Von Eugen Ludwig Rapp, Mainz
Von Lord Beaconsfield, alias Benjamin Disraeli, einem der ganz großen
Staatsmänner des letzten Jahrhunderts, stammt eine steigernde Klassifi¬
zierung der Lügen. Es sind 1. gewöhnliche Lügen (common lies), 2. ver¬
dammte Lügen (damned lies) und 3. als Höhepunkt ,, statistics".
Nun ist heute das Material von Statistiken meist gut und zuverlässig;
zur Lüge können sie lediglich durch die Art der Auswertung werden. Vor
Ihnen liegt eine Statistik von etwa dreieinhalb Seiten. Sie können unbesorgt
sein, ich werde sie nicht vorlesen, sondern nur vor ihr warnen. Sie besteht
wahrscheinlich aus lauter falschen Zahlen. Sollte eine von ihnen richtig
sein, dann ist das reiner Zufall oder ein großes Wunder. - Mein großes
Problem ist nicht, wie könnte man gute oder gar richtige Zahlen bekom¬
men, - ich wäre nämlich schon mit besseren zufrieden.
Die halbe Seite aus der WESTBRMANN-Festschrtft (1955), die Ihnen
vorliegt, war damals nur als Seitenfüller gedacht. Immerhin konnte man
daraus schon ersehen, daß die 33 ersten von insgesamt 203 Sprachen,
21 Bantusprachen, 10 Sudansprachen, eine tschadohamitische (afroasiati¬
sche) und eine nilotische waren. Interessant waren auch die damals noch
bestehenden Kolonialgebiete: An der Spitze mit 22 Sprachen steht briti¬
sches Gebiet, wo cs zwar keine gründliche Förderung afrikanischer Sprachen
gab, aber eine doch vielfach recht wohlwollende Duldung. Dann folgt das
belgische Gebiet, wo man recht vernacular-freundlich war, mit 5 Sprachen.
Interritorialc Sprachen brachten es ebenfalls auf 5 und das portugiesische Gebiet ergab eine einzige. Es fehlten völlig Veröffentlichungen in afrikani¬
schen Sprachen auf französischem Gebiet. Auch in der neueren Übersicht
spielen bis heute die francophonen Länder eine recht geringe Rolle. (Vgl.
Übersicht A.)
Die verdienstvolle ,, Bibliographie der Kwa-Sprachen" (1955) von Ur¬
sula Hinze bietet für diese Gruppe Westafrikas insgesamt 1079 Arbeiten ;
sie schließt aber dabei auch die gesamte wissenschaftliche Literatur über
diese Gruppe ein. Schon meine Nachträge zu drei dieser Kwa-Sprachen
lassen die Zahl der Schriften in afrikanischen Sprachen deutlich anwachsen.
Früher konnte man gegen diese Gattung von Literatur die Einwendung
machen, es handle sich fast durchweg um Missions- und Kirchenliteratur.
Heute gilt der Einwand, es handle sich auch in Naturkunde lediglich um
Übersetzungen und ,, vereinfachte" Publikationen von Nicht-Afrikanern.
(Cf. die schönen Hausa-Schulbücher.) Dazu wird dieses gesamte Schrifttum oft heftig kritisiert, die Sprache sei schlecht. Meist sind es Nicht-Afrikaner,
die einen solchen Text in einer Sprache mit sehr komplizierter Laut- und
Tonstruktur ohne jede Sachkenntnis, also fast hundertprozentig falsch
einem Afrikaner vorlesen und dann freudestrahlend feststellen: ,,Der hat
kein Wort verstanden."
Im Duala gab es im letzten Jahrhundert eine Bibelübersetzung, die un¬
verständlich war ; das kam von ihrer Entstehungsart. Als nun die treffliche
Ausgabe von Schtjlee erschienen war, klagten die afrikanischen Mitarbei¬
ter: ,,Wenn die einer liest oder vorliest, verstehen es alle Leute gleich von
selbst. Was sollen wir jetzt tun, wo man unsere Hilfe mit englischen oder
deutschen Ausgaben nicht mehr braucht?"
Dieser alten Fehlleistung gegenüber stehen Übersetzer, die alle auch
wirkliche Sprachforscher waren : Jacob Friedbich Schön für Hausa, Nupe,
Ibo u.a., dessen Werk ,, Magana Hausa" 1885 erschien und 1970 neu ge¬
druckt wurde, S. W. Kölle für Vey, mit seiner Polyglotta Africana, die
ebenfalls jetzt wieder neu erschien, J. G. Christaller mit seinen zahl¬
reichen Arbeiten, die die Wissenschaft der Sudansprachforschung überhaupt
erst begründeten, J. L. Krapf, dessen erstes Swahili-Wörterbuch auch in
den letzten Jahren wieder neu aufgelegt wurde, Diedrich Westermann,
den ich trotz vieler noch Lebenden immer noch als den Größten nenne, mit
seinem umfassenden Lebenswerk, Carl Meinhof, ohne den man sich die
Bantuistik wohl kaum vorstellen könnte, J. Ittmann, den Erforscher der
Nordwestbantusprachen, Bleek mit seinen und später auch seiner Tochter
Buschmannsprachforschungen, K. Roehl, die Schweden Laman, Efraim
Andersson und sehr viele andere.
Von den Lebenden möchte ich aus für mich aktuellem Anlaß von vielen
nur einen Namen nennen: Pater G. Hulstaert am Kongo, dessen über¬
reiches Lebenswerk uns Sprache und Volk der Mongo-Nkundu in einer
Weise erschlossen hat, daß es wohl in ganz Afrika keine Parallele dazu gibt.
Nun geht es uns hier um afrikanische Literatur für Afrikaner in ihren
eigenen Sprachen und auch um das Problem der Zweisprachigkeit. Es geht
also nicht um die Werke Chinua Achebe's oder A. Tutuola's, um nur
zwei der zahllosen Namen zu ennnen.
Und da stehen wir gleich vor der schwierigsten Frage: Warum sollen
Menschen ihre eigenen Sprachen lesen und schreiben lernen, wenn man
ihnen hernach nichts zum Lesen geben kann ? Man sagte bisher oft ironisch
nicht ohne Grund: Es erscheint eine kleine Fibel, wenn's hoch kommt ein
Elvangelium und ein Hygienetraktat von wenigen Seiten. Beim ausge¬
zeichneten Gedächtnis der Afrikaner können sie die Texte bald auswen¬
dig. - Ich fürchte unter dieses Verdikt fallen mehr als zwei Drittel der 313
in meiner Übersicht genannten Sprachen. (Vgl. Übersicht B.) Ich möchte
aber ganz privat nach wie vor feststellen, daß der Schritt aus dem Analpha¬
betentum in die Welt des Lesenkönnens eben doch wohl in der Mutter¬
sprache der Kinder und Erwachsenen getan werden sollte.
Bin ich damit also ein hoffnungsloser Romantiker mit einigen weh¬
mütigen Erinnerungen an die ,,gute alte Zeit"? - Ich glaube nicht.
Auf einer Konferenz in Tamale, wo die Schreibung für einige nord-
ghanäische Sprachen festgelegt werden sollte, hatte ich als besonders auf¬
merksamen Zuhörer einen Hausa-Mann. Als ich ihn in der Diskussion auf¬
forderte, sich auch zu äußern, erzählte er uns todernst die nur zu bekannte
Hausa-Fabel vom Frosch und der Schlange. Jeder, der sich je mit Hausa
beschäftigt hat, kennt sie :
,,Der Frosch saß aufmerksam am Weg. Da trottete ganz langsam ein
sehr schönes Pferd an ihm vorüber. Auf dem Pferd hing faul und verschlafen
eine Riesenschlange. Der Frosch rief der Schlange voller Entrüstung zu:
,,So reitet man nicht!" Die Schlange wäre beinahe ganz erwacht und fragte träge zurück: ,,Und wie reitet man?" Der Frosch: ,, Steige einmal ab!" Die
Schlange ließ sich langsam herabgleiten. Der Frosch sprang in den Sattel,
richtete sich steil auf und ritt in sämtlichen Gangarten auf und ab. Nach
einem herrlichen Galopp stoppte er mit einem jähen Ruck das Pferd und
verkündete stolz: ,,So reitet man!" Die Schlange sagte: ,,So, steig jetzt wieder ab ! Du kannst reiten, aber du hast kein Pferd. Ich kann nicht reiten,
aber ich habe ein Pferd. SÄmü yä fi fyäwä, häwan dökin mäcijf. Haben ist
besser als Können."
Es geht darum, nur wirklich lebensfähige Sprachen zu fördern, auch
wenn es vorläufig noch Stammessprachen sind. Die Sprache von Turohw6
im isoliertesten Gebiet Inner-Ghanas, die von etwa 90 Menschen gesprochen
wird, kommt also kaum in Frage. Aber nun ein Beispiel für rechte afrikani¬
sche Zweisprachigkeit : Das (schon nach Cheistallbe) wohl intelhgenteste
Volk Westafrikas, die Guang-Stämme, lernen als erste Schulsprache Twi,
aber erstens können es alle und zweitens ist es eben bei aller Verschieden¬
heit doch Fleisch von ihrem Fleisch und Blut von ihrem Blut.
Unsere Tätigkeit für die ,, Vernaculars" und unser Einsatz zusammen
mit C. A. Akeofi für wirkhche Twi-Literatur, hat uns zwei Vorwürfe ein¬
getragen: Einige Briten der Kolonialzeit meinten: Die sind gegen Englisch.
Und der Kultusminister Kwame Nkrumah's K. M. Nylander, der in Ghana
ein Zugereister war, hat mir einmal die unverdiente große Ehre angetan,
mich als ,, einen Staatsfeind Ghanas erster Klasse" zu bezeichnen, da ich
ein Förderer des ,,Tribahsm" sei. Er meinte: Wenn ich, Nylander, mich in
Accra mit meinen Freunden mühelos auf Englisch unterhalten kann, dann
ist das in etwa 10 Jahren für ganz Ghana auch möghch.
Natürlich bin ich nicht gegen den Betrieb europäischer Sprachen in
Afrika. Sie sind zur Zeit ein unentbehrliches Werkzeug und die Brücke zur
Welt. Werkzeuge benutzt man - so geschickt wie möglich - und von Brücken
soll man Gebrauch machen, aber man soll sie nicht anbeten und verehren
und keinen Selbstzweck darin sehen.
Man denke, in Westafrika würde ein großes mathematisches Genie ge¬
boren, aber in einem Dörfchen mit einfachster Schulart und einem Lehrer
mit ausgesprochen schlechter Aussprache. Trotz gegenteiliger Behauptung¬
gen meiner afrikanischen Freunde, stelle ich fest: Dieses Kind oder junge
Mann wird sich mit seiner schlechten Aussprache der Fremdsprache nie
dm-chsetzen gegenüber einem mittelmäßig begabten, das zu Hause und
vom Kindergarten bis zum Degree nur die Fremdsprache gehört hat, auch
von Lehrern des betreffenden Volkes. (Leider habe ich die Geschichte eben
nicht erfunden, sondern sie traurigerweise erlebt.)
Die direkte Methode läßt sich mit all ihren Vorteilen nicht mehr weg¬
denken, auch bei uns nicht, aber zahllose afrikanische Übersetzerwitze, die
großenteils Tatsachen berichten, zeugen von den anderen Segnungen dieser
Methode.
Nehmen wir nun einmal als Beispiele für die Zweisprachigkeit einige
Prominente Ghanas, bei denen außer Englisch auch die Muttersprache ge¬
pflegt worden war, die also einige Jahre ihrer Schulzeit ,, vertrödelt" haben
mit irrelevanten Muttersprachen. Es sind : Dr. C. A. Akrofi, der erste afri¬
kanische Ehrendoktor einer deutschen Universität, der nie sein Land ver¬
lassen hat, Efeaim Amu, der Musiker, Professor Dr. BusiA, der letzte
Präsident Ghanas, dessen Werke trotz seiner Absetzung immer noch gut
sind, Dr. J. B. Danquah, der Oppositionsführer Ghanas, der in einem
Konzentrationslager Nkrumah's starb, dessen Bücher von bleibender Be¬
deutung sind, M. F. Dei-Anang, der Lyriker, dessen Twi-Gedichte tiefer
sind als seine enghschen, und so könnte man noch lange weiter aufzählen.
Sie alle schreiben übrigens ein ausgezeichnetes Englisch. Die, die vom
Kindergarten bis zum University Degree von Briten und nur auf Englisch
unterrichtet wurden, sind besser daran, ihre englische Aussprache ist
vielleicht noch besser, nur kennt man ihre Namen nicht.
Eine Art von Zweisprachigkeit wäre freilich eine soziale Katastrophe:
Ein westafrikanischer Erziehungsminister wollte für die Elite seines Landes
nur bestes Französisch, für die Unterschicht wollte er Pidgin Enghsh, die
wohl fürchterlichste Kommunikationsart, die ich mir vorstellen kann,
keine Sprache, sondern eine Zumutung. Die vorhandene Literatur ist
fürchterlich, nicht nur vom Standard English her gesehen.
Bei uns ist die Frage der Zweisprachigkeit ersetzt durch die Dialekt¬
frage. Der nur schwäbisch redende Schiller, der Frankfurter Goethe und
fast alle andern Großen dürfte es bei uns nicht geben ; alle Klassiker müßten aus der einen Stadt mit dem ,, besten" Deutsch stammen.
Wir haben in Afrika doch auch erfreuhche Erscheinungen an genuin
afrikanischer Literatur. Hier nur wenige Beispiele, die charakteristisch
sind: Mein alter Freund J. J. Adaye schuf schon 1913 wohl das erste Buch,
das ganz afrikanisch ist. Sein Roman ,,Bere adu", deutsch etwa ,,Die Zeit ist herangenaht" oder etwas richtiger, ,,Der Kairös ist da!" wurde von einem Afrikaner in einer afrikanischen Sprache geschrieben, von Afrikanern
gesetzt, gedruckt, gebunden und verkauft. Da es eine viel gesuchte Rarität
war, ist es in den letzten Jahren schon zweimal wieder aufgelegt worden.
Als zweiten nenne ich Tomas Mofolo mit seinem historischen Roman
Chaka. Dieser Roman, der den Feind seines eigenen Volkes feiert, ist zuerst
auf Englisch, dann in einigen weiteren Sprachen und in den letzten Jahren
wieder in einige andere übersetzt worden. Nur in einer Sprache ist er erst
Jahre später ganz gedruckt worden, nämlich in der, in der er verfaßt
wurde, dem Suto. Mofolo sprach Afrikaans, Englisch und einige andere
Bantu-Sprachen sehr gut, aber sein opus magnum konnte in keiner anderen
geschrieben werden. Dies unterstreicht meine These: Jeder Afrikaner sollte
in seiner Muttersprache schreiben können, denn wir haben keine Garantie
dafür, daß die kommenden Klassiker und die künftigen Denker nach un¬
serem Wunsch in einer ,, großen" Sprache oder noch bequemer in einer
europäischen denken.
Der dritte Mann meiner Wahl ist Shaaban Robert, der Swahili-Autor
Tansanias. Wer die entweder kindüch primitive oder steife überspannte
Swahili-Literatur nach arabischem Vorbild kennt oder das vereinfachende
lingua franca-Schrifttum und dann die Verse oder Prosa Shaaban Ro¬
berts liest, merkt, was man in einfacher nicht überzüchteter Kunstform
und auch nicht in künstlich primitivisierter Alltagsmünze der Verkehrs¬
sprache mit reinen und guten Mitteln einer Sprache schaffen kann. (Cf.
Lyndon Harries, Swahili Poetry, 1962)
Dazu hier noch einmal meine immer wiederholte Bitte: Man sammle
rasch das noch vorhandene genuin afrikanische Geistesgut, Sprichwörter,
Mythen, Epen und Geschichten, kurz alles, was noch lebt. Ein Beispiel für
die Notwendigkeit der Eile : Zwei meiner Guang-Sprichwörter werden wohl
nie mehr erklärt werden können, denn beide Tradenten sind tot, die Leben¬
den haben wichtigeres zu tun und wissen meist auch nichts mehr von ihrer
Vergangenheit und dem geistigen Erbe ihrer Väter.
Meine beiden Hauptquellen für die kleine Übersicht, die Ihnen vorhegt,
sind beide versiegt: Die , .Books for Africa" ging unverständhcherweise
ein, die Hauptzeitschrift ..Africa" bringt keine Bibliographie mehr und ein
gleichwertiger Ersatz ist noch nicht da. Vom Ersatz für diese Quellen, den
..Africana Library Journal" habe ich sechs schöne große Hefte durchsucht.
In einem Heft fand ich drei Publikationen erwähnt, einmal Hausa. einmal
Ful. einmal Yoruba und eine Geschäftsanzeige für einmal Swahili. Die
übrigen 5 Hefte bieten nichts. (So pessimistisch bin sogar ich nicht, an so wenig zu glauben.)
Mein Vorschlag heute ist: Man schaffe bald eine zentrale Sammelstelle,
die alles erreichbare erfaßt und katalogisiert. Vielleicht geht die Übersichts¬
möglichkeit schon in naher Zukunft verloren, nicht wegen der Masse, son¬
dern wegen des immer geringer werdenden Interesses.
Zum Schluß denken wir einmal an einen Goten namens Ulfilas, der im
vierten Jahrhundert die Bibel ins Gotische übersetzt hat, oder an das
bayerische Kloster Wessobrunn, in dem im 9. Jahrhundert ein Klosterschü¬
ler statt brav lateinische Klassiker abzuschreiben, einen wertvollen Perga¬
mentfetzen, der zur Reparatur alter Bücher bereit lag, mit einigen Zeilen
eines heidnischen Gebets in seiner Muttersprache verschmiert hat, das
berühmte ,, Wessobrunner Gebet", über das es eine ganze Literatur gibt.
Der Traum aller Germarusten : Der Junge hätte einen lateinischen Klassiker
weniger abgeschrieben und uns dafür mehr von seiner ,,unerhebhchen"
Muttersprache geschenkt. Zu Beginn unserer Neuzeit haben wendische
Patres und Pfarrer Katechismen und ähnhche Schriften aus dem Lateini¬
schen und Deutschen in ihre Muttersprache, das Wendische übersetzt.
Eine Parallele für den ,, weißen Mann", der sich für eine afrikanische
Fremdsprache interessiert, gibt es schon im Altertum. Es ist der Römer
Piautus, der uns in seiner Komödie „Poenulus" den einzigen Text der
phönizisch-punischen Sprache schenkte, der über Vokale verfügt.
Nun noch etwas beruhigendes für die heutigen Kritiker der Vernaeular
Literature : Ulfilas schrieb besser griechisch, der junge Bayer in Wessobrunn
besser lateinisch und jene wendischen Theologen besser Latein und Deutsch
als ihre Muttersprache.
Muttersprachen schaffen Texte wie den uralten Hymnus der Asant6 an
den Flußgott Tanno, der uns immer wieder bewegt :
„Der Strom kreuzt den Weg,
Und der Weg kreuzt wieder den Strom.
Wer von beiden ist der ältere ?
Hieben wir nicht den Weg,
um diesem Strom zu begegnen ?
Der Strom fand seinen Ursprung lang, lang zuvor.
Der Strom hat seinen Ursprung im Schöpfer.
Er ist es, der Wesen erschuf, Heiliger, heiliger Tanno.
Asüo atwäre kwan,
Okwän atwäre asiio yi ;
Opanyin ne hwane ?
Yebö6 kwän kotoö asüo yi ?
Asüo yi firi tete, Asüo yi firi Od6ma(n)l{oma.
Obdo adee.
Könkon Tanno, Berefla Tanno, Wökoö baabi ä, brä!
Na yehwe wö kwan.
ANHANG
Übersicht A.
Aus: Afrikanistische Studien. Herausgegeben von J. Lukas. Berlin 1955.
(Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Institut für Orientfor¬
schung. Veröffentlichung Nr. 26. E. L. Rapp, Zur Ausbreitung einer west¬
afrikanischen Stammessprache (Das Twi). S. 220-230.
Zahl der Veröffentlichungen in afrikanischen Sprachen
von 1930-1950
(Nach der Bibliographie in ,, Africa")
1930-39 1940-50 Su. 1930-39 1940-50 Su.
1. Swahdi (B) 120 141 261 18. Bangala (B) 10 11 21
2. Akan-Twi (S) 44 67 III 19. Chuana (B) 6 13 19
3. Nyanja (B) 37 36 73 20. Bulu (B) 11 6 17
4. Sotho (B) 39 31 70 21. Ga (S) 7 10 17
5. Xhosa (B) 54 16 70 22. Thonga (B) 7 9 16
6. Hausa (CH) 19 46 65 23. Pedi (B) 1 14 15
7. Mende (S) 3 57 60 24. Shona (B) 9 6 15
8. Zulu (B) 29 26 55 25. Tswa (B) 5 10 15
9. Kongo (B) 17 25 42 26. Zaude (S) 11 4 15
10. Yoruba (S) 2 39 41 27. Munchi (S) 5 9 14
11. Ewe (S) 17 21 38 28. Tumbuka (B) 11 3 14
12. Ganda (B) 30 7 37 29. Kele (B) 11 1 12
13. Bemba (B) 14 19 33 30. Monge (B) 8 4 12
14. Efik (S) 5 27 32 31. Lmgala (B) — 11 11
15. Igbo (S) 14 17 31 32. Ngbandi (S) 9 2 11
16. Ngwana (B) 4 19 23 33. Luo (N) 1 9 10
17. Kikuyu (B) 5 17 22
21 Britisches Gebiet 22
Sudansprachen (S) . . 10 Belgisches Gebiet 6
Chado-Hamitische Sprachen (CH) 1 Portugiesisches Gebiet . 1
Nilotische Sprachen (N) 1 Interterritorial 5
Die übrigen 170 afrikanischen Sprachen, in denen Literatur erschien, hatten in diesen zwanzig Jahren weniger als zehn Veröffentlichungen.
Übersicht B.
Zahl der Veröffentlichimgen in afrikanischen Sprachen von 1930-1960 (Nach
den Bibliographien in 1. „Africa", 2. „Books for Africa" (beide London) und 3.
persönlichen Informationen)
1930-1939: 1940-1950: 1953-1955: 1957-1960: Summa:
1. Swahili 120 141 96 108 521
2. Akan 44 67 42 26 179
3. Yoruba 2 39 31 56 148
4. Nyanja 37 36 16 48 137
5. Xhosa 54 16 23 40 133
6. Sotho 39 31 13 36 119
7. Zulu 29 26 14 50 119
8. Mende 3 57 14 40 114
9. Bemba 14 19 18 52 103
10. Hausa 19 46 3 22 90
11. Shona 9 6 22 42 79
12. Ganda 31 7 17 21 76
13. Ewe 17 21 26 4 68
14. Kongo 17 26 3 14 59
15. Kuyu 6 17 10 22 54
16. Ibo 14 17 3 13 47
17. Luo 1 9 15 21 46
18. Mongo-Nkundu 13 4 8 21 46
19. Efik 5 27 - 6 38
20. Tswana 6 13 2 15 38
21. Tsonga 7 9 - 21 37
22. Ga 7 10 12 6 35
23. Mbundu - 1 - 33 34
24. Lingala - 11 8 14 33
25. Ndonga 8 - - 25 33
26. Zande 11 4 11 7 33
27. Luba 7 1 2 16 32
28. Bulu 11 6 - 14 31
29. Tonga 3 2 8 18 31
30. Tumbuka 11 3 8 9 31
31. Tiv-Munchi 5 9 - 17 31
32. Lozi-Kololo 1 6 8 15 30
33. Bangala 10 11 1 6 28
34. Temne 2 2 7 13 24
35. Tswa 5 10 5 1 21
36. Chokwe 1 2 - 17 20
37. Kwanyama 2 2 - 15 19
38. Moru 4 - 11 3 18
39. Pedi 1 14 - 2 17
40. Kamba - 4 3 10 17
41. Kele 11 1 - 3 15
42. Hanga-Luyia 1 6 3 6 15
43. Nyoro-Tooro 2 1 1 11 15
1930-1939: 1940-1950: 1953-1955: 1957-1960: Summe
44. Dinka 4 3 4 3 14
45. Bari-Kakua 5 3 3 3 14
46. Gbaya 3 - - 11 14
47. Tabele - 1 - 13 14
48. Loma - - 12 1 13
49. Ngbandi 9 2 1 1 13
50. Teso 3 2 - 8 13
5L Lamba 2 3 1 6 12
52. Lunda 2 3 2 6 12
53. Nama 1 - 2 9 12
54. Duala 4 - 4 3 11
55. Lenje-Mukuni 6 - 4 1 11
56. Ruanda 6 1 1 4 11
57. Rundi 1 - 4 6 11
58. Meru 3 - 3 4 10
59. Gang-Acholi 4 4 - 1 9
60. Herero - 1 I 7 9
61. Mungaka-Bali 6 1 - 1 9
62. Nuba 7 1 1 - 9
63. Sango 2 - 2 5 9
64. Venda 2 - - 7 9
65-70 8 in: Bena, Dagbane, Karanga, Kono, Lala, Shilluk-Shulla
71 7 in: Vai
72-78 6 in: Basa-Kamerun, Fulani, Guro, Luohazi, Lugbara, Ndau, Sham-
bala
79-93 5 in: Bambara, Gio, Giryama, Gogo, Igala, Ila, Kalenjin, Kpelle,
Krobo-Adangme, Mano, Namwanga, Ngbaka, Ngombe, Nzema,
Tetela
94-115 4 in: Ajukru, Alur-Ddu, Bassa-Liberia, Baule, Bura, Diola, Gonja,
Haya, Kanuri, Kasem, Kipsigis, Luvale, Lwena, Mampruse, Nän¬
di, Nanjere, Nkoya, Nuer, Ogoni, Sanga, Taita Ateso
116-144 3 in: Ateso (?), Bamileke, Bamun,Bini, Bira, Chaga, Ebrie, Gola, Gu-
renne, Gurma, Idoma, Ilyamba, Karama(o)jong, Kisii-Gusii, Ku-
ranko, Loga, Letha, Lulagoli, Maasai, Mambwe-Mbum, Ngambai,
Ngando, Ngonde, Runyankore, Safwa, Sara, Uruund (?), Yao
145-186 2 in: Biza, Borau, Chinsenga, Chopi, Dagaare, Dida, Dyerma, Edo
Galla, Grebo, Guerzö, Habbe-Dogon, Isoko, Jita, Kalanga, Kitu
ba, Kusal, Kwangali, Lelemi, Limba, Lomwe, Mandinka-Man
dingo, Masana, Mashi, Mbai, MaisUa, Mbandza, Mbunda, Mosi
Mundang, Ntomba, Nupe, Nyamwezi, Nyanyeka, Nyarunda, Po
po, Rimi, Ronga, Sura, Tangale, Tsamba, Yakuba, Zanaki
187-313 1 in: Agatu, Ahanta, Aladian, Aluru, Atehe, Avikam, Bachama,
Bandi, Bangi-Bobangi, Banu, Bariba, Bassa-Nigeria, Bembe,
Benga, Bengole, Bijago, Bisa, Bobo-Rouge, Bogangi, Bua-Libua,
Buli, Bungili, Chawi, Chazi, Chewa, Chin-Khumi, Dakkarkari,
Didinga, Eggon, Elomwe, Esan, Fang, Fuliro, Ganawuri, Gbari,
Gofa, Gu, Gudeilla, Hangaza, Holo, Hunde, Ijo, Ikota, Imbi,
louo, Iramba, Iraqw, Iregwe, Jarawa, Kabba-Laka, Kabrais-
Losso, Kakwa, Kamberri, Kanakura, Karre, Kibudu, Kilega,
Kim, Kimbala, Kisikuma, Kiyaka, Kiyanzi, Koelle, Krongo,
Kuba, Kuria, Kwese, Lange, Lendu-Batha, Likpe, Lingombe,
Lolobi, Luimbi, Lumbu, Maban, Madi, Makua, Malinke, Mamvu,
Manda, Margi, Matakam, Motu, Musgum, Nagandu, Ndandi,
Nembe-Brass, Ngangela, Niramba, Nkole-Kigezi, Nkunya, Nkutu,
Nsenga, Nyakusa, Nyimang, Okela, Otetela-Kongo, Ovambo,
Pana, Pende, Pere, Putu, Ragoli, Remi, Rukuba, Saho, Sakata,
Salampasu, Shamba, Shanga, Shengere, Sidamo, Sobo-Urhobo,
Sokuma, Somali, Suk, Susu, Tera, Tharaka, Uukuambi, Walamo,
Wongo, Xitswa, Yaka, Yombe, Zezuru, Zinzam.
SUBSTRAT- UND ADSTRATWIRKUNG
Von Inge Rommel, Tübingen
Vielleicht lassen sich auch ohne Sprachatlas einige Ergänzungen aus
sprachgeographischer und soziohnguistischer Sicht zum Thema der Sub¬
strat- und Adstratwirkimg im Amharisehen geben, also zur Agauisierung
bzw. Einwirkung anderer kuschitischer Sprachen in einem Gebiet, das teil¬
weise schon jahrhundertelang recht drastische Wandlimgen durchgemacht
hat.
Eine Auswirkung des Agau-Substrats ist der Übergang z.B. von Prä¬
positionen zu Postpositionen. Die Relationen, die in semitischen Sprachen
mit Präpositionen wiedergegeben werden, werden in den Agau-Sprachen
bekannthch durch Postpositionen, in Form von Suffixen, dargestellt*.
Sobald nun - zura Zweck der adverbialen Verwendung - einsilbige Präpo¬
sitionen wie ,,ba" und ,,ka" durch andere Wörter wie ,,lay" oder ,,gärä"
ergänzt werden, wobei die letzteren mit einem vorausgehenden Substantiv
eine adverbielle Bestimmung ergeben, wird von vielen Sprechern die ur¬
sprüngliche Präposition ,,ba" oder ,,ka" weggelassen: So bedeutet z.B.
,,lay" heute ,,über, oberhalb, gegen". Mit einem Personalsuffix kombiniert ergibt sich die Form ,,balayeh" etc. = oberhalb von dir, über dir, etc.; mit
einem Substantiv jedoch z.B. ,,ba byet lay" = auf dem Haus, oberhalb des
Hauses, während mit Hilfe der Präposition ,,ka" vor allem die Bedeutungs¬
nuance „von . . . her" zum Ausdruck gebracht wird („ka . . . lay" = von
oben). Mit Hilfe von Ortsnamen + lay läßt sich jedoch auch noch eine
andere Bedeutungsnuance ausdrücken: ,,ba Gondar lay" heißt ,,auf dem
Wege über Gondar". Statt dessen findet man nun aber oft einfach ,, Gondar lay", und es bleibt aus dem Kontext zu ersehen, welche Bedeutungsnuance in Frage kommt.
' E. L. Rapp, Mainz, mit dem ich die Frage kurz durchsprach, meinte, alle
Postpositionen seien wie etwa in den Kwa-Sprachen wirkliche Nomina und
nicht nur von solchen abgeleitete Elemente, z.B.
wö op6i\ no sö = ,, seiend Tisches des Oberseite" = auf dem Tisch
wö opörL nö äs6 = ,, seiend Tisches des Unterseite" = unter dem Tisch wö opörL nö qkyJrt = ,, seiend Tisches des Seite" = bei dem Tisch
wö odär)^ nö mü = ,, seiend Raumes des Innenseite" = im Haus
Amharisch ba kätämä wust = ,,in der Stadt" ist im Akan wö ömäi\ nö mü =
,, seiend Stadt der Innenseite" (amharisch ,,wust" entspricht schließlich dem arabisehen Nomen (f.) wasat ,, Mitte").