stellt fest, dass alle von ihm besuchten und analysierten wachsenden Gemeinden in einer Sache vollkommen übereinstim- men – sie wurden alle von Men- schen geleitet, die über die Gabe der Leitung verfügten. Da wo diese Gabe keine entscheidende Rolle bei der Berufung von Pre- digern und Pastoren gespielt hat, konnte auch kaum Wachstum nachgewiesen werden.

Wie wichtig eine effektive Lei- tung für den Gemeindeaufbau ist, zeigt auch eine von mir mit meinen Studenten im Jahre 1999 durchgeführte Untersu-

chung unter den fünf am schnellsten wachsenden evange- likalen und charismatischen Gemeinden in Winnipeg, Kana- da. Die im Rahmen des Concord College an der Universität Win- nipeg durchgeführte Untersu- chung beschäftigte sich nicht nur mit quantitativem Wachstum, sondern nahm besonders die Qualität geistlichen Wachstums der untersuchten Gemeinden ins Visier. Dabei liess sich der Zu- sammenhang zwischen Wachs- tum und effektiver Leitung un- schwer für alle untersuchten Gemeinden nachweisen. An zweiter Stelle führt die Untersu- chung effektive Verkündigung in den Gemeinden als Ursache des Wachstums an. Es liess sich auch nachweisen, dass die effektivsten Leiter meist selbst auch die ef- fektivsten Verkündiger waren.

Kirche mit Qualität meint also eine Gemeinde, die durch das

Wort Gottes geleitet wird. Die homiletische Theorie, wie sie hier diskutiert wird, findet in der Praxis anschauliche Belege.

3. Kerygmatische Lei- tung – was ist das?

3.1. Was ist die Aufgabe der Verkündigung?

Kerygmatische Leitung will durch die Verkündigung leiten.

Was aber ist die Aufgabe der Verkündigung? Lässt sich die Verkündigung des Wortes Got- tes überhaupt auf die Ebene der Leitung und Führung theologisch herunter projektieren? Kann man Verkündigung so pragma- tisch denken, ohne Wesentliches aus dem Blick zu verlieren? Die Analyse folgender Definitionen beweist: man kann nicht nur, man muss.

(13)

3.1.1 Auslegung des Wortes Gottes John Stott (1979:10) formuliert die klassische Aufgabe des Predi- gers mit dem Satz:

„Seine Aufgabe ist es, die ein für allemal gegebene Offenbarung eingehend darzulegen und zu erklären.“ Die Aufgabe des Pre- digers ist demnach Exposition, Auslegung des Wortes Gottes, nicht mehr und nicht weniger.

Der Prediger ist so gesehen we- der Prophet noch Apostel, son- dern bestenfalls Haushalter (:14). Stott zitiert dazu das Wort aus 1Kor. 4,1.2: „Dafür halte uns jedermann; für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse.“ Das hier verwendete Wort für den Haus- halter oikonomos wird oft schnell als Verwalter übersetzt. Als Folge würde dann auch dem Prediger das Image eines Mana- gers des Wortes Gottes anhaften.

Ist der evangelische Prediger denn ein Manager des Wortes?

Geht es tatsächlich nur darum, Erkenntnisse zu verwalten, aus- zusprechen und höchstens noch in verständliche Sprache zu klei- den? Oder geht es doch um wesentlich mehr? Auch eine oberflächliche Durchsicht der vorliegenden Entwürfe zur Pre- digt sowie des darin reflektier- ten biblischen Materials macht deutlich: Es geht um mehr, ja um sehr viel mehr.

3.1.2. Vermittlung von Wort und Geist Gottes

Theo Sorg fragt in seinem kur- zen Buch zur Predigt (1984:7), wodurch sich denn eine Predigt von anderen Formen der Kom- munikation abhebt. Was macht eine menschliche Rede zur Pre- digt? Sorg verweist in seiner Antwort auf Paulus und dessen Selbstverständnis, wie es vor

allem in 1Kor. 2,1-5 zum Aus- druck kommt. Hier sagt der Apostel:

„Auch ich, liebe Brüder, als ich zu euch kam, kam nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, um euch das Geheimnis Gottes zu ver- kündigen. Denn ich habe beschlos- sen, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzig- ten. So kam ich zu euch in Schwach- heit und in Furcht und mit grossem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschah nicht mit überreden- den Worten menschlicher Weisheit, sondern wirkte durch den Erweis des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit beruhen sollte, sondern auf Gottes Kraft.“

Danach ist Predigt Kommunika- tion des Evangeliums von Jesus Christus in und aus der Kraft Gottes. Nicht menschliche Weisheit, sondern Gottes Ab-

sicht und Willen verkündigt der Prediger des Wortes Gottes.

Ihm mögen zwar die Instrumen- te erfolgreicher Kommunikation zur Verfügung stehen, aber überzeugen kann die Predigt dadurch nicht. Sie ist per defini- tionem auf Gottes Kraft angewie- sen. Diese Kraft aber darf nicht als wohlformuliertes Statement missverstanden werden. Es ist tatsächliche, erfahrbare, verän- dernde Schöpferkraft!

Die Predigt vermittelt allem voran Gottes Wort und dieses Wort ist Grund und Ermögli- chung jeglichen Lebens auf der Erde. „Gott sprach ... und es geschah“ – so wird uns der ge- samte Schöpfungsakt überliefert.

„Danach ist Predigt Kommunikation des Evangeliums von Jesus Christus in und aus der Kraft Gottes.“

(14)

Das gilt für alles Leben auf der Erde und natürlich auch in Be- zug auf die Gemeinde. Die Ge- meinde Jesu ist von diesem Wort ins Leben gerufen worden und wird von diesem Wort ge- tragen.

Nirgendwo sonst wird das auf Gestaltwerdung drängende Wort Gottes deutlicher be- schrieben als in Joh.1,1ff. „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott ... und das Wort wurde Fleisch und ... wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit.“ Gottes Wort ist hier vorgestellt als ein Wort, das nur dank der Inkarna- tion sichtbar werden kann. Und wir wissen, dass diese Sichtbar- werdung mit der Erscheinung des Herrn Jesus Christus unmit- telbar zusammenhängt.

Das gesprochene Wort Gottes will erfahrene Wirklichkeit wer-

den. Es drängt förmlich darauf.

Es ist auf die Fleischwerdung hin angelegt, es kann nicht anders.

Wer dieses Wort verkündigt, der setzt also einen Prozess der Fleischwerdung in Gang. Der Verkündiger ist damit nicht blosser Verwalter intellektuell erkannter Wahrheiten oder logisch verstandener Offenba- rung. Der Verkündiger setzt einen Prozess in Gang, oder besser noch: Gott setzt durch den Verkündiger einen entspre- chenden Prozess der Inkarnation seines Wortes in Gang.

Wo Christen ihr Leben entspre- chend dem offenbarten Willen Gottes gestalten wollen, sind sie auf die Wirkung des Wortes Gottes angewiesen. Paulus for-

muliert es in seinem 2. Brief an Timotheus wie folgt: „Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtwei- sung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei ...“ (2Tim 3,16). Wahres Leben aus Gottes Hand ist auf das Wort Gottes angewiesen.

Will man das Wort Gottes in Begriffe fassen, so kann es vor allem mit Gesetz und Evangelium beschrieben werden, wobei unter Gesetz die Verkündigung dessen, was mit der Geschöpf- lichkeit des Menschen zu tun hat, gemeint ist. „Die Predigt von unserer Geschöpflichkeit ist also inhaltlich Predigt des Geset- zes“ (Trillhaas 1964:37). Die Predigt des Gesetzes zielt aber auf das Gericht Gottes, offenbart die Sünde und führt den Men- schen zur Erkenntnis der Sinnlo- sigkeit einer von Gott getrenn-

ten Existenz. Es wäre falsch, sich eine solche Predigt als blosse Darstellung von Tatsachen der Offenbarung vorzustellen. Neu- testamentlich gesehen, ist die Hinführung des Menschen zur Erkenntnis seiner Verlorenheit vielmehr ein geistlicher Prozess, dessen Meister der Heilige Geist selbst ist.

Biblische Verkündigung kann sich daher nicht allein auf die Vermittlung des Wortes begren- zen. Sie zielt vielmehr auf die Gestaltwerdung dieses Wortes im Leben eines Menschen, in- dem sie mit der Vermittlung des Wortes auch den lebensspenden- den Geist vermittelt. Rudolf Bohren (1980:83) brachte diese Erkenntnis auf folgende Formel:

„Behaupten wir im Anschluss an das Neue Testament, dass der Geist das Wort gibt, ist der

„Wahres Leben aus Gottes Hand ist auf das Wort Gottes angewiesen.“

(15)

Geist selbst ohne das, was er gibt, das Wort.“

3.1.3 Begegnung zwischen Gott und Mensch

Die Predigt darf daher nicht als blosse intellektuelle Leistung verstanden werden, die dann mit Recht als „Reduktion auf die menschliche Seite“ (Bohren 1980:49) kritisiert werden müsste. Sie ist eher als Gesche- hen zu begreifen (Altmann 1963), als Gespräch, an dem mehrere Partner beteiligt wer- den. Sie ist eine Begegnung zwi- schen Mensch und Gott. Und die Brücke, auf der diese Begeg- nung stattfindet, ist das Wort Gottes. Eduard Thurneysen (1927:102) hat das einmal so treffend formuliert: „Eine Brü- cke muss geschlagen werden von ihm zu mir, über diese Brücke müssen wir zueinander kom- men. Diese Brücke ist das Wort.“

Und weil es auch und vor allem um Gottes Anteil an diesem Geschehen geht, kann sie dann auch als Wunder begriffen wer- den (Bohren 1980:48) und zwar als Wunder, in dem der Haupt- akteur nicht der Mensch, auch nicht der Prediger, sondern der Heilige Geist ist. Der Prediger ist dagegen das Instrument des göttlichen Handelns. Er ist nicht nur Diener am Wort, sondern auch und vor allem Diener im Geist.

Im Grunde handelt es sich bei der Verkündigung um eine Art trialogische Kommunikation und zwar zwischen dem Verkündi-

ger, dem Hörer und dem Heili- gen Geist. Das Thema des so verstandenen Gesprächs wird aus dem Wort Gottes vorgege- ben. Diese Kommunikation ist alles andere als eine Sackgasse, sondern ein echtes Gespräch, ein Geschehen, wie die Skizze wei- ter unten verdeutlicht.

Die Predigt als Vermittlung des

„Wortes Gottes in der Gestalt menschlicher Wörter“ (Härtner 2001:29) ist ein spirituelles Geschehen, das alle Komponen- ten des beschriebenen Trialogs ernst zu nehmen hat. Gottes Wort und Menschenworte in der Predigt verlangen vom Pre-

diger eine gute Beziehung so- wohl zu Gott und seinem Wort und Geist, als auch zum Hörer und seiner Situation.

3.1.4. Funktion der geistlichen Leitung

Das Bild des Ökonomen, wie es von Stott benutzt wurde, er- weist sich dagegen auch und ge- rade in diesem Zusammenhang als hilfreich. Sicher war der Ökonom des Hauses ein Verwal- ter des Eigentums seiner Herr- schaft. Er war nicht der Eigentü- mer selbst. Der Haushalt, den er zu verwalten hatte, gehörte sei- ner Herrschaft. Aber er war durchaus der Leiter des wirt- schaftlichen Betriebs, der Perso- nalchef der Hausdienerschaft.

Modern ausgedrückt, finden sich im neutestamentlichen Begriff des oikonomos sowohl Verwal- tungs- als auch Führungsqualitä- HEILIGER GEIST

WORT GOTTES

PREDIGER HÖRER

(16)

ten. Goetzmann (1990:642) übersetzt deshalb richtigerweise den Begriff oikonomeo mit „die Verwaltung führen“. Petrus trägt dem Gesagten Rechnung, wenn er darauf hinweist, dass Christen zu „Haushaltern der man- nigfaltigen Gnade Gottes“ (1Petr.

4,10) gemacht worden sind. Da ist jeder dazu berufen, „mit der Gabe zu dienen, die (man) empfan- gen hat.“ So bezeichnet sich Pau- lus, der Apostel Jesu Christi, selbst als Haushalter (1Kor.4,1).

Die Geheimnisse Gottes, die er verwaltet, verwaltet er als Apos- tel und Führer der noch jungen hellenistischen Gemeinde. Seine Briefe sind ein eindrucksvolles Beispiel davon, wie er sowohl die Vision als auch die Mission der Gemeinde Jesu zu formulie- ren wusste. In seiner Rede zu den Ältesten von Ephesus sagt er: „Ich habe nicht unterlassen, euch zu verkündigen den ganzen Rat-

schluss Gottes“ (Apg.20,27).

Paulus verkündigte demnach das Wort Gottes mit einem Ziel, mit einer festen Vorstellung, wie er seinen Mitarbeitern den Willen Gottes so weitersagen könne, dass sie Gottes ganzen Heilsplan verstehen und danach leben. Als Haushalter des ihm anvertrauten Wortes sah er zu, dieses weise zu verwalten. Ganz im Einklang mit den Worten Jesu in Lk.12,42: „Wer ist denn der treue und kluge Haushalter, welchen der Herr setzt über sein Gesinde, dass er ihnen zur rechten Zeit gebe, was ihnen gebührt?“

Der neutestamentliche Haushal- ter ist also mehr als ein Manager von Worten. Er ist ein Führer des ihm anvertrauten Hauses,

der in aller Weisheit dafür zu sorgen hat, dass die ihm unter- gebenen Diener die nötige Hilfe erhalten, um zu Bestleistungen fähig zu sein. Oder wie Theo Sorg es formuliert: „Rechte Predigt will dazu helfen, dass Menschen im Glauben Christus nachfolgen und ihr Leben in der Verbindung mit ihm führen an allen Tagen und in allen Lagen:

in den Pflichten des Alltags e- benso wie in den Krisen des Lebens; in den Aufgaben, vor die wir in der Gegenwart ge- stellt sind, in den Ängsten, die von einer dunklen Zukunft aus- gehen“ (Sorg 1984:14).

„Christliche Predigt ist auch ein Rettungsdienst an Mitmen- schen“ (Lerle 1989:19). Und dieser Dienst ist nicht mit der blossen Darlegung der Botschaft von der Rettung getan.

Der Prediger als Haushalter ist demnach nicht nur Verwalter,

sondern auch Führer. Er soll durch das ihm anvertraute Wort anleiten. Paulus ermutigt daher seinen Mitarbeiter Timotheus, er solle sich als ein rechtschaffe- ner und unsträflicher Arbeiter erweisen, „der recht austeilt das Wort der Wahrheit.“ (2Tim.2,15).

Das hier gebrauchte Wort be- deutet so viel wie „in gerade Richtung schneiden“ und wurde allgemein vor allem im Zusam- menhang mit dem Bau von Land- strassen gebraucht. So wird auch der Ausdruck in der LXX in Spr.3,6 „Er wird gerade machen deine Pfade“ gebraucht (Stott 1979:23). Timotheus soll in seiner Predigt einen geraden Weg schneiden, einen geradlini- gen Prozess auslösen. Timotheus soll durch seine Predigt leiten.

Predigt und Leitung gehören so zusammen. In der Gemeinde Jesu wird Leitung auch und vor

„Christliche Predigt ist auch ein Rettungsdienst an Mitmenschen“

(17)

allem durch die Verkündigung vorgenommen.

3.2. Zweck und Ziel der Pre- digt

3.2.1 Ziellos oder zielbewusst?

Vom Zweck der Predigt, allen voran der leitenden Predigt, zu reden, ist nicht ungefährlich.

Man kann Wolfgang Trillhaas verstehen, wenn er schreibt:

„Wenn der Prediger Zwecke ins Auge fasst, dann gefährdet er aber auch seine Predigt“ (Trill- haas 1964:47). Zu oft dominie- ren solche persönlich vorgefass- ten Zielvorstellung die Predigt.

Zu selten kommt das Wort Got- tes selbst zum Tragen.

Doch was ist von einer Predigt zu halten, die gar kein Ziel ver- folgt, die Zwecklos operiert?

Wäre das nicht schon im Prinzip unbiblisch? Ist Gottes Wort nicht immer darauf aus, das auszurichten, wozu es gegeben

ist? Nein, absichtslose Verkündi- gung ist in der Tat, wie Theo Sorg (1984:13) behauptet, ein Widerspruch in sich selbst. Jay Adams (1991:9) stellt dazu fest:

„Die Tatsache, dass Homileten und Prediger dem Ziel einer Predigt so wenig Bedeutung beimessen, hat dazu geführt, dass Gottes Wort uninteressant, abstrakt und unpersönlich ver- kündigt wird. Zielloses Predigen erschwert das Verständnis für die göttliche Wahrheit, trübt die Freude im Leben der Christen, wirkt sich negativ auf ihre Hin- gabe und Initiative aus und be- hindert sie in ihrem Dienst für Gott.“ Zweck und Ziel einer Predigt sind daher von grosser Bedeutung. Adams (1991:10):

„Das Ziel ist also der Dreh- und Angelpunkt: das Ziel der Pre- digt, das Ziel des Bibeltextes, das Ziel des Predigtinhalts, das Ziel des Aufbaus, des Stils, des

Anschauungsmaterials und der Vortragsweise der Predigt. Das Ziel bestimmt, ob eine Predigt wirkungsvoll ist oder nicht.“

Eine andere Frage ist jedoch, woher der Prediger seine Ziele bezieht. Die Gefahr, eine Pre- digt durch eigene Zielvorstellun- gen zu überlagern, ist nicht von der Hand zu weisen. Es ist leider weit verbreitete Praxis, dass Prediger einen Bibeltext ledig- lich als Aufhänger für ihre eigene Theorien missbrauchen. Stadel- mann (1990:46) spricht in die- sem Zusammenhang auch von der „Sprungbrett-Predigt“.

Woher beziehe ich als Prediger also meine Ziele? Sind das die textinternen Ziele, die ich in mei- ner exegetischen Arbeit heraus- filtriere, verstehe und dann in die Sprache meiner Zuhörer kleide? Man hat den Eindruck, viele modernen Homileten wür-

den hier zustimmen. So richtig dieser Gedanke aber auch klin- gen mag, so wenig kann man ihm zustimmen. Eine sich an den textinternen Zielen orientieren- de Verkündigung vermag besten- falls das Wort Gottes darzustel- len, über das Wort besser oder schlechter zu informieren. Eine rein informative Predigt greift jedoch, biblisch gesehen, zu kurz. Denn es liegt geradezu im Wesen des Wortes Gottes, dass es eben nicht nur informieren will, sondern verändern, trans- formieren, in Bewegung setzen.

Das Wort drängt auf Konkreti- on, auf Fleischwerdung im kon- kreten Alltag der Zuhörer. Klip- pert (1995:21) hat wohl Recht, wenn er schreibt: „Wo eine Predigt nur `richtig´ ist, sie aber nicht auf Motivation und Trans- formation hin formuliert wird, verfehlt sie ihr Ziel.“

(18)

3.2.2 Was ist aber, biblisch gese- hen, Zweck und Absicht neutesta- mentlicher Verkündigung?

In seinem überaus provozieren- den Vortrag auf dem Evangelis- tenkongress im Amsterdam 1971 bezeichnete Jan van Capel- leveen die Verkündigung des Evangeliums als einen Akt der Befruchtung (in Kirby 1972:

59). Capelleveen bezieht sich dabei auf Jakobus 1,18, wonach Gott uns „durch das Wort seiner Wahrheit gezeugt“ hat. Kerygma- tische Kommunikation ist also eine Art Befruchtung und hebt auf ein ganz bestimmtes Ziel ab.

Paulus drückt seine Predigtab- sicht in 1Kor.2,5 wie folgt aus:

„ ... damit euer Glaube nicht auf Menschenweisheit beruhen sollte, sondern auf Gottes Kraft.“ In der paulinischen Predigt ging es also um Glauben oder um eine funk- tionierende persönliche Bezie-

hung zwischen Gott und Mensch. Die Wiederherstellung dieser durch Sünde zerbroche- nen Beziehung, die Vertiefung und Pflege auf dem Weg mit Gott – das ist die Absicht der Verkündigung. So verstanden ist Verkündigung nichts anderes als Anleitung zum Leben mit Gott.

Die Predigt des Wortes Gottes als Anleitung zum Leben mit Gott zu verstehen, darf uns al- lerdings nicht über die Tatsache hinweg täuschen, dass eine An- leitung nicht schon die Erfah- rung des Lebens selbst ist.

Christliche Verkündigung kann daher nicht den Lebensakt selbst begründen, sondern tritt eher als Orientierungshilfe auf dem Weg auf. Und nichts fehlt dem Men- schen heute so sehr wie Orien- tierung. Alfred Dubach (1982:

26) berichtet von einer von Ka- puzinern in Solothurn durchge- führten Umfrage unter Gottes-

dienstbesuchern zum Thema Predigt. Auf die Frage, was sie denn von einer Predigt erwar- ten, antworten rund drei Viertel aller Respondenten: Praktische Anleitung zur Bewältigung des Lebens. Offensichtlich gelingt es den Menschen immer seltener, im Wirrwarr des Alltags allein zurecht zu kommen und eine sinnvolle Existenz aufzubauen.

Und eine solche Existenz würde klare Identität, Selbstfindung, innere Kontinuität und Konsis- tenz in der Lebensgestaltung bedeuten. Folgerichtig kann Dubach (1982:26-27) fordern:

„Relevant und glaubwürdig kann christliche Verkündigung nur sein, wenn es ihr gelingt, den Menschen in ihrer Selbstfindung beizustehen und mit ihnen Be- dingungen zu schaffen, welche Findung und Ausbildung von Identität ermöglichen. In diesem Sinne ist Verkündigung letztlich

nichts anderes als Thematisie- rung der Tiefenstruktur der Wirklichkeit im Lichte des Evan- geliums. Sie schlüsselt alltägliche Lebenswirklichkeit und –erfah- rung auf ihre Tiefendimension hin auf und eröffnet so dem Menschen eine Wirklichkeit, in der er Bestand haben kann, aner- kannt wird und erfährt, dass er sein darf und sein soll.“

Verkündigung als Orientierungs- hilfe deckt die erfahrene Wirk- lichkeit im Lichte des Evangeli- ums auf und führt in die Weite des Reiches Gottes. Eine solche

„Förderung des Reiches Gottes“

wurde von Theodor Christlieb (1893:64f) als die oberste Aufga- be der Predigt bezeichnet. Bei- des, die Aufdeckung des Alltags als auch die Bestimmung des Horizonts der Verheissung für die Zukunft, müssen als Prozess

(19)

begriffen werden. Verkündigung als Orientierungshilfe ist genau- so wenig statisch möglich wie das Leben, in dem die Zuhörer zurecht kommen müssen. Sie ist vielmehr Anleitung, ein Prozess, eine Bewegung, eine Neuorien- tierung im Vollzug. Und der Verkündiger, der so aktive Pre- diger, ist dann mehr als nur Redner, er ist Leiter. Er will nicht nur die Wahrheit konsta- tieren, sondern führt seine Zu- hörer bewusst zur Umsetzung der Wahrheit im konkreten Kontext ihres Lebens.

Versteht ein Prediger seinen Dienst als einen Dienst der An- leitung, so werden seine Pre- digtziele sicher aus der Heiligen Schrift stammen, aber hier eher

„die innere Zielrichtung des Wortes Gottes ganz fest in Auge gefasst haben.“

3.2.3 Phasen der Anleitung zum Leben

Freilich kennt diese Anleitung unterschiedliche Phasen. Ein Leben mit Gott kennt einen Anfang und Fortgang, Beginn und Wachstum. Dementspre- chend lassen sich nach A. Schä- delin (1953:38) ein Bekehrungs- zweck, Erbauungszweck und ein apologetisch-polemischer Zweck der evangelischen Predigt unter- scheiden. Der Hörer wird so zum Glauben geführt, im Glau- ben gefestigt und auf die Ver- mittlung des Glaubens trainiert.

Der Versuch, die missionarische von der pastoralen Verkündi- gung abzukoppeln, so vor allem durch den Missionswissenschaft- ler H.J. Margull (1959:293), macht genau so wenig Sinn wie auch die Polemik gegen eine apologetische Aufgabe der Pre- digt (Trillhaas 1964:50ff). Unse- re Hörer sind je nach Herkunft

und Situation an ganz unter- schiedlichen Punkten ihrer Reise mit Gott. Die einen stehen noch ganz am Anfang, die anderen sind längst fortgeschritten und selbst am Predigen. Aber sie alle müssen im Glauben unterwiesen werden. Sie alle meint das Wort Gottes.

Als Prediger des Evangeliums sind wir angehalten, den Hörern das Wort Gottes zu sagen und zwar so, dass er oder sie es ver- steht und annimmt. Und der Hörer wird es verstehen und annehmen, wenn es ihn trifft, sprich: seine aktuelle Situation trifft. Erst wenn man nach der Predigt sagen kann, „das war aber ein Wort für mich“ hat der Prediger sein Ziel erreicht.

Wer aber ein solches erreichen will, der sollte sich des ange- strebten Zieles bewusst werden.

Denn ob ich in meinem Hörer

Busse oder geistliche Festigung, klare Vorstellung von Gott und seinem Heil, oder Heilung per- sönlicher Verletzungen mit der Predigt bezwecke, das wird wesentlich sowohl die Auswahl biblischer Texte, den Inhalt der Predigt als auch Sprache und Aufbau der Predigt mitbestim- men.

Versteht man Verkündigung als zielgerichteten Prozess, dann wird der Prediger bei allem Kontext- bezug nicht willkürlich predigen dürfen. Wer Anleiten will, der sollte vor allem leiten!

Kerygmatische Leitung wird sich im Wesentlichen in drei Phasen des geistlichen Aufbaus der Hö- rer mit der Verkündigung be- schäftigen müssen. Sie wird die Hörer, erstens, zum Glauben führen, zweitens im Glauben festigen und, drittens, auf die

(20)

Vermittlung des Glaubens hin trainieren.

4. Der Prediger als Lei- ter

Die Schrift kann sich den christ- lichen Leiter nicht vorstellen, ohne ihn zugleich als Verkündi- ger zu sehen. So findet sich im Persönlichkeitsprofil des Vorste- hers oder Ältesten in 1Tim. 3 neben einer Reihe von ethischen Qualitäten nur eine einzige Fä- higkeit, und zwar die des Leh- rens. Der Älteste soll lehren können – verkündigen also! Alle in Eph. 4,11 erwähnten Dienste, die Gott in der Gemeinde einge-

setzt hat, um die Heiligen zum Dienst auszurüsten, sind zu- gleich auch Kommunikationsgaben:

Apostel, Evangelist, Prophet, Hirte und Lehrer.

Der christliche Leiter ist dem- nach auch zugleich Verkündiger!

Er soll die Heiligen zum Dienst anleiten, und das vor allem durch das Wort der Wahrheit.

Ist doch dieses Wort gegeben zur Besserung und Transformati- on des menschlichen Daseins (2Tim. 3,16). Freilich ist nicht jeder Prediger auch zugleich Leiter, obwohl sie alle Diener am Wort Gottes sein wollen und

sollen. In seinem Buch „The Empowered Church“ unter- scheidet der australische Bibel- lehrer Ian Jagelman mit Recht zwischen Dienern und Leitern in der Gemeinde (1998:5ff). Dabei fällt auf, wie nahe seine Ergeb- nisse der klassischen Aufteilung der Führungskräfte der Gesell- schaft in Manager und Führungs- kräfte kommt. Diener teilen das Wort Gottes in der gegebenen Situation aus, Leiter sehen über momentane Situationen hinweg zum eigentlichen Ziel jeder Ver- kündigung – der Umgestaltung des Gläubigen in das volle Bild des Christus und dem darauf folgenden natürlichen Wachs- tum der Gemeinde (Eph. 4,11- 16). Prediger als Diener sind Manager des Wortes, Prediger als Leiter sind Hirten, die immer das grosse letzte Ziel im Blick behalten. Jagelman stellt fest, dass Diener und Leiter die Ge-

meinde nicht nur unterschiedlich führen, sondern sie predigen auch unterschiedlich. Er bemän- gelt dabei die so oft negierte Rolle der Predigt in der Leitung der Gemeinde und möchte die

„Predigt als Leitung“ (:86) be- greifen. Dabei sieht er die Aufga- be der kerygmatischen Leitung vor allem in der Formulierung der Vision und Mission einer Gemeinde (:86). Diese Aufgabe kann dann auch als eine prophe- tische Berufung gesehen werden (:ebd).

Der kerygmatische Leiter ist also jemand, der die Vision dessen, was die Gemeinde und ihre ein- zelnen Mitglieder sein sollen, im Blick behält. Auf Grund dieser Vision ist er fähig, auch die Mis- sion der Gemeinde zu definieren und in praktikable Arbeitsschrit- te zu zerlegen.

AUF VERMITTLUNG DES GLAUBENS TRAINIERT IM GLAUBEN GEFESTIGT

ZUM GLAUBEN GEFÜHRT

HÖRER Drei Phasen der Verkündigung

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Weil die Gestaltwerdung der Vision wie die praktische Durch- führung der Mission unmittelbar mit der Verkündigung des Wor- tes Gottes zusammenhängt, wird der kerygmatische Leiter grosse Mühe dafür aufwenden, sowohl die Vision als auch die Mission der Gemeinde vom Wort Gottes her zu vermitteln. Charles H.

Spurgeon (1998:10) verglich den Prediger mit einer Turm- uhr, auf die alle Menschen schauen (jedenfalls vor hundert Jahren): „Eine falsch gehende Taschenuhr täuscht vielleicht nur den Besitzer, aber wenn die Turmuhr falsch geht, so wird die ganze Stadt irre geführt.“

Ich kenne nur wenige Men- schen, die diesem Bild Spurge- ons besser entsprachen als der Grossvater meiner Frau Corne- lia, Johannes Schreiber. Ich war ganz jung im Dienst. Gerade von der Bibelschule, legte ich mein

ganzes Wissen und Können in jede sonntägliche Predigt, die ich zu halten hatte. Wenn ich dann, froh über die gelungene Predigt und den wohlgestalteten Gottesdienst, den greisen Mann an der Tür verabschiedete, sah er mir tief in die Augen und sprach dann leise, so dass es niemand ausser mir hören könn- te: „Es war eine gute, sehr gute Predigt, aber leider nicht für uns.“ Manchmal fügte er hinzu:

„Du solltest das alles ein paar Wochen später predigen.“ Und dann lud er mich zu sich nach Hause ein, zur Predigt-Nach- besprechung. Ich muss schon sagen, dass es mir am Anfang sehr schwer fiel, zu ihm zu ge- hen. Doch bald entdeckte ich seine Gabe. Bruder Schreiber hatte einen besonderen Riecher, oder sollte man eher sagen, eine Gabe für das, was in der Ge- meinde dran war. Und wenn er

mich einmal für eine zeitige Predigt lobte, so konnte ich bald selbst unschwer den Unterschied zu der anderen, von ihm eher kritisierten Predigt erkennen.

„Du darfst nicht einfach gut und richtig predigen“, pflegte er mich zu belehren. „Du solltest Gott fragen, wohin Er Seine Gemeinde hinhaben will und wo sie jetzt schon ist und was du jetzt sagen musst, damit sie wei- ter kommt.“ Der alte Mann war zwar nicht sonderlich gebildet, aber er war ein begabter keryg- matischer Leiter.

5. Kerygmatische Lei- tung – wozu?

An welcher Stelle leitet Gott durch die Predigt? Wo ist keryg- matische Leitung angebracht?

Traditionell gehört die Predigt in den Gottesdienst, ist hier Teil, oft der eigentliche Teil des Gottesdienstes. Nicht von unge-

fähr beschrieb Paul Althaus den evangelischen Gottesdienst als Wort und Antwort (Althaus 1926).

Dabei wird die Predigt als Wort- vermittlung und die Liturgie als Antwort der Gemeinde auf das gehörte Wort verstanden. Frei- lich lässt sich die Predigt nur schwer in ein solches Raster pressen. Mit Recht wies W.

Trillhaas (1964:12) darauf hin, dass im dialogischen Geschehen eines Gottesdienstes auch die Antwort der hörenden Gemeinde in Lied, Bekenntnis und Gebet

„selber zum Wort der Verkündi- gung werden kann, das stärker zu reden vermag als die amtliche Predigt.“ Verkündigung, die so in Gottesdienst und Gemeinde geschieht, kann kein Monolog sein, sondern ist wesentlich dia- logisch bestimmt. Ein solcher Dialog schliesst dann den Predi-

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ger und seine zuhörende Ge- meinde mit ein. Und dieses Zwiegespräch entpuppt sich bald als ein sehr komplexes Gesche- hen (Read 1987:21). Nicht nur weisen die Zuhörer oft grosse Unterschiede in Vorwissen, Sprache, Alter, Bildung, sozialen und religiösen Stand auf, was die Kommunikation erheblich er- schweren kann, sondern sie kommen auch noch jeweils aus einer überaus individuellen Er- lebniswelt. Sie alle gleich gut und gleich tief anzusprechen stellt eine Herausforderung ausserordentlicher Art dar. Je- der Prediger wird mit der so beschriebenen Situation überfor- dert sein. Und diese Überforde- rung äussert sich dann in Predig- ten, die die Herzen der Men- schen nicht mehr erreichen.

Peter Read hat daher vorgeschla- gen, die Gemeinde vor jeder Predigt zu teilen und je nach

Situation die eine oder andere Gruppe anzusprechen (Read 1987:23). So gut dieser Vor- schlag auch sein mag, so schwie- rig ist er in der praktischen Durchführung.

Die Lösung bietet allein ein bewusst gewollter Verkündi- gungsplan. Wenn man die Ge- meinde als auf dem Weg des geistlichen Wachstums und der Transformation begreift und ein visionäres Ziel am Ende dieses Weges definiert hat, dann ist es die Aufgabe der Leitung, die Verkündigung in der Gemeinde vom Visions-Ziel her zu ordnen.

Kerygmatische Leitung der Ge- meinde stellt sicher, dass Ver- kündigung nicht sporadisch, sondern gezielt geschieht. Und das kann sowohl auf die Gesamt- heit der Gemeinde als auch auf jedes einzelne Glied bezogen werden.

Der Prediger, der sich einem solchen Transformationspro- gramm der Gemeinde unter- stellt, wird nicht mehr im Sinne von Karl-Heinz Daiber die

„Predigt als Prozess der persön- lichen Verarbeitung von Alltags- erfahrungen im Horizont des Glaubens“ (zit. nach Albrecht 1985:13) verstehen können.

Solche Erfahrungen können und dürfen zwar in die Gestaltung der Predigt einfliessen – domi- nieren dürfen sie die Predigt selbst jedoch nicht. Sie sollte einzig und allein dem Teil-Ziel im Umgestaltungsprozess der Hörer durch die Kraft des Wor- tes Gottes unterstellt werden.

Denn um Gottes Plan im Leben

konkreter Menschen geht es.

„Gott ist der eine Grund zum Predigen. Der andere: die Menschen.“ (Albrecht 1985:13).

Johannes Reimer

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Die Spannung zwischen Instruktion und Konstruktion Die Spannung zwischen

Instruktion und Kon- struktion – und was das mit Leitenden, Lehren- den und Pastoren zu tun hat

Mitte letzten Jahres schloss ich die dreijährige Ausbildung zum diplomierten Erwachsenenbild- ner an der Akademie für Er­

wachsenenbildung in Zürich ab.

Diese Zeit war gekennzeichnet durch viele Aha-Erlebnisse und neue Erkenntnisse. Den Prozess der Professionalisierung erlebte ich als ungemein lehrreich und Horizont erweiternd, aber nicht immer einfach. Für mein eigenes Leben als Christ und Theologe ist es spannend, mit anderen Bildungsfachleuten aus der gan- zen Schweiz im Austausch zu stehen und voneinander zu ler- nen. Ich erlebe das als berei- chernd für meine Arbeit als

Dozent und den Dienst in der Gemeinde.

Ein aktuelles Thema unter Bil- dungsfachleuten sind die jeweils unterschiedlichen Rollen und Verantwortlichkeiten von Leh­

renden und Lernenden – und wie diese aufeinander bezogen sind. Mit diesem Beitrag möchte ich Ihnen einen Einblick geben in die aktuelle Diskussion sowie Linien in die Praxisfelder von Lehrenden ziehen. Unter »Leh- renden« verstehe ich Pastoren oder Dozierende, aber auch Hauskreisleitende; oder über- haupt Männer und Frauen, die im Rahmen der Gemeinde ande- re Menschen unterstützen möchten in ihrem ganzheitlichen Rückverwandlungsprozess in Gottes Bild. Lehren und Lernen sind weder in der Erwachsenen- bildung, noch im Neuen Testa- ment und auch in diesem Artikel nicht als theoretische, schulische

Vorgänge zu verstehen, sondern als Veränderungsprozesse, die den ganzen Menschen in un­

terschiedlichen Bereichen be- treffen. – Die Frage hinter die- sem Beitrag lautet: Wie kann es besser gelingen, dass die (bibli- sche) Lehre ins Leben kommt?

Lernen – um was geht es?

Lernen heisst Veränderung.

Wer Lernen (und Lehren) vor allem in schulische oder theolo- gische Bereiche verbannt, ist freundlich eingeladen, sich um- zuorientieren. Zu lernen heisst zu leben, und zu leben heisst zu lernen! Lebensverändernde geistliche Lernprozesse sind das Thema der Gemeinde, insbeson- dere auch des Gottesdienstes. Es gehört zu den zentralen Anlie- gen der Bibel, dass das menschli- che Leben in Bewegung kommt.

In ihr geht es um Themen wie

Aufstehen, aus dem Vaterland weggehen oder keine feste Stätte haben. Orte, an denen man sich eingerichtet hat, sollen verlassen werden: Orte des verkehrten Lebens, Orte der Hoffnungslo- sigkeit, Sackgassen, Orte der Hohlheit oder des Fatalismus.

Biblische Geschichten sind ei- Reiner Bamberger (44) arbeitet als Lehrer des Bundes FEG sowie als Dozent am Theologischen Seminar St. Chrischona

reiner.bamberger@chrischona.ch

(24)

gentlich immer Veränderungs­

geschichten und damit Geschich- ten des Lernens. Menschen ver- lassen ihre Heimat, ändern Ver- haltensweisen, durchbrechen Gewohnheiten, geben Rollen und Berufe auf oder machen Wandererfahrungen wie das Volk Israel, das aus Ägypten gerufen wird und durch Wüsten und Meer ins Verheissene Land ziehen soll. Die Bibel erzählt Mobilisierungsgeschichten und fordert auf, daraus für das ei­

gene Leben zu lernen. »Die Menschen jenes Glaubens sind keine Easy Riders, die daherjagen um des Jagens willen. Ihre Be- wegung hat ein Ziel. In das Land ohne Knechtschaft soll das Volk ziehen. In die grössere Freiheit und Eindeutigkeit soll der zie- hen, der Vater und Mutter ver­

lässt. Die den Glaubenden zugemutete Mobilität ist Trans­

zendenz, ist Hinüberschreiten in

die grössere Lebensklarheit. […]

Also nicht die pure Veränderung und der Aufbruch werden ge- lobt, sondern die Sehnsucht geht auf das Ankommen im anderen Land, in der anderen Heimat.

Die Idee der besseren Heimat macht den Menschen Beine. Sie werden unruhig. […] Den Auf­

stand können nur die proben, die schon Bilder jener anderen Heimat haben, in der es keine Lebenswüsten mehr gibt und in der keiner mehr Beute des ande­

ren wird. Je grösser die Le­

bensvisionen sind, die Men­

schen haben und wagen, um so mehr rasseln sie an den Ketten ihrer Gefangenschaften und wer­

den sie zu Menschen der Sehn- sucht. Die christliche und die jüdische Tradition diskreditiert also Bewegung nicht, sie ver- lockt zu ihr.« (Steffensky Ful- bert, Machtworte des Zeitgeis- tes, Würzburg, Seiten 138–

139.)

Auch der biblische Ausdruck von der »Nachfolge« weist auf Bewegung, Dynamik, nämlich Lernen und Unterwegssein in der Bindung an Jesus Christus und die Heilige Schrift. Jesus Christus will von seinen Nach- folgerinnen und Nachfolgern auch nicht primär wissen, was sie denken oder meinen, son- dern er fragt: Bist du bereit für Neues? Welchen neuen Lernab- schnitt nimmst du unter die Füsse? Wohin bewegst du dich?

Was verändert sich? Was tun deine Arme, Beine, dein Kopf? – Es ist bezeichnend, dass die Christen im Neuen Testament mehrmals als Menschen bezeich- net werden, »die des Weges sind« (Apostelgeschichte 18,25;

19,23).

Das instruktionale Ver- ständnis vom Lehren und Lernen

Im Zentrum eines herkömmli- chen Verständnisses vom Lehren und Lernen steht die Instruktion:

Lehrende planen Lehr-/Lern- prozesse, geben die Lernziele vor, organisieren, steuern und systematisieren die Inhalte. Leh­

rende wissen, wie die Weiterga- be von Wissen funktioniert, wel­

ches Wissen Lernende aufzuneh­

men und zu verarbeiten haben.

Dieser Denkansatz stand und steht bis heute augenscheinlich hinter vielen Lernfeldern wie z.B. Vorlesungen oder Gottes- diensten. Die Teilnehmenden sitzen als Empfangende da, die beobachten und aufnehmen sol- len, was sich vorne abspielt.

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