Hochwasserrisikoanalyse der kritischen Infrastruktur entlang der Vicht: Machbarkeitsstudie

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Conference Paper, Published Version

Schotten, Roman; Schmitt, Tobias; Bachmann, Daniel

Hochwasserrisikoanalyse der kritischen Infrastruktur entlang der Vicht: Machbarkeitsstudie

Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen

Zur Verfügung gestellt in Kooperation mit/Provided in Cooperation with:

Technische Universität Dresden, Institut für Wasserbau und technische Hydromechanik

Verfügbar unter/Available at: https://hdl.handle.net/20.500.11970/110915 Vorgeschlagene Zitierweise/Suggested citation:

Schotten, Roman; Schmitt, Tobias; Bachmann, Daniel (2023): Hochwasserrisikoanalyse der kritischen Infrastruktur entlang der Vicht: Machbarkeitsstudie. In: Technische Universität Dresden, Institut für Wasserbau und technische Hydromechanik (Hg.): Wasserbau und Wasserwirtschaft im 'Stresstest'. Dresdner Wasserbauliche Mitteilungen 69. Dresden:

Technische Universität Dresden, Institut für Wasserbau und technische Hydromechanik. S.

26-31.

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46. Dresdner Wasserbaukolloquium 2023

„Wasserbau und Wasserwirtschaft im `Stresstest`“

A3-01

Hochwasserrisikoanalyse der kritischen Infrastruktur entlang der Vicht:

Machbarkeitsstudie

Roman Schotten Tobias Schmitt Daniel Bachmann

Stichworte: Hochwasserrisikomanagement, Kritische Infrastruk- turnetze, Resilienz, Netzwerkmodellierung

1 Einleitung, Motivation, Hintergrund

Das Hochwasserereignis im Juli 2021 in Westeuropa und die dabei eingetre- tenen Ausfälle von kritischen Infrastrukturen (KRITIS) haben deutlich gezeigt, wie verwundbar im Krisenfall und wie wichtig KRITIS für die Gesellschaft sind.

Deshalb müssen KRITIS zukünftig im Hochwasserrisikomanagement stärker berücksichtigt werden, wie es beispielsweise auch Kuhlicke et al. (2021) im Nachgang der Ereignisse 2021 fordern.

Bei KRITIS handelt es sich um Infrastrukturen, die essenziell für die Versor- gung der Bevölkerung sind. Sie werden in Sektoren eingeteilt, wie z. B. Ener- gie, Wasser und Informations- und Telekommunikationstechnik, Gesundheit, Notdienste und Transport. Die einzelnen KRITIS-Elemente bilden Netzwerke, die sowohl innerhalb eines Sektors als auch sektorübergreifend verbunden sind. Direkte Ausfälle von KRITIS-Elementen können somit kaskadierende Ausfälle im eigenen Sektor, aber auch sektorübergreifende auslösen.

Die Berücksichtigung von KRITIS und ihren Abhängigkeiten in der Hochwas- serrisikoanalyse stellt eine Herausforderung an die Modellierungstechnik dar. Raster-basierte Ansätze zur Abschätzung klassischer Hochwasserkonse- quenzen (z. B. ökonomische Schäden) können für KRITIS nicht verwendet werden. Für eine Modellierung der Hochwasserkonsequenzen auf KRITIS werden Modellierungsansätze entwickelt, die die Netzwerke der Sektoren

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Hochwasserrisikoanalyse der kritischen Infrastruktur entlang der Vicht: Machbarkeitsstudie

und ihre Abhängigkeiten abbilden. Das KRITIS-Modul des freien Softwarepa- ketes PROMAIDES hat einen solchen netzwerkbasierten Ansatz implementiert und erweitert damit die Hochwasserrisikoanalyse um den KRITIS-Aspekt (Schotten & Bachmann 2023).

Im Rahmen dieser Arbeit wird eine Machbarkeitsstudie für den implemen- tierten Modellierungsansatz vorgestellt. Als Anwendungsgebiet wird dazu die Vicht bei Stolberg in Nordrhein-Westfalen ausgewählt. Eine Voruntersu- chung hat KRITIS aus verschiedenen Sektoren in direkter Nähe zur Vicht iden- tifiziert. Zusätzlich wurden im Nachgang zum Hochwasser 2021 ein hydrody- namisches Modell auf Open-Source-Basis für das Vichtgebiet aufgestellt.

Diese hydraulischen Ergebnisse dienen als Eingangsdaten für die Machbar- keitsstudie.

2 Modellierung Kritischer Infrastruktur-Netzwerke

Der verwendete Modellierungsansatz bildet KRITIS-Netzwerke mit Hilfe von drei Arten von KRITIS-Elementen ab: Punkt-, Polygon- und Konnektor-Ele- menten. Diesen Elementen werden neben ihrer geografischen Lage (x- und y-Koordinaten) zusätzliche Attribute zugewiesen (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Definition der Netzwerkelemente und Attribute als Basis des KRITIS Netzwerk-Modellierungsansatzes

So wird jedem Punkt-Element einem KRITIS-Sektor zugeordnet. Zusätzlich wird ein Grenzwert der Wassertiefe definiert, bei der ein direkter Ausfall ein- tritt. Sobald ein Punkt-Element direkt betroffen ist, bestimmt die Wiederher- stellungszeit die Dauer des Ausfalls. Konnektor-Elemente definieren eine einseitige Dependenz oder Abhängigkeiten von Modellelementen zueinan- der und definieren dafür eine Abhängigkeitsrichtung. Konnektor-Elemente

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verlaufen von Quell-Punkten zu Senk-Punkten oder -Polygonen. Zusätzlich können Konnektor-Elemente als sektoral oder intersektoral klassifiziert wer- den.

Schematisches KRITIS Netzwerkmodell inklusive Disruption und Kaska- deneffekte durch Hochwasserauswirkung

Nachdem das KRITIS-Netzwerk-Modell über die einzelnen KRITIS-Elemente aufgebaut ist, wird dieses mit einem Überflutungsszenario überlagert, das z. B. über eine 2D-hydrodynamische Modellierung berechnet wird. Über die geografische Lage der Punkt-Elemente wird die maximale Wassertiefe aus den hydrodynamischen 2D-Rasterzellen bestimmt. Eine Überschreitung des Grenzwertes führt zu einem direkten Ausfall des Punkt-Elements. Die Verbin- dungselemente übertragen sofort den Ausfall auf die Senk-Punkt- oder Po- lygon-Elemente, was zu einem kaskadenartigen Ausfall führt (vgl. Abbil- dung 1). Dieses indirekte Versagen kann innerhalb desselben Sektors (sekt- orales Versagen) stattfinden oder ein intersektorales Versagen sein. Der Aus- fall und damit der Schaden wird so über die eigentliche Überflutungsfläche hinausgetragen. Nach Ablauf der Wiederherstellungszeit des direkt betroffe- nen Punkt-Elements wird die Funktionalität – auch aus den Kaskadeneffek- ten – wiederhergestellt.

Verschiedene Werte zur Quantifizierung des Schadens an einem KRITIS- Netzwerk können abgeleitet werden: Die Anzahl der betroffenen Punkt-Ele- mente pro Sektor, die Anzahl der von KRITIS-Diensten abgeschnittenen Per- sonen pro Sektor Pdis,Sec [P] oder die Unterbrechungszeit pro Sektor tSec [s].

Ein weiterer zusammenfassender Schadenswert ist das Produkt tSec mit Pdis,Sec

[P], wie auch von Murdock et al. (2018) vorgeschlagen wird.

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Hochwasserrisikoanalyse der kritischen Infrastruktur entlang der Vicht: Machbarkeitsstudie

3 Anwendungsfall Vicht - Stolberg (NRW)

Für das KRITIS-Netzwerk-Modell an der Vicht wurden ausschließlich frei ver- fügbare Daten aus der OpenStreetMaps Datenbank verwendet sowie Litera- tur zu den Sektoren zur Bestimmung der KRITIS-Elementattribute. Dabei wurden KRITIS aus insgesamt 12 verschiedenen Sektoren zusammengetra- gen, unter anderem Energie, Wasser, Transport, Informationstechnik und Kommunikation, Gesundheit und Abfallwirtschaft. Das Modell erstreckt sich über das hydrologische Einzugsgebiet der Vicht hinaus und beinhaltet 3681 Punkt-Elemente, 2989 Polygon-Elemente und 13019 Konnektoren.

Das hydrodynamische Modell wurde mit einem Niederschlag berechnet, der an die Hochwasserereignisse im Juni 2021 angelehnt ist; eine Modellkalibrie- rung fand jedoch nicht statt. Die Überlagerung der Überflutungsgebiete mit dem KRITIS-Netzwerk-Modell sind in Abbildung 2 zu sehen. Insgesamt sind dabei 257 Elemente betroffen, wovon 32 direkt und 225 indirekt von sekto- riellen oder intersektoriellen Kaskadeneffekten getroffen werden. Des Wei- teren ist zu erkennen, dass die Auswirkungen auf die KRITIS die Überflu- tungsflächen an der Vicht bei weitem übertreffen. Besonders starke Kaska- deneffekte gehen von den Sektoren Energie, Wasser sowie Informations- technik und Kommunikation aus.

Intersektorales KRITIS-Netzwerkmodell der Vicht unter Einwirkungen eines Hochwasserereignis

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4 Schlussfolgerungen und Ausblick

Kritische Infrastrukturen sind essenziell für unsere moderne Gesellschaft; in Krisen sind diese besonders verwundbar. Im Rahmen einer Machbarkeits- studie im Gebiet der Vicht wurde die Möglichkeit der KRITIS-Netzwerk- Modellierung für Hochwasser gezeigt. Dazu wurde ein KRITIS-Netzwerk- Modell mit Hilfe von Open-Source-Daten. Es konnten potenzielle Kaskaden- effekte für ein Hochwasser gezeigt werden, die über die eigentliche Überflu- tungsfläche hinaus gehen. In Zukunft müssen die Folgen für kritische Infra- strukturen in das Hochwasserrisikomanagement integriert werden (Schotten

& Bachmann, 2023). So wird zum einen das berücksichtigte Spektrum an Hochwasserkonsequenzen erweitert, zum anderen können zusätzliche Maß- nahmentypen zur Risikominderung bezüglich KRITIS berücksichtigt werden.

Diese Forschung wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des PARADeS Projekt gefördert. (Förderkennzeichen 13N15273)

5 Literatur

Kuhlicke, C., Albert, C., Bachmann, D., Birkmann, J., Borchardt, D., Fekete, A., Greiving, S., Hartmann, T., Hansjürgens, B., Jüpner, R., Kabisch, S., Krellenberg, K., Merz, B., Müller, R., Rink, D., Rinke, K., Schüttrumpf, H., Schwarze, R., Teutsch, G., Voss, M. (2021). Five principles for climate-proof municipalities and cities. Helmholtz Centre for Environmental Research.

http://www.ufz.de/index.php?en=17504

Murdock, H. J., de Bruijn, K., & Gersonius, B. (2018). Assessment of critical infrastructure resilience to flooding using a response curve approach.

Sustainability (Switzerland), 10(10). https://doi.org/10.3390/su10103470 Schotten, R., Bachmann, D. (2023). Critical Infrastructure Network Modelling for

Flood Risk Analyses: Approach and Proof of Concept in Accra, Ghana;

Journal of Flood Risk Management (Aktuell in Revision).

Schotten, R., Bachmann, D. (2023). Integration of Critical Infrastructures into Flood Risk Management, Ghana; R.Schotten, D.Bachmann; Sustainability (Aktuell in Revision).

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Hochwasserrisikoanalyse der kritischen Infrastruktur entlang der Vicht: Machbarkeitsstudie

Autoren:

Dipl.-Ing. Roman Schotten

AG Hochwasserrisikomanagement Hochschule Magdeburg Stendal Breitscheidstaße 2

39114 Magdeburg

Tel.: +49 391 886 4969 Fax:

E-Mail: roman.schotten@h2.de

M. Sc. Tobias Schmitt

Prof. Dr.-Ing. Daniel Bachmann AG Hochwasserrisikomanagement Hochschule Magdeburg Stendal Breitscheidstaße 2

39114 Magdeburg

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