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Hendrik Streeck Unser Immunsystem. Wie es Bakterien, Viren & Co. abwehrt und wie wir es stärken ISBN: Erscheint am

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Academic year: 2022

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1 Hendrik Streeck

Unser Immunsystem. Wie es Bakterien, Viren & Co. abwehrt und wie wir es stärken ISBN: 978-3-492-07097-3

Erscheint am 28.10.2021

© Piper Verlag GmbH, München Leseprobe

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Kein Platz für Fremde – Eine Einleitung

„Mich hat‘s voll erwischt!“, knarrte es mir vom Sofa entgegen, als ich ins Wohnzimmer unserer WG trat. Ich identifizierte die Stimme rasch: Tilmann, angehender Jurist. Er saß auf dem Sofa,

eingemummelt in eine Wolldecke. Aha, ein schwerer Fall von Männergrippe.

Ich ahnte, was nun kommen würde. Ich war damals Medizinstudent im vierten Semester und wenn ich meinen Tag nicht gerade damit verbrachte, aus dicken Schinken Lateinisches zu pauken, wurde ich gerne von meinen Mitbewohnern als Ersatzarzt benutzt. Schon beim Betreten der Wohnung war mir klar gewesen: Hausbesuch. Verrotzte Taschentücher lagen verstreut auf dem Boden. Auf freundliche Nachfrage erklärte der Patient: „Mir brummt der Schädel.“ Er stöhnte auf: „Und aus meiner Nase laufen Sturzbäche. Mein Hals kratzt, als wenn da Hämorrhoiden drin wären.“ Wehleidig starrte er vor sich hin. „Ich sterbe.“

„Nein, tust du nicht“, entgegnete ich bestimmt. „So ein Schwachsinn. Du hast einfach einen kleinen Infekt.“ „Mann, ich hab‘ in drei Tagen meine Prüfung, ich kann jetzt nicht krank sein. Kannst du mir nicht etwas geben, damit ich schnell wieder gesund werde?“, drängelte er. „Tut mir leid, da kann ich nicht viel machen. Da wird sich dein Immunsystem schon selber durchboxen.“

„Immunsystem, wenn man es braucht, ist es nicht da.“ Missmutig zog er die Schultern hoch. Noch bevor ich etwas erwidern konnte, fragte er vorsichtig interessiert: „Und wie soll das funktionieren?“

Ich seufzte. Eigentlich musste ich noch mein Augenpraktikum nachbereiten, aber das konnte auch noch ein bisschen warten.

Ich begann also: „Weißt du, Tillmann, das Immunsystem ist eines der kompliziertesten und faszinierendsten Bestandteile des Körpers. Das Verblüffende ist: Dieses Organ hat keinen festen Wohnsitz im Körper wie zum Beispiel der Darm oder das Gehirn. Nein, es ist überall zu Hause. Was es macht, sagt schon sein Name: Es hilft uns, ‚frei von‘ etwas – auf Latein immunis – zu bleiben. Tagein, tagaus verteidigt es unseren Körper gegen Eindringlinge. Oder, etwas weniger spektakulär gesagt: Es setzt sich für uns mit der Umwelt auseinander. Meist ohne dass wir es bemerken. Überwiegend unauffällig und leise perfektioniert das Immunsystem unser persönliches Hospitality Management.

Willkommenskultur ist dabei meist nicht angesagt. Nach dem Motto: Better safe than sorry. Rasch und zielgenau unterscheidet das Immunsystem Eigenes und Fremdes. Bekanntes und Unbekanntes.

Willkommenes und Gefährliches.

Wenn eine richtige Krise angesagt ist, bekommen wir das mit. So wie du gerade. Jetzt werden alle verfügbaren Ressourcen abgezogen, um den Erreger in mehreren Verteidigungslinien zu bekämpfen.

In diesem Moment ist fassbar und spürbar, dass unser Immunsystem arbeitet. Sonst tut es eher im Stillen seinen Dienst. Mithilfe von Abermillionen kleinen Unterstützern sorgt es für unser Überleben.

Das Immunsystem ist ein über Jahrmillionen stetig perfektioniertes System. Gleichzeitig ist es anfällig und verletzlich – und verdient somit unsere ganze Beachtung und Unterstützung.“

Mittlerweile waren auch die anderen WG-Mitglieder nach Hause gekommen, hatten gekocht und lümmelten nun alle im Wohnzimmer herum.

Am Tisch saß zu meiner Linken Susanne, die Kunst und Geschichte auf Lehramt studierte, sich bei Amnesty International engagierte und nur ab und zu in der WG auftauchte. Sie hatte seit einiger Zeit einen FWB, Friend with benefits. Pikanterweise handelte es sich um einen bekannten Fußballspieler.

Susanne verbrachte die meiste Zeit in seinem Loft. Ähnlich abwesend war Markus, der höchstens zum

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Essen rauskam und jetzt rechts am Tisch Nudeln in sich hineinschaufelte. Er war unser

Langzeitsoziologiestudent, was daran lag, dass er sich mehr in seiner virtuellen Welt aufhielt als anderswo. Die meiste Zeit des Tages verbrachte er in seinem leicht müffelnden verdunkelten Zimmer.

Sandra, die pummelige BWLerin, saß auf dem Boden und sortierte ihre Uni-Mitschriften. Dabei seufzte sie hin und wieder, um dann kopfschüttelnd weitere Blätter aus ihrer großen Kramtasche zu holen. Den Kreis beschloss Lisa, die uns regelmäßig daran erinnerte, mal zu chillen. Sie studierte, wie Tilmann, Jura, war allerdings der Meinung, dass sich die Anstrengungen dieses Studiums nur mit Kiffen aushalten ließen. Da ich gerade so gut im Fluss war, beschloss ich, es noch ein bisschen

spannender zu machen. Als ich von einer täglichen Alieninvasion sprach, war mir die Aufmerksamkeit aller sicher.

Ich habe mir dieses Szenario natürlich nur ausgedacht, um anhand dessen unsere typischen Berührungspunkte mit dem Immunsystem zu verdeutlichen. Ein paar der Gespräche habe ich aber tatsächlich geführt, darum kommt man als angehender Arzt in einer Studenten-WG wohl nicht umhin.

Wo einheimische Bakterien regieren – Auf der Haut

Den auf dem Körper landenden Alienankömmling erwartet in einem tropischen Klima ein Gemisch aus toten Zellhaufen, zerklüfteten Spalten, unbekannten Seen, Wäldern – wunderbare

Rückzugsmöglichkeiten und artgerechte Lebensräume für unzählige verschiedene heimische

Bewohner. Hier ist oft kein Platz für einen anderen Erreger, der Einlass begehrt. Die Alteingesessenen sind zu Tausenden – der neue Erreger meist allein. Denn die erste Verteidigungslinie gegen fremde Eindringlinge sind noch nicht mal wir selber. Es sind Bakterien, denen unser Immunsystem erlaubt hat, in unserer Nähe zu wohnen. Das tut es nicht aus Zuneigung, sondern nur, wenn es sich einen klaren Nutzen davon verspricht.

Jene Einheimischen sind Bakterien, die in Frieden mit uns zusammenleben. Manche dieser Bakterien helfen uns sogar. Mit anderen Arten hingegen verbindet uns eine Hassliebe. Auf die sollten wir besonders achtgeben, denn sie tun uns grundsätzlich gut, können uns aber bei einem schlechten Immunstatus auch schaden. Was passiert, wenn das sorgsam austarierte Gleichgewicht (Equilibrium) gestört ist, wird im Kapitel xxx klar.

Doch erst einmal zurück zum ungeheuren Nutzen der meisten Bakterien auf der Haut. Sie engagieren sich nicht nur in der Verteidigung gegen äußere Angriffe, sondern produzieren sogar Stoffe, die unsere Haut schützen. Das können Enzyme sein, die Fremde direkt angreifen oder ein Milieu schaffen, in dem sich die Neuankömmlinge nicht wohlfühlen. Diese Bakterien haben sich ihr Revier sorgsam ausgesucht. Was auf der Nase lebt, ist nicht unbedingt glücklich mit der Witterung unter der Achsel. Bestimmte Bakterien im Darm mögen nicht die direkte Sonneneinstrahlung, die die Glatze verbrennen kann. Aber wo sich diese Bakterien einmal häuslich eingerichtet haben, entwickeln sie großen Besitzerstolz. Nur äußerst ungern werden Fremde reingelassen – glücklicherweise. Denn unserem Körper und unserem Immunsystem tut es gut, wenn hier schon einmal eine erste strenge Auswahl stattfindet.

Häufig verhungern die Alienbakterien einfach. Sie kriegen nicht genügend Nährstoffe ab, denn die ortsansässigen Bakterien haben ihre Versorgung perfektioniert und denken gar nicht daran zu teilen.

Manchmal bleibt es nicht dabei, Fremde rüde vom Esstisch zu stoßen, einige der einheimischen

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Bakterien fressen die Neuankömmlinge sogar auf. Genüsslich verzehren sie deren Bestandteile, um sich selbst fortzupflanzen.

Damit dieses System nicht zerstört wird, sollten wir etwas dazu beitragen, in Frieden mit „unseren Hautbakterien“ zu leben. Wasser und Seife, aber natürlich auch Desinfektionsmittel sind dabei Freund und Feind zugleich. Eine allzu dreckige Haut erlaubt es neuen Bakterien, Fuß zu fassen, und kann so zu gefährlichen Infektionen führen. Zu viel Seife zerstört nicht nur die Umwelt der Bakterien, sondern tötet auch viele von ihnen direkt. Bakterien sind aber im Grunde so etwas wie soziale Tiere und leben in Kolonien. Sind sie nicht zusammen, werden sie unglücklich und wachsen schlechter.

Auch Make-up kann ein Grund dafür sein, dass sich einige Bakterien nicht mehr gut verbreiten. Es verändert das Milieu der Haut, weswegen die Bakterien ihrem einstigen Wohnort schweren Herzens Adieu sagen. Da gerade Stewardessen oft mehrere Stunden lang frisch und tadellos aussehen müssen, spricht man dabei manches Mal von der Stewardess Disease. Eindrucksvoll wird bei dieser unangenehmen Hautkrankheit klar: Wenn die guten Bakterien weg sind, droht noch Schlimmeres.

Fremde Bakterien und Pilze besiedeln die freien Flächen und führen zu Bläschen. Vermehrte Pflege beginnt dann einen Teufelskreis, denn was die Haut eigentlich braucht, sind nur Wasser und Luft.

Schutz durch tote Zellen – In der Haut

Haben es doch einmal ein paar Neuankömmlinge an der obersten Verteidigungslinie vorbei geschafft, stoßen sie auf die Haut. Genauer gesagt auf das Stratum corneum, die Hornhaut – unsere zweite Verteidigungslinie. Die haben wir auf einem Großteil der Körperoberfläche. Nur ist sie an manchen Stellen ziemlich verdickt – beispielsweise an den Füßen, wenn die richtig beansprucht werden. Diese oberste Hautschicht besteht aus abgestorbenen Zellen, die schützend die lebenden bedecken. Ja, fast alles von außen Sichtbare an uns ist tot. Auch Haare, Wimpern oder Fingernägel, die ebenfalls

physische Barrieren bilden.

Apropos Haare – gemeint ist weniger die Pracht auf dem Kopf als der Haarmantel, der uns mehr oder weniger dicht am ganzen Körper umgibt. Für ankommende Erreger wirken Haare wie riesige Bäume, die den gröbsten Schmutz wegfangen. Wimpern sind dichte, undurchdringliche Wälder und

Fingernägel sowie Hornhaut gleichen undurchdringlichen Gesteinsplatten. Zusammen mit den Flüssen aus Schweiß, Speichel und anderen Sekreten, die viele Hautareale mit heilendem und abwehrendem Inhalt umspülen, und den beschützenden Bakterien ist das ein wirklich unwirtliches, extraterrestisches Terrain.

Aber es ist auch ein filigranes Biotop. Wenn es zerstört wird, kann das schlimme Folgen haben.

Zerstört wird es übrigens nicht nur durch kleine und große Katastrophen – offene Wunden beispielsweise –, sondern vor allem durch zu häufiges Waschen mit Seife und anderen

Reinigungsmitteln. Und somit sind wir wieder beim Säubern. Dabei sollten wir uns nicht falsch verstehen: Waschen an sich ist eine sehr gute Idee. Es entfernt nicht nur unangenehme Gerüche, sondern auch unliebsame Erreger. So wird in gesundem Maß die oberste Schicht mit dem Dreck entfernt. Unsere Mitbewohner auf der Haut verstecken sich derweil im zerklüfteten Gebiet. Danach kriechen sie schnell aus ihren Löchern und besiedeln die nun saubere Haut einfach wieder. Schlecht ist es aber, wenn mit Seife, Bürste und Desinfektionsmittel auch noch der letzte Winkel klinisch rein geputzt wird. Dann rottet man im schlimmsten Fall ganze Bakterienpopulationen aus. Was passiert,

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lässt sich leicht ausdenken: Für einige Stunden wendet sich die nackte Haut ohne schützende

Bakterienbataillone der Welt zu. Erste Verteidigungslinie ade. Keine Schicht aus toten Zellen, die eine Schutzmauer bilden, und keine Sekrete, die die Zellen mit gesundem Material umspülen. Zweite Verteidigungslinie ade. Die Haut kann austrocknen und sich leichter infizieren.

Hornhaut beim Küssen? – Die Wunderwaffe Speichel

An ein paar Stellen macht unser Körper einen Sicherheitskompromiss: Bestimmte Hautareale sind nicht von Hornhaut bedeckt, sondern von Schleimhäuten. Das ist im Mund, in der Nase, an den Augen, an den Genitalien und am Darmausgang der Fall. Hier strecken wir der Welt unsere lebendigen Zellen entgegen, weil wir damit entweder etwas wahrnehmen wollen oder eine

Körperöffnung brauchen. Essen wäre ganz schön fade, wenn unsere Zunge so dick wäre wie unsere Fußsohle. Ein Kuss würde sich anfühlen, als wenn sich zwei große Zehen berühren. Erst die

Rezeptoren für den Tast- und den Wärmesinn, dicht an der Oberfläche liegend, zünden ein Feuerwerk an Gefühlsempfindungen. Gewiss stellte allerdings nicht die Lust am Küssen einen

evolutionären Vorteil dar. Dass wir so genau mit den Lippen und der Zunge tasten und schmecken, ist wahrscheinlich dadurch entstanden, dass wir Nahrung so besser in gut und schlecht, spitz oder rund, lebend oder tot unterscheiden können. Auch durch ein Auge mit einer dicken Hornhautschicht zu schauen, würde wie der Blick durch eine Milchglasscheibe sein.

Um aber auch in diesen Zonen Eindringlinge abwehren zu können, hat der Körper zusätzliche Schutzmechanismen entwickelt: Erstens stapeln sich hier viele Zellen übereinander. Nach dem Motto: Stark befahrene Straßen gehören gut befestigt. Wo viel Austausch stattfindet, gibt es viele Zellen, die gestapelt übereinander liegen. Zweitens werden diese Stellen von einem zähflüssigen Sekret umspült. Zum einen damit die Zellen nicht innerhalb von Minuten austrocknen, zum anderen hält dieses Sekret eine Reihe an nützlichen Raffinessen bereit, aber auch angepasste Bakterien machen das Eindringen sehr viel schwerer.

Am besten lässt sich das am Speichel erklären. Jeder von uns produziert etwa 1,5 Liter pro Tag davon.

Genau, eine große Colaflasche Speichel – eine merkwürdige Vorstellung. Speichel ist aber eine wahre Wunderflüssigkeit. Eine wichtige Rolle spielen seine Bestandteile bei der Zerkleinerung der Nahrung.

Zusätzlich muss er die Mundhöhle befeuchten, denn nur so bleiben die nackten, ungeschützten Zellen am Leben und nur so können wir schlucken, schmecken und sprechen. Und Neuankömmlinge abwehren, die im Körper nichts zu suchen haben, soll er auch noch.

Als Multitalent ist der Speichel gefüllt mit verschiedenen Enzymen, die sich auf ihre Aufgabe spezialisiert haben. Wie zum Beispiel das Lysozym, das die Zellwände bestimmter Bakterien direkt angreift. Andere Enzyme hungern diese Aliens aus, wie Lactoferrin, das Eisen wegfängt, damit fremde Bakterien weniger gut wachsen und sich vermehren können. Denn auch sie brauchen, wie wir, Eisen zum Leben. Dann ist da noch das Histatin, das die Vermehrung von Bakterien und Pilzen hemmt.

Hinzu kommt eine ganze Armada an Antikörpern, die sich auf die Eindringlinge stürzt und diese zum Gefressenwerden markiert oder gleich neutralisiert. Diese Antikörper sind zwillingsförmige

Warndreiecke, die auf gefährlichen Strukturen angebracht werden, damit körpereigene Zellen sie leichter erkennen und wegräumen können. Weil diese Warndreiecke auch noch ordentlich groß sind, beeinträchtigen sie die Bewegungsfähigkeit der markierten Bakterien im zähflüssigen Schleim. Wie

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Tausende Kletten hängen sie am Erreger und halten ihn so lange fest, bis er von einer Verdauungszelle befreit und aufgegessen wird. Aber dazu später mehr.

Eine recht gute Abwehrtinktur – kein Wunder, dass eine Volksweisheit empfiehlt, Spucke auf Wunden oder Insektenstiche zu geben. In der Tat ist Speichel eine schnelle Erste-Hilfe- Wunddesinfektion. Mit einer Einschränkung: Er wirkt nur bei einem selber. Antibakteriell, antimykotisch – gegen Pilze gerichtet –, antiviral. Aufgrund der individuellen Beschaffenheit der Mundflora bei jedem Menschen, die sich zum Beispiel durch Essgewohnheiten einstellt, kann aber das, was für einen selber gut ist, beim anderen zu einer gefährlichen Blutvergiftung führen. Also aufgepasst: Spucke ja, Muttis Spucke nein!

So wie der Speichel sind auch andere Schleimhäute und Schleimsekrete immer bereit, unseren Körper zu verteidigen. Enzyme und Antikörper sowie eine ausgewogene Flora aus Bakterien helfen dabei. Zusätzlich haben sich an den verschiedenen Öffnungen des Körpers spezialisierte

Eigenschaften entwickelt, um Erreger und anderen Schaden abzuwehren. Eine kleine Reise durch den Körper zeigt, wie sie wirken.

Die Nasenschleimhaut fängt zum Beispiel den groben Schmutz bereits mit den Borsten in der Nase ab. Richtig! Die lästigen Nasenhaare haben sogar eine Funktion. Kaum hat die Atemluft die Nase passiert, gelangt sie durch die Luftröhre in die Lunge. Hier befindet sich unter dem Sekret ein hauchdünner Pelz aus schlagenden Zellen, das Flimmerepithel. Das sind spezialisierte Zellen, die in einer Art Haar enden. Sie wedeln beständig in eine Richtung und transportieren den Schmutz, der in die Lunge gelangt ist, oder auch alte Zellen, Bakterien und alles, was nicht in die Lunge gehört, nach oben, sodass es entweder ausgehustet oder runtergeschluckt wird. Im Schleim befinden sich die üblichen Verdächtigen: Antikörper, die markieren, Lysozyme, die die Oberflächen von Bakterien zersetzen, Lactoferrin, das das Wachstum hemmt, und weitere Inhibitoren, die den Fremden das Weiterleben schwer machen.

Was nicht Richtung Lunge unterwegs ist, nimmt beim Eindringen in den Körper womöglich eine andere Autobahn zur Einreise: durch den Mund in die Speiseröhre, die ihrerseits in den Magen mündet. Dort erwarten fremde Erreger unangenehme Bedingungen. Die Magensäure macht mit den meisten Neuankömmlingen kurzen Prozess. Sie hat einen pH-Wert von nahezu 1. Ätzender geht es fast nicht. Alles, was dort reinfällt, wird zersetzt, außer es hat spezielle Schutzvorrichtungen oder kommt in so großer Zahl, dass doch mal einige wenige überleben und weiter unten im Darm aufblühen können. Die Schleimhaut im Magen ist weniger dazu da, dem Fremden den Garaus zu machen – das kann die Magensäure zumeist effektiver erledigen. Hier muss der Körper vor der selbst produzierten Säure geschützt werden.

Erreger und alles andere, das auch nach der Magenpassage noch da ist, begegnen im Darm der gleichnamigen Schleimhaut. Und – man ahnt es schon – hier geht es weiter wie gehabt: Ein Epithel mit kleinen Noppen – Villi – besetzt, um die Nährstoffe gut aufnehmen zu können, Schleim und seine Inhaltsstoffe sorgen nicht nur dafür, dass die Speisen zerkleinert und für den Körper in annehmbarer Form aufgenommen werden können, sondern sind auch für das Immunsystem zentral. Dabei haben die Abschnitte sowohl bei der Zerkleinerung und Nahrungsaufnahme unterschiedliche Aufgaben als auch für das Immunsystem. Vor allem im Dünndarm patroullieren und regulieren rege Immunzellen und der Bakterienanteil nimmt ab. Je weiter es nach unten geht, desto mehr nimmt die Darmflora,

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die aus Hunderten Bakterien besteht, zu. Diese helfen uns nicht nur, sondern lassen schlicht den anderen Bakterien keinen Platz, um sich hier niederzulassen.

Eine besondere Schleimhaut ist die nur bei Frauen vorkommende Vaginalschleimhaut. Während die Grundfunktion der anderer Schleimhäute entspricht, gibt es eine Besonderheit: Die

Zusammensetzung des Vaginalsekrets verändert sich regelmäßig – im Laufe des Menstruationszyklus – und bei besonderen Anlässen – in der Schwangerschaft. Auch das Alter spielt aufgrund der sich wandelnden Hormonlage eine wesentliche Rolle: vor allem für die Dicke der Vaginalschleimhaut und ihre Fähigkeit, ihre Funktion im Immunsystem zu erfüllen. Wie sensibel die Schleimhaut auf Einflüsse von außen reagiert, zeigt sich für Betroffene oft an der Folge von Antibiotikaeinnahmen: Das

Medikament lässt Bakterien sterben – schlechte wie gute. Die guten sind vor allem die Lactobazillen, deren Fehlen Pilzinfektionen begünstigt.

Schleimhäute können also durch unser Verhalten in ihrer Funktion für ein gesundes Immunsystem unterstützt werden. Sie zu strapazieren, kann hingegen unangenehme Auswirkungen haben. Schafft es ein Bakterium doch einmal durch die oberste Verteidigungslinien der Haut und hat die physischen Barrieren der Hornhaut zum Beispiel durch eine Hautverletzung überwunden, erwartet es nicht nur ein lebenswerteres Terrain, sondern auch eine Armee des Körpers, die einem Eindringling nicht einfach so das Feld überlässt: die Immunzellen. Sie gehen üblicherweise strategisch vor. Kein Stimmenwirrwarr, kein Chaos, sondern konzertierte Aktion. Aber erst mal muss Alarm geschlagen werden, damit die Armee des Körpers losmarschieren kann. Hierfür ist die unspezifische Reaktion zuständig und allen voran die Mustererkennung.

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