Inhaltsverzeichnis
"TESTEN, IMPFEN UND BETRIEBE ÖFFNEN"
News vom 09.04.2021 (Seite 4-9)
Seite 2
Grauzone mit mafiösen Strukturen
News vom 09.04.2021 (Seite 30-31)
Seite 8
"Man kann ja nicht einmal kellnern"
News vom 09.04.2021 (Seite 78-79)
Seite 10
Copyright: APA-DeFacto GmbH - Seite 1
Niederösterreich Magazin 1 • 2021
Coverstory
4 Wolfgang Ecker
„Mit unserem sehr guten und vielfältigen Branchenmix sind wir
in NÖ schon früher besser durch Krisen gekommen. Und ich bin mir
sicher, dass wir das auch dieses Mal schaffen.“
Wolfgang Ecker, Präsident der Wirtschaftskammer NÖ
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„TESTEN, IMPFEN UND BETRIEBE
O . . FFNEN“
Wolfgang Ecker, seit 2020 Präsident der
Wirtschaftskammer NÖ, erklärt im Interview, wie die Betriebe bisher durch die Krise gekommen sind und wie wichtig es ist, den Neustart nach Corona vorzubereiten.
V
or knapp einem Jahr haben Sie das Amt des Präsidenten der WK NÖ übernommen – also schon mitten in der Coro- na-Phase. Es gibt angenehmere Zeiten, Derartiges zu übernehmen. Haben Sie Ihre Entscheidung, das zu tun, bereut?WOLFGANG ECKER: Nein, das habe ich nicht! Gerade jetzt in der Pan- demie sind Service und Unterstüt- zung der Wirtschaftskammer für un- sere Betriebe besonders wichtig – noch wichtiger als sonst. Ich habe das Glück, als Unternehmer von der Krise ver- gleichsweise wenig getroffen zu sein und mich dadurch gut auf die Aufga- be als WKNÖ-Präsident konzentrieren zu können. Dass wir uns natürlich alle Corona gerne erspart hätten, ist klar.
Wie ist Ihre Bilanz bisher? Was konnten Sie erreichen – Wünsche werden wohl ausreichend von den Mitgliedsbetrieben formuliert worden sein?
Ich sehe da drei Dinge als ganz be- sonders wichtig an: Erstens, dass die Unterstützungsmaßnahmen ständig auf ihre Treffsicherheit hin überprüft und nachgebessert wurden. Da haben wir uns kontinuierlich mit Nachbes- serungsvorschlägen eingebracht, wenn Von David Hell
wir gesehen haben, dass eine Hilfe für die Betriebe in der Praxis nicht so funktioniert wie gedacht. Zweitens haben wir als WKNÖ einen starken Schwerpunkt auf schnelle Informati- on für unsere Mitglieder zu den jeweils aktuellen Regelungen gesetzt. 100 Co- rona-Newsletter seit Ausbruch der Kri- se sind da ein starker Nachweis. Und drittens waren wir – gemeinsam mit unserem Sozialpartner AK – mit ers- ten Teststraßen schon im Oktober ab- solute Vorreiter in Sachen Testen. Weil wir sehr früh das Testen als Chance für offene Betriebe gesehen haben.
Wie gut sind die Betriebe in NÖ bisher durch die Krise gekommen?
Die Unternehmen leisten Hervorragen- des. Viele haben sich extrem rasch um- gestellt, digitale Angebote geschaffen, neue Geschäftszweige entwickelt. Aber jetzt geht es nicht mehr. Zugesperrt sein ist keine Perspektive. Wir müssen tes- ten, testen, testen. Wir müssen das Imp- fen rasch vorantreiben. Und wir müs- sen offen haben. Die Grundlagen dafür sind mit den umfassenden Sicherheits- konzepten vorhanden. Offen und sicher – unsere Betriebe können das.
FOTO: FRANZ BALDAUF
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Niederösterreich Magazin 1 • 2021
Wolfgang Ecker Coverstory
FOTOS: FRANZ BALDAUF, FOTOSTUDIO HÖFINGER
Den Branchen wird es recht unterschied- lich ergangen sein. Welchen erging es so weit ganz gut, welchen schlecht?
Betroffen war und ist unsere gesam- te Wirtschaft. Natürlich gibt es auch Unternehmen, die von der Krise fast gar nicht betroffen waren. Und es gibt Branchen mit extralangen Lockdowns wie etwa die Gastronomie, die hart ge- troffen worden sind. Dabei darf man nicht übersehen, dass diese Lockdowns auch Betriebe massiv treffen, die selbst gar nicht zusperren müssen – zum Bei- spiel Zulieferer für die Gastronomie.
Da haben wir als Wirtschaftskammer zwar ständig gedrängt, aber es hat de- finitiv zu lange gedauert, bis es für in- direkt betroffene Unternehmen Hilfen gegeben hat.
Was unterscheidet die nö. Betriebe von anderen in Ö – gibt es hier signifikante Unterschiede?
Abgesehen davon, dass unsere nie- derösterreichischen Betriebe sehr in- novativ und flexibel und darüber hi- naus auch gut in den Regionen ver- ankert sind, haben wir in Nieder- österreich den großen Vorteil, dass wir einen sehr guten und vielfältigen Branchenmix haben. Unser Stand- ort hängt nicht so sehr von einzel- nen Branchen ab, wie das in anderen Bundesländern der Fall ist. Durch die- sen Mix sind wir in Niederösterreich schon in der Vergangenheit besser durch Krisen gekommen als andere.
Und ich bin mir sicher, dass wir das auch diesmal schaffen.
Sind die gebotenen Hilfen ausreichend aus dem Corona-Topf?
Man neigt immer dazu, mehr zu wol- len. Tatsache ist, dass Österreich bei den Hilfen im internationalen Ver- gleich sehr, sehr gut liegt. Dass der EU-Rahmen für erlaubte Unterstüt- zungen letztlich doch ausgeweitet wur- de, ist maßgeblich dem Einsatz der ös- terreichischen Bundesregierung zu ver- danken. Mit dem zuletzt ausgebauten Umsatzersatz, dem Ausfallsbonus so- wie den EU-rechtlich nun möglichen Direktzuschüssen von bis zu 1,8 Mil- lionen statt bisher 800.000 Euro und der Erhöhung der Grenzen beim Ver- lustausgleich von drei auf zehn Milli- onen Euro sind wir in Summe gut auf- gestellt. Beim Härtefallfonds der Bun-
„Die Krise hat sehr klar gezeigt, wie wichtig Unternehmen vor Ort sind – für Arbeitsplätze,
Nahversorgung, schlicht: für das Leben.“
Wolfgang Ecker, Präsident der Wirtschaftskammer NÖ
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FOTOS: FRANZ BALDAUF, FOTOSTUDIO HÖFINGER
desregierung wurden von der WKNÖ auch schon rund 150.000 Anträge posi- tiv abgewickelt. Grundsätzlich gilt: Un- sere Unternehmen wollen arbeiten und nicht von Unterstützungen leben.
Was muss noch getan werden – wo fehlt es ganz besonders?
Wir dürfen vor allem auch die Perspek- tiven für den Neustart und den Auf- schwung nach Corona nicht aus den Augen verlieren. So hart die Gegen- wart auch ist, so wichtig ist es, auch jetzt schon Weichen für die Zukunft zu stellen. Deshalb haben wir gemein- sam mit dem Land ein Konjunkturpa- ket über 229 Millionen Euro geschnürt – mit gezielten Maßnahmen zur Ankur- belung der Wirtschaft, etwa zur För- derung von Investitionen und Innova- tionen.
Was erwarten Sie für die nö. Wirtschaft für das erste und zweite Halbjahr 2021?
Kurz gesagt: dass es wieder aufwärts geht. Und dass wir mit unseren Be- trieben wieder Perspektiven bekom- men, die wir dringend brauchen, um durchstarten können.
Die Verankerung in der Bevölkerung und der Wert aus der Regionalität ist in NÖ hoch. Die Marke NÖ hat zudem einen authentischen und hohen Stellen- wert. Wie wichtig ist Regionalität gerade in so einer Phase wie jetzt und wie schafft
man es, dass man diese Werte auch für nach der Krise beibehält? Damit man nicht bei Amazon bestellt, sondern bei einem niederösterreichischen Händler.
Die Krise hat klar gezeigt, wie wichtig Unternehmen vor Ort sind – für Ar- beitsplätze, Nahversorgung, schlicht für das Leben. Dazu gehört aber auch, dass man als Konsument die Unterneh- men in der Region nutzt. Bestellungen in Übersee bringen uns da nichts. Da hat es sicher einen Bewusstseinsschub gegeben. Das zeigen auch Studien. Als Wirtschaftskammer NÖ haben wir ge- rade in der Krise zahlreiche Initiativen gesetzt, um das Bewusstsein für Regio- nalität noch weiter zu stärken.
Etwas hinterher hinken die Betriebe im Blick auf die Digitalisierung. Hier gibt es sicher noch Aufholbedarf. Was wird getan, damit die Unternehmen künftig kompetitiver aufgestellt sind?
Auch hier hat es einen kräftigen Schub gegeben – sowohl im Bewusstsein der Betriebe wie auch in ihren konkre- ten Aktivitäten. Es ist schlicht be- wundernswert, wie rasch zahlreiche nö. Unternehmen in der Krise digi- tale Angebote auf- und ausgebaut ha- ben. Das starke Bewusstsein der Un- ternehmen für die Digitalisierung als Chance zeigt auch, dass die Initiati- ve „digi4Wirtschaft“ von den Betrie- ben extrem gut angenommen wurde.
Gleiches gilt für KMU.DIGITAL, wo bis
2023 jetzt 15 Millionen Euro zur Un- terstützung bereit stehen. Und natür- lich müssen wir in Niederösterreich auch beim Breitbandausbau weiter voll dranbleiben.
Österreichweit verlieren immer mehr Menschen ihren Job. Gleichzeitig nimmt aber auch der Fachkräftemangel zu. Wie löst man beide Fragen? Und gäbe es eine Lösung, die für beide Bereiche hälfe?
Der Schlüssel heißt Aus- und Weiter- bildung. Unsere Wirtschaft braucht Fachkräfte. Die gesuchten Qualifika- tionen sind auf dem Arbeitsmarkt aber oft nicht zu finden. Die Lösung kann also nur in zielgerichteten Aus- und Weiterbildungen sowie Umschulun- gen liegen.
Welche Jobs werden in NÖ vor allem gebraucht?
Gute Fachkräfte werden in praktisch allen Branchen gebraucht.
Wie sieht die Situation in der Lehre aus?
Gibt es weiterhin ausreichend Stellen?
Wie ist NÖ im Herbst schon über die Runden gekommen – mit den Lehrlings- beginnern? Und wie sieht es für heuer im Herbst aus – gibt es wieder mehr Stellen, mehr Nachfrage …?
Die Lehre in Niederösterreich trotzt Corona. Die Gesamtzahl der Lehr- linge liegt stabil bei rund 17.000. Der durch Corona bedingte Rückgang bei
Wirtschaftskammer Niederösterreich
Die WKNÖ vertritt die Interessen von aktuell rund 108.000 aktiven Unternehmen in Nieder österreich. Neben dieser Auf- gabe bietet sie den Mitgliedsunternehmen umfassende Servi- ceangebote: Sie reichen vom Gründerservice bis zu Rechts- beratungen, dem neu aufgestellten Förderservice und den umfassenden Unterstützungen in Bereichen wie Export, Inno- vation sowie den Themen Bildung und Lehre. Insgesamt fun- gieren 23 WKNÖ-Bezirks- und -Außenstellen in ganz Nieder- österreich als Ansprechpartner für die Unternehmerinnen und Unternehmer vor Ort. Infos unter: www.wko.at/noe
8 Wolfgang Ecker Coverstory
FOTO: FRANZ BALDAUF
den Lehranfängern ist deutlich gerin- ger als befürchtet. Die Zahl der Aus- bildungsbetriebe ist sogar gestiegen.
Unsere Unternehmen tun trotz Krise alles, was möglich ist, für die Lehraus- bildung. Denn, wie gesagt, wir brau- chen Fachkräfte. Wichtig ist, dass wir vor allem bei den Eltern noch stärker das Bewusstsein schaffen, dass die Leh- re eine besonders krisenfeste Ausbil- dung ist, die alle Chancen öffnet – von der Karriere als Fachkraft bis zum ei- genen Unternehmen.
Was haben Sie als WK-Präsident noch vor, was wollen Sie unbedingt umsetzen?
Ein ganz zentraler Punkt ist für mich, immer noch näher an unseren Unter- nehmen zu sein und unsere Services punktgenau auszurichten. Da liegen
wir schon sehr gut, da wollen wir mit unserem neuen Zielgruppenmanage- ment aber noch präziser werden – mit maßgeschneiderten Services von EPU bis zu Leitbetrieben. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Ökologie als wirtschaftlicher Chance. Das müssen wir nutzen. Dazu bleiben Themen wie die Stärkung der Regionalität, die Di- gitalisierung und natürlich Innovatio- nen Dauerbrenner. Und wir wollen die Funktion der Wirtschaftskammer mit unserer AUSSENWIRTSCHAFT AUST- RIA als Türöffner für unsere Unterneh- men zu internationalen Märkten wei- ter stärken.
Sie sind selbst Unternehmer, sind sehr früh in das Familienunternehmen des Vaters eingestiegen und haben sich Ende
der 1980er-Jahre mit einem eigenen Steinmetzbetrieb in Traiskirchen selbst- ständig gemacht. Sie beschäftigen rund 100 Mitarbeiter. Wie ist es Ihrer Firma ergangen?
Die Krise hat natürlich auch mein Unternehmen im ersten Lockdown kurzfristig vor Herausforderungen gestellt. Aber gemeinsam mit meinen Mitarbeitern sind wir relativ schnell wieder in den Alltag gekommen.
Gleichzeitig haben wir auch viel ge- lernt. So haben wir im Unternehmen schon früh auf regelmäßige Testun- gen gesetzt und sind dadurch bis jetzt relativ unbeschadet durch die Krise gekommen. Umfassende Sicherheits- maßnahmen und regelmäßige Testun- gen sind mir auch als Unternehmer sehr wichtig.
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG. FOTO: FOTO TSCHANK
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FOTO: FRANZ BALDAUF ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG. FOTO: FOTO TSCHANK
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„So um 5 Uhr früh mache ich einen Spaziergang mit meinen beiden Hunden. Das ist die Zeit, in der ich am besten meine Ideen entwickle.“
Wolfgang Ecker, WKNÖ-Präsident
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Auch mein Sohn ist in der Branche tä- tig. Die Weichen sind gestellt, aber ich arbeite sehr gerne und wir werden se- hen, was die Zukunft bringt.
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Ein Fixpunkt für mich sind morgend- liche Spaziergänge mit meinen bei- den Hunden. So um 5 Uhr früh her- um ein Spaziergang mit den Hunden – das ist die Zeit, in der ich auch am besten Ideen entwickle und viel Kraft für die täglichen Herausforderungen sammle.
30 14 | 2021
D
ie Affäre um den umstrittenen Mas- kenhersteller Hygiene Austria hat das Thema Leiharbeit erneut in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt: Denn dabei geht es nicht nur um den Vorwurf des mutmaßli- chen Betrugs, sondern auch um den Verdacht organisierter Schwarzarbeit in Zusammenhang mit Personalbereitstellung. Aufgeflogen ist die Affäre zudem im Zuge der Telefonüberwachung von Menschenhändlern, die möglicherweise über dubiose Leiharbeitsfirmen Migranten oder Asylwerber für die Maskenproduktion bzw. das Umpacken chinesischer Masken in „Made in Austria“-Produkte vermittelt haben.Noch ist unklar, wie viele fragwürdige Zeitar- beitsfirmen tatsächlich bei Hygiene Austria in- volviert waren: Staatsanwaltschaft und Finanz- polizei ermitteln weiter auf Hochtouren, um herauszufinden, wie das System der Subfirmen, über die Gelder verschoben und verschleiert werden, genau aussieht. Bekannt ist jedoch, dass zumindest vier Firmen für Hygiene Austria tätig waren, davon zwei auf der Scheinfirmen-Liste der Finanz zu finden sind und eine weitere sich im Konkurs befindet. Und die zuständige Masse- verwalterin klagte darüber, dass die Geschäfts- führung dieses Unternehmens unauffindbar sei.
Kampf um sauberes Image
Für die Branche der Personaldienstleister ist die Affäre ein herber Rückschlag im Bemühen um ein sauberes Image und im permanenten Ver- such, schwarze Schafen aus dem Business drau- ßen zu halten. „Früher war die Personalbereit- stellung tatsächlich oft ein Cowboy-Geschäft, aber seit gut 30 Jahren gibt es das Arbeitskräfte- überlassungsgesetz samt Kollektivvertrag und klaren Vorschriften, die einzuhalten sind“, sagt Martin Zieger vom Branchenverband der Perso- naldienstleister, selbst Chef eines großen Zeitar- beitsunternehmens: „Wir sind auch mit dem Begriff Leiharbeit nicht glücklich. Denn wer lässt WIRTSCHAFT
Grauzone mit mafiösen Strukturen
Von 2.000 Gewerbeberechtigten für Leiharbeit sind lediglich gut 800 aktiv und davon wiederum nur rund 100 im Branchenverband, der Seriosität garantiert, organisiert. Immer wieder drängen dubiose
Firmen in das vom einem harten Preiskampf bestimmten Geschäft.
Die Causa Hygiene Austria ist nur die Spitze des Eisberges
Von Günter Fritz
sich schon gerne verleihen oder verleasen. Die Mitarbeiter sind bei uns angestellt, werden dem Gesetz nach fair bezahlt und im Bedarfsfall an Unternehmen, die Spitzen abdecken wollen, ab- gestellt.“ Ende Februar 2021 waren 79.500 Zeitar- beiter österreichweit für andere Unternehmen tätig. So ein System – jeder seriöse Personalbe- reitsteller habe eine eigene Struktur inklusive Lohnverrechnung – koste jedoch. Weshalb unse- riöse Anbieter mit Dumpingpreisen ihre Chan- cen am umkämpften Markt suchten und auch fänden, so der Branchensprecher. „Leider gibt es eine große und unübersichtliche Grauzone. Die schadet natürlich unserem Image, weshalb wir auch versuchen, mit Nachdruck dagegen vorzu- gehen.“
Entsprechend fällt auch Ziegers Urteil über Hygiene Austria aus: „Das ist eine Katastrophe, wie dort gearbeitet wurde.“ Zum Teil seien die Firmen erst kurz vor der Vertragsunterzeich- nung gegründet worden, möglicherweise sei der gewerberechtliche Geschäftsführer extern bei- gezogen worden. Denn von 2.000 Gewerbebe- rechtigten sind lediglich gut 800 aktiv und da- von wiederum nur rund 100 im Branchenver- band, der Seriosität garantiert, organisiert. „Es kommt immer wieder vor, dass sich jemand eine aktuell nicht ausgeübte Gewerbeberechtigung besorgt. Damit ist einem Betrug Tür und Tor ge- öffnet“, sagt Zieger und verweist auf die Website des Branchenverbands. Bei den dort aufgeliste- ten Personalbereitstellern könne man sicher sein, dass alle geltenden Gesetze eingehalten würden. Warum ein Unternehmen wie Hygiene Austria mit den zum damaligen Zeitpunkt re- nommierten Eigentümern Lenzing und Palmers solch dubiosen Firmen engagiert hat, kann sich Zieger nicht erklären: Lenzing – das mittlerwei- le alle Anteile abgegeben hat – beauftrage sonst nur die besten Personaldienstleister, und Pal- mers habe vielleicht keine Erfahrung mit dem Metier gehabt (Zieger war vor der Zeit der jetzi- gen Eigentümers selbst Palmers-Geschäftsfüh-
Es ist eine Katastrophe, wie bei Hygiene Austria
gearbeitet wurde“
Martin Zieger
Der Sprecher der Personal- dienstleister sorgt sich um das Image der Branche
Fotos: Georg Wilke, Matt Observe,Lisi Specht
fügung stellen“. Häufig werde unter dem Kollek- tivvertrag bezahlt, im Fall Hygiene Austria auch ohne Angaben zu Urlaub, Krankenständen oder Kündigungsfristen. Oder Mitarbeiter würden geringfügig gemeldet oder als Teilzeitbeschäf- tigte geführt, aber viel mehr arbeiten. Zum Teil würden die Beschäftigten nicht zur Sozialversi- cherung angemeldet, weder Steuern noch Abga- ben beglichen. Und immer wieder werde das Gesetz auch mittels Werkverträgen umgangen.
Die Lücken ließen sich leicht beseitigen, erklärt Klein – das Kumulationsprinzip etwa durch die Einführung eines Milderungsrechts bei Formal- delikten. „Die Sozialpartner haben sich bereits auf so eine Milderungsrecht geeinigt, die Politik hat das bislang aber leider noch nicht umge- setzt“, so Klein, der zudem eine Generalunter- nehmerhaftung für Löhne, ähnlich der für Sozi- alversicherungsbeiträge, fordert.
„Ein perfides System“
Auch Thomas Grammelhofer von der Gewerk- schaft Pro GE sieht dringenden Handlungsbe- darf, kritisiert aber auch die Auftraggeber: „Ent- scheidend bei der Auswahl ist meist der Preis, aber keiner macht sich Gedanken, warum diese Firmen so billig sind.“ Wenn Anbieter über kei- nerlei Bonität verfügten, sollte eigentlich klar sein, dass da etwas nicht stimmt, so Grammel- hofer. Er ortet hinter den dubiosen Firmen oft
„mafiöse Strukturen“ , die „bis hin zur Schleppe- rei“ reichten. Da würde dann gezielt in entspre- chenden Teichen gefischt und Ausbeutung be- trieben. Wenn es Probleme gebe, würden diese Menschen von den Leiharbeitsfirmen auch noch unter Druck gesetzt, nicht mit den Behörden oder Interessenvertretungen zu kooperieren.
Grammelhofer: „Das ist ein perfides System, das mir nicht nur schlaflose Nächte beschert, son- dern mich auch ziemlich zornig macht.“
rer, Anm.). Zieger: „Das war ein schwerer Fehler, der allen schadet.“ Und auszubaden hätten sol- che Vorkommnisse letztlich alle Involvierten – inklusive der Mitarbeiter, die ja ihre Arbeit ge- macht hätten: „Das Gesetz sieht vor, dass bei Verstößen der Auftraggeber in die Pflicht zu nehmen ist.“
Handlungsbedarf beim Gesetzgeber
Bei Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaft, wo sich bereits mehr als 70 betroffene Hygiene-Aus- tria-Leiharbeiter gemeldet haben, sieht man diesbezüglich aber noch Nachschärfungsbedarf:
Im Konkursfall etwa greife das Gesetz nicht. Da komme das Insolvenzrecht zum Tragen und da- mit letztlich der Steuerzahler zum Handkuss.
Auch werde das Kumulationsprinzip, wonach verhängte Strafen mit der Anzahl der betroffe- nen Arbeitnehmer multipliziert würden, nach einem EUGH-Urteil aus dem Jahr 2017 derzeit nicht angewendet, kritisiert AK-Wien-Direktor Christoph Klein: „Der entsprechende Passus steht zwar noch im Gesetz, wird aber nicht exe- kutiert. Das gehört dringend repariert.“ Das sei der einzige Weg, um solchen Fällen Einhalt zu gebieten: Derzeit liege der Strafrahmen etwa bei Unterentlohnung zwischen 1.000 bis 10.000 Euro. Das würden die Auftraggeber „aus der Por- tokasse zahlen“. Spüren würden sie die Strafen nur, wenn sie entsprechend der betroffenen Ar- beitskräfte multipliziert würden, so Klein, der eine „bedenkliche Entwicklung“ ortet. „Dass sol- che illegalen Praktiken mittlerweile im Herzen der Industrie angekommen sind, ist neu und erschreckend. Es gilt, den Anfängen zu wehren“.
Das Prinzip, nach dem vorgegangen werde, sei immer dasselbe: Leiharbeitsfirmen würden immer wieder Subunternehmen beauftragen, bis zum Schluss „dubiose Firmen zum Zug kom- men, die dann die billigen Arbeitskräfte zur Ver-
Dass solche Praktiken mittlerweile im Herzen der Industrie angekommen sind, ist neu und erschreckend“
Christoph Klein
Der AK-Wien-Direktor sieht dringend Handlungsbedarf STEIN DES ANSTOSSES.
Beim Maskenproduzenten Hygiene Austria wurden mehrere dubiose Leihar- beitsfirmen beauftragt, um an billige Mitarbeiter zu kommen
Fotos: Georg Wilke, Matt Observe,Lisi Specht
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Fotos: Picturedesk/Ernst Weingartner(1)/Karl Schöndorfer(1)
KULTUR
S
o allmählich, dass es am Ende kaum noch wahrgenommen wur- de, hat sich das Missverständnis zum Selbstverständnis ausge- wachsen: dass ein Theater mitsamt seinem Inventar, dem unbeweglichen wie dem beweglichen, ins Eigentum des Direktors übergeht. Kommt daher ein neuer, bleibt vor, auf und hinter der Bühne kein Stein auf dem anderen. Maximal im Bereich der Technik zögert man noch: Die reizt man, auch abgesehen von ihrer sehr effizienten Gewerkschaft, besser nicht, denn die Tech- nik kennt verborgene Knöpfe, mit deren Hilfe man den Betrieb blitzschnell lahmle- gen kann. Die Künstler hingegen, meist nurim Besitz von Jahresverträgen, sind Ran- giermasse, austauschbar nach direktora- lem Gutdünken. Deshalb werden sie auch bei jedem Direktionswechsel mehrdut- zendfach auf die Straße geschickt. Im Burgtheater war das zuletzt der Fall, und zum schon zweiten Mal im Volkstheater.
13 von 60 bleiben
Und jetzt trifft es mit ungeahnter Wucht die Volksoper. Es werde keine Massenkündi- gungen geben, versicherte Kulturstaatsse- kretärin Mayer, als sie die im Herbst 2022 antretende Direktorin Lotte de Beer, 39, vor- stellte. Jetzt aber wurde, weil es Pande- mie-bedingt keine begutachtbaren Auffüh-
rungen gab, das Ensemble im Viertelstun- dentakt zum Vorsingen einberufen. Und das Resultat – zumindest wie es für News be- rechnet wurde – nahm sich hässlich aus:
Von 60 Ensemblemitgliedern bleiben 13 im Engagement.
Acht weitere sind unkündbar oder in Karenz.
33 müssen definitiv gehen.
Unter ihnen 13 der 15 Beschäftigten, die älter als 55 Jahre sind.
Von den anderen wisse man nichts.
Namhafte, bis in die Salzburger Festspiele renommierte Künstler fliegen da in demo- kratischer Eintracht mit Jungen, die sich gerade ihre Existenz aufbauen wollten.
In der Volksoper bleibt mit dem Direktionswechsel kein Stein auf dem anderen. Gernot Kranner ist einer der Gekündigten. Er selbst sei noch in guten Umständen, sagt der charismatische Vielkönner. Aber für die Jungen
fordert er einen Sozialplan. Der Bundestheater-Chef antwortet
Von Heinz Sichrovsky
ALLES NEU: die Volksoper, ab 2022 unter neuer Führung
„Man kann ja nicht
einmal kellnern“
Fotos: Picturedesk/Ernst Weingartner(1)/Karl Schöndorfer(1)
via Zoom Künstler, Politiker und Journalisten Wege aus der Krise su- chen. Und die Aktion „Kunstge- bung“ arbeitet an Szenarien im Frei- en, wenn die Gastgärten wieder öffnen. Man will durch die Schani- gärten ziehen und Kunst, die Schau- spiel, Gesang, Instrumentalmusik, Literatur, Karikatur sein kann, an die Menschen bringen. Zwei noch zu etablierende Bühnen in Wien sollen jungen Künstlern für Auftrit- te zur Verfügung stehen
„Davon“, sagt Gernot Krammer
„kann man nicht leben, aber die Seele muss wieder leben können.
Die Zuversicht, dass es wieder wei- tergeht, muss in die Herzen der Menschen.“
Kircher antwortet
Bundestheater-Chef Christian Kircher sieht die Verhältnisse an der Volksoper konträr. Ein Bekenntnis zu Zukunft des Hauses sei Lotte de Beers Bestellung. „Mit ihrem Willen, neue Impulse zu setzen und künstlerische Wege zu betreten, wird die Volksoper einen neuen Aufbruch erleben, den ich unterstützen und mittragen wer- de. Lotte de Beers Auftrag einer Neuaus- richtung für das Haus impliziert auch eine neue Struktur des Ensembles, mit einer anderen Balance zwischen Fixverträgen, Residenzverträgen und Gastverträgen.“
Nur 15 seien nicht verlängert worden, für die anderen habe man Gast- und Resi- denzverträge gezimmert. Das lässt Kran- ner freilich nicht gelten: Mit ein paar Abenden im Jahr könne man nicht überle- ben. Kircher zum Vorsingen: „Lotte de Beers Vorbereitung fällt mitten in die CO- VID19-Krise. Die Volksoper ist geschlossen.
Lotte de Beer konnte somit ihren ur- sprünglichen Plan, sich im Zeitraum Feb- ruar bis Mai 2021 alle Sängerinnen und Sänger in mindestens zwei Rollen anzuse- hen und sich somit mit dem Ensemble und dem Repertoire des Hauses vertraut zu machen, nicht umsetzen.“
Das Vorsingen sei ohne Alternative ge- wesen, auch, um jedem Zeit zur Neuorien- tierung zu geben. Der Betriebsrat sei ein- gebunden und das Programm des Vorsin- gens frei wählbar gewesen. Man habe auch die Möglichkeit eines zweiten Vorsingens geschaffen und neben Musikchef Meir Wellber auch „führende Mitarbeiter aus dem Künstlerischen Bereich der Volks- oper“ beigezogen.
Das nimmt sich immerhin aus, als wä- ren Reparaturen nicht ausgeschlossen.
Ich bin nicht sicher, ob ich tatsächlich eine Chance hatte oder nur an einer Alibi-Aktion teilgenommen habe“
Gernot Kranner
zum Vorsingen des Ensembles vor der neuen Direktion
Kranner spricht
Nun regt sich Widerstand, und einer erklärt sich bereit, mit Namen auf- zutreten: Gernot Kranner, 58, En- semblemitglied seit 2001, Schau- spieler, Charaktertenor, erfuhr in der vergangenen Woche, dass er mit Sommer 2022 arbeitslos sein wird.
Das Ensemble, sagt er, habe das Vorsingen nicht als Demütigung empfunden. Er selbst präsentierte sich mit der Rolle, die ihm einst die Auszeichnung zum besten deutsch- sprachigen Musical-Darsteller des Jahres brachte, dem Professor Ab- ronsius in „Tanz der Vampire“.
„Ich habe es wie alle als Chance gesehen, zu zeigen, was ich kann“, sagt er. „Ich bin nur nicht sicher, ob ich tatsächlich eine Chance hatte und nicht nur an einer Alibi-Aktion teilgenom- men habe. Hier sind erstklassige Men- schen an Bord“, bezieht er sich insbeson- dere auf die nicht leicht zu erfüllenden Anforderungen des Dreispartentheaters mit Opern-, Operetten- und Musi- cal-Repertoire. „Wir hatten also alle große Hoffnungen, dass wir wertgeschätzt wer- den. Ein paar Tage später kam ein persön- licher Termin bei Frau de Beer. Und da wurde mir mitgeteilt, dass man für mich keine Verwendung mehr hat. Ich möge mich um meine Abfertigung kümmern, hätte ohnehin noch ein Jahr und könnte mich in dieser Zeit um neue Engagements umsehen. Nur: An welchem Haus soll ich mich melden?“, kommt Kranner auf die nie gekannte Situation der Existenzvernich- tung in der Pandemie. „Es gibt im Augen- blick keine Vorsingen, nicht einmal bei Agenten, also keinerlei Möglichkeit, ein Engagement zu bekommen. Ich bin dann Sechzig, offenbar soll ich aus der Arbeits- losigkeit in die Pension gehen. Aber viele Kollegen, die diese Option nicht haben, stehen vor dem Nichts.“
Existenzverlust durch Corona
Aus der Kurzarbeit das Engagement zu verlieren, bedeute für viele das Ende der Karriere. Und wo man denn ein neues Ope- retten-Ensemble zu finden gedenke? „Die- ses urösterreichische Genre ist gerade in dieser Zeit der allgemeinen Depression und Kulturgleichmacherei für unsere Identität sehr wichtig.“ Ob man den ir- gendwann doch wiederkehrenden Touris- ten denn tatsächlich drei Wiener Opern- häuser anbieten und dafür das vielleicht letzte große Operettenhaus auflösen wol- le?
Sozialplan gefordert
Es gehe ihm nicht um ihn selbst, sagt er. Er betreibt eine Musical-Akademie in Fohns- dorf, hat zehn Kinderstücke geschrieben, inszeniert und gastiert. „Aber die Jungen sind verzweifelt. Es trifft sie furchtbar, mitten im Aufbau, manche haben kleine Kinder und fallen ins Nichts. Und was sind denn die Alternativen? Man kann ja nicht einmal kellnern gehen.“
Deshalb sei der Bund als Arbeitgeber zum Eingreifen aufgefordert. Wenigstens einen Sozialplan für die ein, zwei Jahre der Pandemie müsse man erwarten können.
Habe denn nicht die Staatssekretärin Mas- senkündigungen ausgeschlossen? „Oder Frau de Beer gibt auf Grund der Situation eine Übergangsfrist, bis man wenigstens wieder eine Chance hat, sich anderswo zu bewerben.“
„Kunstgebung“
Die Volksoper stehe dabei symptomatisch, exemplarisch für noch Größeres, die in ih- ren Fundamenten ächzende Kulturnation.
Deshalb hat Kranner mit dem Autorenver- treter Gerhard Ruiss den „Dialog der Krea- tivität“ gegründet, eine Plattform, auf der