In diesem Abschnitt sei (X,M, µ) stets ein Maßraum.
8.1. Definition.
(a) Sei1≤p <∞. Setze kfkp :=Z
X
|f|pdµ1/p
.
(b) Sei f :X → K messbar. Dann heißt f wesentlich beschränkt, falls ein α >0 existiert mitµ({x∈ X :
|f(x)|> α}) = 0. Ferner heißt
kfk∞:= inf{α≥0 : µ({x∈X : |f(x)|> α}= 0)}
daswesentliche Supremum von f. (c) Sei1≤p≤ ∞. Definiere
Lp(µ) :=Lp(X, µ) :=Lp(X,M, µ,K) :=
f :f :X→Kmessbar undkfkp <∞ .
Satz:
(a) Lp ist ein Vektorraum.
(b) kfkp = 0gilt genau dann, wenn f(x) = 0für fast alle x∈X, d.h., es gibtN ∈ M, so dass µ(N) = 0 und für allex∈X\N gilt f(x) = 0.
(c) Seif ∈ Lp. Setze
N :={f : f messbar undf = 0µ-fast überall}={f : f messbar undkfkp = 0}.
Dann ist N ein Unterraum von Lp. (d) µ-fast überall gilt|f| ≤ kfk∞.
Beweis. a) Fürp=∞: Seiβ >kfk∞ und γ >kgk∞. So gelten
µ({x∈X :|f(x)|> β}) = 0 und µ({x∈X :|g(x)|> γ}) = 0.
Es gilt {x ∈ X : |f(x) +g(x)| > α+β} ⊆ {x ∈ X : |f(x)| > β} ∪ {x ∈ X : |g(x)| > γ}, und daher µ({x∈X:|f(x) +g(x)|> α+β}) = 0. Dies zeigt kf +gk∞≤ kfk∞+kgk∞.
Für1≤p <∞: Die Funktion R+3x7→xp ist konvex, d.h. a+b2 p
≤ ap+b2 p. Daraus folgt Z
X
|f+g|pdµ≤2p−1 Z
X
|f|p+|g|pdµ <+∞ fürf ∈ Lp.
b): Setze Nn := {x ∈ X : |f(x)| > kfk∞+ n1}. So gelten µ(Nn) = 0 und µ(S
n∈NNn) = 0. Ferner gilt f(x)| ≤ kfk∞ für jedesx∈X\S
n∈NNn. c), d): Klar.
8.2. Satz. Für1≤p≤ ∞ist aufLp die Funktion k · kp eine Halbnorm.
32
§8. LpR ¨AUME I. 33
Beweis. Homogenität ist leicht zu sehen. Die Dreiecksungleichung fürp=∞wurde im Satz§8a) bewiesen.
Für p < ∞ ist die Dreiecksungleichung ein Resultat von Minkowski, siehe Satz §8. Zum Beweis benötigen wir ein paar Hilfssätze.
Satz [Youngsche Ungleichung]: Für1< p, q <∞ mit 1p +1q = 1 und füra, b≥0gilt ab≤ app +bqq.
Beweis. Es reichtlog(ab)≤log app+bqq
zu zeigen, welche Ungleichung sich als 1plogap+1qlogbq≤log app+
bq q
schreiben lässt. Diese Ungleichung bedeutet aber die Konkavität von log, was aber natürlich stimmt.
Satz [Höldersche Ungleichung]: Es sei 1 ≤ p, q ≤ ∞ mit 1/p+ 1/q = 1 (interpretiere 1/∞ = 0).
Desweiteren seienf ∈ Lp(X, µ) undg∈ Lq(X, µ). Dann ist f·g∈ L1(X, µ) und kf gk1 ≤ kfkp· kgkq.
Beweis. Die Fälle p= 1,∞ sind trivial, sowie der Fall kfkp = 0 oder kgkp = 0. Natürlich ist f g messbar.
Seien G:=g/kgkq und F :=f /kfkp. Anwendung der Youngsche Ungleichung in jedem Punktx∈X ergibt nach Integration
Z
X
|F(x)G(x)|dµ(x)≤ Z
X
|F(x)|p
p dµ(x) + Z
X
|G(x)|q
q dµ(x) = 1 p +1
q = 1,
und die Behauptung folgt.
Satz [Minkowskische Ungleichung]: Sei1≤p <∞und f, g∈Lp(X, µ). Dann gilt kf+gkp ≤ kfkp+kgkp.
Beweis. Bemerkepq−q =p und verwende die Höldersche Ungleichung:
Z
X
|f +g|pdµ≤ Z
X
|f| · |f+g|p−1dµ+ Z
X
|g| · |f+g|p−1dµ≤
≤Z
X
|f|pdµ1/p
·Z
X
|f +g|pq−qdµ1/q
+Z
X
|g|pdµ1/p
·Z
X
|f+g|pq−qdµ1/q
=
=
Z
X
|f|pdµ1/p
+Z
X
|g|pdµ1/p
·Z
X
|f+g|pdµ1/q
,
Die Behauptung folgt nach Division mit dem rechten Term und p−p/q= 1.
Bemerkung:
(a) k · kp ist nur eine Halbnorm aufLp. Denn sei f ∈ Lp, es gilt kfkp = 0genau dann, wenn f ∈ N :={g: gmessbar undg= 0 µ-fast überall}.
(b) N ist ein Unterraum von M, dem Vektorraum der messbaren Funktionen (auch von Lp), und f ∼g ⇐⇒Def. f −g∈ N
definiert eine Äquivalenzrelation.
Wir können äquivalente Funktionen miteinander identifizieren, d.h. den Faktorraum definieren.
8.3. Definition. Der Raum Lp ist definiert durch:
Lp(X, µ) :=L(X,M, µ,K)/N, k[f]kp :=kfkp, für alle[f]∈L∞, die Äquivalenzklasse vonf . 8.4. Satz.
a) L∞(X, µ)ist ein Banachraum, undkfn−fk∞→0 genau dann, wenn eine MengeN ∈ Mmit µ(N) = 0 existiert, so dassfn(x)→f(x) gleichmäßig aufX\N.
b) [Riesz-Fischer]: Sei1≤p <∞. Dann istLp(X, µ) vollständig.
Beweis. a) ÜA.
b) Sei fn ∈ Lp(X, µ) mit P∞
n=1kfnkp = M < ∞. Nach Satz 1.5 genügt es zu zeigen, dass P∞
n=1fj in Lp konvergiert. Setze Gn := Pn
j=1|fj| und G := P∞
j=1|fj|. Dann kGnkp ≤ Pn
j=1kfjkp ≤ M für alle n ∈ N. Satz von monotoner Konvergenz ergibt
Z
X
Gpdµ= lim
n→∞
Z
X
Gpndµ≤Mp.
Das heißt G ∈ Lp(X, µ) und G(x) = P∞
j=1|fj(x)| < ∞ µ-fast überall, insbesondere konvergiert F(x) :=
P∞
j=1fj(x) für fast alle x∈X. Dann|F| ≤G, daherF ∈Lp(X, µ). Ferner
F −
n
X
j=1
fj
p ≤(2G)p ∈L1(X, µ),
nach Satz von Lebesgue
F−
n
X
j=1
fj
p p =
Z
X
F −
n
X
j=1
fj
pdµ→0
Satz: Seifn∈Lp(X, µ)eine konvergente Folge mitkfn−fkp →0. Dann existiert eine Teilfolgefnk, so dass fnk(x) µ-fast überall gegenf(x)konvergiert.
Beweis. (fn)ist eine Cauchy-Folge, Zuε= 1/2kwählenk> nk−1 mitkfn−fmkp ≤1/2kfür allen, m≥nk. Somit gilt kfnk+1−fnkkp≤1/2k, und daher
∞
X
k=1
kfnk+1−fnkkp <+∞.
Wie im Beweis vom Satz8.4b) beweist man, dass
∞
X
k=1
(fnk+1(x)−fnk(x)) für fast alle x∈X konvergiert.
DaLp vollständig ist, konvergiert diese Reihe auch inLp, d.h.
fnm+1(x)−fn1(x) =
m
X
k=1
(fnk+1(x)−fnk(x))−→g(x) fürm→ ∞,
für fast alle x∈X. Also fnm(x)→ g(x) +fn1(x) fast überall (m→ ∞). Aus dem Beweis vom Satz 8.4b), folgt fnm −→k·kp g+fn1, alsog+fn1 =f. Der Beweis ist fertig.
§8. LpR ¨AUME I. 35
8.5. Lemma. Die Treppenfunktionen liegen dicht in Lp(X, µ) für q≤p≤ ∞.
Beweis. Im Falle p =∞ ist das Resultat aus Maßtheorie bekannt. Für 1 ≤p < ∞ und f ∈ Lp(X, µ), sei n∈Nund definiere
An:=n
x∈X: n1 ≤ |f(x)| ≤no . So istµ(An)<∞, und für genügend großesn gilt
Z
X\An
|f|pdµ < ε.
Approximiere die beschränkte Funktion χAnf gleichmäßig auf An durch Treppenfunktionen χAng, also kχAnf −χAngk∞≤ε. So gilt auch
Z
X
|χAnf−χg|pdµ≤µ(An)εp,
die Behauptung folgt damit.
8.6. Satz [Dualität]. Sei 1 ≤ p < ∞, und (X,M, µ) σ-endlicher Maßraum. Sei 1/p+ 1/q = 1 (so genanntekonjugierte Exponenten). Dann definiert Lq(X, µ)→Lp(X, µ)0
J(g)f :=
Z
X
f·gdµ, g∈Lq(X, µ), f ∈Lp(X, µ).,
einen isometrischen Isomorphismus.
Beweis. J ist wohldefiniert nach der Hölderschen Ungleichung. Natürlich ist J linear. J ist isometrisch, denn seig∈Lq(X, µ) und setzef := |g|g
|g|
kgkq
q/p
. Dann kfkp =
Z
X
|g|
|gk p
|g|q kgkqq
dµ= 1
und R
Xf gdµ=kgkq. Es bleibt die Surjektivität vonJ zu zeigen.
1. Fall µ(X) < ∞: Sei ϕ ∈ Lp(X, µ)0. Betrachte ν : M → K, ν(A) := ϕ(χA) (χA ∈ Lp(X, µ)). ν ist ein signiertes (komplexes) Maß. Ferner ist ν absolut stetig bezüglich µ, dennA ∈ M und µ(A) = 0 impliziert χA = 0 µ-fast überall, d.h. χA = 0in Lp(X, µ), also ν(A) =ϕ(χA) = 0. Satz von Radon–Nikodým ergibt g∈L1(X, µ) mit
ν(A) = Z
A
gdµ= Z
X
χAgdµ ∀A∈ M.
Also wegen Linearität ϕ(f) = ∫Xf gdµ für alle Treppenfunktionenen f. Ferner |ϕ(f)| ≤ C0kfk∞. Die Treppenfunktionen sind dicht in L∞(X, µ), so gilt ϕ(f) =∫Xf gdµ für allef ∈L∞(X, µ). Wir zeigen nun g∈Lq(X, µ). Sei erst q <∞. Setze
(1) f(x) :=
(|g(x)|q
g(x) g(x)6= 0
0 sonst.
f ist messbar und |g|q =f g=|f|p. Für n∈N sei An:={x∈M :|f(x)| ≤n}. Dann istχAnf ∈L∞(X, µ) und
Z
An
|g|qdµ= Z
X
χAnf gdµ=ϕ(χAnf)≤ kϕkkχAnfkp =kϕkZ
An
|f|pdµ1/p
=kϕkZ
An
|g|qdµ1/p
=⇒ Z
An
|g|q ≤ kϕkq ∀n∈N.
Jetzt betrachten wir den Fall q = ∞. Dann |g| ≤ kϕk, denn sei A := {x ∈ X : |g(x)| > kϕk}. Setze f :=χA|g|/g,f ∈L∞(X, µ). Nehmen wirµ(A)>0an.
µ(A)kϕk<
Z
A
|g|dµ= Z
X
f gdµ=ϕ(f)≤ kϕk · kfk1,
und nach Annahme =⇒ µ(A)<kfk1, Widerspruch zuµ(A) =kfk1. Also g∈L∞(X, µ).
Die Treppenfunktionen sind dicht in Lp(X, µ) also ϕ=Jg.
2. Fall, µ(X) =∞: Es sei M =S∞
n=1Mn mit µ(Xn) <∞ und Mn paarweise disjunkt. Sei ϕ∈ Lp(X, µ)0. Setze ϕn(f) := ϕ(χMnf) für f ∈Lp(Xn, µn), wobei µn(A) :=µ(Xn∩A). Dann kϕnk ≤ kϕk, insbesondere ϕn ∈ Lp(Xn, µn)0. Verwende jetzt den ersten Fall um gn ∈ Lq(Xn, µn) zu bekommen. Setze g := P∞
n=1gn (in jedem Punkt nur ein Summand,gn wird durch0fortgesetzt aufMnc). Es istg∈Lq(X, µ)undϕ=Jg zu zeigen. Sei An:=Sn
j=1Mj undf wie in (1) Z
An
|g|qdµ=
n
X
j=1
Z
Mj
f gdµ=
n
X
j=1
Z
Mj
χMjf gj dµ=
n
X
j=1
ϕ(χMjf) =ϕ(
n
X
j=1
χMjf)≤
n
X
j=1
kϕkkχMjfkp
=kϕk ·Xn
j=1
Z
X
|χMjf|pdµ1/p
=kϕk ·Z
An
|g|qdµ1/p
.
Daraus folgtR
An|g|qdµ≤ kϕk, und nach dem Satz von Beppo Levi g∈Lq(X, µ). Es gilt:
ϕ(f) =ϕ( lim
n→∞χAnf) = lim
n→∞ϕ(χAnf) = lim
n→∞
Z
An
f g lim
n→∞
Z
M
χAnf gLebesgue
= Z
M
f g.
Korollar:
a) Für1< p <∞ istLp reflexiv.
b) L∞ undL1 sind im Allgemeinen nicht reflexiv.
c) Es giltkfkp= supn
∫Xf gdµ:g∈Lq(X, µ)o .
8.7. Theorem [Riesz–Thorin Konvexitätstheorem]. Sei T :L1 →L1 T :L∞→L∞
linear, ferner seienp0, p1, r0, r1 ∈[1,∞]mitp0< p1 und r0 < r1. Sei θ∈(0,1)und setze
1
pθ := 1−θp
0 +pθ
1 und r1
θ := 1−θr
0 +rθ
1. Dann gilt
kTkL(Lpθ,Lrθ)≤ kTk1−θL(Lp0,Lr0)kTkθL(Lp1,Lr1).
Beweis. Benutzt komplexe Analysis und ist technisch.
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