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Sartory: Der heilige Nikolaus - Die Wahrheit der Legende

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FACHGRUPPE 4:

CHRISTLICHER ORIENT UND BYZANZ

Leitiing: Stephen Gero, Tübingen

EINE LEGENDE ZUM KONFESSIONELLEN

SELBSTVERSTÄNDNIS DER NESTORIANER

Von Martin Tamcke, Göttingen

Legenden sind keine Biographien, wirkliche Geschichte gerät eher bei¬

läufig in ihren Blick, obwohl sie sich an konkreten Personen festmachen'.

Die Konkretheit dieser Personen in ihrer historischen Dimension jedoch

tritt hinter das typische und zentrale Thema zurück: der Auserwähltheit

eines Menschen zum Werkzeug Gottes, dessen Wunderwirksamkeit seinen

himmlischen Rang offenbar machte „Was vom irdischen Leben eines Heili¬

gen bleibt, was allein von Bedeutung ist, sind die Spuren des geistigen

Weges, den er durchlief, um zur Heiligkeit aufzusteigen."'. Auch die ostsy-

risch-nestorianische Tradition kennt solche Legenden, deren Erforschung

freilich noch weithin aussteht". Wenn im folgenden eine solche Legende

kurz betrachtet werden soll, so wird also neben der Frage nach der konkre¬

ten historischen Person die Erweiterung des Themas zum geistigen Weg

des Heiligen durch den Hagiographen besonders zu beachten sein.

Zuvor aber einige Bemerkungen zu Überlieferung und Inhalt der

Legende.

Der maronitische Gelehrte Joseph Simon Assemani teilte in seinem

1728 erschienenen Band 3, 2 der „Bibliotheca Orientalis Clementino-Vati-

cam"zum Katholikos-Patriarchen Sabriäö' I. (596-604) mit: „Scripsit His¬

toriam Ecclesiasticam"^ . Diese Bemerkung nahm Ignatius Guidi 1886

' Vgl. G. u. T. Sartory: Der heilige Nikolaus - Die Wahrheit der Legende. Frei¬

burg 1981, S. 26-28, 35f. Unter dem Gesichtspunkt der Verdunkelung von

Geschichte beschreibt Rühle die Darstellung der Heiligenlegende als lediglich

„phantasiegeboren", 0. Rühle: Art.: Hagiographie. In: RGG^ 3. Bd., S. 26-28.

^ G. u. T. Sartory: Legende (s. Anm. 1), S. 35.

' G. u. T. Sartory: Legende (s. Anm. 1), S. 38.

" Dis bisherigen Arbeiten beschäftigen sich zumeist mit den Legenden des 3. bis 5. Jahrhunderts. Stellvertretend sei genannt: P. Devos: Notes d'hagiographieperse.

In: AnBoll 84 (1966), S. 229-242.

5 J. S. Assemani: B.C. 3,2 (1728), S. 448.

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138 M. Tamcke

zum Anlaß für eine kurze Untersuchung, die schon allein mit der Veröffent¬

lichung des von Assemani erwähnten Textes den schlagenden Beweis lie¬

ferte, daß Assemani sich geirrt haben mußte: Es handelte sich nicht um

eine von Sabriäö I. verfaßte Kirchengeschichte, sondern um eine Legende

über ihn selbst*. Anton Baumstark verzeichnete zu dieser Legende drei

Handschriften: je eine in Berlin, Rom und Jerusalem'. Darüberhinaus ist

auf eine weitere Handschrift in Berlin hinzuweisen, die am 5. 1. 1699 vom

Schreiber Hömö bar Daniel bar 'Elijä von 'Alqoä für den Priester Jäusep,

dem Sohn des Diakons Hormizd aus einem Dorf im Raum von 'Amadijä für

die dortige Marienkirche fertiggestellt wurde*. Die früheste Verarbeitung

der Legende fmdet sich im 11. Jahrhundert in der Chronik von Se'ert'; da

Sabriäö' im Jahr 604 gestorben ist, muß die Legende also zwischen dem 7.

und dem 10. Jahrhundert entstanden sein. Während die späteren Verarbei¬

tungen bereits größere Abwandlungen am Gehalt der Legende aufweisen,

ordnet die Überschrift sie schon einem größeren Werk zu („Aus der Kir¬

chengeschichte . . ."), so daß eine Abfassung im 8. oder 9. Jahrhundert

durchaus wahrscheinlich scheint.

Zum Inhalt: Beschrieben wird der Empfang eines oströmischen Bischofs

beim Katholikos-Patriarchen SabriSö'. Der Bischof gerät aufgrund des

ärmlichen Äußeren des Katholikos-Patriarchen in Zweifel über die Identi¬

tät des Mannes. Eine biblisch fundierte Zurechtweisung des Patriarchen

läßt sodann eine Verlegenheit beim Oströmer aufkommen, die dieser durch

das Angebot eines Kleidergeschenks zu überspielen sucht. Der Patriarch

aber wehrt ab und beweist mittels der wundersamen Heilung eines stum¬

men Knaben seine Glaubensmacht, die den Oströmer endgültig tief

erschüttert.

Es ist nicht viel, was wir anhand dieser Legende über die historische

PersörJichkeit Sabriäö's erfahren. Der markanteste Zug dieses monasti¬

schen Asketen auf dem Patriarchenstuhl jedoch ist deutlich anhand der

Darstellung der Kleidung des Katholikos-Patriarchen ausgeführt: Sein

ärmlicher Habitus - schlechter Rock, Decke aus Ziegenhaar und Kapuze -

verleiht dem asketisch-monastischen Wunsch nach Erniedrigung der Per-

sördichkeit seinen besonderen Ausdruck'". Diese Kleidung des Patriarchen

erinnert stark an die bereits vor dem 6. Jahrhundert gebräuchlichen

Gewänder der ostsyrischen Asketen in Persien, als das Bundesschema in

Form eines schwarzen Rockes mit aufzuknüpfender Kapuze gebräuchlich

' I. Guidi: Die Kirchengeschichte des Catholicos SahhrUö' I. In: ZDMG 40 (1886), S. 559-561: syrischer Text der Legende S. 560.

' A. Baumstark: Geschichte der syrischen Lüeratur. Bonn 1922, S. 128 (§ 20e Amn. 3).

' Ms. or.fol.3120 (Berlin),fol. 321vund 130v; vgl. Assfalg: Syriche Handschrif¬

ten, Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland. Bd. 5. Wiesbaden 1963, S. 119-121.

' PO V, 2, S. 494.

Vgl. A. Schimmel: Art. Kleidung I (Religionsgesehichtl.). In: RGG' 3. Bd., Sp.

1646-48, zu Asketen: Sp. 1647.

(3)

Eine Legende zum Selbstverständnis der Nestorianer 139

war". Wenig verwunderlich also ist das Erstaunen des oströmischen

Bischofs, der außerstande war, den Katholikos-Patriarchen in diesem

Mönchsgewand zu erkeimen.

Das Motiv der Kleidung ist nicht zufällig das initiale Moment der

Legende. Dem ärmlichen Gewand des Katholikos-Patriarchen nämlich

stellt der Hagiograph die „ansehnlichen und weichen Kleider" des oströmi¬

schen Bischofs gegenüber'^ Der Kontrast könnte deutlicher nicht sein,

wird aber nochmals vertieft, indem der Bischof als Abgesandter des Kai¬

sers Maurikios (582-602) ausgegeben wird. So äußert der SabriSö' der

Legende eine zweifache Kritik im Hinblick auf den Vertreter der oströmi¬

schen Kirche: einerseits fragt er anhand von Psalm 45, ob denn die Herr¬

lichkeit der Königstochter von außen käme, um andererseits betont gegen¬

läufig zu Matthäus 11,8 zu behaupten, daß jene, die Seidenstoffe anzögen,

in der Kirche seien. Typisch für die oströmische Kultur ist dann auch die

Reaktion des Bischofs eingefangen. Sein Angebot eines Kleidergeschen¬

kes entsprach der oströmischen Sitte der Roga, eines bei besonderen Gele¬

genheiten oströmischen Beamten neben ihrer festen Besoldung gewährten

Geld- oder Kleidergeschenks".

Die geradezu dem hierarchischen Denken widerstrebende Antwort

Sabriäö's - „Laß mich, mein Herr, ich bin keineswegs Patriarch" - wird in

der Legende freilich von der Wunderheilung des stummen Knaben, den der

Katholikos-Patriarch lediglich mittels der rechten Hand mit dem Kreuzes¬

zeichen bezeichnet, überlagert. Noch einmal wird so betont, daß die innere

Glaubensmacht äußerlichen Dingen überlegen ist.

Daß Sabriäö' mit seiner asketischen Lebenseinstellung zu den Ausnah¬

men unter den Katholikoi-Patriarchen des 6. Jahrhunderts zu rechnen ist

und schon sein Nachfolger wieder das entgegengesetzte Extrem prak¬

tiziert'", ermöglicht dem Hagiographen, SabriSö' für das konfessionelle

Selbstverständnis der nestorianischen Kirche in Anspruch zu nehmen.

Sabriäö' steht in der Legende nicht nur als Einzelperson, sondern zugleich

als oberster Repräsentant der nestorianischen Kirche, der Bischof hin¬

gegen erscheint als namenloser Vertreter der oströmischen Reichskirche.

Innerlichkeit, Askese und politische Unabhängigkeit heben die Nestoria¬

ner hier deutlich von dem als äußerlich empfundenen Prunk der Oströmer

und ihrer politischen Verquickung mit dem Oströmischen Reich ab. Die

konstantinische Wende hatte zur Ausbildung der oströmischen Reichs¬

kirche gefuhrt und zugleich später die grundsätzliche Alternative der

nestorianischen Kirche in Persien erfordert". In der Legende steht also die

" Vgl. 0. Braun: Ausgewählte Akten persischer Märtyrer. BKV 22. Bd., Kempten

und München 1922, S. 86 u. 283.

Vgl. J. Heubach: Art. Kleidung, geistliche. In: EKL^ 2. Bd., Sp. 844-847, bes.

Sp. 844 f

" H. W. Haussig: Kulturgeschichte von Byzanz. Stuttgart 1959, S. 212.

W. A. Wigram: An introduction to the history of the Assyrian Church or the Church of the Sassanid Persian Empire 100-640 a.D. London 1910, S. 246-250.

" Vgl. W. Hage: Die oströmische Staatskirche und die Christenheit des Perserrei¬

ches. In: ZKG 84 (1973), S. 174-187.

(4)

140 M. Tamcke, Eine Legende zum Selbstverständnis der Nestorianer

Heiligkeit des Katholikos-Patriarchen für die Evidenz der Richtigkeit

nestorianischer Frömmigkeit. Die konkrete historische Lebensweise

SabriSö's als Mönch und Asket wird dem Hagiographen Anlaß zu einer

Legende, die weit über diese biographische Notiz hinausführend grundle¬

gend das konfessionelle Selbstverständnis der Nestorianer im Gegenüber

zur oströmischen Reichskirche umreißt. Dieses Selbstverständnis war -

der historischen Befindlichkeit SabriSö's als eines Förderers der national¬

kirchlichen Identifikation mit dem Persischen Reich durchaus zuwiderlau¬

fend" - ein rein kirchliches, das keine Verquickung mit dem zur Zeit des

Hagiographen bereits islamischen Staat mehr ausweisen konnte". So

erkennt der oströmische Bischof der Legende abschließend die konfessio¬

nelle Eigenart der Nestorianer und ihre kirchliche Autorität wiederum in

Anspielung auf Psalm 45 und Matthäus 11,8 ehrfurchtsvoll und tief

erschüttert an: „Wahrhaftig, alle Herrlichkeit der Königstochter ist inwen¬

dig. Und jene, die Seidenstoffe anziehen, sind im Palast der Köiüge. Vergib

mir!".

" Zum Gesamtvorgang der Nationalisierung: G. Wiessner: Christlicher Heili¬

genkult im Umkreis eines sassanidischen Großkönigs. In: Festgabe deutscher Iranisten zur 2500 Jahrfeier Irans, hrsg. von W. Eilebs, Stuttgart 1971, S. 141-155.

" Vgl. auch Hage: Staatskirche (s. Anm. 15), S. 185-187.

(5)

141

BYZANTINISCHE ORIENTREISENDE IM

14. JAHRHUNDERT

Von Peter Schreiner, Köln

Es braucht an dieser Stelle die Bedeutung der reichen arabischen Reise¬

literatur nicht hervorgehoben zu werden. Wenn man zu diesem Genus noch

die geographischen Werke hinzunimmt, so entsteht ein eindrucksvolles

Bild der praktischen Interessen, die in der arabischen Welt immer auch

schriftlichen Ausdruck gefunden haben'. Es überrascht daher, jedesmal

von neuem festzustellen, eine wie geringe Rolle die zeitgenössische geogra¬

phische Literatur und die Reiseliteratur im Byzantinischen Reich spielte^.

Man beschränkte sich auf diesem Gebiet - wie in vielen anderen Bereichen

der byzantinischen Literatur - darauf, das Wissen der Antike weiterzutra-

dieren, ohne neue Erkermtnisse hinzuzufügen. Es ist unwahrscheinlich,

daß diese Gegenstände den Byzantiner überhaupt nicht interessierten. Die

byzantinische Administration und alle Personen, die davon abhängig

waren - Beamte, Legaten, Händler, Offiziere -, konnten nicht auf Wegbe¬

schreibungen und kartographische Werke verzichten; die Schiffahrt war

ohne Hafenbeschreibungen (Portulane) nicht denkbar. Und doch sind uns,

mit einer Ausnahme', griechische Texte dieser Art erst aus postbyzantini¬

scher Zeit (16. Jhd.) überliefert. Geographische Berichte galten als

Gebrauchsschriften, sie ließen sich nicht in „schöne Rede" fassen und

schienen, ob ihrer Banalität, dieser auch gar nicht würdig; die rhetorische

Verbrämung wäre zudem auch bei der praktischen Benutzbarkeit hinder¬

lich gewesen. Damit aber kamen diese Texte für eine bewußte und gezielte

Überlieferung nicht in Frage. In der Schilderung persönlicher Erlebnisse

war der Byzantiner immer zurückhaltend und verbarg sich gern hinter der

Schablone antiken Gedankengutes, so daß die wenigen erhaltenen Reise¬

berichte recht anonym wirken. Die meisten Reisenden waren gar nicht in

der Lage, eine Erzählung mit dem Mantel der Rhetorik zu verkleiden und

ließen es daher lieber bleiben, etwas niederzuschreiben. Es ist falsch, aus

dem Fehlen von Reiseliteratur zu schließen, daß der byzantiiüsche Mensch

ungern sein Haus verließ''. Gerade jene Gruppe, die Mönche, denen (im

' Siehe dazu jetzt in allen Einzelheiten die leider nur bis ins 11. Jhd. reichende

zweibändige Monographie von A. Michel: La giographie humaine du monde musul¬

man jusqu'au milieu du XI' siecle. Bd. 1. Paris 1967, Bd. 2. Paris 1975.

^ Jetzt übersichtlich zusammengestellt bei H. Hunger: Die hochsprachliche pro¬

fane Literatur der Byzantiner I. München 1978, S. 508-542.

' G. Huxley: A Phorphyrogenetan Portulan. In: Greek, Roman and Byzantine

Studies 17 (1976), S. 295-300. Der Text hat sich nur deshalb erhalten, weh er hand¬

schriftlich mit dem berühmten Zeremonienbuch des Konstantin Porphyrogennetos verbunden ist.

"* Die ortsansässige Lebensweise der Byzantiner hebt, m. E. zu Unrecht, A.

Kazhdan: People and Power in Byzantinum. Washington 1982, S. 42 hervor.

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